3) Shadows
Hallohooo!
Mit der Folgenden Geschichte habe ich am Music Award von @_MaryWinters_ teilgenommen.
Es ist eine Kurzgeschichte zu dem Lied 'Boulevard Of Broken Dreams' von Green Day.
Falls ihr euch das Lied vorher anhören wollt findet ihr hier ein lyric Video dazu.
https://youtu.be/51XzW98wEDg
Soweit von mir, habt hoffentlich viel Spaß beim Lesen und schreibt mir nachher in die Kommentare, wie ihr es fandet. Wenn das hier gut ankommt überlege ich, weitere Kurzgeschichten zu Liedern zu schreiben.
Achtung Triggerwarnung! Im nachfolgenden Text behandle ich Themen wie psychische Krankheiten, Folter, Mord, Tötung von ungeborenen Kindern, Suizid und Traumata. Diese Themen können bei manchen Menschen negative Reaktionen durch eine traumatische Vorerfahrung auslösen. Bitte sei achtsam, wenn das bei dir der Fall ist.
Ich ging die Straße herunter. Die Straße, in der ich einst mit meiner Frau ein Haus gekauft hatte. Die Straße, in der wir unser Kind aufziehen wollten. So geborgen, wie es nur gegangen wäre.
Es war einmal eine schöne Straße gewesen, in der viele junge Familien mit ihren Kindern gelebt hatten.
Manchmal, wenn die Schatten, die mich umgaben, es zuließen, konnte ich Mary und Jacki dabei zusehen, wie sie mit den anderen jungen Familien auf dem Spielplatz um die Ecke spielten und picknickten.
Ich ging weiter. Sah den Spielplatz, auf dem nun nur noch eine einzelne Bank stand. Alles war in sich zusammengefallen. Der Sand aus der Sandgrube war auf dem gesamten Platz verteilt und die Bäume umgestürzt.
Das Klettergerüst war in sich zusammengefallen und vermodert.
In meiner Vorstellung kletterte Jacki gerade auf dem Gerüst und Mary saß mit einer der anderen Mütter auf der Bank, die in der Realität so vermodert war, dass die beim bloßen Anblick zu Asche zu zerfallen schien.
Ich wollte noch bleiben, doch die Wunde in meinem Herzen zog mich weiter. Ich musste ihren Anweisungen Folge leisten.
Ich ging weiter, die Straße hinunter, sah mich um. Alles war verrottet und kahl. Die Häuser kalt, meine Träume nunmehr vollständig verflogen.
Die Stadt wirkte kalt und lieblos, genau wie mein hohles Herz es war.
Meine Schatten zogen mich weiter die Straßen entlang. Hinaus aus der Stadt.
Die Straße, die einst so populär war, war verlassen. Sie führte mich weg von den einstigen Gassen der Allee, heraus aus der Stadt. Ich verließ die Straße und lief zum Waldrand.
Ich ging hinein, in den Wald, fand nichts, außer den Schatten, die mich überall hin verfolgen.
Meine Sinne waren betrübt, gar betäubt. Die Schatten ergriffen Besitz von mir. Ich konnte meine Bewegungen nicht mehr kontrollieren.
Sie strömten direkt aus dem Loch, welches den sonst so leeren Innenraum meines Herzens freigab.
Sie hüllten mich vollständig ein. Diese schwarze, unbändige Masse. Sie klebte an mir, klebte in jeder einzelnen Pore meines Körpers.
Eine unbändige Kraft durchströmte mich. Ich fühlte die Mordlust, sah das Monster, konnte mich nicht bewegen.
Die Schatten steuerten mich. Ich wollte sie von mir reißen, doch ich konnte nicht.
Ich konnte mich nicht rühren. Wollte mich bewegen und doch auch nicht. Wollte schreien, um mein Leben.
Dennoch wusste ich, tief in meinem Inneren, das es keinen mehr gab, außer mir, meinen Schatten, die mich täglich mehr auffraßen, und dem Werwolf, der mich verfolgte, von dem einen Ende der Straße und bis zum Anderen.
Er war ein Überbleibsel aus meiner Vergangenheit. Weiß, wie der Tag, scheinbar unschuldig und doch auch nicht.
Ich wollte ihn töten, doch ich konnte nicht.
Die Schatten, die mich umgaben ließen nicht zu, dass ich mich seiner weißen Aura, seinem scheinenden, scheinbar unendlich großen Herzen, näherte.
Ob sie wohl Angst hatten, was sich hinter der glänzenden Fassade verbarg? Sicherlich.
Die Schatten hatten inzwischen vollständig Besitz von mir ergriffen. Sie steuerten jede Zelle meines Körpers und bewegten diesen zurück auf die Straße, von der ich versucht hatte zu fliehen. Jeden Tag.
Meine zerbrochenen Träume verfolgten mich bei jedem Schritt, den ich auf dieser Straße tat.
Dennoch war ich gezwungen weiterzugehen. Die Schatten verbaten mir zu fliehen, diesen Ort zu verlassen, aufzuwachen aus diesem schrecklichen Albtraum.
Ich ging also weiter auf der Straße, die mir die Erfüllung all meiner Träume unmittelbar vor die Nase gehalten und sie direkt vor meinen Augen zerbrochen hatte, als ich danach greifen wollte.
Sie schoss mir ins Herz und ließ die Schatten das Kind meiner Frau rauben.
Niemand konnte ihr helfen. Ich konnte nichts tun. Ihre Depressionen und Schuldgefühle stahlen schließlich ihr Leben.
Sie hatte sich in unserer Wohnung erhängt.
Schließlich hatten die Schatten auch jeden anderen, der in dieser Straße gelebt hatte, getötet.
Sie hatten kein Erbarmen gezeigt. Keiner konnte entkommen, außer mir.
Nun standen sie an meiner Seite, folgten mir auf Schritt und Tritt und verwehrten mir auch meinen letzten Wunsch. Erlösung.
Ich ging weiter, die Straße entlang. Die Schatten entließen mich aus ihren Fängen und meine Sinne schärften sich.
Eigentlich war es ein wunderschöner Frühlingstag. Wenn ich nicht von dieser pechschwarzen Pest verfolgt werden würde.
Ich habe nichts anderes zu tun, als über den Strich in der Mitte der Straße zu balancieren, um mir wenigstens etwas Abwechslung von dem grauen Asphalt zu genehmigen.
Meine Füße hinterließen rote Flecken auf der weißen Farbe.
Ich konnte sie nicht bewundern, denn die Schatten zwangen mich dazu, immer weiterzugehen. Ich durfte nicht stehen bleiben.
Ich fühlte mich allein, wie eigentlich die ganze Zeit über. Dass mir diese Einsamkeit immernoch einsam vorkam, war ein Wunder. Kein positives.
Ironischerweise konnte ich noch fühlen. Dabei wurde mir alles genommen, was mir wichtig war, ich wurde gebrochen und dazu verdammt die Straße, in der meine Liebe zum Suizid getrieben wurde und in der mein Leben in Einzelteile zerbrochen war, auf ewig entlangzulaufen.
Doch ich konnte nicht fliehen, nicht stehen bleiben, nur weiter gehen.
So tun, als würde ich der Vergangenheit entkommen können, die mich jeden Abend aufs Neue auffraß, sobald Sonne und Mond ihre Plätze tauschten.
Wie jeden Abend wünschte ich mir auch an diesem Tag, dass der Werwolf endlich tun möge, wozu er mich auf Schritt und Tritt verfolgte.
Ich wünschte mir, dass er meine Schatten und schließlich auch mich auffresse, bis nichts mehr von mir übrig wäre.
Ich wollte nicht mehr leben, ich wollte den Schmerz, die Einsamkeit, die Schuldgefühle, einfach alles, keine Sekunde länger ertragen müssen.
Wie an jedem Abend wartete ich voller Hoffnung auf das Heulen des Werwolfes, das meinen Gnadenstoß einleiten sollte.
Wie jeden Abend fiel ich auf die Knie und betete, er möge mich fressen.
Jedoch lebte ich noch. Mein hohles Herz war nicht zum Schweigen zu bringen. Noch nicht.
Es waren nur die Schatten gewesen, die sich in meinen Rücken gebohrt hatten um mich daran zu erinnern, dass ich weiter gehen musste.
Ich wusste nicht, wie lange ich schon gelaufen war. Stunden, Monate, Jahre?
Wie weit ich gelaufen war. Zentimeter, Meter, Kilometer?
Jeden Morgen, wenn die Sonne aufging, war ich wieder an dem Ort, den ich meine Heimat fluchte.
Ich hatte mein Zeitgefühl schon längst verloren. Genau, wie meine Schuhe. Meine Füße waren wund gelaufen, blutverschmiert. Sogar auf dem Schwarz des Asphaltes waren die feuchten Abdrücke meiner Sohlen zu sehen.
Dennoch ging ich weiter.
Wie jeden Tag.
Versuchte durch den Wald zu fliehen.
Wie jeden Tag.
An dem verrotteten Spielplatz anzuhalten.
Wie jeden Tag.
Doch die Schatten zwangen mich, weiterzugehen.
Dennoch war an jenem Tag etwas anders. Ich konnte die Sonnenstrahlen auf meiner bleichen Haut spüren.
Ich konnte die Bäume im Wind wehen hören.
In der Ferne rauschte ein Bach.
Die Sonne verdunkelte sich und neben dem Bach trat der Werwolf aus seinem Versteck.
Als er mich ansah, schien er mir direkt in die Seele zu blicken.
Schließlich ging ein Ruck durch seinen Körper und er bewegte sich auf mich zu.
In mir kam eine Euphorie auf, wie ich sie noch nie zuvor in meinem Leben verspürt hatte.
Nicht einmal, an dem Tag meiner Hochzeit oder als meine Frau mir unter Tränen beichtete, dass sie schwanger war.
Doch meine Hoffnung schwand mit jedem Schritt, den das riesige Biest auf mich zu tat.
Es wandelte sich.
Aus dem schneeweißen Wolf wurde ein großer Mann in Militäruniform.
Er hatte eine Waffe in der Hand.
Er hob langsam seinen Arm und ich hatte Hoffnung, trotzdem erlöst zu werden. Doch er zielte an mir vorbei.
Verwirrt drehte ich mich um.
Hinter mir konnte ich etwa vier Männer erkennen, die ebenfalls in Militäruniform waren.
Sie saßen gemeinsam um ein Feuer und aßen, tranken und spielten Skat.
Sofort stach mir der Platz an ihrer Seite ins Auge, der noch frei war.
Ich wollte zu ihnen gehen. Mit ihnen reden.
Doch da ertönte neben mir ein Schuss.
Ein zweiter und dritter folgten.
Mit dem vierten Schuss fiel schließlich auch der letzte Mann zu Boden.
Ich schnellte herum.
Blickte direkt in die kalten Augen des Mörders.
Seine Mimik und Gestik zeigten keine Regung und auch in seinen Augen war kein Müh Mitleid oder gar Schuld zu erkennen.
Er stand einfach nur da.
Blickte in die Richtung, in die er wenige Sekunden zuvor geschossen hatte.
Erneut ging ein Ruck durch seinen Körper. Er drehte sich um und ging.
Mit jedem Schritt, den er sich entfernte, wurde meine Sicht schwammiger und mein Bewusstsein schwand, bis ich schließlich vollends zusammenbrach.
Ich hörte noch, wie jemand um Hilfe schrie, spürte, wie etwas an mir rüttelte, doch es war bereits zu spät. Schon wenige Sekunden später war ich vollends von dem schwarzen Sumpf der Bewusstlosigkeit verschluckt worden.
-
Als ich die Augen aufschlug, blickte ich direkt in das grelle Licht einer Deckenleuchte.
Mein zerbrochenes Herz schlug immernoch. Es war nicht zum Schweigen zu bringen. Nicht einmal die Hand eines kaltblütigen Mörders vermochte es, sein Schlagen zu ersticken und somit meine Seele zu erlösen.
Um mich herum waren Stimmen zu hören, doch ich konnte nicht entziffern, was sie sagten, mich nicht auf sie konzentrieren.
Mein Bewusstsein schweifte erneut ab.
Ich versuchte dagegen anzukämpfen, doch ich konnte nichts ausrichten.
Die Dunkelheit verschlang mich erneut.
Diesmal sah ich jedoch Bildfetzen vor meinem inneren Auge.
Ich sah, die vier Männer um das Lagerfeuer sitzen und sich ausgelassen unterhalten.
Ich bewegte mich auf sie zu.
In meiner Vorstellung sah ich, wie sich eine Hand hob.
Eine Waffe wurde entsichert und es wurde geschossen.
Ich hatte geschossen.
Ich hatte alle meine Kameraden erschossen.
Ich sah, wie ich mich wegdrehte und wegging.
Eine neue Erinnerung tauchte vor meinem inneren Auge auf.
Mary setzte sich mit ihrem kugelrunden Bauch neben mich auf das Bett und schaute auf meinen Schoß.
Mein Blick senkte sich und ich sah einen Artikel in der Zeitung stehen, dessen Überschrift verriet, dass man den Aufenthaltsort von einem Serienmörder gefunden habe, der im Militär seine eigenen Kameraden umgebracht hatte. Der Weiße Werwolf wäre gefunden worden.
Ein Foto war daneben abgebildet.
Es zeigte mich, wie ich Tags zuvor die Straße entlang spaziert war.
Ich blickte in das Gesicht meiner Frau.
Ihre Mimik verriet mir, dass sie mehr als geschockt war.
In meiner Erinnerung sprang ich auf, packte sie und prügelte auf sie ein.
Sie weinte, flehte um Gnade, doch ich fuhr fort.
Ein weiterer Zeitsprung brachte mich in unser Wohnzimmer, wo Mary bewusstlos und ohne ihren Babybauch auf dem Boden lag.
Ich konnte beobachten, wie ich ihr ein Seil um den Hals legte und sie an der Zimmerdecke aufhängte.
Kurz kam sie zu sich, schrie, zappelte, doch der Sauerstoffmangel ließ sie schnell wieder bewusstlos werden.
Ich schreckte aus meinen Erinnerungen hoch.
Meine Atmung war schnell und mein Mund trocken.
Ich befand mich in einem kleinen, weißen Raum. Ich war an ein unbequemes Bett gefesselt und um mich herum piepste alles.
Ich spürte, wie die mir bekannte, unbändige Kraft meinen Körper durchströmte.
Meine Arme und Beine befreiten sich mit einem einzigen Ruck aus den Fesseln, wobei ein reißendes Geräusch erklang.
Die Fessel um meine Taille ignorierend setzte ich mich auf und kundschaftete den Raum aus. Es gab ein Fenster, eine Tür und einige Technische Geräte, und das Bett, auf dem ich saß.
Ich hatte einen weißen Kittel an, doch meine gewöhnliche Kleidung, bestehend aus einer ausgefransten Hose und einem löchrigen T-Shirt, lag auf der Fensterbank.
Ich stand auf und schnappte sie mir.
Beim Herausschauen stellte ich fest, dass ich mich mindestens im fünften Stock eines großen Gebäudes befand.
Die unbändige Energie in mir ließ mich durch die Scheibe springen und unten sicher landen.
Sie trug meinen Körper mitten durch einen zugewucherten Wald, bis ich mich wieder zu Hause befand.
Auf der Straße, die einmal mein Weg in ein normales Leben sein sollte.
Vor dem Haus, in dem ich meine Frau auf Zeit und meinen ungeborenen Adoptivsohn getötet hatte, weil sie von meinem dunklen Geheimnis erfahren hatten.
Ich selbst hatte es lange verdrängt, doch ab diesem Zeitpunkt war ich mir sicher: Ich bin der kaltblütige Serienmörder, der einst seine Kameraden in Vietnam getötet hat und als Deserteur in seine Heimat zurückgekehrt ist. Ich habe angefangen Menschen zu töten.
Ich habe im Deckmantel der Nacht die Leute im Schlaf entführt und auf dem alten Spielplatz gefoltert, um sie schließlich zu umzubringen.
Der Genuss des Todes hatte mich jedes Mal mit unbeschreiblicher Euphorie erfüllt. Ich habe Spaß daran, Menschen zu töten.
Ich habe mir eine Schwangere Prostituierte zugelegt, die mein Alibi eines jungen Familienvaters aufrechterhalten sollte.
Ich bin derjenige, der seine Familie getötet, seine gesamte Heimatstadt ausgelöscht und auch den Spielplatz abgefackelt hat.
Ich bin der Serienmörder bekannt unter dem Namen ‚Weißer Werwolf'.
Ich bin derjenige, der jeden Tag dieselbe Straße entlangläuft, verfolgt von den nach Blut dürstenden Seelen derjenigen, deren Träume und Hoffnungen ich restlos zerstört habe. Derjenige, dessen Herz niemals zu schlagen aufhört. Verflucht von den Schatten der Vergangenheit.
Ich bin alleine.
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