Kapitel 38

Am Tisch angekommen, schiebe ich umständlich den einen der beiden davorstehenden Stühle weg, um für meinen Rollstuhl Platz zu machen.

Nach etwa einer Minute kommt auch Tyler, der bis dahin noch irgendwas am Herd gemacht hat. Als er fertig ist, legt er erst einen Untersetzer auf den Tisch und holt dann die Pfanne. Leider hat er einen Deckel über alles gelegt, so dass ich noch nicht sehen kann, was sich darin befindet. Doch als ich es sehe, läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Es fühlt sich so an, als würde sich im Mund nicht nur mein normaler Speichel sammeln, sondern mindestens der Nil! Und es riecht so verdammt gut!

Denn vor mir in der Pfanne liegt ein hoher Stapel aus Pancakes. Und es sind wahrscheinlich die perfektesten Pancakes, die je ein Mensch gemacht hat. Sie sehen so wunderschön aus, mit ihrer gleichmäßigen Oberfläche und...

„Du kannst dir auch gerne einen nehmen.", unterbricht Tyler meine Gedanken und deutet auf die Pancakes.

Schnell nehme ich mir einen und lege ihn auf den Teller vor mir, den Tyler mir hingestellt hat.

Gerade möchte ich ihn essen, da wirft Tyler ein: „Möchtest du nicht vielleicht noch etwas draufhaben? Ich meine, so pur schmeckt er doch bestimmt nicht so gut, oder?"

Er schaut mir tief in die Augen und lässt mir so einen kleinen Schauer über den Rücken laufen. Seine Augen haben sich seit unserer Begrüßung eben verändert. Sie sehen nicht mehr eisig aus, sondern tief und nachdenklich und irgendwie auch traurig, gar nicht wie die eines Badboys. Ich verliere mich in ihrer braunen Farbe und denke überhaupt nicht daran, zu antworten, seine Augen haben mich einfach in ihren Bann gezogen.

„Was möchtest du drauf?" fragt mich Tyler und wendet sein Gesicht schnell ab.

„Was gibt's denn?", frage ich ihn zurück, um etwas mehr Zeit zum Überlegen zu bekommen.

Seine Augen haben mich einfach komplett aus der Bahn geworfen, auch wenn ich weiß, dass so etwas nicht passieren darf. Ich wurde innerhalb kürzester Zeit von den beiden größten Badboys hier reingelegt und jetzt sitze ich mit dem einen hier in der Küche und wir essen Pancakes. Eigentlich müsste ich mich für meine Dummheit schämen und sofort hier raus gehen. Beziehungsweise fahren. Beziehungweise...

„Also, es gibt Käse, Marmelade, Schinken, Zimt, Zucker, Nutella und Erdbeeren. Oh, und Bananen!", trägt er mir die Auswahl der verschiedenen Beläge vor.

Es sind so viele, dass ich mich am Ende der Aufzählung gar nicht mehr an den Anfang erinnern kann. Zum Glück stellt Tyler alle Beläge auf eine Ablage neben dem Tisch, so dass nicht unbedingt auffällt, dass ich nicht zugehört habe. Langsam lasse ich meinen Blick über alles gleiten und entscheide mich schließlich für einen Nutellapancake mit Erdbeeren. Habe ich schon gesagt, dass ich Nutella über alles liebe? Ja? Egal, dann wisst ihr es jetzt nochmal.

Ich nehme mir jedenfalls die Zutaten und bemerke, wie Tyler jede meiner Bewegungen verfolgt. Als ich aufblicke, wendet er seinen Kopf schnell ab und fängt dann selbst damit an, sich etwas rauszusuchen. Er entscheidet sich für einen deftigen mit Käse und Schinken, was ich echt nicht verstehen kann, ich meine, warum nimmt man etwas Deftiges, wenn man auch Nutella haben kann?!

„Naja, nicht jeder kann es vertragen, immer Nutella zu essen so wie du!", entgegnet Tyler.

Warte, entgegnet?! Habe ich das etwa laut gesagt?!

„Ja, hast du!", kommt es von Tyler.

Und das auch?!

„Jep, das auch!"

Ok, warte...

„Hör am besten auf, darüber nachzudenken, sonst hören wir damit nie wieder auf!", schlägt Tyler mir dann lachend vor.

Ich nicke nur zustimmend, da ich echt keine Lust habe, all meine Gedanken laut auszusprechen, das würde wahrscheinlich echt viel zu dumm werden. Jetzt erst fällt mir ein, was Tyler davor gesagt hat.

„Soll das heißen, du wärst fett?", frage ich ihn neckisch.

Er scheint erst sehr verwirrt zu sein, nach einem kurzen Moment glätten sich aber die Falten auf seiner Stirn durch Erkenntnis und er lächelt.

„Nee, es sollte nur heißen, dass nicht jeder so schlank sein kann wie du. Ich mit meinem Idealkörper muss mir da natürlich keine Sorgen drüber machen!", kommt es von ihm mindestens genauso neckisch zurück, wozu er sich auch noch in eine übertriebene Pose wirft.

Das ist dann echt zu viel des Guten und ich kann nicht anders als in Lachen auszubrechen.

„Pssst, nicht so laut, wir können doch nicht die anderen auf das, was wir hier machen, aufmerksam machen!", ermahnt mich Tyler, hält die Arme vor Lachen aber immer noch in die Hüfte gestemmt.

Dieser Satz war so doppeldeutig, dass ich erst glaube, dass Tyler das absichtlich gemacht hat, als er allerdings wenige Sekunden später verstummt und rot wie eine Tomate wird, weiß ich, dass es das nicht war.

„So meinte ich das nicht, also nicht, dass du zu hässlich dazu wärst, aber... Also nein das sollte keine Anspielung sein, also ich wollte dich nicht verletzen... Naja... Also weißt du?!", probiert Tyler mir stotternd zu erklären, reitet sich aber immer weiter rein und fuchtelt immer mehr mit den Händen und Armen rum.

Eigentlich müsste ich mich jetzt irgendwie verletzt fühlen, aber das ganze Theater, dass Tyler aufführt, ist einfach viel zu lustig, als das ich jetzt irgendwie eingeschnappt sein könnte. Ich hänge mittlerweile so weit im Rollstuhl, dass ich Angst habe, im nächsten Moment raus zu fallen. Dazu rinnen mir so viele Tränen aus den Augen, dass man meinen könnte, dass ich heule. Und wusstet ihr, dass Lachtränen irgendwie nicht salzig schmecken, sondern... Anders?! Ich bis heute nicht, aber jetzt hatte ich auf jeden Fall genug Gelegenheit, es zu merken.

Tyler sagt jetzt nichts mehr und auch das rot hat sich schon fast wieder aufgelöst. Wie schafft er das nur so schnell?! Der ist ja echt ein Premium-Mensch!

„So lustig ist das jetzt echt nicht!", beschwert er sich gerade. Ich brauche etwa eine halbe Minute, bis ich mich beruhigt habe, dann erst fange ich langsam damit an, ihm zu antworten.

„Hast du deine Armbewegungen gesehen? Du warst wie ein betrunkener Dinosaurier, der gerade irgendwelche Menschen töten will! Du... Du... Du weinst?!", frage ich plötzlich total überrumpelt von dem plötzlichen Sinneswandel und werde ruhig.

Alles Lachen ist mit einem Mal verflogen, also ich den Badboy schlechthin, der gerade mir gegenübersitzt, weinen sehe. Ok, es ist nur eine Träne, aber er ist ein Badboy. Und Badboys weinen nicht. Hatte ich bisher gedacht. Aber da hatte ich mich anscheinend getäuscht. Oder Tyler ist einfach nur ein besonderer Badboy.

„Sorry, mir ist nur etwas ins Auge geflogen. Ist gleich wieder weg.", antwortet Tyler und reibt sich demonstrativ das Auge.

Man hätte es eigentlich glauben können, wäre da nicht dieser traurige Ausdruck in seinen Augen.

„Tyler, dass kannst du deiner Oma erzählen, wenn sie ihre Brille verloren hat. Ok, dann würde sie wahrscheinlich nichts mehr sehen, aber darum geht es nicht. Ich sehe doch, dass es dir scheiße geht. Ich weiß, in letzter Zeit ist viel passiert, was sich nicht gerade positiv auf die Beziehung zwischen uns ausgewirkt hat, aber trotzdem kannst du mir erzählen, was passiert ist. Ich verspreche dir, ich verrate es keinem und ich werde deinem Badboy-Image auch nicht schaden, aber erzähl mir was los ist. Danach geht es dir besser, auch wenn nur ich es bin."

Puh, dass war eine lange Rede, aber ich denke, ich habe mit ihr mein Ziel erreicht. Denn Tyler, der den Kopf meine ganze Rede über gesenkt gehalten hat, hebt ihn langsam und schenkt mir ein leichtes Lächeln. Dann atmet er einmal tief ein und aus, dann fängt er leise an zu reden.

„Es ist vielleicht fünf Jahre her. Ich war damals erst seit wenigen Tagen 13 und für mich hat es sich angefühlt, als wäre ich ein ganzes Stück älter geworden. Natürlich wollte ich das genießen und habe meiner Mutter gesagt, ich gehe zum Skateboard-Park. Sie hat mir noch gesagt, dass ich um sechs wieder da sein soll, also pünktlich zum Essen. Das hat mir natürlich nicht gefallen, denn ich war jetzt schließlich ein Teenager. Also, was habe ich damals als kleiner dummer Junge gemacht? Ich bin einfach länger dageblieben, ohne meiner Mutter Bescheid zu sagen, obwohl ich natürlich mein Handy dabeihatte, dass ich zum 13. von meinen Eltern geschenkt bekommen habe. Ich habe mich darüber echt gefreut. Ich erinnere mich noch..."

Plötzlich stoppt er und schüttelt seinen Kopf, dann redet er weiter. „Aber das ist jetzt nicht interessant. Also, ich bin auf jeden Fall dageblieben, ich hatte noch nicht mal was zu tun, ich saß da einfach nur rum um cool zu sein. Um neun Uhr jedenfalls war ich dann so hungrig und hab mich cool genug gefühlt, um nach Hause gehen zu können. Ich erinnere mich noch genau, ich hatte erst vor wenigen Tagen meinen eigenen Schlüssel bekommen, an dessen Ende ein kleiner Basketball hängt. Ich habe schon früher das Basketballspielen geliebt. Meine Mutter hatte mir einige Nachrichten geschickt und mich einmal angerufen, wann ich den käme und dass das Essen fertig sei. Das ist das einzige, was ich noch von ihr habe. Was mich an sie erinnert. Ihre Stimme."

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Hellou🤗

Extra zu Ostern noch ein Kapitel❤
Also, Frohe Ostern!🐇🐣🐥

Question of the Chapter:

Wie denkt ihr geht es weiter?😏🤓

Bis bald!👋
Love youuuuuuuu!❤❤❤

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