Kapitel 46
Das Abendessen verläuft sehr ereignislos. Das Einzige was ich bemerke, sind die Blicke die auf mir liegen. Ich spüre Dereks Blicke, die sich fast schon in meine rechte Gesichtshälfe einbrennen. Ich werfe ihm immer wieder halb belustigt, halb genervte Blicke zu. Aber es scheint so als mache es ihm Spaß, mich so zu nerven, denn er hört nicht auf.
Das zweite Augenpaar, das mich mustert, gehört Tyler. Doch immer wenn ich ihn anschaue, blickt er schnell weg und tut so, als wäre seine Gabel das Interessanteste, was es jemals gegeben hat.
Ich werde aus diesem Jungen einfach nicht schlau. Und aus meinen Gefühlen gegenüber ihm genauso wenig. Ich meine, ich müsste ihn doch eigentlich hassen, nach all dem, was vorgefallen ist. Gleichzeitig gibt es aber auch diese Momente, in denen ich mich ihm unglaublich nah fühle.
Derek muss meine angestrengten Überlegungen bemerkt haben, denn er fragt mich, ob ich gleich mit ihm an den Strand möchte. Ich verständige mich kurz mit Cassy, ob das in Ordnung sei und sie flüstert mir glücklich zu, dass sie sich gleich mit Harry treffen würde.
Ich quiecke leicht auf vor Freude. Cassy hätte es echt verdient, eine glückliche Beziehung zu haben und Harry ist perfekt für sie. Ich meine, man muss sich nur die Blicke ansehen, die die beiden sich zuwerfen und es ist deutlich, dass die beiden etwas für einander empfinden.
Also verabrede ich mit Derek, dass er mich gleich an meiner Hütte abholen würde. Danach stehe ich mit dem Rest der Gruppe auf, da alle fertig sind. Die kleinen Grüppchen verteilen sich langsam.
Ich gehe schnell zu meiner Hütte, als mir der Zettel einfällt, den mir Derek ja eben noch gegeben hatte. Ich ziehe ihn aus meiner Hosentasche und falte ihn auf. Darauf stehen fünf Worte: Ist nur mein eigener Duft...
Dahinter vollendet ein Pedo-Smiley die Notiz. Ich muss die Augen verdrehen, dass ist echt typisch Derek.
Immer noch mit einem kleinen Schmunzeln im Gesicht lasse ich mich auf mein Bett fallen und überlege, wie ich die Zeit totschlagen könnte, bis Derek endlich kommt. Ich entscheide mich dazu, mein Buch zu lesen.
Es ist ein Thriller von Sebastian Fitzek. Seine Bücher sind einfach der Hammer, auch wenn die Zusammenhänge und Umstände teilweise etwas schwer nachzuvollziehen sind. Aber das macht es eigentlich nur nich spannender.
Ich bin gerade auf Seite zwanzig angelangt und verstehe eigentlich noch nichts richtig, als es an der Tür klopft und im nächsten Moment Derek im Raum steht. Ich lege schnell mein Buch zur Seite und ergreife Dereks Hand, die er mir als Hilfe zum Aufstehen entgegen streckt.
Dann verlassen wir gemeinsam die Hütte und laufen - immer noch Hand in Hand - in Richtung Strand. Es fühlt sich nicht richtig, aber irgendwie gut an, seine Hand zu halten. Was ich damit meine, ist mir selbst nicht ganz klar.
Als wir am Strand ankommen, setzen wir uns an eine ruhige Stelle, weg von den paar Anderen, die schon am Strand zusammen sitzen. Dann lassen wir uns in den von der Sonne gewärmten Sand fallen und schauen für eine Weile einfach nur schweigend auf das Meer.
Ich beobachte, wie die Wellen immer wieder am Sand lecken, versuchen, immer weiter vorzudringen. Dabei spülen sie immer wieder neue Muscheln an und nehmen alte mit. Ein immer währender Kreislauf.
Derek reißt mich aus meinen Gedanken.
"Hey, ich muss dir was sagen."
Er klingt echt ernst und auch seine Augen strahlen nicht die Lässigkeit aus, die sonst ein so wichtiger Teil von ihm ist. Seine Muskeln im Gesicht sind angespannt, genauso wie seine Arme.
Mit den Händen schaufelt er immer wieder Sand von der einen zur anderen Seite. Dabei schaut er mich nicht eine Sekunde Sekunde an, sondern betrachtet, wie unter dem hellen Sand, den er zur Seite schaufelt, immer dunklerer zum Vorschein kommt.
Sein Verhalten ist gar nicht typisch für ihn, der sonst vor Lebensfreude nur so strotzt. Dementsprechen misstrauisch und auch leicht besorgt fällt meine Reaktion aus.
"Ok, schieß los..."
Fahrig durchstreifen seine Finger sein Haar und teilen es in sechs Bahnen ein. Er schluckt und schaut hoch in meine Augen.
"Also, ich sage das jetzt, weil ich nicht möchte, dass du dir falsche Hoffnungen machst. Das ist mir nämlich schon öfters passiert. Also das, was ich dir jetzt erzähle, habe ich noch nie jemanden vorher erzählt.
Naja, außer meinen Eltern.
Das ist auch der Grund, warum ich erst etwas später nach hier gekommen bin. Es gab Streit und mein Vater wollte mich erst gar nicht gehen lassen. Irgendwann konnte meine Mutter ihn dann doch überzeugen.
Auf jeden Fall geht es um folgendes..."
Derek schließt einmal kurz seine Augen und atmet tief durch. Als er mich wieder anschaut, brechen die Worte aus ihm heraus:
"Ich bin schwul."
Für einen Moment hört man nur die Wellen, die leise an Land schwappen.
Ich weiß gerade echt nicht, was ich sagen soll. Und das entgegne ich auch Derek. Dieser wendet sein Gesicht ab.
"Das hab ich mir schon gedacht..."
Er ist schon im Inbegriff zu gehen, als ich ihn zurück in den Sand ziehe.
"So war das gar nicht gemeint! Ich habe kein Problem damit, es hat sich nur nich keiner vor mir geoutet und ich wusste im ersten Moment nicht, was jetzt angebracht zu sagen wäre."
In Dereks Augen erscheint ein Leuchten und ein Lächeln schleicht sich auf sein Gesicht und wird immer größer. Dann umarmt er mich.
"Ich bin so froh, dass es raus ist. Und du es so gut aufnimmst."
Ich muss lachen. Dann antworte ich:
"Außerdem wollte ich schon immer einen schwulen besten Freund haben. Ich meine, jetzt können wir gemeinsam über heiße Jungs reden!"
Als Antwort erhalte ich von Derek nur ein Grinsen. Mittlerweile sitzen wir wieder nebeneinander im Sand und starren auf das Meer hinaus. Ein paar Sekunden später frage ich:
"Darf ich es denn Cassy erzählen? Ich möchte eigentlich keine Geheimnisse vor ihr haben und sie wird es auf jeden Fall auch positiv sehen. Das weiß ich sicher."
"Kein Problem, jetzt wo ich es dir erzählt habe, könnte ich es eh in die ganze Welt hinaus schreien!"
"Dann mach es doch."
Ich schaue ihn provozierend an. Er entgegnet meinen Blick.
"Oder traust du dich nicht?"
Ich weiß, dass Derek jetzt nicht mehr widerstehen kann, denn er hasst es, wenn man denkt, er sei ein Angsthase. Er schaut mich an und steht dann auf. In Richtung Ozean gewandt holt er noch einmal tief Luft und schreit dann so laut er kann:
"Ich bin schwul!"
Er bleibt noch ein paar Sekunden einfach stehen und scheint das Gefühl zu genießen, dass ihm dieser Ausruf bringt. Als er sich zurück in den Sand fallen lässt, merke ich ihm an, dass eine große Last von ihm abgefallen ist.
Die paar Leute, die am Strand sitzen, schauen kurz zu uns, Messen dem allen aber keine größere Bedeutung bei. Wahrscheinlich denken sie, es handelt sich um irgendeinen Scherz, den wir uns machen.
Ich spüre die Abendsonne, die mein Gedicht wärmt, schmecke das Salz des Ozeans, fühle den Sand an meinen Füßen, die mittlerweile vom Salzwasser unterspült werden und bin glücklich. Und ich glaube, Derek geht es ähnlich.
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Hellou🤗
The big revealing! Wer hätte damit gerechnet und wer hätte es sich anders gewünscht? Dann wäre ja vielleicht noch was aus Derek und Leana geworden...😏😉
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