1. Austin: Erwischt

„Nein, ich kann jetzt nicht", zischte ich in mein Handy.

„Komm schon, Austin, mir ist langweilig!"

Ich schwöre Boris war mir noch nie so auf den Sack gegangen wie in diesem Moment.

„Boris, frag Charlie."

Ich sah die Frau unter mir entschuldigend an, die ihr Kichern zurückhielt und sich schon mal die Bluse auszog. Lecker.

„Der ist Arbeiten. Komm schon, du bist doch mein bester Freund" Er zog immer diese Karte, um mich auszunutzen. Früher hatte sie auch immer gezogen, aber die Sache mit Boris und mir war mittlerweile 5 Jahre her und ich war über ihn hinweg.

„Ich sag dir das jetzt ein letztes Mal. Wenn du nochmal anrufst, reiße ich dir das Rückgrat raus, hast du mich verstanden?", brummte ich in den Hörer.

„Du bist so scheiße.", murrte er.

„Kann ich nur zurückgeben. War's das dann?"

„Ich liebe dich auch, Arschloch" Danach legte er auf und ich war unendlich erleichtert.

Ich warf mein Handy rücksichtslos auf den Boden und widmete mich der Frau unter mir. „Und jetzt zu dir"

Sie grinste, als sie meinen Oberkörper entlang strich und sich dabei auf die Lippe biss. Sie zog meinen Kopf zu sich herunter und küsste meinen Hals, während ich ihr die Hose öffnete und zwischen ihre Beine streichelte. Ihr entkam ein leises Stöhnen und ich nahm es als Zeichen, ihr die kurzen Shorts runter zu ziehen.

Gerade war sie dabei, auch mir die Hose zu öffnen, als wir eine Stimme hörten: „Lea, ich bin zuhause!"

Was zum?! Sie hatte mir gesagt, sie wohnte allein.

„Scheiße", zischte sie, drückte mich runter und zog sich an.

„Was geht denn jetzt ab?", fragte ich verwirrt.

Sie hob mir den Mund zu. „Sei leise! Das ist mein Freund. Er wird ausrasten, wenn er dich sieht."

Ungläubig sah ich sie an. Ihr scheiß Ernst?!

„Los!" Sie hielt mir mein Shirt hin.

„Du hast mir nicht gesagt, dass du einen Freund hast", flüsterte ich aufgebracht, als ich das Shirt an mich nahm.

Sie wollte gerade antworten, als die Tür aufflog und ihr Blick sich dorthin wandte.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst.", hörte ich eine männliche Stimme bedrohlich.

Ich hasste Lea dafür, dass sie mich in solch eine Lage brachte, doch das war noch lange nicht alles...

„Ich kann das erklären" Lea ging zur Tür und ich zog mich erstmal an, ehe ich mich umdrehte und erstarrte.

Das erklärte wenigstens etwas.

Lea redete auf einen Typen ein, wollte immer wieder ihre Hand auf seine Wange legen, aber er hielt ihre Handgelenke fest und von sich entfernt. Doch das war nicht wirklich das Erste, was mir auffiel. Das erste, was mir ins Auge stach, war der Rollstuhl, in dem der Typ saß. Mal ganz abgesehen davon sah er eigentlich ziemlich normal aus. Braune Haare, blaue, vor Wut funkelte Augen und leicht rote Wangen.

Ups, er sah mich an und knirschte mit den Zähnen.

Stumm starrte er mich an, während Lea sich entschuldige und sich an Erklärungen versuchte.

„Ach halt den Mund, ich kann's nicht mehr hören!", schrie er plötzlich.

Sie zuckte zusammen, schrecke einen Schritt zurück und sah total blass auf ihren Freund hinunter.

„Ich hab dir beim letzten mal gesagt, dass wir Schluss machen sollten", sagte der Typ. Er wirkte sehr aufgebracht, aber um Ruhe bemüht. „Du hast gesagt, dass es nur ein Ausrutscher war. Ich hab dir geglaubt, Lea, ich hab dir verziehen. Ich hab dir vertraut. Aber ich lass mich nicht weiter verarschen"

Mit diesen Worten drehte er sich um und fuhr aus dem Raum.

„Jay, warte!" Lea eilte ihm hinter.

Sie stritten lautstark und ich stand hier in einem fremden Schlafzimmer und fühlte mich mies.

Eine Affäre zu sein war ja schon scheiße, aber die Affäre  der Frau eines Typen, der im Rollstuhl saß, fühlte sich einfach mies an. Er konnte ja nichts dafür, dass sie sich ihre Befriedigung woanders holte... Der Arme.

„Es reicht!" Als er das brüllte, zuckte ich zusammen.

Vielleicht sollte ich mal raus gehen, hier hatte ich eh nichts mehr zu suchen.

Unsicher bahnte ich mir meinen Weg zur Ausgangstür und lief im Flur genau auf Lea und den Typen zu.

Lea hielt die Griffe des Rollstuhls fest und zog ihn zurück, während sich der Typ alle Mühe gab, die Räder festzuhalten. Es war offensichtlich, dass er weg wollte und sie seine Hilflosigkeit ausnutzte.

„Lea, ich hab dir tausend Mal gesagt, du sollte diese scheiß Griffe nicht anfassen!", fauchte er.

„Ich will nur das Beste für dich, Jaylin. Ich liebe dich, du musst bei mir bleiben"

„Einen Scheiß muss sich außer sterben!"

Das konnte jetzt ewig so weiter gehen. Natürlich hatte ich die Wahl einfach zu verschwinden, aber ich war für das Chaos hier verantwortlich, also sollte ich auch es lösen.

Ich ging zu den Streitenden und löste Leas Hände von den Griffen des Rollstuhls.

Der Typ war überrascht, drehte sich um und sah mich an. Er schnaubte „Keine Sorge, du kannst sofort weiter machen"
Dann sah er Lea an. „Ich hole meine Sachen die Tage. Aber ich gebe dir vorher Bescheid, damit ich dich nicht in einem unpassenden Moment erwische" Er kniff die Augen zusammen, drehte sich dann wieder um und fuhr raus.

Lea wollte ihm hinterher, aber ich hielt sie fest.
„Jaylin, bitte!"

„Lass gut sein. Er muss sich beruhigen" Als ich sicher war, dass sie nicht rausstürmen würde, ließ ich Lea los.

Sie schlug mir auf die Brust „Das ist alles deine Schuld! Wir hätten längst fertig sein können, hätte dein scheiß Freund nicht angerufen!"

Mir klappte der Mund auf. War das jetzt ihr Ernst?!

„Dir ist bewusst, dass du mir nicht mal erzählt hast, dass du einen Freund hast oder? Und dass er sich gerade richtig mies fühlt? Aber nein, du gibst mir die Schuld. Gut gemacht, Lea, echt." Ich ging zur Garderobe und warf mir meine Jacke über. „Tu mir einen Gefallen und lösch meine Nummer wieder. Mit Leuten wie dir will ich nichts zu tun haben" Dann ging auch ich.

Ich hörte die geschrienen Beleidigungen noch bis ich das Hochhaus verließ. Sobald ihre Stimme aus meinem Ohr war, fühlte ich mich erleichtert. Ich hatte in den letzten Jahren echt viele One night stands gehabt, aber sowas war noch nie vorgekommen.

Aber das war für den Abend noch nicht alles, denn ich hörte das Fluchen einer bestimmten Stimme, schon bevor ich um einen Ecke bog und den Typen sah, der mit dem Rollstuhl im Boden festzustecken schien. Eines seiner Räder war im Boden verkeilt.

Ich joggte schnell rüber und schob ihn raus. Er seufzte schwer und murmelte einen Dank.

„Schon gut.", meinte ich.

Sein noch gesunkener Kopf richtete sich sofort auf, als er mich hörte und er sah über die Schulter zu mir. „Du schon wieder.", brummte er dann. Seine hasserfüllten Blicke machten mir ein noch schlechteres Gewissen.

Ich ging um ihn herum, damit er sich nicht verbiegen musste, um mich anzusehen. „Tut mir leid, das mit deiner Freundin. Ich wusste nicht, das sie in einer Beziehung ist und hätte ich es gewusst, dann wäre ich sicher nicht mit ihr nachhause gegangen..."

„Fällst du immer fast auf die Knie, wenn dich jemand beim Vögeln mit seiner Freundin erwischt, oder nur wenn er im Rollstuhl sitzt?", fragte er angepisst.

Ich schluckte, mein Blick wanderte zu dem Gefährt. Ich musste es einfach mustern, dann seine Beine die irgendwie total normal aussahen und dann wieder sein Gesicht. Er war viel zu hübsch, um so bestraft zu sein.

„Ich... Mir ist das bisher noch nie passiert...", meinte ich.

Er zog die Augenbrauen hoch. „Ach du stehst du eigentlich gar nicht auf vergebene Frauen, sondern nur auf meine?"

Ich seufzte frustriert. „Wie gesagt, ich wusste nicht, dass sie vergeben ist. Und an deiner Stelle würde ich sie nicht mehr als seine Frau bezeichnen, sonst lässt sie dich gar nicht mehr gehen. Und ..."

„Könntest du aufhören mir Tipps für eine Beziehung zu geben, die du gerade zerstört hast?"

Ups.

„Sorry", murmelte ich, sah auf meine Fußspitzen.

Eine Weile war es still. Er fuhr nicht weiter und ich stand einfach so da und schämte mich.

„Ist okay", seufzte er irgendwann. Er klang erschöpft. „Du bist eh nicht der erste, mit dem sie das abzieht. Ich sollte gar nicht mehr überrascht sein..."

Unsicher sah ich wieder zu ihm. „Wieso bist du denn überhaupt noch mit ihr zusammen?"

Was es zu viel für jemanden in meiner Position, diese Frage zu stellen? Ja.
War ich es und tat es deshalb trotzdem? Ja.
Und antworte er darauf? Ja.

„Ich weiß nicht", er sah nachdenklich aus. „Ich wollte einfach etwas aus meinem früheren Leben behalten, schätze ich." Ein Blick auf seine Beine reichte und ich ahnte, was er meinte.

„Kann ich dich irgendwo hinbringen?", frage ich ihn. „Ich fühle mich so verdammt mies"

„Wow, ein Fuckboy mit Herz", lachte er ironisch und rollte an mir vorbei.

Kurz blieb ich stehen, doch dann holte ich zu ihm auf und lief neben ihm her.

„Ich bin gar nicht so einer...", versichterte ich ihm.

„Ach nein?" Er zog die Augenbrauen hoch, klang kritisch.

Ich seufzte. „Ja okay, irgendwie doch. Aber ich bin kein gefühlskaltes Arschloch. Ich weiß, wann ich anderen wehtue und es tut mir leid, dass es dich getroffen hat"

Er schüttelte den Kopf. „Mach dir keine Gedanken. Wärst du es nicht gewesen, hätte sie es mit einem anderen gemacht. Sie ist einfach so... Ich bin selbst Schuld, weil ich immer wieder auf ihre Lügen reinfalle"

„Du liebst sie", sagte ich. „Da ist man blind"

„Sprichst du aus Erfahrung?" Er sah zu mir hoch.

Mir kam der Gedanke, wie paradox es war, ein solch fast schon vertrautes Gespräch mit jemandem zu führen, den man unter anderen Umständen vielleicht Krankenhausreif geschlagen hätte.

Ich zuckte mit den Schulten. „Ich war bisher erst einmal verliebt", meinte ich. „Er hat mich nie betrogen oder so, es war einfach... Wir kannten uns gar nicht richtig und ich war einfach verrückt nach ihm, aber ich war nur ein Freund für ihn und er hat mich ziemlich ausgenutzt, weil er was von mir gebracht hat, das andere ihm nicht geben wollten und er von ihnen auch nicht bekommen hätte..."

„Er?" Fragend sah er mich an.

Ich nickte. „Boris." Ein Seufzen entkam mir. „Eigentlich wollte ich ihn nur rumbekommen, damit er mich entjungfert, aber naja... Die Ehre hatte ich leider nie"
Ich musste leicht lachen, als er mich verstört ansah. „Was dagegen?", frage ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.

Er schüttelte den Kopf. „Nein, Mann, mein Dad ist selbst bisexuell. Aber ich frage mich nur grade, welches Loch du bei Lea genommen hättest" Er sah mich nachdenklich an.

Ich musste lachen. „Das interessiert dich?"

Er zuckte mit den Schultern. „Naja, ist doch interessant. Wenn du die Wahl hättest, Arsch oder Vagina?"

Lustig war er ja schon. Und gut sah er auch aus. Unter anderen Umständen hätte vielleicht er unter mir gelegen und nicht seine Freundin...

„Wenn es schnell gehen muss, Vagina. Ansonsten nehme ich lieber die Hintertür", grinste ich.

Er nickte verstehend. „Aha. Ich würde ja sagen, ich probiere das auch mal aus, aber... naja, wäre eine Lüge"

Mitleidig sah ich ihn an.

Er winkte ab. „Ach spar dir diesen Blick. Der ändert auch nichts, außer dass ich mich fühle wie ein Krüppel"

Ich wollte ihm sagen, dass er solche Sachen nicht sagen sollte, aber ich hatte einfach nicht das Recht dazu.

Ich meine, ich kannte ihn ja kaum. Aber irgendetwas in mir wollte ihn kennenlernen. Wieso? Wenn ich das bloß wüsste.

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