"Wo ist er?" - Thomas - Teil 1
Am nächsten Morgen erwacht Thomas. Nicht anders als sonst, ist er wegen eines Traumes—womöglich einer Erinnerung—aufgeschreckt. Sofort bemerkt er, dass Brenda wieder Abstand genommen haben muss. Kein Arm ist um ihn gelegt, kein Kopf auf seiner Brust, kein Kribbeln—welches bei ihren Berührungen ausgelöst wird—ist vorhanden. Sondern ein ganz normales, gewohntes Erwachen. Sieht man von den Umständen ab, die sie umgeben und ihm den Schlaf rauben.
“Morgen”, hört Thomas Brenda sprechen, kurz nachdem sie die Autotür geöffnet hat. Sie war scheinbar schon länger wach und ein wenig draußen unterwegs. “Gut geschlafen?”
Thomas stützt sich auf und dreht sich ihr zu, wobei er sich einmal kräftig streckt. “Wie man's sieht”, entgegnet er ihr und mustert sie fragend. “Wie lange bist du schon wach?”
“Vielleicht eine halbe Stunde. Ich wollte sehen, wie vorsichtig wir sein müssen, wenn wir gleich weiter gehen.”
Thomas nickt. Das hat er sich irgendwie bereits denken können.
“Dass du aufgestanden bist, kommt gelegen, ich wollte dich gerade wecken. Wir müssen langsam weiter, wenn wir rechtzeitig im sicheren Hafen ankommen wollen”, spricht sie weiter. Mit einer Handbewegung deutet sie, dass er langsam aussteigen– und ihr beistehen soll. Bevor er dies aber tut, schaut er aus dem Fenster der anderen, noch geschlossenen Tür. Auf den ersten Blick sind keine Cranks zu sehen—so wie sie indirekt gesagt hatte. Er begibt sich dann nach draußen, indem er auf seinem Sitz in ihre Richtung rutscht und zu Füßen kommt. “Irgendeine Spur von den Anderen?”, fragt Thomas hoffnungsvoll, auch wenn er ihre Antwort bereits erraten kann.
“Noch nicht.”
“Und von der anderen Gruppe?”
“Auch nicht.”
Thomas schluckt ein wenig. Sicher wäre es schlauer, sich mit Gruppe B zusammen zu tun, alsbald sie sich das erste Mal begegnen, jedoch packt in die Angst zu sehr, dass sie ihn umbringen würden. Er ist nicht so weit gekommen, nur um dann einfach ermordet zu werden.
Also bekommt er diese Antwort gerne zu hören.
“Na komm, wir müssen weiter”, spornt sie ihn noch einmal an, schließt hinter ihm aus Gewohnheit die Tür, dreht sich um und macht sich bereits auf. Wie verlangt geht Thomas ihr nach—mit der Angst gepackt, dass jederzeit überall Cranks auftauchen könnten. Lieber wäre er weg hier, bereits zurück bei seinen Freunden. Oder noch besser; mit ihnen im sicheren Hafen. Aber all das würde noch seine Zeit brauchen.
Sie gehen nun schon etwas länger umher, mit dem Glück tatsächlich noch keinem Crank begegnet zu sein. Der unebene Boden lässt Thomas' Beine schmerzen und die starke Hitze der Sonne seine Haut erröten—es powert ihn aus, raubt seine Kraft und sitzt auf ihm wie schweres Gepäck, welches er nicht ablegen kann.
Abrupt kommt Brenda dann auf einmal zum Stehen und streckt ihren Arm aus, um auch Thomas zu stoppen. “Hörst du das?”, flüstert sie.
Er spitzt seine Ohren und versucht zu ergreifen, was sie meint, schüttelt aber seinen Kopf. “Cranks”, gibt sie noch von sich, zieht Thomas dann mit sich hinter eine Mauer, die sie jetzt als Versteck nutzen.
“Cranks?”
“Cranks. Ich konnte etwas lachen hören, ich bin mir fast schon sicher es war ein Crank. Vielleicht noch nicht ganz wahnsinnig, aber so oder so glaube ich, haben sie uns noch nicht gesehen.”
“Sie?”, will Thomas verunsichert wissen. Wie kommt sie sofort darauf, dass es mehrere sind? Immerhin konnte sie doch nur eines hören—und das auch nur wirklich kurz.
Brenda sieht zu ihm, wenige Sekunden noch still, beantwortet ihm die Frage dann aber beunruhigend monoton: “Du wirst niemals nur einem Crank begegnen. Sie sind nie allein.”
Thomas überkommt ein kalter Schauer und eine Gänsehaut verbreitet sich auf seinem Körper. Sie beginnt vorsichtig um die Ecke zu lunzen, wobei sie wirklich acht gibt, nicht entdeckt zu werden. Er lehnt sich ebenfalls in die Richtung, sie steht jedoch noch zu sehr im Weg.
“Siehst du irgendwas?”, wispert Thomas vorsichtig und zieht sich zurück, um ihr nicht auch noch versehentlich auf die Füße zu tappen.
“Keine Cranks”, gibt sie ihm zurück, mindestens genau so leise. Dann jedoch zieht sie sich aber ganz plötzlich zurück—lehnt sich gegen die Wand damit sie ja keiner sieht. Verwundert mustert Thomas sie. “Was ist?” Sie meinte doch vor wenigen Sekunden, da wäre nichts. Ob sie nun doch welche entdeckt hatte?
“Wir müssen hier weg. Jetzt.”
“Was? Wieso?” Ohne groß nachzudenken, schaut Thomas selbst neugierig um die Mauer herum, doch Brenda zieht ihn so schnell wieder zurück, dass er nicht wirklich etwas erkennen kann. Sie umgreift sein Handgelenk und läuft in die entgegengesetzte Richtung, versucht Thomas mit sich zu nehmen. Doch er bleibt stur stehen. “Brenda, was ist los? Sind da Cranks?”
“Ich erkläre es dir später Tom, jetzt müssen wir erst mal weg!”
Gerade will er wieder etwas entgegnen, jedoch hört er dann jemanden in der Nähe sprechen. Eine unbekannte Stimme von einem Mädchen. Auch wenn er nicht weiß, worum es geht, kann er sich danach bereits denken, was das Thema ist. “Wo ist er?”
“Wie gesagt, wir wissen es nicht.”
“Ich frage nur noch einmal: Wo ist er?”
“Sprechen wir eine andere Sprache oder seid ihr Strunks nur zu blöd, um es zu verstehen?”
Thomas und Brenda stehen wie angewurzelt dar. Er lauscht so gut er kann, versucht die Worte ganz genau zu ergreifen. Brenda jedoch wartet darauf, dass er nachlässt und auf sie vertraut und mit ihr verschwindet. Ihr Blick ist beinahe schon flehend und wenn man genau hinsieht, kann man eine kleine Angst erkennen. Womöglich die Angst, Thomas zu verlieren.
Als dieser aber beginnt die Stimmen zuzuordnen, reißt er seine Augen auf. Sofort löst er sich von seiner Begleiterin und rennt zu den nun bekannten Stimmen.
Trotz dass seine Füße mit jedem Schritt im Sand eingehen und ihn daher verlangsamen, lässt er sich nicht entmutigen, geschweige denn aufhalten.
Es sind die Glader. Es sind seine Freunde.
Und mit ihnen eine Mädchengruppe. Gruppe B.
Er erreicht die hinterste Reihe der Glader, versucht sich eilig vor zu drängeln. Und als er meint etwas aneinander schlagen zu hören, wird er nur schneller. Er ist kurz davor bei Newt, Minho und Jorge anzukommen—denjenigen, die mit den Mädchen versucht hatten zu reden—als ein Tumult ausbricht. Alle beginnen umher zu laufen, panisch und angespannt. Man hört Gekreische, dass sie stoppen sollen; andere feuern sie an. Thomas kriegt danach nur noch mit, dass sich alle enger zusammen schließen. So steht er wieder außerhalb des Kreises. Jedoch konnte er glücklicherweise mit einem kurzen Blick aufschnappen, was dort vor sich geht.
Sie bekämpfen sich.
Minho und ein Mädchen wühlen sich auf dem Boden umher—werfen all den Sand auf und lassen die Steine darin unter gehen.
Und all das, weil sie der Meinung sind, sie würden sich gegenseitig belügen. Sie wollen Thomas—und nichts anderes—und tun alles, um auch nur Informationen zu seinem Standort zu bekommen.
“Tom, du–” Er spürt Brendas Hand auf seiner Schulter liegen, als wolle sie ihn zurückhalten, jedoch hat er bereits seine Entscheidung für seine nächste Tat getroffen. Er tritt nur näher an die Herde heran und beginnt seine Arme in der Luft zu wedeln, um all die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
“Hey!”, ruft er aus, “Hey! Hört auf! Stopp! Verdammt, halt!”
Immer mehr Leute werden auf ihn aufmerksam, bis nur noch Minho und das Mädchen fehlen, die sich noch immer bekriegen. Und dann kann auch Thomas erkennen, wer das ist.
Teresa.
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