13. Austin: Besuch
Ich saß mit Raphael und Silas auf dem Sofa.
Wir hatten die Musik laut aufgedreht, doch das änderte nichts an den Lauten, die aus Charlies und Boris' Zimmer kamen.
Raphael stieß überanstrengt die Luft aus und rieb sich über das Gesicht. „Scheiße, Charlie ist fast 900, wieso hält der solange durch?", fragte er verzweifelt.
Silas drückte sich schon seit geraumer Zeit ein Kissen auf die Ohren, hörte also nichts von dieser Aussage.
Ich saß da, die Füße auf dem Tisch und die Arme verschränkt, während ich Boris Charlies Namen stöhnen hörte. Sogar das Bett krachte immer wieder an die Wand.
Wenn sie bis in 5 Minuten nicht fertig waren, dann würde ich dazwischen gehen, so viel stand fest. 1. Konnte das nicht gesund sein für Boris, egal wie vergnügt er klang und 2. Wollten Chad und Jay gleich vorbeikommen. Ich hatte keine Lust, dass die einzigen, die so sehr an meinem Leben zu interessiert sein schienen, dass sie sogar ihre Freizeit dafür opferten, sofort wieder einen Abflug machten, nur weil Charlie es Boris so hart besorgen musste, dass der vor Schmerz und Erregung zugleich das Haus durch seine Schreie zum Wackeln brachte.
Und ganz ehrlich, Charlie war auch nicht besser. Ja, wir hatten mittlerweile alle verstanden, dass Boris sich gut anfühlte. Meine Güte, wie oft wollte er das denn noch brüllen?!
„Ich bringe mich um", verkündete Silas nuschelnd.
Bei jedem Anderen wäre die Tatsache, dass sie gerade nebenan Sex hatten unbeschreiblich geil, doch das da waren meine besten Freunde und das war einfach nur zum Kotzen. Sowas konnte man doch nicht machen!
Die Schreie und Töne steigerten sich zu einer wahnsinnigen Lautstärke, man hörte das Bett im schnellen Tempo wackeln.
Ich war dankbar, als es vorbei war. Das Bett stellte die Geräusche ein, man hörte kein Stöhnen mehr, sondern nur noch ihre Herzschläge und ihre Atmung , aber wenn ich mein Gehör auf ein menschliches herabschraubte, dann konnte ich endlich nur noch die Musik in diesem Raum genießen.
„Endlich", stöhnte Raphael neben mir, stand auf und schaltete die Musik ab.
„Ihr seid widerliche perverse Schweine!", brüllte Raphael in Richtung von Charlies Zimmer.
Dann hörte man ihn und Boris lachen.
Toll, dass sie ihren Spaß hatten. Das bewies nur noch mehr, wie Single ich eigentlich war.
Raphael redete auf Silas ein, damit er sich traute, die Kissen wieder von den Ohren zu nehmen und ich seufzte schwer.
Gerade war ich dabei, die Ruhe zu genießen, als es an der Tür läutete.
Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und eilte zur Tür. Die hatten ja echt ein Wahnsinns Timing. Ich riss sie auf und stand Chad gegenüber. Wir begrüßten uns mit einer flüchtigen Umarmung.
„Kannst du mir kurz helfen?", meinte er dann, deutete zur Treppe, die zur Tür hochführte und dann zu Jaylin.
„Klar"
Zusammen hoben wir den Rollstuhl mit Jay darin hoch auf die Treppen, damit er ins Haus fahren konnte.
„Das wird ein Grund sein, warum das hier das erste und letzte Mal ist, dass ich dich besuche", meinte Jay bissig.
Er war eine Kratzbürste. Aber ich hatte ja schon an Boris festgestellt, dass mir das irgendwie gefiel.
„Stell dich nicht so an, Jayjay", meinte ich mit einer wegwerfenden Handbewegung und deutete ihm und Chad mir ins Wohnzimmer zu folgen.
„Also ich wohne hier mit meinen besten Freunden", erklärte ich über die Schulter.
„Cool eine WG"
„So ähnlich" Eine Richtige WG konnte man es nicht nennen. Wir hatten das Haus von Benedikt bekommen und Silas und Boris waren einfach irgendwann hier eingezogen...
Wir kamen im Wohnzimmer an und Silas und Raphael unterbrachen ihre Kissenschlacht, sahen uns neugierig an. Langsam legten sie ihre Kissen weg und versuchten unschuldig auszusehen. Deppen.
„Chad, Jay, das sind Silas und Raphael.", meinte ich.
Ich hasste solche Förmlichkeiten.
Sie gaben sich alle kurz die Hand.
„Irgendwoher kenne ich dich", meinte Chad mit einem nachdenklichen Blick zu Raphael.
Er zog die Augenbrauen hoch, während er besitzergreifend einen Arm um Silas legte.
Sie „kannten" sich eigentlich schon daher, dass Chad mir geholfen hatte, Silas und Raphael nachhause zu bringen, doch Chad hatte sich damals eher auf mich konzentriert und Silas und Rapha waren betrunken gewesen, also zählte das wohl nicht wirklich als kennenlernen...
„Mich wundert's, wenn mich einer nicht kennt, so oft wie in den Nachrichten über mich berichtet wird die letzten Jahre.", meinte er nüchtern und missbilligend.
„Er ist der Vampirprinz", meinte ich zur Erklärung, winkte ab.
Er soll mal nicht so viel darauf geben, es war auch nur ein Titel und stolz war er darauf ohnehin nicht mehr.
„Krass. Ich würde ja auf die Knie fallen und mich verbeugen, aber..." Jay sah Kian gespielt bedauernd an und klopfte auf den Rollstuhl.
Ich unterdrückte mein Lachen, aber Raphael nicht. „Du bist lustig", grinste er. „Ich mag ihn, er darf hierbleiben"
Dann sah er zu Chad und wartete wohl auf eine Art Qualifikation. Er spielte aber das Spielchen nicht mit, sondern verschränkte die Arme und sah Rapha herausfordernd an. Sie lieferten sich ein Blickduell, bis Raphael zufrieden grinste und mich ansah. „Der ist mutig, er darf auch bleiben. Aber wehe ihr veranstaltet eine Orgie, noch mehr Gestöhne ertrage ich heute nicht"
„Zum Glück", murmelte Silas.
„Mit Ausnahme von dir natürlich" Raphael tippte seinem Verlobten auf die Nasenspitze und schlenderte dann aus dem Raum.
Silas verdrehte die Augen. „Ich glaube, er ist sexsüchtig", zischte er mit einer besorgniserregenden Ernsthaftigkeit.
Ich zuckte mit den Schultern. „Dann mach's wie Charlie bei Boris und brich ihm das Becken, dann will er bestimmt ein paar Wochen nicht mehr"
Silas dachte ernsthaft darüber nach, dann lachte er. „Ich glaube nicht, dass ich das hinbekomme und eigentlich mag ich es ja, ihn..."
„Okay, danke, du musst meine Gäste nicht gleich wieder vertreiben. Heb dir deine Sexgeschichten für den zweiten Besuch auf. Und jetzt Tschö mit Ö"
Silas lachte und ging kopfschüttelnd aus dem Raum. Endlich.
„Nett", kommentierte Chad.
Ich zuckte mit den Schultern. „Naja, Raphael ist sowas wie mein Ziehsohn und Silas ist seit 5 Jahren sein Freund. Ich bin also dazu verpflichtet beide zu mögen, egal wie sehr sie mich manchmal zur Weißglut treiben" Ich zuckte mit den Schultern und sah sie dann fragend an. „Wollt ihr was trinken?"
„Habt ihr denn was anderes als Blut?", fragte Jay aus hochgezogenen Augenbrauen.
Ich lachte und deutete ihm mir in die Küche zu folgen. „Ja, haben wir. Boris und Silas sind Menschen und Raphael kann auch Essen.", meinte ich und öffnete die Getränkeschublade mit einem Ruck, sodass die Glasflaschen wackelten.
„Was willst du?"
Er konnte es sich ansehen und zog dann eine Fanta heraus.
Ich verzog das Gesicht. „Ich hab das zwar noch nie getrunken, aber es riecht nach purem Zucker" Ich holte ihm ein Glas runter und überreichte es Jay, damit er sich selbst etwas einschenken konnte. Er schien glücklich darüber, dass ich ihn das machen ließ.
„Ist es auch, aber außer Chad wird mich sowieso nie wieder jemand nackt sehen, daher muss ich ja nicht auf meine Linie achten", lachte Jay ironisch und trank das halbe Glas in einem Zug. Dann stellte er es auf der Ablage ab und wir gingen wieder ins Wohnzimmer, wo Chad es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte.
„Ihr habt ein schönes Haus", Er sah sich bewundernd um.
Ich nickte zustimmend. Das fand ich auch. „Hat Benedikt, Raphaels Vater uns gekauft, als wir auf die Menschenschule gegangen sind."
Chad nickte verstehend, aber Jay wusste mal wieder von nichts. „Naja vor 5 Jahren war dieses Programm... Ein Versuch der Eingliederung, damit unsere Rassen Frieden schließen. Es hat ganz gut funktioniert, deshalb bewegen wir uns jetzt relativ frei in der Menschenwelt, aber die meisten von uns gehen doch lieber zurück in unser Reich."
„Was hält dich hier?", wollte Jay von mir wissen.
Ich zuckte mit den Schultern. Diese Frage hatte ich mir selbst noch nie gestellt. Es war einfach, als müsste ich hier sein. Als würde mich hier etwas erwarten...
„Keine Ahnung. Ich bin damals mit Charlie, Raphael und ein paar Freundinnen hierhergekommen und habe noch keinen Grund gesehen, wieder zu gehen, obwohl ich hier schon etwas überflüssig bin..."
„Ach laber kein' Scheiß", hörte ich eine gepresste Stimme hinter mir und drehte mich um.
Boris lief gekrümmt zu uns und hielt sich dann an meiner Schulter fest, als er meine Gäste musterte. „Wer seid ihr denn?" Neugierig wie immer.
„Jaylin und Chad. Du?", fragte Chad.
„Boris", meinte er und rieb sich über den Hintern. „Du hast keine Ahnung, wie gerne ich jetzt etwas von deinem Blut hätte", knurrte er gequält.
Ich deutete ihm still zu sein und zog ihn mit in die Küche. „Du bist selbst Schuld, wenn du dich so hart nehmen lässt. Sag Charlie doch mal, dass er es sanfter machen soll"
„Aber ich mag das so", schmollte Boris mich an.
Dummer Idiot. Aber ich konnte ihm einfach nicht böse sein, vor allem nicht, wenn er mich so ansah.
Ich ging auf die Knie und drehte ihn um, zog sein Shirt hoch und küsste seinen unteren Rücken.
An seinem erleichterten Seufzen hörte ich, dass es etwas half.
„Danke", als er das sagte, hörte ich auf und stand wieder auf.
Er umarmte mich. „Ich weiß echt nicht, was ich ohne mein Schmerzmittel auf zwei Beinen machen würde. Ich liebe dich"
Ich seufzte. „Das sind die Hormone", murmelte ich und schob ihn wieder weg. „Versprich mir, dass du mit Charlie darüber redest, Boris. Wenn er dir nochmal was brechen sollte, bekommt er es nämlich mit mir zu tun."
Boris nickte seufzend. Dann gingen wir wieder zurück ins Wohnzimmer, nur um zu beobachten, wie Charlie mit verschränkten Armen vor dem Sofa stand und auf Jay und Chad runter starrte, die eingeschüchtert zu ihm hochsahen, wie kleine Kinder, die etwas angestellt hatten.
Boris' Kichern zog ihre Aufmerksamkeit auf uns.
Sie sahen erleichtert aus, als sie mich sahen.
„Charlie, hör auf, ihnen Angst zu machen", genervt schob ich ihn zur Seite.
„Ich hab ihnen keine Angst gemacht", meinte er neutral. „Ich habe lediglich getestet, wie leicht sie einzuschüchtern sind und das sind sie sehr einfach. Sicher, dass das Kerle sind und keine kleinen Mädchen?"
Jay schnaubte angepisst, doch traute sich zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, nicht direkt das zu sagen, was er wohl dachte. Das würde ich ihm auch raten...Das meiste, was dabei rauskam, war ziemlich angreifend, und Charlie nahm sowas viel zu ernst, auch wenn er schon um ein Vielfaches lockerer geworden war, seit er Boris hatte.
Charlie sah von Jay zu mir. „Komm auf keine dummen Ideen, Austin. Du weißt, was ich mit dir anstelle, wenn du wieder jemandem dein Blut gibst"
Ich kapierte nicht, wovon er sprach. Dann sah ich aber seinen Blick zu Jays Rollstuhl huschen und die Erkenntnis traf mich.
Ich nickte nur und dann übernahm Boris zum Glück wieder das Ruder. „Da wir das jetzt geklärt haben... War nett euch kennenzulernen, Chantal und Jasmin. Seid lieb zu Austin, sonst reiße ich euch die Eierstöcke ab und Tschüss" Er zog Charlie mit sich und verschwand wieder.
Überanstrengt rieb ich mir über das Gesicht. „Sie sind schrecklich", murmelte ich. Peinlicher hätte es doch echt nicht werden können...
Überraschenderweise hörte ich ein leichtes Lachen und sah zum Verursacher.
Jay.
Er war mir bisher nicht wie der Typ zum Lachen vorgekommen. Dafür sah er meistens viel zu traurig und unzufrieden aus, aber ich stellte fest, dass mir sein Lachen gefiel. Es brachte mich automatisch zum Grinsen. Verrückt oder?
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