36. Jaylin: Mein Dad
Ich sah verwirrt zwischen meinen Eltern und Austin hin und her. „Was ist hier los?"
Mum schnaubte, verschränkte sauer die Arme. „Dein Vater ist los"
Er seufzte gequält und fuhr sich angestrengt über das Gesicht. „Elijah, ich denke es wäre besser, wenn du jetzt gehst", sagte er dann zu Austin.
Er sah mich kurz mit einem leidenden Ausdruck an, ich sah Reue in seinem Blick, ehe er sich zum Gehen umwandte.
Als er seine Schuhe anziehen wollte, hielt Mum ihn auf. „Nein, er geht nirgends hin. Wenn hier einer geht, dann du", sagte sie zu Dad.
Er presste die Lippen zusammen. „Müssen wir das jetzt vor Jay klären?"
„Ja, das müssen wir! Er soll wissen, dass man dir nicht vertrauen kann"
Ich war einfach nur überfordertet, vor allem weil Austin gerade ziemlich seltsam dastand mit den Händen vor seinem Schritt, als wolle er seine Eier schützen.
„18 verdammte Jahre!", brüllte Mum. Sie hatte Tränen in den Augen. „Und nach all der Zeit bist du immer noch nicht über ihn hinweg!"
Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich Dad ansah, der beschämt zu Boden blickte und dann Austin, der so aussah, als wolle er seinen Kopf in die Wand stecken.
Es war ruhig, nachdem meine Mum zuletzt geschrien hatte und keiner mehr eine Antwort wusste.
Wenn Mum so drauf war, dann stellte man sich ihr besser nicht in den Weg, denn das kam Selbstmord gleich.
Aber ich war zu neugierig, um jetzt einfach so hier herum zu sitzen. „Dad, was hast du getan?"
Mum rastete immerhin nicht grundlos so aus.
Er presste die Lippen zusammen.
„Na los, sag es ihm schon! Oder soll ich es tun?!" Mum sah Dad bedrohlich an, er sie flehend, aber er verlor den Kampf ihrer Blicke gnadenlos.
„Ich hab ihn geküsst, okay?!", stieß er dann aus.
„Mein Gott, jetzt hast du, was du wolltest!", giftete er Mum an und stampfte an ihr vorbei ins Arbeitszimmer.
Er knallte die Tür laut hinter sich zu.
So unbeherrscht hatte ich ihn noch nie erlebt. Er war meistens streng und manchmal impulsiv, aber nie so extrem.
Mum war deutlich damit beschäftigt, ihre Tränen zurückzuhalten. Ich wolle sie ja trösten, aber ich stand gerade selbst unter Schock.
Austin blicke mir in die Augen, ich ihm.
„Du hast aber nicht erwidert oder?"
Ich hoffte. Aber wie immer wurde ich enttäuscht.
Sein Blick war schon Antwort genug, doch seine Worte dazu brachten mich fast um. „Ich hab mehr getan als das. Es... Es hat sich richtig angefühlt in dem Moment"
Ich biss die Zähne zusammen, drehte mich um und wollte zurück in mein Zimmer fahren.
„Jay, bitte lass uns reden, ich... ich hab einfach nicht nachgedacht..."
Ich fuhr weiter, obwohl ich nichts lieber wollte als aufzuspringen und ihm eine runter zu hauen. Aber das würde ich eh nicht können, also musste ich anders damit umgehen.
Sobald ich die Tür hinter mir geschlossen hatte holte ich mein Handy vom Schreibtisch und schrieb Chad, dass er mir Boris' Nummer besorgen sollte.
Die Sache, die er mir erzählt hatte, war bis jetzt noch so weit weg gewesen, aber in diesem Moment war mir als je zuvor, dass ich wieder laufen können MUSSTE.
Die Leute dachten, sie könnten auf mir herumtreten und mich wie ein Stück Scheiße behandeln. Sie dachten, ich sei schwach. Austin dachte das. Deshalb hatte er das getan. Er dachte, er könnte es sich erlauben. Aber ich wollte nicht mehr der Schwache sein, so erbärmlich. Ich wollte mein Leben selbst in die Hand nehmen und das würde ich durch Boris' Hilfe auch tun.
Nachdem ich Chad geschrieben hatte, kam Luis in mein Zimmer zurück und musterte mich besorgt. „Ich verstehe nicht wirklich, was grade passiert ist", gab er zu.
Ich schüttelte schnaubend den Kopf. „Ich hab dir doch grade von Austin erzählt"
Einen Scheiß hatte ich erzählt, ich hatte geschwärmt und dabei schon fast gesabbert und beinahe einen mädchenhaften Anfall bekommen. Und Luis hatte das bemerkt, das machte alles nur umso schlimmer.
Er nickte zaghaft, ich schnaubte. „Das war er. Der Typ, der meinen Dad abgeknutscht hat."
„Oh", stieß Luis perplex aus. „Ja oh", meinte ich und setzte mich auf mein Bett um.
Er setzte sich zu mir. „Und was machen wir jetzt?"
Der Satz half wenigstens etwas für mich, nicht komplett zu verzweifeln.
Ich legte den Kopf auf seine Schulter, schnaufte erschöpft. „Lana del Rey hören und heulen", schlug ich vor.
So hatten wir das zumindest gemacht, als er mit 15 von seiner ersten Freundin verlassen worden war.
Luis war der einzige von meinen Freunden, den ich schon mein Leben lang kannte. Ich wäre froh, könnte ich behaupten, dass ich Austin so gut kannte wie ihn. Aber nein, er hatte mich voll ins Messer laufen lassen. Er hatte es mir sogar hingehalten.
Nach einiger Zeit bekam ich die gewünschte Nachricht von Chad. Er schickte mit Boris' Nummer und fragte mich, ob er kommen sollte, um zu reden. Ich versicherte ihm, dass er bei seinem Bruder bleiben sollte und ich klar käme. Er konnte hier ohnehin nichts tun.
„Was machst du jetzt?", wollte Luis von mir wissen, als ich Boris anrief.
„Ich werde dafür sorgen, dass Austin bereut, was er getan hat", meinte ich.
Luis' Augen öffneten sich weit. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Er sieht schon so aus, als würde er es bereuen und du..."
„Hei Boris, ich bins", fiel ich ihm ins Wort.
„Oh Jaylin. Hi. Was gibt's denn?", fragte er deutlich überrascht, aber auch erfreut.
„Bist du mit der Energiequellen-Sache weitergekommen? Ich brauche diesen Wunsch echt dringend"
Ich hörte ihn seufzen. „Ich habe etwas gefunden, aber es ist schwer zu entschlüsseln. Raphael will mir nicht helfen und das schließt auch Silas als Hilfe aus. Meine Schwester weiß nichts von meinem derzeitigen Problem und ich bin ehrlich gesagt nicht in der Verfassung, ihr das am Telefon zu erklären und sie wohnt zu weit weg, um einfach mal schnell vorbei zu kommen. Und wenn meine Oma erfährt, dass ich von Charlie getrennt bin und nicht nur wieder zuhause ohne, weil ich mich mehr mit meiner Familiensache beschäftigen will, rastet sie nur aus und killt Charlie vermutlich. Da es aber mein Ziel ist, mit ihm die Ewigkeit zu verbringen und nicht, dass er von meiner Großmutter abgeschlachtet wird, bin ich also gerade so ziemlich am Arsch. "
Er klang auch so... Er hörte sich so an, als sei er auf viiiiiiel Koffein.
„Vielleicht solltest du eine kleine Pause machen, ich komme vorbei und schaue mir das auch mal an"
Es brachte ja nichts, wenn er sich gesundheitlich selbst zerstörte.
„Das geht nicht", meinte Boris bedauernd. „Die Jägerschriften sind nur für Jäger zu lesen. Selbst wenn du es versuchst, verstehst du da kein Wort. Aber wenn ich es übersetzt habe, dann schicke ich es dir und du kannst helfen. Keine Sorge, Jaylin, wir finden schon einen Weg"
Ich seufzte „Gut. Danke. Und erzähl Austin nichts davon, dass ich auch einen Wunsch will, okay?"
„Das hatte ich nicht vor", meinte Boris.
Dann verabschiedeten wir uns und legten auf.
„Wovon habt ihr da geredet?"
Ich erklärte dem verwirrten Luis die groben Züge meines Planes und seine Augen wurden zu Anfang immer größer und dann voller Misstrauen und Unglauben immer kleiner.
„Dir ist klar, wie schwachsinnig das alles klingt oder? Ich meine, dass es Vampire gibt, ist schon klar, aber das ist auch bewiesen. Diese Sache mit dem Wunschbrunnen... Ich weiß nicht so recht. Das klingt nach Wunschdenken für mich"
Luis hatte natürlich Recht, aber es änderte meine Meinung nicht.
Ich legte in diesem Moment alles nur noch darauf aus, meinen Wunsch äußern zu können.
Ich wollte mein altes Leben zurück. Ein Leben, in dem ich kaum Gefühle hatte, wenn dann nur Lust und Schadenfreude, ein Leben, in dem ich unverletzbar war und vor allem; ein Leben ohne Austin.
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