bastiplatte - ill

einfach über 4k wörter, neuer persönlicher rekord

pov kevin

„Schach Matt", freute sich Basti, welcher gerade mal wieder eine Schachpartie gegen mich gewonnen hatte. Egal wie gut ich war, er war besser. Irgendwie schaffte es sein Hirn jeden Zug vorauszusehen und vorauszudenken. Wie konnte jemand so intelligent sein? „Alles nur Glück", versuchte ich meinen Neid runter zu spielen. „Jaja, genauso wie die letzten 100 male, richtig?" Ich streckte ihm die Zunge raus. Dieser Idiot. „Noch eine Runde?" Ich antwortete nicht, sondern zog ihn an der Hand auf die Couch. Zusammengekuschelt lagen wir da. Alles war so perfekt. Wir waren mittlerweile seit zwei Jahren zusammen und teilten uns schon neun Monate eine Wohnung. Wir hatten keinen richtigen Streit, keine wirklichen Probleme. Es war eben perfekt.

Ich drückte seinen Körper noch fester an mich, er strich mir durch mein Haar. Sein Parfum stieg in meine Nase und erfüllte meinen Kopf mit Bastis süßen Duft. So hätten wir ewig verweilen können. „Ich muss noch streamen", murmelte Basti irgendwann verschlafen. „Will ich aber nicht. Du sollst hier bleiben" Wie ein kleines Kind verfestigte ich meinen Griff um ihn, damit er nicht abhauen kann. Ich spürte die Vibration seiner Lache an meiner Halsbeuge. „Du weißt, ich kann die Streak nicht abbrechen" Er drückte mir einen Kuss an meine Schläfe, bevor er dann aufstand und in sein Zimmer ging. Mit ihm verschwand auch die Wärme. Die unfassbar angenehme Wärme, die Geborgenheit, aus meinem Körper.

Mir wurde langweilig, wie so oft. Gedankenlos spielte ich mit meinem lila Fidgetspinner, den mir Basti extra gekauft hatte. Trotzdessen wusste ich nicht wohin mit mir. Ohne Basti war einfach alles so öde. Ich erhob mich von der Couch und begab mich ebenfalls in das Streamingzimmer. Fokussiert starrte mein Freund auf seine Bildschirme. Der Rücken gerade, wie immer. Ich musste lächeln, als er wieder in seiner YouTube-Stimme redete. Leise schlich ich mich an und umarmte ihn von hinten. Er zuckte kurz, drehte sich um und schenkte mir ein liebliches Lächeln. Interessiert setzte ich mich auf den zweiten Stuhl, neben ihm. Ich wollte ihm einfach ein wenig zuschauen.

Er hüpfte mit seinem kleinen Minecraft Männchen freudig durch die eckige Welt und sammelte Holz. Nur einwas war anders als sonst. Er hustete. Oft. Und Basti hustet nie. „Wirst du krank?" „Nein, ich werd nie krank. Einfach schlechte Luft oder so" „Aber ich merk nichts" „Kevin, mir gehts gut" Gespielt genervt blickten seine zwei grasgrünen Augen zu meinen. Seine Mundwinkel gingen nach oben, als ich ihn weiter anstarrte. Immernoch besorgt. Denn es wurde auch nicht weniger. Noch dazu fasste er sich zwischenzeitlich an die Stirn und schloss die Augen. „Holst du mir mal ein Glas Wasser?", fragte er leise, ohne seine Lider zu öffnen. Ich sprang förmlich auf, denn das war wirklich ungewöhnlich für Basti.

Als ich das Glas mit dem Wasser gefüllt hatte kam ich zurück ins streaming Zimmer und gab es meinem Freund. Ich schaute ihn an und fragte besorgt: „Hast du Kopfschmerzen? Tun deine Augen weh?" Aber Basti hörte mir nicht einmal zu und trank einfach das Wasser. „Basti" „Ja, halb so wild" „Willst du nicht lieber Schluss für heute machen?" Er seufzte laut, antwortete nicht, sondern entmutete sein Mikro und sprach weiter mit dem Chat. Verwirrt blieb ich zurück. Er war acht Jahre lang nie krank, und jetzt plötzlich wieder? Ich merkte, wie er immer wieder seine Augen zusammenkniff, oder ganz schnell blinzelte. Es schien als würde ihm die Helligkeit des Bildschirms zusetzen.

Mit der Zeit fiel es ihm immer schwerer Sätze zu formulieren. „Basti, bitte hör für heute auf. Das bringt so doch nichts", flehte ich ihn leise an. Ein genervtes Ausatmen war die Antwort. Aber tatsächlich, er verabschiedete sich und fuhr den PC runter. „Hast du Schmerzen in den Augen?" „Es ist alles okay" Er rieb sich mit den Handflächen über das Gesicht. „Nein, das ist ein Anzeichen für Migräne. Und generell, ausgerechnet du bist doch nie krank" Er zuckte nur mit den Schultern und stand auf. Mit einer Schulter blieb er beim Verlassen des Raumes am Türrahmen hängen, lief jedoch weiter, als wäre nichts passiert. Sah schmerzhaft aus.

Ich folgte ihm unauffällig. Sah, wie er durch den Flur schwankte, geradewegs ins Bett. Es war gerademal 21 Uhr. Normalerweise schlief er erst ab halb 1. Kritisch beobachtete ich Basti. Er zog sich nichtmal um, schmiss sich einfach auf die Matratze, deckte sich nicht zu, und schloss die Augen. Leise umhüllte ich seinen zierlichen Körper mit der Bettdecke, damit er nicht erfriert. Dann stellte ich ihm noch ein Glas Wasser auf das Nachttischschränkchen, falls er noch Kopfschmerzen hat wenn er aufwacht. Komischerweise wurde ich dadurch ebenfalls von Müdigkeit übermannt. Also zog ich mir meinen Pyjama an und flackte mich neben meinen Freund. „Basti?" Keine Antwort. War er innerhalb 5 Minuten eingeschlafen? Sonst brauchte er immer Stunden. Ich kuschelte mich an seine Seite und wurde nach und nach auch auf die Seite des Schlafs gezogen.

(zeitsprung, falls nicht obv 🫣)

Basti kam gerade mal wieder aus seinem Stteamingzimmer. Die Augen nur halb geöffnet, der Schritt unsicher. „Basti, wie lange willst du das noch so durchziehen?" Ich lehnte mich an die Wand. „Was meinst du?" „3 Monate. Seit drei Monaten hast du fast durchgängig Kopfschmerzen. Bei jedem Stream reibst du dir über die Augen, weil sie so weh tun. Du gehst immer früher schlafen. Beim Laufen kippst du fast um. Merkst du das denn nicht? Sowas ist nicht normal" Er verdrehte genervt die Augen. „Kann ich bitte einfach ins Bett?" „Warum gehst du nicht zum Arzt?", fragte ich, ohne ihm vorher zu antworten. „Als ob ich wegen mickrigen Kopfschmerzen zum Arzt gehe. Ich bin kein kleines Kind" „Drei Monate, Basti. Drei Monate" Ich sprach jedes Wort extra langsam aus, aber ihn schien es gar nicht zu interessieren. „Gute Nacht", murmelte er noch.

Morgens wachte ich durch das Vogelzwitschern auf und sah direkt in Bastis wunderschönes Gesicht. Seine Lider geschlossen, die Gesichtszüge entspannt, der Mund leicht geöffnet. Er war noch am schlafen. Still beobachtete ich ihn. Wie er so seelenruhig dort lag. Ob er wohl gerade träumte? Ein paar Haare fielen ihm ins Gesicht. Ich verstand nicht, wie jemand beim Schlafen trotzdem so gut aussehen konnte. Wenn er nur nicht so stur wäre. Wenn er sich mal um seine Gesundheit kümmern würde. Mit einem leisen Seufzen stand ich auf. Schließlich könnte ich ja schonmal Frühstück für den jungen Herren machen.

Ich begab mich in die Küche, stellte eine Pfanne bereit und zerbrach zwei Eier. In eine weitere Pfanne legte ich salzige Baconstreifen. Diese zwei Komponenten erfüllten meine Nase mit einem himmlischen Duft. Doch plötzlich wurde es genau das Gegenteil, als ich ein Würgen hörte. Basti. Ich sprintete zum Bad und da sah ich ihn. Am Boden kniend, über der Kloschüssel. Beruhigend strich ich über seinen Rücken, während er seinen kompletten Mageninhalt leerte. „Alles okay. Es wird alles gut", redete ich auf ihn ein. Ich vernahm ein Schluchzen. Basti hatte furchtbare Angst vor dem Erbrechen, konnte ich gut verstehen. Sein Körper zitterte, seine Augen flatterten.

Schwer atmend saß er auf dem kargen Boden an die Wand gepresst, nachdem er fertig war. Wie es mir mein Herz brach ihn so sehen zu müssen. „Soll ich dir ein Glas Wasser holen?" Als Antwort verfestigte er nur seinen Griff um mein Handgelenk. „Ist okay, ich gehe nicht weg" Sanft strich ich über seine Finger, während er versuchte seine Atmung zu dämpfen. Ich war so verwirrt. Was ist passiert? Warum? Hing das mit den Kopfschmerzen zusammen? „Es tut mir leid", flüsterte er kraftlos. „Psst, alles in Ordnung" Still saßen wir noch einige Momente da, bis Basti sich beruhigt hatte.

Er wollte sogleich aufstehen. „Basti, jetzt hör mir mal zu. Es muss was los sein mit dir, das kannst du doch nicht abstreiten" Ich erhob mich ebenfalls. „Ich weiß, dass du nicht gern zu einem Arzt gehst, aber..." Er unterbrach mich „Ich habe schon gesagt, es geht mir gut" „Basti, dein Kopf"„Ich muss mir das ganze nur einreden. Es wird schon" „Nein wird es nicht" „Kevin" Seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Selbst wenn ich krank wäre, wäre das kein Weltuntergang. Dann hab ich vielleicht mal ne Grippe, ja und? Dafür brauch ich keinen Arzt" Manchmal fragte ich mich echt wie so jemand es geschafft hat alleine zu überleben. „Grippe hat man vielleicht für ein paar Tage, Wochen, aber nicht Monate"

Er verdrehte die Augen, verließ den Raum und ließ mich zurück. Ohne zu zögern schloss ich die Tür und zückte mein Handy. Glücklicherweise war die Nummer unseres Hausarztes schon eingespeichert, somit musste ich nicht lange suchen. Ich schilderte ihm die Situation, erklärte aber auch, dass er Arztbesuche verweigert. Der nette Herr am Ende der Leitung meinte, er müsse sich das genauer anschauen, da das auch ihm ungewöhnlich vorkam. Ich sollte Basti also einfach zwingen bei mir ins Auto einzusteigen. Kann ja nicht so schwer sein, richtig? „Auf gar keinen Fall", schrie er mich an, bevor ich überhaupt den Grund erklärte.

Mir platzte fast der Kopf. Vor Wut, vor Sorge. Ich wollte doch nur, dass er normal leben konnte. Ich nahm all meine Kraft zusammen und zog ihn an der Hand nach draußen, ins Auto. In der anderen Hand hielt ich ein Paar Crocs. „Spinnst du?", rief er aufgebracht als ich ihn auf den Beifahrersitz beförderte. Warum verstand er denn nicht? Er war doch so schlau. „Zieh die an" Ich warf ihm die Schuhe in den Fußraum und fuhr los. Basti schien zu realisieren, dass es jetzt wohl keinen Ausweg gab. Widerwillig schlüpfte er in die Crocs.

Bei der Praxis angekommen warf Basti mir erstmal Todesblicke zu. Diese ignorierte ich jedoch gekonnt. Der Doktor führte einige Tests durch, hörte seinen Brustkorb ab, wofür Basti sein Oberteil hochziehen musste. Mein Körper spannte sich förmlich an beim Anblick des dürren Gewebes und der hervorstehenden Knochen. Basti hatte in den letzten Monaten viel abgenommen, das war mir durchaus bewusst. Dass jedoch die Folgen so zur Sicht kamen hätte ich mir nicht vorstellen können. Mit jeder Untersuchung, jeder verstrichenen Stunde stieg zunehmend die Angst in mir hoch. Der Arzt sagte kaum etwas, murmelte nur manchmal als Bestätigung. „Es tut mir leid, ich habe nichts Ungewöhnliches gefunden", meinte er dann irgendwann. Ich rieb mir übers Gesicht. Was nun? Irgendwas stimmte doch nicht mit Basti. Das konnte doch niemals normal sein.

Die Heimfahrt verlief still. Erst in unserer Wohnung ergriff Basti das Wort. „Hab dir doch gesagt der Arzt bringt nichts" Am liebsten hätte ich ihm eine reingehauen. „Tu mal nicht so als wäre alles in Ordnung" Er rollte genervt mit den Augen und ging in sein Streaming Zimmer. Meine Sorgen um ihn wuchsen immer weiter. Aber ihn schien das gar nicht zu interessieren. Warum? Wollte er es sich einfach nicht eingestehen? Arbeit als Form der Bewältigung oder als Verdrängungsmethode war für Basti keine Neuheit. Nur ging es sonst um mentale Probleme, die er dadurch vernachlässigte. Diesesmal waren es ja wirklich körperliche Aspekte. Plus die psychische Belastung dazu.

Doch entgegen meiner Erwartungen wurde kein PC hochgefahren, kein Licht angeschaltet, sondern im Raum war nur Dunkelheit und Stille. Und eine Stunde später trottete ein verschlafener Basti in das Wohnzimmer rein. Fast schon erschrak ich bei seinem Anblick. Seine Haut war blass, sein Rücken gebeugt. Die Augen gerötet und nur halb geöffnet. Mit einem Gähnen begrüßte er mich. „Hast du geschlafen?" Er brummte zur Bestätigung. „Wir haben mitten am Tag", merke ich verwundert an. Erneutes Brummen. Basti hielt nie Mittagsschlaf. Nie.

Auch am nächsten Tag lag er überraschenderweise abends auf der Couch und schlief. Vorsichtig rüttelte ich an ihm. „Du hast schon zwei Stunden geschlafen, dachte ich weck dich mal. Du musst auch noch streamen, es ist schon 20 Uhr" Er drehte sich brummend von mir weg, bevor er dann ein „Kann nicht" murmelte. „Du kannst nicht?" „Kann nicht", wiederholte er sich. „Und deine Streak?" „Kann nicht" Er sagte nichts anderes mehr. Die Sorgen brodelten in mir hoch. Was war nur los?

Mein Blick wanderte auf das volle Wasserglas auf dem Tisch, welches ich ihm vor ein paar Stunden bereitstellte. „Basti, bitte trink was" Keine Reaktion. Erst dachte ich er wäre wieder eingeschlafen. „Kann nicht" Ich stieß angestaute Luft aus. So konnte das doch nicht weiter gehen. Plötzlich hörte ich Magengrummeln. „Hast du heut was gegessen?" „Hm" „Was?" „Brötchen" Das war mittags. „Mehr nicht?" „Mhm" Verunsichert musterte ich den Körper vor mir. Er lag eingewickelt in einer Decke, umgeben von vielen Kissen und einem kleinen Plüsch-Dino. „Frierst du? Soll ich dir eine Wärmflasche machen" „Bitte" Anscheinend besaß er nichteinmal genügend Kraft um vollständige Sätze zu formulieren, was meine Alarmglocken mehr als nur schlagen ließ.

Ich sprang auf und setzte Wasser auf, welches innerhalb weniger Sekunden auf 100 Grad erhitzte. Die kochende Flüssigkeit schüttete ich dann in die mit Stoff überzogene Wärmflasche, drückte die vorhandene Luft raus und drehte den Stöpsel zu. „Danke", murmelte Basti kraftlos, als ich sie ihm gab. Ich drückte die Decke unter seinen Körper, sodass sie diesen fest umwickelt. Dann strich ich ihm ein paar Strähnen aus dem Gesicht und sah erneut geschlossene Augen. Innerlich betete ich einfach. Lass es bald rum sein. Lass ihn nicht mehr leiden. Er verdient das nicht.

„Komm, versuch dich bitte aufzusetzen. Du musst was essen" Ich schob das Wasserglas näher zu ihm „Und trinken", fügte ich hinzu. Basti schaffte es tatsächlich sich ganz langsam aufrecht hinzusetzen, stützte sich dabei auf seine Arme, die durch die Angstrengung zitterten. Aus der Küche holte ich ihm ein weiteres Brötchen. Zwar trocken und nicht viel, aber ich wollte einfach, dass er zumindest irgendwas im Bauch hat. Als ich wiederkam sah ich, wie vom Wasser gute zwei Zentimeter fehlten. Ich seufzte. Besser als nichts trinken. „Hier, versuch es zumindest" Vorsichtig nahm er mir den Weck aus meiner Hand und biss zaghaft hinein. Einige Sekunden verweilte er mit dem Brötchen im Mund, bevor er sich dann das Stück mit den Zähnen abriss und kaute. Ganz langsam kaute er, atmete schwer und zitternd.

„Hast du irgendwelche Schmerzen?" Er schluckte noch sein Essen runter. „Überall" Ich runzelte die Stirn. „Wie überall?" „Jede Bewegung tut weh. Auch sitzen. Ich muss liegen. Mein Kopf, mein Bauch, mein Kreislauf, alles spielt verrückt" Seine Stimme wurde brüchig. „Ich weiß nicht, was passiert, aber ich will nicht mehr" Und damit lief die erste Träne seine blassen Wangen hinunter. Wortlos nahm ich ihn in den Arm, rieb mit meiner Hand über seinen Oberarm. „Wir finden eine Lösung, das versprech ich dir"

„Verspreche nichts, was du nicht halten kannst", flüsterte er. Ich drückte ihn noch fester an mich. „Hör auf so zu denken" Aber tief im Inneren wusste ich, er hat Recht. Ich durfte kein Versprechen geben. Denn ich konnte ihm nicht helfen. Konnte keine Lösung finden. Nein, ich war ratlos. Wusste nicht, was ich tun sollte. Überfordert mit allem. „Willst du ins Bett?" Er nickte und versuchte aufzustehen. Ich half ihm dabei, obwohl er es auch alleine geschafft hätte. Sicher ist sicher. „Schlaf gut", sprach ich zu ihm, nachdem wir uns beide auf unsere jeweiligen Bettseiten gelegt hatten. „Du auch"

Egal wie friedlich ich an diesem Abend einschlief, morgens war alles vorbei. Ich wurde aufgeweckt durch ein Würgen. Basti. Erneut. Hektisch sprintete ich zum Bad, fiel dabei fast um, da ich zu schnell aufstand. Basti saß mal wieder voller Tränen über der Kloschüssel gebeugt. So konnte das doch nicht weiter gehen. „Tief atmen, alles wird gut", versuchte ich auf ihn einzureden. Déjà vu.

Gezwungenermaßen fuhren wir gleich an dem Tag zu einem anderen Arzt. Aber nichts neues. Also der nächste. „Keine Auffälligkeiten" Dann wird es eben der nächste sein. „Es tut mir leid..." Ich hörte nicht mehr zu. Warum? Warum bemerkte denn niemand, dass mit Basti etwas nicht stimmte. Warum fand niemand die Ursache? Spät abends fuhren wir nach Hause. „Entschuldige, dass ich dich heute so gefordert hab" Er hasste schließlich Arztbesuche. „Hm" Mehr sagte er nicht.

Verzweifelt lag ich im Bett, konnte nicht schlafen. Tat mein bestes, um nicht das Heulen anzufangen. Er verdiente das nicht. Er war so ein guter Mensch. Und jetzt leidet er, ohne ersichtlichen Grund. Basti neben mir schlief schon längst friedlich, während ich noch immer völlig in Gedanken hing. Er bedeutete mir doch so viel. Warum wir? Warum er? Ja, es war vielleicht egoistisch so zu denken, aber warum hat es ausgerechnet ihn getroffen, und nicht jemand anderen? Dann hätten wir jetzt nicht diese Probleme. Er hätte sie nicht.

Ein lautes Poltern holte mich aus meinem kurzen Schlaf. Bereits einige Sonnenstrahlen erhellten das Zimmer. Nicht schon wieder, dachte ich mir. Ich sprintete zum Bad. Niemand da. Verwirrt lief ich weiter durch die Wohnung und fand meinen Freund in der Küche wieder. „Oh, hab ich dich geweckt? Tut mir leid" Erleichtert atmete ich aus. „Schon gut. Was machst du überhaupt schon wach?" „Wollte für uns Frühstück machen, aber mir ist die Pfanne runtergefallen" Das war also das laute Geräusch. Ich zog die Augenbrauen hoch. „Dir gehts gut?" Er nickte. „Besser. Das kommt immer phasenweise. Eier?" „Gerne"

Wir aßen still Bastis Essen. Es schmeckte wirklich nicht schlecht. Basti war ein ausgezeichneter Koch. „Und was hast du heute noch vor?", fragte ich ihn als wir aufgegessen hatten. „Wollte noch ein paar organisatorische Sachen erledigen für die nächste Challange. Vielleicht heute abend streamen, ich weiß noch nicht" Ein Seufzen entwich mir. „Warum machst du nicht einfach mal Pause?" Sein Blick wurde verdutzt. „Hab ich doch gestern" Dann wurde er wieder leicht panisch. „Ich muss den Streakabbruch ja auch noch erklären und entschädigen und-" „Basti", unterbrach ich seinen schnellen Redefluss. „Du bist niemandem eine Erklärung oder gar eine Entschädigung schuldig. Nimm dir die Zeit, die du brauchst"

Basti war verunsichert, aber er wusste, dass ich Recht hatte. Er wusste, dass er sich nicht von dieser sozialen Plattform erpressen lassen sollte. Er war nur ein Mensch und hatte das Recht, das zu machen, was er wollte. „Aber was sollen meine Follower denn denken? Was soll meine Community nur von mir halten, wenn ich auf einmal eine Pause mache?" Basti blickte mir tief in die Augen. "Sollen sie denken, ich sei verweichlicht oder faul?" „Niemand denkt das von dir" „Was, wenn ich sie enttäuscht habe?" Ich blickte ganz tief in seine rötlichen Augen und nahm seine linke Hand in meine rechte. „Hör auf damit" Mit der freien Hand strich ich ihm durch die Haare. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Kümmer dich erstmal um das Hier und Jetzt, um dich selber"

Er umarmte mich, ohne ein Wort. Ich war einfach unfassbar glücklich, dass es ihm im Moment gut geht. Sogleich als wir uns lösten ging er in Richtung seines Arbeitszimmers. „Ich fang dann mal an. Falls was ist, komm einfach rein" Er lächelte mir zu. Und schon stand ich wieder alleine in der großen Wohnung. Schnell wurde mir langweilig, weswegen ich beschloss ein wenig aufzuräumen. Basti wird sich freuen. Ein paar Geschirr spülen, Wäsche zusammenlegen, staubsaugen und Bett machen.

Und ein paar Stunden später kam Basti auch schon wieder, sah deutlich schlechter aus als zuvor. „Hast du aufgeräumt?", fragte er leise. „Natürlich" Ich grinste. „Nichts natürlich. Du machst das nie, das ist unnatürlich" „Klappe, sei einfach froh, dass ichs gemacht hab" Seine schwachen Augen wurden zu Schlitzen, da er anfing zu lächeln. „Ich würd mich kurz hinlegen", meinte Basti und steuerte richtung Couch. Sofort sprudelten die Sorgen in mir hoch. „Alles okay? Gehts dir gut? Brauchst du was? Müssen wir zum Arzt?" „Kevin, beruhig dich. Ich leg mich nur kurz hin" Beschämt blickte ich ihm nach. „Ach, ja, klar"

Er deckte sich auf der Couch zu und drehte sich von mir weg. „Kann ich den Fernseher anmachen?", fragte ich vorsichtig. „Grad eher nicht. Ist das okay?", murmelte ich. „Klar, deswegen hab ich ja gefragt" Und damit hörte ich auch schon wenig später leises Schnarchen. Wie konnte man nur so schnell einschlafen? Leider hielt das aber nicht lange. „Wärmflasche", hauchte er auf einmal. Wieder so leise und kraftlos wie am Vortag. Und erneut kein ganzer Satz. „Mach ich"

Ich gab ihm die glühende Wärmflasche, welche er dankend annahm. „Wie gehts dir?" „Scheiße" Ein Seufzen entwich mir. „Kann ich was für dich tun?" „Mhm" „Okay, dann lass ich dich in Ruhe" Ich ging in die Küche und setzte mich auf einen der Barhocker. Die ganze Zeit scrollte ich durch mein Handy, beantwortete unwichtige Emails und löschte jegliche Insta Nachrichten bezüglich Basti. Die Leute sollten ihn einfach mal in Ruhe lassen. Der Arme bekommt doch kein Atemzug ohne Stress.

Plötzlich klingelte es. Wir erwarteten kein Paket, kein Essen, kein Besuch. Ich öffnete langsam die Tür. „Überraschung", rief eine überglückliche Frau mit einem Hund in der Hand. „Hey, was machst du denn hier?" Ich nahm sie in den Arm, was sie sogleich erwiderte. „Wollte euch nen kleinen Überraschungsbesuch abstatten" Gleich darauf begrüßte ich den aufgedrehten goldenen Hund. „Na hallo Fini" Sie freute sich sehr offensichtlich mich wiederzusehen. Dann widmete ich mich wieder der Konversation. „Da hast du dir leider die falsche Zeit ausgesucht. Basti geht es gerade echt nicht gut" „Wie? Wo ist er?" Sofort lief sie den Flur entlang in das Wohnzimmer, wo Basti mittlerweile aufrecht auf der Couch saß.

„Basti, deine Schwester ist da", rief ich ihm noch zu, bevor sie ankam. Fini rannte sofort zu ihm und wackelte aufgeregt heraum. Basti schloss die Augen. Die hektischen Bewegungen schienen ihn stark zuzusetzen. Sie merkte wohl, dass es ihm nicht gefiel, denn sie hörte direkt danach damit auf und wurde ruhiger. Stattdessen legte sie sich flach hin und platzierte ihren Kopf auf seinem Oberschenkel. „Hey, na" Bastis Schwester umarmte ihn. „Kevin meinte dir gehts nicht gut" Sie ging neben ihm in die Hocke. Er nickte nur. „Was ist denn los?" „Viel" „Gerade eher nicht reden?" Kopfschütteln. Sie lies von ihm ab.

Wir setzten uns zu zweit auf die Barhocker und beobachteten Basti, wie er mit Fini kuschelt. Als gäbe es nichts schöneres in der Welt. „Ich habe ihn lange nicht mehr so glücklich gesehen", merkte ich leise an. Seine Schwester schien zu bemerken, wie schlecht es um ihn steht. „Wie lange geht das schon so?" „Vier Monate" Ich selber musste bei den Worten schlucken. Damals hatten wir keine Ahnung. Keine Ahnung, wie sehr das ganze ausarten würde. Als er die Kopfschmerzen beim Streamen bekam. „Wart ihr nicht beim Arzt?" „Doch, schon bei vier verschiedenen. Niemand findet etwas. Keine Unregelmäßigkeiten, Geschwüre, Blutungen, Tumore, einfach nichts" Kurz blieb es still. „Ein Wunder, dass du ihn da überhaupt hinbekommen hast. Du hättest ihn mal als kleines Kind erleben müssen, wenn er einen Arzttermin hatte. Das war der Horror" Sie lachte, ich musste mitlachen. Ein theatralischer Basti war ja schon amüsant. Aber ein theatralischer kleiner Basti war noch eine Nummer besser.

Nach einiger Zeit, indem sie mir hauptsächlich von Bastis Kindheit erzählte, legte sich Basti wieder hin. „Hast du mal Fieber gemessen?" „Eh, nein" Ich stand auf und holte den Thermometer. Aber mitten im Wohnzimmer blieb ich stehen. Ich beobachtete den dürren, zugedeckten Körper. Wie er sich langsam hebte und senkte, und dabei leise Geräusche von sich gab. Und plötzlich wurde mein Körper ganz schwer. „Was ist los?" Bastis Schwester stand neben mir. „Ich will es irgendwie nicht wissen" Sie schaute mich verwirrt an. „Wie?" „Es macht doch keinen Unterschied. Zu wissen, dass er noch dazu Fieber hat, würde nur noch mehr Sorgen bereiten" „Ich verstehe was du meinst, aber denk mal an die Ärzte. Je mehr Symptome wir vorweisen, desto eher könnten sie eine Diagnose erstellen. Vielleicht ist diese Info hilfreich, verstehst du?"

Ich nickte und schritt weiter vor zu Basti. Da ich ungern einfach das Gerät in sein Ohr rammen würde, während er schläft, musste ich ihn wohl oder übel aufwecken. „Hey Basti, ich mess kurz Fieber okay?" „Mh", brummte er, ohne seine Augen zu öffnen. Vorsichtig steckte ich den Messer in seine Ohrmuscheln. „Okay, schlaf weiter", flüsterte ich in sein Ohr und küsste ihn kurz auf die Stirn. „Kein Fieber, aber erhöhte Temperatur", meinte ich zu seiner Schwester. „Wie viel?" „38,3" Sie nickte stumm.

Und es wurde nicht besser. Die Muskelschmerzen nahmen immer weiter zu, die Kopfschmerzen ebenfalls. Die ‚gesunden' Phasen hingegen nahmen ab. Genauso, wie seine geistige Gesundheit. „Bist du dir sicher?", fragte ich nach jedem seiner Schachzüge. Sonst gewann er doch immer gegen mich, nun machte er fast nur Züge, die keinen Sinn machen. „Nicht eher den Bauer?" „Wer?" Ich starrte ihn an. Das war doch nicht sein Ernst. „Achso, jaja. Der Bauer, na klar" Er zog mit einem Läufer. Kein Arzt konnte uns wirklich Auskunft geben. Jeder überwies uns immer sonst wohin, nie kam es zu einem Ergebnis. Nach ungefähr einem Jahr wurde er dann als chronisch krank erklärt. Es existierten viele Ursachen für chronische Krankheiten. Bei Basti wird es vermutlich am Dauerstress gelegen haben. Und jetzt konnten wir einfach nur hoffen, dass es irgendwann besser wird. Und das alles, nur weil er sich keine Pausen gönnt.

tut mir echt leid dass es so lange gedauert hat 😭 im moment echt viel los und hatte ne schreibblockade

bin auch wirklich unzufrieden mit dem os deswegen würd ich mich vllt über kritik freuen

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