bastiplatte - olympics

bisschen zu spät wa

pov kevin

„Du musst dich jetzt wirklich anstrengen. Keine Ausreden mehr. Jetzt geht es um alles", redete
meine Trainerin auf mich ein. Wir standen in der fucking Olympiahalle. Jahrelang bereitete ich mich auf diesen Moment vor. Jahrelanges Training wird sich endlich lohnen. Neben uns betrachtete ich die beachtliche Größe des Schwimmbeckens. Zehn Bahnen nebeneinander. Zehn verschiedene Zeiten. Zehn verschiedene Momente. Und nur ein Gewinner.

Um uns herum waren volle Zuschauerränge. Der Qualifikationstag. Würde ich heute schon ausscheiden, wäre das extremst peinlich. Mit mir traten noch drei weitere Deutsche an. Davon qualifizierten sich aber nur zwei. Und dann war ich an der Reihe.

Mit pochendem Herzen setzte ich meine Schwimmbrille auf und rückte meinen Badeanzug nochmal zurecht. Hinter meinem Startblock musterte ich meine Gegner. Engländer, US-Amerikaner, zwei Brasilianer, Rumäne, zwei Franzosen, Spanier und ein Finne. Abseits des Pools sah ich meine Trainerin, welche mir zuversichtlich die Daumen drückte. Zaghaft nickte ich ihr zu.

Ich atmete noch einmal tief ein und aus, bevor ich dann die metallene Stufe empor stieg. Plötzlich sah eine Bahn unendlich lang aus. Keine 50 Meter mehr, sondern 200. Wie sollte ich das denn schaffen? Der Puls war in meinen Ohren zu spüren, welche mit der Badekappe bedeckt waren. Dann ertönte endlich das Startsignal.

Mit einem kräftigen Ruck beförderte ich mich ins Wasser. Gut, das klappte schonmal. Das kühle Wasser erfrischte meinen kompletten Körper, hüllte mich wortwörtlich ein. Die gewohnten Bewegungen vorwärts liefen wie von alleine. Drüben angekommen, Rolle, Delphinkick, und weiter schwimmen. Wieder 50 Meter geschafft. Und nochmal. Und dann befand ich mich endlich auf der Zielgeraden.

Zwar kamen die ersten beiden Plätze bereits ins Ziel, was mir aber herzlich egal war. Ich musste mich nur qualifizieren. Alles andere waren Zukunftsprobleme. Doch ich merkte, dass ich mit meinem Nebenmann gleichauf war. Der Finne. Dieser blöde Finne mit seiner hellblauen Kappe. Konnte er nicht einen halben Meter pro Sekunde langsamer sein? Haarscharf berührte meine Hand den Beckenrand vor seiner. Eine Frage um Millisekunden.

Erleichtert entledigte ich mich meiner Brille und verlies das Becken. Ein riesiger Stein fiel mir vom Herzen. Man hörte förmlich das plumps. Ich hatte es geschafft. Anders als der Engländer und der Spanier. Voller Freude trottete ich zu meiner Trainerin, die mich strahlend empfing. Erst wollte ich sie umarmen, bis mir ihr Blick verriet, dass ich ja noch komplett nass war. „Hab dir doch gesagt, du musst dir keine Sorgen machen. Jetzt fängt der Stress erst an" Manchmal wusste ich nicht so recht, ob sie eine liebe Person, oder doch der Teufel war.

Doch ich wusste, dass sie Recht hatte. Jetzt hieß es, sich zu erholen und für den tatsächlichen Wettbewerb vorzubereiten, um den Traum einer Medaille wahr werden zu lassen. Gerade wollte ich mich umdrehen, da stand ein Reporter neben mir und hielt mir ein Mikrofon vors Gesicht. Sehr freundlich. „Sind Sie zufrieden mit der Performance für den ersten Tag?", fragte er. Hinter mir trat meine Trainerin aus dem Bild. „Ja, ich bin qualifiziert. Was anderes wünschte ich gar nicht. Trotzdem wären ein paar Plätze weiter vorne auch schön gewesen", gab ich ehrlich zu. „Was sagen Sie zu dem Kopf an Kopf Rennen mit Järvinen?" Ich blickte ihn verdutzt an. „Wer?" „Der Finne. Bastian Järvinen"

„Achso. Natürlich stresste mich das. Wir waren genau gleich schnell auf den letzten paar Metern" Ich sah ein paar Meter neben mir den besagten Mann stehen. Hörte wohl seinen Namen. Zu blöd, dass er uns nicht versteht. „Aber am Ende war ich halt besser", gab ich ein wenig sarkastisch zu. Der Reporter ging ohne ein weiteres Wort wieder weg. Wow. Danke auch.

Jetzt musterte ich den Finnen, wie er mit seinem Trainer sprach. Bastian. Durch den Stress fielen mir seine Körpermerkmale zuvor nicht auf. Aber jetzt sah ich ihn komplett. Die schwarzen, lockigen Haare fielen ihm leicht ins Gesicht. Seine Arme und Beine waren bepackt mit Muskeln. Kein Bodybuilder, aber eben ein Sportler. Ich sah mich selbst an und seufzte. Um sein linkes Handgelenk trug er ein zierliches Armband. Sein Badeanzug war weiß und blau, wie die Flagge eben. Irgendetwas hinderte mich daran meine Augen von ihm zu lassen.

Nach dem Duschen bahnte ich mir meinen Weg zur gemeinsamen Kantine. Die Plätze waren reichlich besetzt mit Sportlern aller Art, welche durcheinander brabbelten. Ich nahm mir einen weißen Porzellanteller und schaute, was es denn überhaupt gab. Mein Magen knurrte mittlerweile bereits. Schwimmen macht hungrig, oder so. Es gab warme Gerichte, die mich aber nicht wirklich ansprachen. Doch dann sah ich die Liebe meines Lebens: den Dessert-Tisch.

Das Knurren wurde noch lauter. Zielsicher drängte ich mich vorbei an der Menschenmasse, bereit die Leckerbissen allesamt zu verspeisen. Kuchen, Crème, Mousse au chocolat, Tiramisu... Ein wahres Träumchen. Besonders lächelte mich der Schokomuffin an. Ein letzter. Als ich ihn mir gierig greifen wollte, kam mir jemand anderes zuvor. Bereits an dem Armbändchen erkannte ich ihn und blickte in sein unschuldiges, hübsches Gesicht. „Oops, sorry", meinte er, nachdem er provozierend vor meinem Gesicht in den Muffin biss. Dieser Idiot. Ich hatte mich doch so gefreut. Hundert prozentig machte er das mit Absicht. Unzufrieden setzte ich mich mit einem Tiramisu-Törtchen an den Tisch mit den anderen zwei Deutschen und beobachtete Bastian, wie er in der anderen Ecke alleine den Muffin verputzte.

„Ich hoffe, du hast dich nicht allzusehr bei dem Buffet bedient", begrüßte mich meine Trainerin am nächsten Tag, sehr freundlich. „Dir auch guten Morgen" Ich stellte meine Tasche in der Umkleide ab, zog meine Badesachen an und begab mich in die große Halle. Dort warteten bereits die Zuschauer, wie auch die anderen Schwimmer. Jeder dehnte sich einzeln, aber den Finnen sah ich noch nicht. Erst kurz vor Beginn kam er angerannt. Erbärmlich.

Wir schwammen wieder die erste Bahn, wieder schwamm Bastian neben mir. Am liebsten wäre ich ihm seitwärts reingerammt. Er war erneut gleichauf mit mir. Ich strengte jeden vorhandenen Muskel doppelt an, aber schwamm trotzdem nicht schneller. Doch dann verschwand er plötzlich aus meinem Sichtfeld. Obwohl man das nie machen darf, und meine Trainerin wahrscheinlich den Kopf abhacken wird, drehte ich mich um, um nach ihm zu schauen. Da sah ich, dass er krampfte.

Ohne überhaupt nachzudenken legte ich die paar Meter zu ihm zurück, hielt ihn über Wasser und zog ihm zum Beckenrand. Er hustete und hustete, bis das Wasser aus seinem Mund lief. Seine Beine krampfen noch immer, weswegen ich anfing ihn zu massieren. Die Zuschauer blieben mittlerweile ruhig, nachdem sie alle ein „ooh" rausliesen. Bastian lag da und lies es schwer atmend über sich ergehen. Ich versuchte mein bestes mit ihm zu sprechen. „Why didn't you... dehn you?" Meine kompletten Englischkünste verschwanden. „Klappe, mach einfach weiter" Ich stockte in meiner Bewegung. „Ich dachte, du-" „Halb Finne, halb Deutscher", stellte er klar. Das erklärte es.

Dann fiel mir das Interview wieder ein. Er hatte alles verstanden. Oh. Die Röte schoss mir ins Gesicht. Jetzt hielt er mich bestimmt für eingebildet. Konnte ich ihm nicht verübeln. Endlich hörte der Krampf auf und Bastian atmete erleichtert auf. Der Bademeister saß mittlerweile auch neben uns, sowie einer der Organisatoren. „Aber ernsthaft, warum hast du dich nicht gedehnt?" „Hast doch gesehen, dass ich zu spät gekommen bin. Mir ist was dazwischen gekommen. War blöd, ich weiß" Ich fing an zu lachen. „‚Was dazwischen gekommen' Das sind die olympischen Spiele, was würde dich denn da bitte ach so wichtiges aufhalten?" Doch er antwortete nicht.

Während ich mit dem Organisator diskutierte, bekam Bastian eine Standpauke von seinem Trainer. Der Arme. Er wird richtig angeschrien. Am Ende seufzte der Mann vor mir und sprach in sein Walkie Talkie: „Wir wiederholen die Runde"

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