Von Kuschelbären und schlechte Karten
~Ein paar Tage zu vor~
Total geschafft schließe ich die Türe auf und lasse meine Reisetasche direkt im Eingang fallen. Sieben Stunden Autofahrt und das ohne Pause, ist echt anstrengend. Ich wollte heute allerdings unbedingt wieder zu Hause sein, fast drei Tage und zwei Nächte ohne Jamie waren schon genug. Außerdem ist morgen der erste Samstag im Monat, was bedeutet, dass Jamie und ich unseren legendären "Bettsamstag" machen. Ich hoffe bloß, dass Caro dran gedacht hat und dafür eingekauft hat.
"Toni du bist wieder da.", höre ich meine beste Freundin rufen und werde im nächsten Moment von der Brünetten umarmt.
"Wie war die Fahrt?"
"Wo ist Jamie? Hier ist es ziemlich ruhig.", will ich wissen anstatt zu antworten.
"Er ist noch mit zu Ian. Seine Mama hat mir hoch und heilig versprochen, dass sie ihn um halb sieben nach Hause bringt.", informiert mich Caro.
„Och man, ich habe mich so sehr auf ihn gefreut!", gebe ich von mir.
„Nun stell dich mal nicht so an. Er...." - „Caro, Jamie und ich waren in den letzten sechs Jahren nicht einmal soo lange getrennt!", unterbreche ich sie.
Kaum zu glauben, dass es schon über sechs Jahre her ist, als mein Vater mich vor die Wahl gestellt hat. Als er versucht hat mich zu überzeugen, dass eine Abtreibung für ein sechzehn Jähriges Mädchen besser ist. Als ich mich das erste Mal in meinem bisherigen Leben, gegen meinen Vater gestellt habe und noch nicht mal von meiner Mutter unterstützt wurde. Sechs Jahre in denen ich mit meinen Eltern keinen Kontakt mehr habe, weil ich mich gegen die Abtreibung und für Jamie entschieden habe, woraufhin mein Vater knall hart meine Koffer gepackt hat und mich aus dem Elterlichen Haus geworfen hat.
Wahrscheinlich wissen meine Eltern gar nicht das meine Wunschzukunft gar nicht eingetreten ist. Dann ziehe ich halt zu Markus, waren meine Worte als mein Vater meine Koffer gepackt hat.
Markus. Ich war damals so blauäugig. Er war meine erste große Liebe, hat mir sämtliche Sterne vom Himmel geholt und mir weiß gemacht, dass ich das wichtigste für ihn bin. Er ist zwei Jahre älter als ich und kommt aus einer guten, ansehnlichen Familie. So naiv wie ich damals war, habe ich wirklich geglaubt er würde zu mir stehen. Er würde mich, seine Schwangere Freundin bei sich aufnehmen. Tja Pustekuchen... Mein Traum ist so schnell wie eine Seifenblase zerplatzt. Kaum war das Wort Schwanger über meine Lippen gekommen, hat er mir ziemlich Emotionslos klar gemacht, dass er mit all dem nichts zu tun haben will.
So stande ich plötzlich alleine da. Schwanger. Vom Freund verlassen. Den eigenen Eltern verstoßen. Minderjährig. Mittellos. Planlos.
Ich hätte zurück zu meinen Eltern gehen können, allerdings war ich zu stolz und das hat die Enttäuschung nun auch nicht mehr ändern wollen.
Ich habe meine Verrückte Patentante Venus in London aufgesucht und ihr meine Situation erklärt. Venus war mal die beste Freundin meiner Mutter. Sie ist ein wenig spezielle. Andere würden verrückt sagen. Sie legt Karten und meint in die Zukunft schauen zu können.... als Kram von dem ich nicht alt so viel halte, aber was will man machen? Sie ist und war zumindest für mich da.
Obwohl oder grade weil sie zu meinen Eltern schon Jahrelang kein Kontakt mehr hatte, hat sie mich, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, bei sich aufgenommen und alles Formelle für mich geklärt.
Vielleicht wissen meine Eltern, dass ich bei ihr untergekommen bin, vielleicht war es ihnen auch egal....
Die Monate bis zur Geburt von Jamie waren hart, ich hatte nicht nur mit den Tücken der Schwangerschaft zu kämpfen sondern musste auch noch zusehen, dass ich damit klar komme, völlig alleine da zu stehen.
Irgendwann hat mich meine Tante fast schon gezwungen wieder zur Schule zu gehen, noch während der Schwangerschaft. Wirklich dran geglaubt Anschluss zu finden habe ich nicht. Doch schon am ersten Tag ist mir Caroline über den Weg gelaufen. Es war Freundschaft von erster Sekunde. Damals hatte grade das Gerücht, sie würde auf Frauen stehen, die Runde gemacht. Unsere Mitschüler haben es ihr echt nicht leicht gemacht. Ich konnte über diese Intoleranz nur mit den Kopf schütteln und habe mich nicht von den anderen nicht beeinflussen lassen. Caro war einfach da, hat von Anfang an zu mir gehalten und war mir eine Unheimliche Stütze. Auch als klar wurde, dass an den Gerüchten ein funk von Wahrheit steckt, habe ich mich nicht abschrecken lassen und auch zu ihr gehalten.
Wir sind vom Typ er eigentlich total unterschiedlich. Während sie manchmal echt verrückte Sachen macht, eine ziemlich große Klappe hat, immer sagst was sie denkt und ohne Punkt und Komma reden kann, bin ich eher die Ruhigere und Erwachsene von uns beiden.
Mittlerweile wohnen wir beide, zusammen mit Jamie, hier in diese Zentralen vier Zimmer Wohnung, schon vier Jahre.
Caro arbeitet als Frisörin und Stylistin in einem Salon im Stadtkern, während ich bei einer Arztpraxis angestellt bin. Mit Hilfe von Venus und Caro, habe ich eine Ausbildung als Arzthelferin machen können.
Da ich jemand bin die ständig neues Lernen will und ich mich ziemlich gut mit meiner Chefin verstehe, hat sie mich für drei Tage nach York zu einem Buchhaltungsseminar geschickt.
Caro hat sich in den Tagen alleine liebevoll um Jamie gekümmert. Mit ihrem Chef hatte sie ausgemacht, dass sie für die drei Tage nur ein paar Stunden am Morgen arbeiten geht, um sich nachmittags um Jamie zu kümmern und ihn vor allem von der Schule abzuholen. Wenn bei ihr doch noch ein Termin dazwischen gekommen ist, sollte der Kleine zu Venus - obwohl er sie ein wenig unheimlich findet.
„Nun stell dich nicht so an süße, Jamie hat es ganz gut ohne dich ausgehalten. Er war mal ganz froh nur mit seiner Tante hier zu sein, die ihn nach strich und Faden verwöhnt hat.", erwidert sie.
„Wie schön, dass ihr das beide so locker weg gesteckt habt, ich fande die zwei Nächte alleine nicht so toll!", gebe ich von mir.
„Alleine warst du doch auch nicht, Jamie hat dir doch extra Boo eingepackt.", erinnert sie mich.
Lächelnd muss ich an den Morgen zurück denken an dem er mir seinen Teddy in die Tasche gelegt hat, auch wenn meine Tante mal wieder etwas komisch war....
~Flashback~
Total wuselig laufe ich durch die vier Zimmer Wohnung. Irgendwas sagt mir, dass ich etwas vergessen hab. Irgendwas, ich weiß nur nicht was....
Ich wühle nochmal meine Tasche durch. Wechsel Sachen, Zahnbürste, Seminarunterlagen, Stifte, Bürste, Handtücher, Waschzeug, Teddybär, Papiere... Moment, was zum Teufel macht der Teddybär in meiner Tasche.
"Jamie?", rufe ich und stecke statt den Teddybären meine Maskara und den Eyeliner in die Tasche.
"Ja?"
Halb angezogen steht er in der Türe meines kleinen Schlafzimmers. Ich seufzte, gehe in seine Richtung und Knie mich zu ihm runter. Mit ein paar gekonnten Griffen ziehe ich ihm seine Hose richtig an und helfe ihm auch sein Pullover vernünftig anzuziehen. Eigentlich sollte man meinen, dass er mit seinen sechs Jahren schon in der Lage sein sollte sich vernünftig anzuziehen und eigentlich klappt das auch schon ganz gut, nur halt nicht immer......
"Verrätst du mir was Boo bei mir in der Tasche macht?", frage ich ihn
Mit seinen kleinen braunen Augen schaut er mich an. "Weißt du, du fährst doch gleich zu diesem Schuldingensda und du hast gesagt, dass du zwei Nächte nicht zu Hause bist und ich wollte einfach nicht, dass du dich alleine fühlst.", erklärt er mir und zieht einen Schmollmund. Kurz schaue ich ihn prüfend an und drücke ihm einen Kuss auf die Stirn. "Okay. Glaubst du denn, dass du es zwei Nächte ohne Boo schaffst?", frage ich ihn, schließlich ist es sein Lieblingsteddy.
"Also das wird sehr hart Mum, aber du hast ja gesagt, ich darf in deinem Bett schlafen und Tante Caro ist ja auch noch da.", erwidert er. "Na dann sei so lieb und pack ihn wieder in die Tasche, okay?!", bitte ich ihn. Eifrig nickt er und kommentiert dies mit einem kurzen 'kay.
Ich stehe wieder auf und beobachte meine kleinen Mann, wie er schnell zur Tasche läuft und seinen Teddy Boo wieder in die Tasche legt.
"Hast du deine Schulsachen schon zusammen gepackt?", will ich von ihm wissen.
"Ja, doch schon gestern mit Tante Carolin.", erinnert er mich.
"Ey, wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst dieses doofe Tante nicht sagen?", bemerkt meine beste Freundin und steckt den Kopf ins Zimmer.
"Mama sagt das doch auch immer.", kontert er.
"Der Mama kann ich dafür auch in den Hintern treten. Du hast noch Welpen schutz.", erwidert sie und geht wieder.
"Okay Tante Carolin.", gibt er nun von sich und
beton das Tante nochmal absichtlich
"Hör mal junger Mann, dass Smatieis mit Brombeeren und Kartoffelchips kannst du heute Abend von der Speisekarte streichen. Für dich gibt es nur noch Wasser und trocken Brot.", gibt sie drohend von sich. Ein außenstehender würde diese Drohung wahrscheinlich für voll nehmen, aber sowohl Jamie als auch ich, wissen das sie es nur so daher gesagt hat.
Wieder zieht er ein Schmollmund, was Caro allerdings nicht sieht, da sie direkt weiter gegangen ist.
"Na komm, wir müssen noch Frühstücken bevor ich dich zur Schule bringe.", gebe ich von mit und lege meine Hand an sein Rücken, um ihn aus dem Raum zu Führen.
Caro steht schon bei uns in der Küche. Sie ist ziemlich groß, weswegen ein langer, dunkler Esstisch in der Weißen Küche mit hell grünen Wänden steht.
Als wir die Küche betreten, stellt die brünette grade eine Tasse Kakao auf den Tisch. Wir versuchen in der Woche immer mit den Kleinen zu frühstücken, was auch relativ gut klappt, da sein Unterricht immer um halb neun anfängt.
"Was möchtest du denn auf dein Schulbrot?", will ich von ihm wissen.
"Himmbeermarmelade?", gibt er von sich und lässt es wie eine Frage klingen.
Tadelte schaue ich ihn an. "Haben wir nicht ausgemacht, dass du auf dein Schulbrot nichts süßes nimmst und dafür einen Schokoriegel mitnimmst?", erinnere ich ihn.
"Ja schon, aber alle in der Schule haben Marmelade oder Schokocreme auf ihre Brote.", erwidert er.
"Jamie ich habe dir schon mal gesagt, dass mir die anderen egal sind. Wir beide haben eine Abmachung.", erinnere ich ihn.
"Das ist aber eine blöde Abmachung.", zickt er mich an. Ich ziehe eine Augenbraue hoch. "Gut wenn du unbedingt Marmelade auf dein Brot haben willst, gibt es keinen Schokoriegel. Du kannst dann einen von Venus Müsliriegeln mitnehmen.", beschließe ich.
Er macht ein würg Geräusch. Zugegeben so ganz genießbar sind diese klebrige Teile nicht, aber Caro ist sie zwischendurch, warum auch immer, ziemlich gerne....
"Selbst schuld und er wird gegessen! Du weißt, ich als deine Mama, erfahre immer wenn du ihn wegwirfst oder jemand anderem gibst.", gebe ich von mir und bekomme ein zustimmendes Nicken als Antwort.
Nachdem ich Jamies Brot geschmiert habe, setze mich neben meinen Sohn der schon sein Müsli löffelt und trinke mein Kaffee. Grade will ich noch etwas sagen, als es an der Tür schellt.
Fragend schaue ich Caro an. "Eine deiner vielen Affären?", frage ich sie. Sie schüttelt mit den Kopf. "Nein, vor allem nicht morgens um halb acht.", antwortet sie mir.
Da sie keine Anstalt macht aufzustehen, setze ich mich in Bewegung, bloß um meiner verrückten Tante die Türe zu öffnen.
"Süße, gut das du noch da bist. Du darfst auf keinen Fall nach York fahren, die Karten sagen etwas Schreckliches voraus, ich kann nur nicht genau deuten was.", lässt sie mich wissen.
Ich liebe meine verrückte Tante ja wirklich, aber manchmal geht dieses Karten lege mir tierisch auf den Zeiger.
"Ernsthaft Venus, soll ich jetzt meine Chefin anrufen und ihr sagen, dass ich nicht fahren kann, weil meine Patentante meint die Karten sagen schlechtes hervor. Venus, sie hält mich dann ja direkt für total durchgeknallt.", erwidere ich.
"Antonia du verstehst nicht. Wenn du wartest bis heute Mittag, dann kann ich mir mehr Zeit nehmen. Bitte denk an Jamie. Er hat nur dich.", gibt sie von mir und versucht mir doch tatsächlich ein schlechtes Gewissen ein zu reden.
"Es ist einfach wichtig. Ich kann es nicht so kurzfristig absagen, vielleicht. legst du demnächst einfach früher die Karten.", schlage ich ruhig vor.
"Vielleicht gibt es kein nächstes..." - "Venus Schluss. Ich werde fahren. Vorsichtig, versprochen und ich rufe dich sobald ich da bin an, versprochen.", unterbreche ich sie.
"Dann fahre wenigstens mit dem Zug. Sie haben mir irgendwas von....", setzt sie an allerdings unterbreche ich sie noch ein weiteres mal. "Du weißt ich respektiere, deinen ganzen Glauben an diesen ganzen Kram. Bisher ist noch nicht einmal etwas für mich zu getroffen, ich wäre dir echt dankbar, wenn du mich mit diesen Horror Märchen verschonen würdest."
"Bisher war es auch nie so deutlich. Du weißt, dass ich es vermeide für dich, Caro oder den kleinen in die Karten zu schauen. Außerdem habe ich Caro in dein Leben treten sehen, falls du dich erinnerst.", kontert sie.
"Du meintest ich würde einen treuen Gefährten finden. Ich habe mit einer Katze oder einem Hund gerechnet.", erwidere ich
."Na ich bin ja wohl viel besser.", kommentiert die Brünette und kommt um die Ecke.
"Ja viel besser."
"Venus, wenn du beruhigt bist, lasse ich Toni mit meinem Auto fahren. Er war gestern beim TÜV. Hat neue Reifen und Bremsbelege bekommen und ist auch so Top in Schuss. Airbag ist auch vorhanden.", schlägt Caro vor.
"Ja, aber du musst mir wirklich versprechen vorsichtig zu fahren.", fordert sie ernst von mir.
"Ganz großes Ehrenwort.", verspreche ich ihr.
Erleichtert nickt sie. "Habt ihr noch Kaffee? Ich habe noch nicht gefrühstückt.", fragt sie uns nun.
Caro und ich nicken und gehen mit ihr gemeinsam in die Küche. Aus dem Küchenschrank hole ich eine Tasse und ein Teller, während Venus Jamie einmal durch knuddelt.
Ich muss lächeln, als ich meine drei liebsten am Tisch sitzen sehe.
"Da ist übrigens noch ein Kerl zu dir unterwegs. Allerdings weiß ich noch nicht wie er zu euch steht, wer er ist und wann genau ihr euch kennenlernt.", wirft meine Tante ein.
Natürlich. Erst behauptet sie, etwas Schreckliches wird passieren, dann ändert sie ihre Meinung und meint sie schaut für uns nicht in die Karten und plötzlich steht auch noch ein Kerl für mich "bereit"?
Ist klar, vor allem weil ich in den vergangenen sechs Jahren ja auch so viele feste Freunde hatte. Wenn ich mal einen Typen kennen gelernt habe, hat dieser sich gleich wieder aus dem Staub gemacht, sobald er von Jamie erfahren hat.
Den uns, gibt es nur im Doppelpack
~Flashback Ende~
Caro zieht mich zu der Couch. „So wo wir noch ein wenig Zeit haben bis der Zwerg nach Hause kommt, musst du mir noch mal in Ruhe erklären, wie du zur Heldin wurdest und das dieser Typ damit zu tun hatte.", fordert sie von mir.
Ich verdrehe die Augen. „Das habe ich dir doch schon vorgestern am Telefon erzählt.", erinnere ich sie.
„Ja schon, aber ich will noch mal alle Details und nichts auslassen. Ich kann es einfach nicht fassen das Venus in allen beiden Punkten so einigermaßen Recht behalten hat....."
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