20. Jaylin: Familienliebe

Wie die vergangene Woche auch saß ich nur auf dem Bett herum. Heute zockte ich schon den ganzen Tag, weil ich zu nichts anderem Motivation hatte. Irgendwie war alles außerhalb meines Zimmers unattraktiv für mich geworden. Ich wollte nur noch meine Ruhe.

Die Zeit mit Austin hatte echt Spaß gemacht, doch jetzt, wo es vorbei war, bemerkte ich, wie erbärmlich und trist mein Leben war.
Wirklich viel hatte er ja gar nicht gemacht, aber alleine seine Präsenz hatte immer schon gereicht, um alles ein Stückchen besser und vor allem erträglicher zu machen.

Ich wusste, es war meine Schuld, dass der Kontakt ausblieb.
Nach einer langen Diskussion mit Chad und genügend Zeit drüber nachzudenken, verstand ich Austins Punkte irgendwie. Aber ich wollte jetzt trotzdem nicht angekrochen kommen. Ich meine, er hatte sich ja nicht mal Mühe gemacht, mich zu kontaktieren.

Wahrscheinlich verschwendete er keinen einzigen Gedanken an mich. Wieso auch? Was sollte an mir anders sein, als an allen anderen, die er haben könnte? Als Freunde meine ich natürlich. Nur als Freunde.

Ich atmete frustriert durch, als ich bei meinem Fifa Spiel mal wieder verlor. Vielleicht sollte ich den Computergegner einfach auf leichter umstellen... Nein, das war unter meiner Würde.

Ich startete ein neues Spiel mit demselben Schwierigkeitsgrad, aber nicht nur, dass ich viel besser in Reallife Fußball spielen konnte als mit diesem Kontroller, so waren auch meine Gedanken einfach nicht in der Lage, zu fokussieren.

Ich war sogar ganz erleichtert, als es an meiner Tür klopfte.
Zuerst glaubte ich, es sei Chad, wobei das ziemlich unwahrscheinlich war, weil er heute mit seiner Freundin beim Shoppen war, doch als die Tür sich öffnete und Mum reinkam, freute ich mich auch.

Sie lächelte mich an. „Störe ich?"

Ich musste leicht lachen, schüttelte den Kopf. „Nein, komm ruhig rein"

Sie tat es, schloss die Tür hinter sich und kam zu mir. Kurz bevor sie bei meinem Bett ankam, machte sie einen Umweg zum Fenster und riss es auf.

„Mum, es wird kalt!", beschwerte ich mich.

„Da hast du eine Decke liegen, Schatz, dann nutze sie auch" Sie deutete auf das Bett, auf dem ich ohnehin saß.

Seufzend zog ich sie über mich, bis zum Bauch.

„Hier drinnen erstickt man ja fast", erklärte sie ihre Tat mit dem Fenster. Ich seufzte bloß. So war meine Mum halt... Widerreden waren zwecklos.

Sie kam danach zu mir und setzte sich auf meine Bettkante.

„Willst du irgendetwas bestimmtes?", fragte ich ein bisschen verwirrt. Sie sollte lieber arbeiten gehen, damit ich mehr Geld für Videospiele bei ihr abziehen konnte.

Sie lachte leicht. „Außer mir anzugucken, was ich da Wunderbares aus meiner Mumu gepresst habe?"

„Boa Mum!!!"

Sie war so peinlich, obwohl nur wir beide es mitbekamen, was sie hier von sich gab.

Mum kicherte. „Du bist so verkrampft. Dein Vater war früher genauso"

„Oh das glaube ich dir sofort", meinte ich nickend.

Sie seufzte. „Sei doch nicht immer so streng mit ihm, mh? Er tut doch auch nur sein Bestes."

Ich seufzte. „Ich weiß. Aber er tut zu viel. Er überfordert mich. Das hat er schon immer getan. Und jetzt kann ich nicht mal mehr davor weglaufen..."

Mum nickte und tätschelte meine Hand, die so da lag. „Ich weiß, mein Großer. Aber versuch doch mal, ihn zu verstehen. In deinem Alter war er schon Vater und hat den Mann verloren, den er geliebt hat, zudem hatte er seinen Abschluss vermasselt, sein Stipendium verloren und seine Eltern wollten auch nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er hatte es nicht leicht und er wollte immer nur, dass du es einfacher hast."

„Moment mal" Sie legte fragend den Kopf schief, als ich das sagte.
„Du warst schwanger mit mir, als er noch mit Elijah zusammen war?"

Mum seufzte. „Ja. Aber das ist eine andere Geschichte."

„Erzähl, ich hab Zeit und nichts Besseres zu tun. Meinen täglichen Marathon bin ich heute schon gelaufen." Ich legte den Kontroller weg und sah Mum abwartend an.

Sie lachte leicht über meinen schlechten Humor und erzählte dann. „Ich kann dir da gar nicht so viel dazu sagen. Bevor Elijah mit Jeremy zusammen gekommen ist, war er mein Freund. Ich war natürlich sehr wütend, als er mich für einen Jungen verlassen hat und ich war verletzt und irgendwie wollte ich es ihm auch heimzahlen. Jeremy und Elijah haben gar nicht so lange für ihren ersten Streit gebraucht und als Jeremy wütend auf Elijah war und vor allem sehr sehr betrunken, hat er sich mit mir abgelenkt, wobei es sein könnte, dass wir so dicht waren, um zu vergessen zu verhüten. Und weil ich zu dem Zeitpunkt die Pille noch nicht genommen habe, konntest du entstehen." Sie lächelte mich unbeholfen an.

„Wow", meinte ich gespielt begeistert. „Da fühlt man sich ja gleich so richtig gewollt"

Mum lachte leicht. „Du bist sehr gewollt, mein Schatz. Es war eine Überraschung, das gebe ich zu, aber keine schlechte. Elijah und Jeremy sind nach dieser Sache wieder zusammen gekommen, bis zu Elijahs Tod. Erst dann hatten Jerrys Eltern von uns beiden erfahren und sie waren außerdem sehr entrüstet, weil er durch die Prüfungen gerasselt ist. Er hat mit Elijah alles verloren, weißt du? Aber er hat uns beide dazubekommen und das weiß er auch sehr zu schätzen. Er liebt uns über alles." Ich sah das Leuchten in Mums Augen, ihr Glück, ihre Liebe zu Dad. „Ich weiß, es ist keine Geschichte wie aus dem Märchenbuch, aber wen interessiert der holprige Anfang, wenn es ein perfektes Ende wird?"

„Das hast du schön gesagt, Lini" Als ich das hörte, sah ich nach rechts zur Tür, in der Dad stand und Mum anlächelte.

Sein Blick sprang zu mir, er schlenderte in den Raum, setzte sich auf die Bettkante, auf der Mum nicht saß und strich mir die Haare aus der Stirn, um sie zu küssen, als er das tat. „Nur weil du nicht geplant warst, heißt das nicht, dass du mir weniger bedeutest. Du warst das, was meinem Leben in meiner schwersten Zeit einen Sinn gegeben hat, Jaylin. Dank dir bin ich mit der Liebe meines Lebens zusammen gekommen. Du bist das Beste, was mir je passiert ist. Ich will nur, dass du das weißt und vielleicht daran denkst, bevor du mich das nächste Mal absichtlich provozierst"
Beim letzten Satz grinste er und ich musste es ebenfalls tun.

Die Worte meiner Eltern hatten mich gerührt. Ich hatte das noch nie zu hören bekommen, daher bedeutete es mir unglaublich viel.

„Wie wär's mit einer Runde Familienkuscheln, und dann tun wir so als sei das hier niemals passiert? Ich finde das nämlich echt krass kitschig" Ich zog die Nase kraus, Mum und Dad lachten, als wir uns alle zeitgleich umarmten.

Die beiden wagten es doch echt, mir links und rechts einen Kuss auf die Wange zu drücken, aber ich konnte nur darüber lachen. Wahrscheinlich benahmen sie sich nur so, weil sie noch so jung waren. Dad war grade mal 37 und Mum 36. Sie konnten auch meine ältereren Geschwister sein, wenn man es mal so sah.

„Ach und wenn wir schon dabei sind", meinte Mum, als sich alle wieder von mir gelöst hatten.

Dad und ich sahen sie fragend an.

„Herzlichen Glückwunsch" Sie schlug Dad kumpelhaft auf die Schulter.
Er sah sie fragend an und vor allem verwirrt, als er sich über die Schulter rieb. Gott, er war manchmal so ein Lappen.

„Du hast es schon wieder fertig gebracht, mich unbeabsichtigt zu schwängern"

Geschockt sahen Dad und ich Mum an.

„Verarsch mich nicht", hauchte er.

Sie schüttelte den Kopf, während sie breit lächelte. „Ich hab nur auf den passenden Moment gewartet, es euch zu sagen und hier ist gerade so viel Familienliebe in der Luft, dass ich es für passend gehalten habe"

„Oh mein Gott", hauchte Dad, dann breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus und er zog meine Mum über mein Bett zu sich, um sie glücklich zu küssen.

Ich machte ein Kotzgeräusch, doch die ließen sich davon nicht beirren. Is ja ekelhaft. Warum durften das alte Leute überhaupt noch? Sollte verboten werden, also echt.

„Hei, du hast sie schon geschwängert, nochmal eins geht nicht!", bemerkte ich hinweisend.

Ich freute mich natürlich sehr für meine Eltern, aber mir war auch klar, dass das einen großen Umschwung bedeutete.

Ich als großer Bruder? So? Wie sollte das denn funktionieren? Ich würde kläglich versagen.

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