ultra straightie ও || 5

"Eigentlich ist er nicht so", entschuldigend und etwas peinlich berührt sieht Fanny mich an.

"Alles okay", winke ich ab, immer noch etwas sprachlos von Eliyas' Abgang. Aber eigentlich will ich mir davon jetzt auch nicht die Laune vermiesen lassen, kann mir ja eigentlich egal sein, was mit Eliyas ist.
Trotzdem, so scheiße kann er ja nicht sein, wenn Fanny und Co gerne mit ihm abhängen.
We will see.

"Weißt du, Eli ist wirklich ein lieber Kerl, sonst würden wir ja nicht mit ihm abhängen. Und er ist der einzige, mit dem ich mich über tiefergehende Kunstwissenschaften unterhalten kann, ohne dass ich ihn langweile. Er ist ein toller Diskussionspartner, ziemlich sarkastisch und auch zynissch, gleichzeitig aber auch sehr hilfsbereit und einfach goldig.
Aber.. aber irgendwie hat er eine Allergie gegen alles, was mit L anfängt und iebe endet. Jedes Mal, wenn wir gefragt haben, machte er zu und irgendwann haben wir damit aufgehört.
Eliyas ist wirklich immer total happy und ausgelassen, wenn er bei uns ist, aber wenn wir auf Liebe zu sprechen kommen - und glaub mir, das tun wir wegen Fionn oft! - ist er wie ausgewechselt.
Aber um ehrlich zu sein, glaube ich, er-" Sie stockt und sieht mich wiedermals entschuldigend an.

"Oh, sorry Mio, dass es ich dich hier so vollabere. Das interessiert dich wahrscheinlich gar nicht, ich meine - du kennst Eliyas nicht mal wirklich. Aber es beschäftigt mich so, ich hasse es, wenn Menschen, die ich lieb habe, unglücklich sind!"

"Alles gut, Sweetheart. Wenn du dir wegen Eliyas oder sonst jemensch oder etwas Sorgen machst, sprich darüber. Ich hab immer ein offenes Ohr für dich.", ich fahre sanft über ihre Schulter.

"Du bist zu lieb, danke Mio. Ich glaube, wir haben absolut die richtige Wahl mit dir für unsere WG getroffen!", lächelt sie mich offen an und ich kann nicht anders, als zurückzustrahlen. Ich bin angekommen.
Jetzt fehlt noch die große Liebe und ich kann mit voller Karacho, Freunden und Liebe ins Leben starten.

"Und die Vögel da sehen das genauso.", fügt sie grinsend hinzu und deutet auf die drei Silhoutten, die sich uns nähern.

"Huhu, ihr Hübschis!", begrüßt uns Henry im Zeitraffer winkend. Er ist eine der drei Personen, die Eliyas gerade beim Rausstürmen beinahe umgenietet hat. Im Schlepptau hat er Noah, bei dem ich zur Begrüßung einschlage und ihm auf die Schulter klopfe, und ein blondes Mädchen in weiter, zerfetzter Latzhose und weißem T-Shirt, das mit ihren großen, grauen Augen und der dünn gerahmten Brille extrem intellektuell aussieht.

"Was is'n mit Eli los? Hat uns grade siiemlich umgerumpelt. Habt ihr ihn sauer g'macht? Aaarmer Eli. Soll ich ihn trösdn geh'n? Du, du und du" -er deutet dreimal auf Noah- "kommt ma mit! Wir geh'n jesz Eli wieder glücklig machen!"

"Henry, aus! Du bleibst mal hier, ja? Ich glaube, Eliyas will jetzt ein bisschen allein sein, da wird ein besoffener Henry nix helfen! Außerdem bist du betrunken eh scheiße unsensibel", mischt sich Fanny in Henrys Monolog ein.

"Was ist denn eigentlich los?", fragt blonde Mädchen.

"Eliyas hatte-", Fionn bricht seinen Satz mit kieksender Stimme ab und läuft rot an.
Ah ja, dann ist das blonde Mädchen anscheinend Lida. Rein oberflächlich und ohne Einbeziehung des Charakters betrachtet; überaus nachvollziehbar. Lida ist ein echter Blickfang.

Aber wer bin ich schon, zu behaupten, dass Liebe immer nur angenehmen und beinahe fehlerlosen Persönlichkeiten zufallen würde und man sich nicht in die Ausstrahlung einer Person schockverlieben kann?

Fionn blickt hilfesuchend zu Adri, der ihm feixend mit der ausbleibenden Antwort aushilft. Anscheinend ist die 'Checka'-Nummer noch schlimmer als mein Harfeunterricht früher in die Hose gegangen.

"Eliyas hat heute nicht so nen guten Tag, er ist ein bisschen depri und scheiße drauf - alles wie immer, nur schlimmer", nach seinem Reim klatscht Adri für sich selbst.
Fionn wirft ihm einen dankenden Blick zu; wohl auch, weil Adri durch seinen albernen, erbärmlichen Applaus Fannys und vor allem Lidas Aufmerksamkeit zu sich gelenkt hat.
Fanny schlägt ihn gerade übrigens spielerisch dafür.

"Du bist so scheiße selbstverknallt!", seufzt sie auf.

"Nope. Ich weiß, dass ich toll bin. Das sind einfach Fakten. Und da Liebe blind macht, kann es keine Liebe sein - denn ich sehe dich immer noch klar und deutlich. Leider."
Jetzt schlägt Fanny ihn richtig. Einmal heftig gegen den Brustkorb.

"Ouch! Fan! Das war ein Witz!", beschwert er sich und reibt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht über die Brust.
Aggressiv schnaubt Fanny aus. "Du Affena-"

"Halt stop!", geht Noah dazwischen und Lida stellt sich sogar zwischen die beiden. "In einer Kirche wird nicht geflucht!"

"Genau, danke sehr. Fanny, du willst doch nicht deine Kirche der Träume mit deinem dreckigen Mundwerk entweihen?", fragt Lida scheinheilig und ich muss mir auf die Wangeninnenseite beißen, um nicht zu grinsen.
"Und jetzt geht ihr beide", sie deutet auf Fanny und Adri, "raus zu dem Wasserbecken vor der Kirche und klärt das in zwei Sekunden, knutscht euch danach ins Koma und dann dürft ihr wieder mit uns reden.
Wir kommen auch gleich raus, aber erstmal erklärt Blondie uns, was zum Teufel hier los ist!"

"Un' jesz huschusch", macht Henry und wackelt unbeholfen mit der Hand in der Luft umher, in die ungefähre Richtung von Fanny.

"Pff, okay. Danach seid ihr aber mit Erklären dran, weshalb Henry jetzt schon so stockbesoffen ist!" Fanny packt Adri am Oberarm, der Fionn verzweifelt ansieht. Dieser zuckt aber nur mit den Schultern und grinst.

"Alter, ich hab dir auch geholfen!" Jetzt ist es an Fionn, alarmiert auszuschauen und er schüttelt unmerklich, aber mit panischem Gesichtsausdruck den Kopf in Richtung Adri.

"Komm jetzt!" Fanny zerrt Adri hinter sich her den Gang entlang. Dann taumeln sie aus der Tür ins Tageslicht.

Lida kichert. "Nun gut. Weiteres Vorgehen: Noah, du läufst hinter Eliyas her. Ich weiß nicht, was los ist, aber seinem Gesicht nach zu urteilen, könnte er jetzt einen unwissenden, neutralen Freund gebrauchen.
Und du, Blondie: was for heaven's sake war hier los?"

Nachdem Noah Eliyas hinterher ist und ich Lida eine grobe Erklärung dessen, was bis zu Eliyas Ausrasten geschah, gegeben habe, stottere ich mir etwas zusammen. Immerhin weiß ich selbst nicht, was los war.

Mit Falkenaugen mustert sie mich, aber als ich nur mit den Schultern zucke, wendet sie sich Fionn zu. "So, und Fanny meinte, du wolltest mich etwas fragen?"
Da ich mir aus den Gesprächsfetzen, die ich mitgehört hab, erschlossen hab, dass Fionn Lida wahrscheinlich nach einem Date fragen will, zerre ich Henry an der Schulter Richtung Tür, um den beiden etwas Privatsphäre zu geben.

Fionns Gestotter und nervöse Ausstrahlung höre und spüre ich allerdings bis zum Ausgang. Henry dreht sich noch einmal um und brüllt: "Du schaffst das, Bro! Ich glaub an dich!"
Ich lasse mich davon mitreißen und rufe "You go, boy!" und recke meine Daumen in die Luft.
Dann preschen Henry und ich an einem älteren Ehepaar vorbei. Die beiden mustern und beinahe genauso irritiert wie Lida, die sich nun aber wieder dem rot angelaufenen Fionn zuwendet, der gerade tief Luft holt, um etwas zu sagen.

Dann knallt die Tür hinter mir und Henry zu, wir blinzeln ins Sonnenlicht.

Raus aus dieser Scheißkirche, weg von dieser bedrückenden Deckenmalerei.
Ich will einfach nur nach Hause, auf meine Matratze und über Eliyas nachdenken.
Er beschäftigt mich irgendwie. Auch wenn er mich kaum zehn Minuten mit seiner Anwesenheit beehrt hat und sich als schräger Vogel herausgestellt hat.

Vielleicht schaffe ich es, ihn aufzumuntern, ihm zu helfen, ihn zu ermutigen. Wenn ich auch keine Chance bei ihm jemals bekommen sollte, vielleicht als Freunde.
Ist jetzt ja nicht so, als wäre ich nach einem Treffen Hals über Kopf in ihn verliebt.
Wirklich nicht.
Doch ein bisschen Angst davor, was sich in mir für ihn entwickeln könnte, habe ich schon - denn so eine Wirkung innerhalb weniger Minuten, eines Augenkontakts, ein paar Wimpernschläge, wenige Sätze und eines Musterns hatte bisher niemand auf mich.

Ich weiß, ich muss ein wenig auf mein Herz aufpassen bei ihm, sonst klaut er es noch. Und das kann ich nicht gebrauchen - denn wenn ich eines nach seinem Blick auf mein Pride-Armband sagen kann: Entweder er ist ein Ultra-Straightie oder er leidet unter internalisierter Homophobie.
Im letzteren Fall hätte ich eventuell sogar eine Chance bei ihm.
Nur habe ich nicht den blassesten Hauch eines Schimmer, wie ich herausfinden kann, was der Fall ist.
Ich kann ja schlecht zu ihm hingehen, falls er irgendwann wieder mit mir reden sollte, und fragen: "Jo, Diggah, biste schwul oder kannste Schwule einfach nicht leiden. Wollte nur fragen, weil ich wissen wollte, ob ich vielleicht jemals eine Chance bei dir haben könnte. Aber no homo tho, Bro!"

Das wäre so ziemlich die blödeste Idee ever, gleich nach "Lass mal einen Metallschwamm und eine Batterie gleichzeitig essen".
Aber andererseits will ich unbedingt wissen, was bei Eliyas los ist.
Immerhin mag Fanny ihn. Und sie hat einen guten Geschmack.
Da wird er kein komplettes Arschloch sein.
Und solange ich auf mein Herz achtgebe, kann ich ihn vielleicht dabei unterstützen, wieder ein bisschen an die Liebe zu glauben.
Ich kann es nicht ab, wenn jemand traurig ist.

Und Eliyas ist ein trauriges Rätsel, auf das ich eine glückliche, mutige Antwort finden möchte.

Er wird mir definitiv schlaflose Nächte bescheren. Fuck.

"Hicks", reißt Henry mich aus meinen Gedanken, schwankt und hält sich an meiner Schulter fest. "Hupsi Schwupsi, hör auf dich zu drehen, Mioo"

Aus meinen vorahnenden Gedanken gezogen, muss ich lachen. "Na komm, Henrylein. Bringen wir dich Saufnase mal nach Hause. Was los ist, darfst du uns später erzählen, wenn du wieder halbwegs ausgenüchtert bist."

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