7 - Scorose
Rose
Sie zuckte zusammen. Nur wenige Schritte hinter ihr lag Lancelot Trevors Verwandlungsbuch auf dem unebenen Steinboden. Mit aufkommender Röte, die ihm bis zu den Ohren reichte, bückte ihr Mitschüler sich, während seine Freunde ihn erschrocken und amüsiert auslachten. Robert, sein bester Freund, klopfte ihm auf die Schulter und sagte etwas, das Rose nicht hörte, da sie sich bereits mit einem Augenverdrehen abgewendet hatte. Die Bibliothek, in der sie zur Zeit, nur noch wenige Tage vor den ZAGs, ihre Tage verbrachte, war nur noch ein paar Dutzend Meter entfernt. Sie schritt gerade an einer der verstaubten Ritterrüstungen vorbei und wollte einen Haken nach links schlagen, als sie geradewegs gegen eine hochgewachsene Person lief. Das Buch, das sie in den Händen hielt, drückte ihr in die Rippen und ihre Stirn machte Bekanntschaft mit der Schulter des Jungen, der ebenso wie sie nach Luft geschnappt hatte.
Rose taumelte zurück und rieb sich mit einem schmerzerfüllten Stöhnen die Rippen. Dabei erkannte sie, dass es keineswegs ein ihr unbekannter Übeltäter war, der ihr gegenüber wie ein Spiegel das gleiche tat.
"Kannst du nicht aufpassen?", zischte sie Scorpius Malfoy an, die Augen zu Schlitze geformt.
"Das kann ich nur zurückgeben!", erwiderte Scorpius ohne zu Zögern. Er wirkte genauso erfreut wie sie über Zusammentreffen. Nämlich gar nicht.
Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass Gryffindors und Slytherins nicht befreundet sein können - ihren Cousin Albus ausgenommen. Aber sie beide brachten dies regelmäßig in neue Dimensionen. Es gab laute Auseinandersetzungen, in denen im Laufe der Jahre nicht nur ein paar böse Worte gefallen waren, überehrgeizige Quidditchspiele und niemals eine Begegnung ohne einen vernichtenden Blick.
Trotz Albus' Freundschaft mit Scorpius, konnte sie ihn einfach nicht ausstehen. Er war zu arrogant, zu dickköpfig und vielleicht auch ein Stück weit zu gutaussehend. Sie konnte sich in seiner Anwesenheit kaum konzentrieren, so sehr blendete sie seine Eingebildetheit über sein gutes Aussehen.
"Man entschuldigt sich, wenn man jemanden umtrampelt.", murmelte sie mit angespanntem Kiefer, und wollte sich schon mit einem letzten vernichtenden Blick aus dem Staub machen, als ihr die aufgeschürften Knöchel und der schnell dunkler werdende Umriss um sein linkes Auge auffiel. Das hatte aber nicht sie verursacht, oder?
Sie hielt inne und musterte ihn genauer. Seine Haare hingen ihm in die Stirn - was nicht üblich war - und seine Augen wirkten erblasst. Keine Spur von diesem Funkeln, das er immer trug, wenn sie in eine ihrer Streits gerieten. Er wirkte so, als wäre er trotz dem wachrüttelnden Zusammenstoßes mental überhaupt nicht da.
"Bist du okay?", fragte sie daher mit gesenkter Stimme.
Scorpius verdrehte die Augen und straffte die Schultern. Jetzt war er da. "Alles bestens." Er schritt ohne einen Blick in ihre Richtung einige Meter davon. Erst als sie ihm hinterherrief, dass Madam Pomfrey den heutigen Tag im Sanct Mungo Hospital verbrachte, warf er einen Blick über seine Schulter. Im gleichen Zug fuhr er sich mit einem unterdrückten Seufzen durchs Haar.
"Weiterbildung.", fügte Rose noch an, da ihre Stimme allerdings immer leiser und krächziger wurde, wünsche sie, sie hätte es nicht gesagt.
Sie räusperte sich und richtete sich auf. "Was ist denn passiert?"
Scorpius schüttelte leicht den Kopf, ehe er seine Hand betrachtete. "Ein paar Slytherins. Sie haben sich mal wieder über Harry Potter...unterhalten. Albus und ich waren in der Nähe."
"Wo ist Albus?", sie hörte selbst die Besorgnis in ihrer Stimme.
"Will allein sein. Hat aber nur kurz mal den Flederwichtfluch abbekommen. Er hat sich nicht verletzt, keine Sorge."
Scorpius dagegen schon. Als er ihre Familie verteidigt hatte.
Rose verdrehte die Augen und atmete tief durch. Dann machte sie einige Schritte bis sie wieder vor ihm stand. Mit der einen Hand zog sie ihren Zauberstab, die andere hob sie auf, damit er ihr seine verletzte Hand reichte. Er zögerte.
"Wegen Albus?", auffordernd sah Rose zu ihm auf.
Scorpius hob das Kinn, dann senkte er es langsam zu einem Nicken. "Kannst du sowas denn?"
Sie presste die Lippen zusammen, um sich zu verkneifen, dass jedes Kleinkind sowas heilen können sollte. Er legte seine Hand verhalten auf ihre und sie zuckte zusammen. Sie war überraschend warm. Irgendwie hatte sie sich eine Berührung von Scorpius Malfoy immer wie das Berühren eines Eiswürfels vorgestellt. Nicht, dass sie allzu viel zeit über ihn nachdachte, es war nur so, dass ihr Vater es liebte, darüber herzuziehen, wie leicht Draco Malfoy nach dem Krieg davongekommen war.
"Meine Mum ist der Meinung, dass Heilzauber schon viel früher unterrichtet werden sollten.", sagte sie deswegen nur. Die Verwirrung über die angenehme Wärme seiner Haut ignorierend.
Sie positionierte ihren Zauberstab und blickte auf, um sich zu vergewissern, dass er bereit war.
Wie nahe sie sich plötzlich waren. Sie hatte diese blauen Augen noch nie von nahem gesehen. Sie waren viel schöner als sie sich es hätte denken können. Und viel wärmer.
Hatte sie sich geirrt? War er gar nicht der eiskalte, hinterhältige Malfoy, den ihr Vater in ihm sah?
Ihre Augen hatten sich schon zu lange getroffen, dennoch schaute keiner von ihnen weg.
Sie erkannte Verwirrung in Scorpius Augen. Als hätte er mit allem gerechnet, nur nicht mit ihr.
Mit einem mal wurde ihr bewusst, was sie da gerade tat. Sie hatte einen Moment mit Scorpius Malfoy. Mit dem Scorpius Malfoy. Einen Moment. Mit ihm. Mit einer seltsamen Form des Händchenhaltens.
Rose senkte den Blick und trat gerade einen Schritt zurück, um sich wieder auf den bevorstehenden Heilzauber zu konzentrieren, als Scorpius ihr folgte. Ihr Kopf ruckte nach oben und sie starrte zu dem sonst so verabscheuten Slytherin auf. Die knisternde Spannung, die stets zwischen ihnen geherrscht hatte, hatte sich verzehnfacht. Sie wollte ihn einerseits wegschubsen und davonstürmen. Doch sie wollte auch die Augen schließen und sich vorlehnen.
Scorpius Augen wanderten über ihr Gesicht. Die Hand auf ihrer verschob sich und lange Finger glitten zwischen ihre. Dann runzelte er plötzlich die Stirn und hob den Kopf ein kleines Stück. "Du bist arrogant, nervig und nach dem hier ein richtiger Albtraum.", flüsterte er, den Unterkiefer verspannt. "Dito!", erwiderte sie. Er sprach ihr aus der Seele.
Er würde sie niemals vergessen lassen, dass sie sich beinahe mal geküsst hätten.
Doch anstatt zurückzutreten stieß Scorpius einen Schwall Luft aus, seine Augen wanderten erneut zu ihrem Mund. "Dann können wir es auch genauso gut richtig machen.", meinte er, den Kopf neigend und nach Ablehnung in ihren Augen suchend. Er schien sie nicht zu finden. Rose bemühte sich erst noch, ihrem Herz das schnelle Schlagen zu verbieten. Aber als hätte sie dagegen jemals eine Chance gehabt. Scorpius brachte ihr Blut zum kochen. Das konnte er immer schon hervorragend. Nur diesmal auf eine ganz andere Weise. Und doch waren sie sich ähnlich.
Rose fühlte eine Hand an ihrer Taille und Atem auf ihrer Haut. Sie schluckte, atmete zittrig aus und beschloss dann im Bruchteil einer Sekunde, ihre Lippen auf seine zu legen. Im ersten Augenblick bewegten sie sich beide kaum. Sie fühlten dem Gefühl der Berührung nach. Dann, ohne Vorwarnung, war Scorpius Hand von ihrer Taille verschwunden und an ihrer Wange. Seine Handflächen brannten sich in ihre Haut, seine Fingerkuppen ruhten in ihrem Nacken und zogen sie in den Kuss hinein.
Noch nie war sie so geküsst worden. Reines Verlangen strömte durch ihre Blutbahnen. Sie stellte sich auf die Fußballen und drängte sich gegen Scorpius. Als Reaktion drehte er sie und im nächsten Moment spürte sie die kalte Wand in ihrem Rücken. Niemand wollte die Oberhand abgeben, nicht hier und auch sonst nicht. Also lies Rose ihr Notizbuch und ihren Zauberstab fallen, um beide Hände frei zu haben. Sie fühlte Scorpius Brust unter ihren Fingerspitzen nach, wanderte mit fahrigen Bewegungen weiter in seinen Nacken und von dort aus zu seinem Hinterkopf. Sie zog ihn weiter in den Kuss hinein, gleichzeitig vergrub sie die Finger in seinem dichten blonden Haar.
Atemlos hielten sie inne. Für eine Sekunde atmeten sie die gleiche Luft. Dann bewegenten sich ihre Lippen wieder im Einklang. Rose spürte das Adrenalin durch ihren Körper rauschen, es schien sämtliche Geräusche ihrer Umwelt in ein andauerndes Meeresrauschen zu verwandeln.
Nur eines nicht: Den Gong zur nächsten Schulstunde und das darauffolgende Geräusch der sich füllenden Korridore. Nur eine Ecke entfernt befand sich der Verwandlungsklassenraum und wie hinter einem dichten Neben hindurch bekam Rose mit, dass sich einige Schritte und Stimmen rasch näherten. Sie gab Scorpius einen Schubs vor die Brust, erwiderte für einen Sekundenbruchteil seinen fassungslosen Blick, ehe sie nach ihren Sachen griff und so schnell sie konnte davoneilte.
Wie, um Merlins Willen, sollte sie das jetzt verstehen? Schritte kamen schnell näher und vielleicht beruhte ihre Vermutung auf Hoffnung, aber sie glaubte, dass es Scorpius war. Er griff nach ihrer Hand und brachte sie so zum stehen. Stromstöße zuckten durch ihren Körper und sie fragte sich, wie es nur so weit kommen konnte.
"Bitte warte.", sagte Scorpius. "Wir müssen das klären."
"Wieso? Ist doch alles super!", Rose Stimme klang seltsam. Als würde sie von einer schlechten Computerstimme imitiert werden.
Scorpius runzelte die Stirn. "Das heißt, wenn ich dich jetzt nach einem Date in Hogsmeade fragen würde, dann würdest du ja sagen?" Sie wusste nicht, dass seine Augen sich in die eines bettelnden Welpen verwandeln konnten. Oder dass ihr Herz so schnell schlagen konnte.
"Ein Date? In Hogsmeade?", wiederholte sie.
"Ein Date in Hogsmeade.", bestätigte er.
Rose neigte verlegen den Kopf und Scorpius' Gesicht leuchtete auf. "Ein Date in Hogsmeade."
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