Kapitel 1 - Gegensätze

PoV: Akemi

Schon wieder konnte ich nachts Schritte außerhalb meines Zimmers hören. Meine beiden jüngeren Brüder, oder zumindest einer von ihnen, konnte wohl ein weiteres Mal nicht schlafen. Schnell stand ich auf, um in den Flur zu gehen, wo ich wie erwartet beide sah. Ich ging auf sie zu. "Geht schlafen. Morgen ist Schule."

"Aber du schläfst auch noch nicht", widersprach Karma. Ich wollte irgendwie argumentieren, doch mir fiel nichts ein. Also stoppte ich den Versuch, einen Satz aus meinem Mund zu bekommen, und überredete die Zwillinge stattdessen mit mir in deren Zimmer zu gehen.

"Also; wieso schlaft ihr noch nicht?", fragte ich, als ich mich an den Schreibtisch setzte, um die beiden fast identisch aussehenden Jungs besser ansehen zu können, während wir redeten. Wäre ihre Haar- und Augenfarbe nicht unterschiedlich, könnte man sie wirklich nahezu gar nicht unterscheiden.

"Ich will nicht", murmelte Karma fast unverständlich, während er gedankenverloren an die Decke blickte. Er ließ sich immer so leicht von seinen Gedanken ablenken, wenn er sich nicht gerade auf etwas konzentrierte.

"Ich hab's versucht, wirklich. Aber ich bin immer wieder aufgewacht und konnte eine gefühlte Ewigkeit lang nicht mal einschlafen", meinte Gakushū kleinlaut. Er nahm sein Kissen in die Arme, auf welchem er in dieser Position seinen Kopf abgelegt hatte.

Auch wenn sie sich äußerlich verdammt ähnlich sahen, so waren sie charakterlich umso verschiedener. Beispielsweise konnten sich beide, wenn es nötig war, zur Wehr setzen, jedoch auf ziemlich unterschiedliche Art. Karma wurde schnell handgreiflich, wenn ein Streit oder ähnliches eskalierte. Gakushū hingegen würde in solch einer Situation auf sein Gegenüber einreden, sodass es an Manipulation grenzen würde.

Dennoch waren ihre Gegensätze immer so aufeinander abgestimmt, dass sie sich perfekt ergänzten. Wenn sie sich später, wenn sie älter sind, immer noch so gut wie jetzt verstehen würden, könnte das zum Verhängnis für ihre Mitmenschen werden. Trotzdem hatten beide einen Schwachpunkt, der sich nicht durch den jeweils Anderen ausgleichen ließ - ihre Art auf Frustration und Misserfolge zu reagieren. Der eine würde selbstzerstörerisch handeln, der andere würde seinen Frust an seinen Mitmenschen auslassen.

Mein Blick wanderte zwischen den Jungs hin und her. Dann seufzte ich. "Karma, wieso willst du nicht?", fragte ich meinen jüngeren Bruder, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. "Schlafmangel tut dir nicht gut."
"Wenn ich Schlaf brauche, schlafe ich schon von selbst ein.", dasselbe Argument wie immer. Es war egal wie oft ich es versuchte, ich konnte ihn einfach nicht mehr davon überzeugen, dass er jeden Tag schlafen sollte. Er war einfach viel zu stur.

"Und wieso kannst du nicht schlafen, Gakushū?", fragte ich dann den Orangehaarigen. Seine Konzentration galt nun mir, sodass ich in seine müden Augen blicken konnte. Es überraschte mich immer wieder, wenn ich sah was für eine Fassade er in seinem jungen Alter wohl schon aufgebaut haben muss. Diese bröckelte jedes Mal aufs Neue, wenn man einen genauen Blick in seine Augen erhaschen konnte.
"Alpträume", wieder die erwartete Antwort.
"Was für Alpträume?" "Ist egal.."

Exakt derselbe Ablauf wie jeden anderen Tag auch. Schon wieder bekam ich nur diese abgehackten Antworten, welche mir nicht mal im geringsten verraten konnten, was sich hinter meinen beiden Brüdern verbarg.

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