Die Gedanken sind frei • Paluten
»I see trees of green, red roses too, I see they bloom for me and you«
Langsam füllte sich der Musikraum und konzentriert blickte ich auf meine Kopfhörer, versuchte, sie möglichst unauffällig zu entknibbeln.
»And I think to myself - What a wonderful world«
Immer positiv bleiben, immer positiv denken, Patrick. Wird schon nichts passieren. Eine nornale Musikstunde, niemand wird merken, dass du Musik hörst. Du sitzt in der letzten Reihe und machst es jede Stunde.
Doch trotzdem war ich nervös, als mein Handy die Playlist startete und nur ein leichtes Rauschen zu hören war.
»The colours of the rainbow, so pretty in the sky, also on the face of the people passing by«
Das sonst so drückende Gefühl auf meiner Brist verschwand und ich starrte nach draußen, versuchte, mich für eine Schulstunde von meiner Existenz zu lösen und einfach nur zu genießen.
»I hear babys cry and watch them grow, they learn much more, than we will know«
Die Musik trieb mir Tränen in due Augen und blitzschnell riss ich mir die Kopfhörer aus den Ohren. Ja keine Schwäche zeigen. Diesmal heftete ich meine Augen auf meinen Vordermann - Louis, und schon sein Rücken ließ mein Herz höher schlagen.
Diese verdammten Gefühle.
"Okay. Wir singen jetzt ein Lied."
Synchron stöhnte die gesamte Klasse auf und als Herr Schmidt begann, zu spielen, war ich kurz davor, meinen Kopf gegen die Wand zu schlagen. Aber trotzdem sang ich mit - wie jeder in der Klasse.
Wer liebt dieses Lied denn nicht auch?
"Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten? Sie fliehen vorbei, wie nächtliche Schatten."
Louis bewegte sich, ich betrachtete ihn.
Ob mein Vater mich dafür schlagen würde?
Ob er es rausfinden würde?
Dass ich einen Jungen anschaute?
"Werde ja nicht so, Bursche."
Seine Worte hinterließen in meinem Kopf einen bitteren Nachgeschmack.
"Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger sie schießen."
Kann man mir das vom Gesicht ablesen?
Dass ich anders war?
Nicht normal?
Meine Brust zog sich zusammen und für einen Moment wusste ich nicht, ob ich Angst hatte oder hoffte, dass ich nicht mehr atmen konnte, weil mir meine Furcht vor dem Temparament meines Vaters den Atem raubte.
"Es bleibet dabei - die Gedanken sind frei!"
"Werd ja nicht so, Bursche."
Wieso eigentlich nicht? Was war so schlimm daran, dass Jungs Jungs liebten und Mädchen Mädchen und was war so normal daran, dass Mädchen Jungs liebten und Jungs Mädchen?
War ich so falsch? Dass ich fühlte? Durfte ich das nicht?
"Und sperrt man mich ein, in finstere Kerker"
Aber ich durfte ja sowieso nichts, ich war ja sowieso nichts.
Nur eine kleine, leblose Puppe in der Spielzeugkiste des Schicksals.
Ich durfte nichts machen, als wären schwere Eisenketten um meine Brust gelegt.
Die Tränen, die mir in die Augen traten, waren heiß vor Wut und tiefe Halbmonde waren auf meinen Handrücken, als icb meine Finger löste.
Ich hasste mich, dafür, dass ich so anders war.
"Denn meine Gedanken, sie reißen die Schranken«
Würden jene mir auch noch genommen werden?
Mein einziges Eigentum, meine Würde, meinen Stolz?
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Sie selbst begründen immer mit dem Gesetzbuch, halten sich aber nicht einmal an den ersten Artikel.
Mein Herz schmerzte, ich zitterte.
Ich war wütend, so wütend.
"Meine Gedanken sind frei!"
Und wie meine Gedanken frei waren.
Ich war frei.
Ich hatte Rechte, ich hatte Würde, Stolz.
Ich bin ein Mensch.
Egal was meine Eltern sagten, meine Mitschüler, meine Lehrer, meine Freunde.
Ich liebe Jungen.
Ich liebe Louis.
Und niemand wird mir diese Liebe je nehmen können.
Und für einen Bruchteil einer Sekunde erfüllte mich ein atemberaubender Stolz auf mich, wie ich war.
Dann verstummte das Klavier, doch über der Klasse hing ein ehrfurchtsvolles Schweigen, niemand wagte es, diese Stille zu brechen.
Jeder hatte es gespürt, jeden hatte es mitgenommen.
Doch das Schulklingeln riss uns in den schwarz-weißen Alltag zurück und ich war wieder nur ein kleiner, unwichtiger Schüler, der in der Masse unterging.
{653 Wörter}
What a wonderful world und Die Gedanken sind frei <3
Rosenlicht ❤
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