GerryMoon - Feuer am Horizont
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GerryMoon schreibt für... Just_a_funny_human :)
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Feuer am Horizont
Die Wut brannte durch meine Venen. Siedend heiß. Es war, als würde die Welt vor meinen Augen noch immer in Flammen stehen. Ich sah die Bäume brennen, hörte die Äste knistern, roch diesen typischen Geruch. Ein Geruch, der an mir klebte, der mich verfolgte. Ich sah das Haus einstürzen und spürte dabei Genugtuung. Alles sollte unter meiner Wut so zerstört werden wie dieses Gebäude vor mir. Sie sollten brennen für das, was sie getan hatten.
»Yoongi?«
Ich riss mich vom Fenster los, versuchte, meine Wut in den hintersten Winkel meines Geistes zu verbannen, während ich Jimin anstarrte. Seine Augen waren blutunterlaufen, Tränenspuren konnte man noch immer auf seinen Wangen erkennen. Sein Körper zitterte noch immer, er war traumatisiert, gelangte nur langsam in das Leben zurück.
»Ich bin da...«, sagte ich und schaute ein letztes Mal aus dem Fenster.
Dahinter waren wieder der Park und die Wohnhäuser zu sehen. Unberührt, grün und schön. Dann trat ich zu Jimin ans Bett, nahm seine Hand in meine. Seine Hand war kalt, eisig kalt. Er starrte durch mich hindurch, mit erneuten Tränen in den Augen. Das Feuer in seinen Augen war erloschen, da war kein Funke seiner üblichen Lebenslust mehr vorhanden.
»Ich habe so Angst!«, schluchzte er leise und krallte seine Hand in meine. Seine Fingernägel bohrten sich in meine Haut, doch ich würde diesen Schmerz aushalten. Ich würde ihn ertragen und in die Wut umwandeln, die mich seit dem Tag begleitete. Dem unheilvollen Einsatz, der Jimin das angetan hatte.
»Ich weiß«, erwiderte ich und erwiderte seinen Händedruck.
Ich schluckte den Kloß herunter und damit auch die Hilflosigkeit, dass ich nicht mehr als das tun konnte, damit es ihm besser ging.
»Ich kann es einfach nicht glauben!«, brachte er wieder hervor. Mit gebrochener Stimme brachte er den letzten Funken Wut in sich zum Glühen. Der letzte Funken Wut, der in seinem Körper vorhanden war und meiner Wut einheizte. Jimin war niemand, der lange wütend blieb, seine Wut wich schnell anderen Gefühlen, wich Angst und Resignation, Akzeptanz, die meiner Meinung nach in diesem Fall absolut nicht angemessen war.
Sein Leben wurde zerstört. Unser Leben wurde zerstört. War nun zerstört.
Fest presste ich meine Zähne aufeinander, es war einfach unglaublich. Einfach nicht zu fassen, wie Menschen sowas tun konnten. Sanft streichelte ich ihm seine Seite, während er wieder weinte. Weinte um sein Leid, um sein Schienbein, das er durch die Kugel beinahe verloren hatte. Zertrümmertes Knie, die Diagnose, dass er wohl nie wieder richtig laufen konnte, war verdammt schnell gekommen. So schnell wie ein Waldbrand sich ausbreitet, wenn der heiße Wind die Funken ins Trockene weht.
Vorsichtig strich ich Jimin durchs Haar, während sein Schluchzen weniger wurde. Seine Augen zierten genauso tiefe Augenringe wie meine, wir konnten beide nicht schlafen. Jimin nicht, weil seine Träume ihn den Schuss immer wieder vor Augen führten, den Knall, den wir durch das Feuer, welches uns umgab, kaum gehört hatten. Es war ein Scheunenbrand gewesen. Ein Scheunenbrand, der auf das daneben gelegene Wohnhaus übergegriffen hatte. Kinder waren noch im oberen Stockwerk gewesen, der Brand noch nicht so schlimm, als dass wir sie nicht retten konnten.
Ich spürte noch immer, wie Jimin neben mir schrie, wie er auf der Leiter in sich zusammenklappte und ich gerade so in der Lage war, ihn aufzufangen, bevor er die Leiter vollkommen hinabstürzte. Ich konnte noch immer Namjoons Rufe hören, während er aufgeregt fragte, was das für ein Geräusch war. Meine Träume hielten mir vor, nicht besser aufgepasst zu haben. Meine Albträume, gespeist mit brennender Wut, verachteten mich dafür, meinen Fokus auf den Kindern gehabt zu haben und nicht auf Jimin, der auf der Leiter stand. Sie redeten mir ein, dass ich es hätte verhindern können.
Sanft streichelte ich Jimin, bis seine Augen sich schlossen und er erschöpft zurück in die Kissen sank. Die Kissen eines Krankenhauses, welches ich nie wieder von innen sehen wollte. Nicht, nachdem ich meinen Bruder hier verloren hatte. Es war Jahre her, doch hatte sein Verlust mein ganzes Leben geprägt, so wie auch dieser Besuch mein ganzes Leben prägen würde.
Ich ballte meine Hand zur Faust und befreite mich wieder von Jimins Griff. Ich wollte nicht, dass er meine Wut zu spüren bekam, dass er unruhig schlief, nur weil ich meine Wut nicht im Zaum halten konnte. Meine Wut auf diesen Tyrannen, der meinen Engel angeschossen hatte. Einem Engel, der mir endlich wieder gezeigt hatte, dass es mehr als Arbeit in meinem Leben gab. Er hatte mir das Leben neu gezeigt, neu geschenkt und auch jetzt war jeder Tag nur wertvoll, weil er da war. Er, mein Funke in der Dunkelheit, mein wärmendes Feuer in der Kälte, die ich in meinem Herzen nur dank ihm besiegen konnte.
Ich spürte, wie meine Zähne knirschten. Sie waren nicht damit einverstanden, mit so viel Kraft belastet zu werden. Es tat weh, weh zu sehen, wie Jimin litt.
»Er schläft, das ist gut.«
Ich hatte nur am Rande mitbekommen, wie sich die Tür öffnete, wie sich Jimins Schwester in den Raum geschoben hatte, leise, um ihren Bruder nicht zu wecken. Sie war die Einzige, die Jimin genauso liebte wie ich, die Einzige, die mich überzeugen konnte, für meine eigenen Bedürfnisse Jimins Seite kurz zu verlassen. Sie brauchte nichts zu sagen, denn ihr Blick sagte alles. Ein Blick, der dem von Jimin so ähnlich war. Es zog in meiner Brust, meine Liebe krümmte sich unter dem Blick, denn sie litt. Sie litt genau wie Jimin.
»Ich bin jetzt da, geh dich duschen, iss etwas, versuch vielleicht auch etwas zu schlafen.«
Ihre Worte waren sanft, während sie sich ihr braunes Haar hinters Ohr strich und sich mir gegenüber setzte, doch es lag ein stummer Befehl darin. Eine Fürsorge um mich, für Jimin, weil er sie momentan nicht leisten konnte. Ich fühlte mich schuldig. Schuldig unter ihrem Blick, mich nicht um mich zu kümmern, Jimins Leid nicht verhindert zu haben. Die Wut flammte auf, nährte sich an der Scham, die ich verspürte, und der Angst.
Langsam nickte ich und stand auf. Jimin war bei ihr in guten Händen, vielleicht sogar in besseren.
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»Warum? Warum hast du unser Leben zerstört?«
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Mein Weg führte mich zur Feuerwehrwache. Sie war näher als mein Heim und ich konnte hier alle meine Bedürfnisse erfüllen und schnell zu Jimin zurückkehren. Ich sah schon von außen, dass nicht viel los war. Ein Fahrzeug war auf einem Einsatz, wohl nichts Großes. Ich drückte die Tür auf, schlich mich die Treppe hinauf zu den Duschen. Ich hatte nicht viel Lust auf andere zu treffen. Es musste keiner sofort wissen, dass ich hier war, dass ich ausgerechnet hierhin kam, um mich um mich selbst zu kümmern.
Schnell hatte ich mir aus meinem Spind frische Kleidung gefischt, bevor ich zum Umkleideraum ging. Schnell hatte ich dort meine alten Klamotten ausgezogen und war zu den Duschen verschwunden. Ich drehte das Wasser auf, ließ die kurze Kälte über mich ergehen, bevor sie einer Wärme wich, die nicht an mein Inneres herankam. Ich sah Jimin vor meinem inneren Auge, wie er lachend mit einer Seife nach mir schmiss, erleichtert, dass wir den letzten Brand besiegt hatten. Ich sah unseren ersten Kuss vor mir, wie er schüchtern vor mir stand, hier in der Dusche, wie er verschmitzt lächelte, bevor er mich unter dem Wasserstahl küsste. Ich spürte seine Finger auf meiner Haut, wusste, dass die Nähe unter der Dusche für uns immer besonders gewesen war.
Hart schlug ich mit der Faust gegen die Wand. Die Wut brannte. Jimin würde hier nie wieder duschen gehen können. Er würde nicht mehr lachend mit den anderen herum schäkern, sie aufziehen. Nochmal traf meine Faust gegen die Wand. Wasser spritzte ab, traf zurück in mein Gesicht, heiß, siedend heiß lief es mir über den Körper. Nichts gegen die Hitze in meinem Inneren. Am liebsten hätte ich geschrien, meinem Frust laut Ausdruck gemacht, doch ich wollte die anderen nicht möglicherweise doch stören. Ich schnaubte das Wasser aus, das mir in die Nase gelaufen war, bevor ich nach dem ersten Duschzeug griff, das neben mir stand, es öffnete und auf meinen Händen verteilte.
Der vertraute Geruch, der immer an Jimin klebte, verbreitete sich sofort. Eine Mischung aus Kokos und Schokolade. Ich starrte das rabenschwarze Duschgel in meinen Händen an, es erinnerte mich an Ruß, an Öl, ließ erneute Einsätze mit meinem Engel vor meinen Augen flackern. Ich schloss meine Augen, wusste nicht wohin mit der unbändigen Wut, die mich übermannte. Jemand hatte ihn töten wollen. Jemand hatte meinen Engel töten wollen! Jemand war bei unserem Einsatz gewesen und hatte mutwillig im Chaos auf ihn geschossen.
Ich spürte, wie meine Fingernägel über meine Haut kratzten, wie ich mich zurückhalten musste, mich nicht in meine Haut zu krallen, erneute Spuren darin zu hinterlassen. Nein. Mich traf keine Schuld. Mich traf keine Schuld! Es war die Schuld des Irren. Die Schuld des Irren, der geisteskrank auf ihn geschossen hatte. Ohne Grund und ohne Verstand!
Als ich aus der Dusche trat, hatte ich nicht erwartet auf Jungkook zu treffen. Er trocknete sich gerade das Haar, hatte scheinbar schon eine frische Hose aus seinem Spind angezogen, denn eine nasse Uniform lag neben ihm. Überrascht wandte er seinen Kopf zu mir. Die Duschen waren nach außen hin fast schalldicht, etwas, das Jimin und ich uns hin und wieder nach Feierabend zu Nutze gemacht hatten. Wieder zuckten Erinnerungen vor meinen Augen, für die es vielleicht nie wieder eine Erneuerung geben konnte.
»Yoongi! Dich habe ich nicht erwartet! Wie geht es Jimin, wie geht es dir?«, sprudelte es sogleich aus dem Jüngsten unserer Mannschaft heraus. Seine großen Augen musterten mich, während er in der Bewegung inne gehalten hatte, um meiner Antwort ohne Probleme lauschen zu können.
»Den Umständen entsprechend«, brachte ich hervor und Jungkook nickte. »Ich hoffe, dass er wieder wird, ich vermisse ihn schon jetzt sehr. Die anderen auch, auch dich.«
Jungkook rubbelte sich die Haare fertig, zog sich dann das frische Oberteil an und setzte sich, um mir gegenüber nicht abweisend zu wirken. Ich rubbelte auch mein Haar, trocknete meinen Körper ab. Noch nie waren mir die Blicke von anderen unangenehm gewesen, doch jetzt? Jungkooks Blick, seine Neugier und sein Beileid brannten auf meiner Haut. Unangenehm. Er erwartete eine Antwort, eine, die ich ihm nicht geben konnte. Weil ich nicht wusste, was ich sagen wollte, weil ich nicht über Jimins zerstörtes Leben reden konnte. Nicht jetzt, nicht mit dieser Wut in ihm, die auch Jungkook nicht verdient hatte. Nur einer. Nur einer hatte es verdient, die Wut zu spüren zu bekommen.
»Was ist da passiert?«, fragte ich und deutete auf Jungkooks nasse Uniform. Der Jüngere zuckte die Schultern, zeigte, wie irrelevant der Unfall war, vor allem wenn er danach der Einzige war, der eine Dusche genossen hatte. Dann aber stockte er in seiner Bewegung, zog seinen Mund zusammen, beschloss, dass es vielleicht doch besser war, mir davon zu erzählen, um etwas zum Reden zu haben.
»Jemand hat mich heute geschubst, konnte mit seinen Inlinern nicht mehr rechtzeitig bremsen und hat mich mit ins Wasser genommen«, erzählte er schließlich. »War ein Missgeschick.«
Jungkook zuckte mit den Schultern, erneut. Ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht.
»War eigentlich nur ein Einsatz, weil ein Kind es geschafft hat, mit seinem Kopf in der Bank stecken zu bleiben und nicht mehr rauskam und, naja, ich wurde da gerade nicht gebraucht und hatte mit der Mutter gesprochen, als mich der Typ mit in den Fluss nahm.«
Jungkook zuckte ein drittes Mal mit den Schultern, sein Blick veränderte sich wieder, das Mitleid kehrte zurück, das Beileid. Leid, das auch er empfand, Leid, das eine Person verursacht hatte. Wir verließen zusammen den Umkleideraum, doch während Jungkook in den Bereitschaftsraum verschwand, ging mein Weg in Richtung Küche. Mir kam schon der Geruch von Würstchen entgegen, als ich die Tür öffnete und ich lag richtig. Am Herd stand Jackson. Sein Shirt spannte über die breiten Schultern und darunter konnte man jeden Muskel ausmachen. Es war nicht verwunderlich, dass er sich jeden damit angeln konnte, den er wollte.
Er verschwendete keine Sekunde daran, zu mir zu blicken, sondern briet still weiter die Würstchen, die sich in seiner Pfanne im Fett wanden. Die Flamme des Gasherdes machte ihnen Feuer unter dem Hintern und ich spürte mein eigenes Feuer in mir lodern. Die Flammen züngelten, ächzten. Sie wollten auch etwas verbrennen, gierten danach. Mein Magen knurrte.
Jackson lachte leise, während er sich jetzt doch zu mir umdrehte. Anders als bei Jungkook sprach sein Blick nicht von Mitleid, sondern von einer Düsterkeit, die der meinigen sehr ähnlich war. Jackson und ich waren uns nicht unähnlich. Wir wussten es beide, hatten beide Jimin als unsere größte Liebe auserkoren, doch im Gegensatz zu Jackson hatte ich den Kampf um Jimin gewonnen. Ein Teil unserer Vergangenheit, bei dem die ganze Mannschaft am Ende froh war, dass Jimin sich endlich entschieden hatte. Für mich entschieden. Jackson konnte alle haben, nur meinen Engel nicht. Er bleckte die Zähne.
Ich wusste, er war der, der meinen Schmerz am ehesten verstehen konnte.
»Setz dich«, ordnete er an und wies mit seinem Arm zur Theke. »Sind gleich fertig.«
Ich folgte seiner Aufforderung stumm. Die Augenringe unter seinen Augen zeugten auch bei ihm vom schlechten Schlaf. Er hatte Jimin auch schreien gehört, war neben uns gewesen. Er war der einzige von uns, der gesehen hatte, woher der Schuss gekommen war.
Es dauerte nicht mehr lange, bis Jackson der Gasflamme die Nahrung abdrehte und die Würstchen auf zwei Teller verteilt hatte. Dann holte er aus dem Kühlschrank die Schüssel mit Kartoffelsalat, den einer aus der Mannschaft mitgebracht hatte. Es stach mir ins Herz, denn heute wäre eigentlich Jimin dran gewesen, alle mit einem leckeren Mittagessen zu versorgen. Tradition, unsere Tradition, weg, aufgelöst. Ich würde hier nie wieder Jimins Essen mit der Mannschaft genießen können.
»Ich bring's kurz den anderen.«
Ich stocherte in den Würstchen herum, als Hawa den Raum betrat. Sie war eine der tapfersten Feuerwehrfrauen, die ich kannte und konnte bestimmt doppelt so viel Gewicht stemmen, wie einige von uns, obwohl sie nicht danach aussah. Ihr Blick streifte mich, erst unbedeutend, während sie zum Kühlschrank lief und sich ein Stück Schokolade daraus klaute.
»Jackson hat mich hochgeschickt«, meinte sie und ließ sich neben mir nieder. Der Barhocker quietschte leise, als sie begann, sich unruhig darauf hin und her zu drehen.
»Wir sind alle bei euch«, sagte sie und legte mir das Stück Schokolade auf den Tellerrand. Jimins Lieblingsschokolade. Mehr musste Hawa nicht sagen. Sie hatte damit gesagt, was Jackson mir nicht sagen konnte, was der Rest der Mannschaft mir nicht sagen konnte. Doch bei Hawa war das anders. Hawa konnte in einen Satz stecken, was andere nicht aussprechen konnten. Sie hatte das verborgene Talent der Feinfühligkeit, für Worte in richtigen Momenten. Bei ihr wussten wir alle, dass sie nichts Falsches zu mir sagen konnte und ich spürte einen Funken der Dankbarkeit für Jackson, sie zu mir geschickt zu haben. Plötzlich war es einfacher, meinen Magen mit dem Tellerinhalt zu füllen. Obwohl Hawa schwieg, fühlte ich mich bei ihr aufgehoben. Der tapferen Frau, die schon unzählige Leben gerettet hatte.
»Ich kann nicht glauben, dass das tatsächlich passiert ist.«, knurrte sie, als nur noch die Schokolade auf meinem Teller lag. Ich würde sie nicht essen können, weil das Jimins Part war. Jimin, der im Krankenhaus saß wegen einem Irren. Einer der Menschen, die wir Tag ein, Tag aus versuchen zu retten. Die Wut durchzuckte wieder meine Venen, ballte sich mit meiner Hand zu einer Faust. »Es ist so irrsinnig! Das denken wir alle.«
Wir alle.
Wir alle spürten den Hass auf den Schützen, der es nicht verdient hatte, von uns gerettet zu werden.
»Als wäre es momentan nicht schwer genug!«, zischte sie zwischen den Zähnen hervor und atmete dann tief durch, um sich selbst zur Ruhe zu rufen. Ich wusste, wovon sie sprach. Einsätze kamen zurzeit in Reihe. Eigentlich war immer etwas los und es wunderte mich plötzlich, dass bis jetzt noch nicht alle Einsatzfahrzeuge ausgerückt waren. War heute irgendwie etwas anders als in den letzten Wochen?
»Es ist wie verhext!«, sagte sie nun und ich runzelte die Stirn. Doch Hawa sprach nicht weiter. Stattdessen seufzte sie nochmal und schüttelte den Kopf. »Ich bilde mir das wahrscheinlich nur ein...«
Hawa stand auf, streckte sich.
»Richte Jimin unsere Grüße aus, okay?«
Sie war schon drauf und dran zu gehen, als ich nach ihrer Hand griff, um sie aufzuhalten. Erschrocken beobachtete ich, wie Hawa unter meiner Berührung zusammen zuckte. Innerhalb von Sekunden wurde aus meinem tapferem Vorbild eine eingeschüchterte Frau. Ich ließ sie los, als hätte ich mich verbrannt. Verbrannt an den Gedanken, dass sie verletzlich war. Sie durfte nicht verletzlich sein, denn sie war Hawa.
»Hawa?«, fragte ich vorsichtig und sie seufzte, strich sich über das Handgelenk, bevor sie dort Blessuren präsentierte, als sie den Ärmel hoch schob.
»Eines der Opfer vom Familienhaus«, begann sie, »er hatte Angst und war unter Schock... Das wird wieder.«
Ich glaubte ihr nicht. Da war mehr. Viel mehr. Ich roch Lunte. Ein Glutherd, der in ihr schlummerte, den sie verbarg, der etwas Schlimmes mit ihr vorhatte. Erst nach einer Weile senkte sie ihren Blick. Ich hatte ihren Glutherd mit meinem Blick erreicht, ihn in Flammen versetzt und zum Lodern gebracht. Jetzt brannte zwischen uns die Flamme des Vertrauens.
»Jemand stalkt mich. Letztens, als ich von der Nachtschicht nach Hause kam, hat er mich angefallen...« Ein Zittern lief durch ihren Körper, als sie mir leise ihr Geheimnis verriet. »Er hat versucht, mich zu vergewaltigen. Es ist missglückt, weil jemand kam, aber ich habe keine Indizien, wer es ist. Nicht mal eine Idee. Die Polizei tut schon, was sie kann, aber stillsitzen unter deren Schutz... das kann ich nicht.«
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»Wieso musste es so enden?«
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Die Polizei tut was sie kann.
Beinahe hätte ich verächtlich gelacht. Der Feuerball in meinem Inneren bäumte sich auf, Hawa und Jimin. Der Polizist vor mir schaute mich aus ausdruckslosen Augen an. Es war nur sein Job. Da war kein Feuer der Leidenschaft, wie bei Jimin oder Hawa. Da war nichts, dass darauf hindeutete, dass es ihm etwas bedeutete, sich um Jimins Fall zu kümmern. Er fragte mich heute zum dritten Mal die gleichen Fragen, die er mir vor zwei Monaten zum ersten Mal gestellt hatte, genau so wie ich ihm wieder die gleichen Fragen stellte. Und wir beide erhielten dieselben Antworten.
Nichts, absolut nichts hatte sich in der Zwischenzeit getan.
Jimin hatte keine Feinde. Er war wie Hawa beliebt bei uns im Ort, von den Menschen, von den Zeitungen. Jimin und Hawa waren unsere Vorzeigemänner bzw. -frauen. Hawa mit ihrer lodernden Tapferkeit, die alle in den Schatten stellte, und Jimin, mit seiner fröhlichen Art, seiner Beruhigungsfähigkeit. Er drang zu Kindern durch, zu Menschen, die in Angst, Panik und Schock waren und sich deswegen nicht bewegen konnten, er war es, dem jeder Fremde vertraute. Dem selbst Tiere vertrauten.
Meine Fingernägel bohrten sich in meine Handflächen.
Nichts, absolut nichts hatte sich verändert.
»Jeder Mensch hat Feinde«, meinte der Polizist und ich spürte, wie meine Haut kurz davor war, meinen Nägeln nachzugeben. Der Idiot vor mir verstand es nicht. Wie konnte er sich herausnehmen, so etwas zu behaupten? Über eine Person, die er bisher nur einmal gesehen hatte, eine Person, die vorher nicht traumatisiert war? Jimin hatte jegliches Recht, den Polizisten bei der dritten gefühllosen Frage aus dem Raum zu werfen.
»Jimin hat keine Feinde«, knurrte ich erneut und hatte Mühe, meine Hand nicht auf den Tisch zu hauen, um meine Aussage zu unterstreichen. »Haben Sie keine Hinweise auf den Abschussort gefunden?«, fragte ich stattdessen und der Polizist schüttelte ernst und genauso genervt wie ich den Kopf. »Sie wissen, ich darf Ihnen nichts über die Ermittlungen sagen.«
Meine Wut brannte in mir, verbrannte meine Vernunft und meinen Verstand.
»Ich will, dass sie den Schuldigen finden!«, zischte ich über den Tisch hinweg. »Mehr als die Antworten, die ich Ihnen gegeben habe, kann ich Ihnen nicht geben! Also, lassen Sie mich jetzt zurück zu meinem Engel und erledigen Sie Ihren Job!«
Der Polizist vor mir verengte seine Augen. Mir war bewusst, dass ich an seinem Geduldsfaden riss, doch er riss auch an meinem. Ich war ein Vulkan, jeden Moment bereit ungeachtet der Autoritätsperson vor mir in Flammen auszubrechen. Mit dem Magma, der heißen Lava, dessen Fresse zu polieren, damit er endlich verstand, dass ich keine Ahnung hatte, wer der Irre war, der meinem Jimin das angetan hatte. Der andere Polizist, der bisher in der Ecke gelehnt hatte, trat plötzlich nach vorn und zerbrach die angespannte Stille.
»Gehen Sie, Herr Park. Bleiben Sie bitte für uns erreichbar.«
Ich sah, wie der andere Polizist protestieren wollte, doch ich war schnell aus dem Raum verschwunden. Keine Sekunde länger konnte ich es mit ihnen aushalten. Mit ihren kalten, unberührten Blicken. Sie verstanden nicht, wie zerstört mein Leben jetzt war. Wie viel der Irre kaputt gemacht hatte. Meine Wut wollte mich zu Jimin zurücktreiben, doch ich kam nicht weit. Kaum war ich aus der Polizeistation raus, rammte meine Schulter eine andere sehr bekannte. Einen Moment starrten Namjoon und ich uns wütend in die Augen, bevor über unser beider Gesichter ein Lächeln huschte. Wenig später hatten wir uns in den nahegelegenen Park gesetzt und obwohl alles in mir danach schrie, nach Jimin zu schauen, so wusste ich doch, dass ich erst einen klareren Kopf brauchte, um mich Jimin wieder zu stellen.
»Du siehst genauso wütend aus, wie ich mich fühle«, stellte Namjoon fest. Er war mein langjähriger Freund. Ich kannte ihn einige Jahre länger, als ich Jimin kannte und es war purer Zufall gewesen, dass wir in derselben Dienststelle gelandet waren. Es war sogar Zufall gewesen, dass wir im selben Beruf gelandet waren.
»Bin ich wahrscheinlich auch...«, murrte ich. »Können mir nichts über die Ermittlungen sagen, starren dich so an als wärst du der Täter, behandeln dich, als wärst du kein Opfer.«
Meine Zähne knirschten, als ich sie übereinander malmte, um nicht meinen Handflächen noch weitere Belastung zu geben. Noch immer konnte ich die Abdrücke erkennen, die meine Nägel darin hinterlassen hatten. Ich nickte mit dem Kopf, forderte Namjoon stumm auf selbst zu erzählen. Er seufzte tief, fuhr sich verzweifelt durch die blonden Haare, bevor er sich zurücklehnte. Namjoons Wut war damit verschwunden, ließ nur den Ärger zurück.
»Es passieren momentan bei den Einsätzen seltsame Sachen«, sagte er schließlich und ich runzelte meine Stirn. Ein Passant, hallte mir Jungkooks Stimme im Kopf. Ein Passant, der ihn ins Wasser geschubst hatte. Es war nicht die einzige Story, die ich über die letzte Zeit mitbekommen hatte, doch bei weitem die seltsamste.
»Seltsame Dinge...«, echote ich also und starrte auf die Steine vor mir. Der Kiesweg war uneben, es kam mir vor, als würden noch Steine fehlen, als wären da Löcher, die nicht richtig gestopft waren. Wie bei einem Lagerfeuer, bei dem man Scheit für Scheit aufstapelte. Sie konnten nicht halten, wenn die Basis fehlte.
»Hmhm«, nickte Namjoon, hob einen Kieselstein auf und schleuderte ihn über den Boden. Es war, als würde sich der erste Scheit an seinen Platz legen. Ungestützt, aber da. »Am Anfang war da nur eine Sache, aber die haben sich immer mehr gehäuft. Finley hat letztens gemeint, er käme sich bei seiner Arbeit sabotiert vor.« Der Scheit wackelte, forderte die anderen auf, sich zu ihm zu legen.
Absolut nichts hatte die Polizei bisher erreicht. Nichts, dass für mich von Wert war.
»Dann die Sache mit Hawa... Sie hat mir erzählt, dass du es weißt, aber du weißt wahrscheinlich nicht, dass das schon weit über einige Monate so geht. Wenn auch kürzer, als die seltsamen Vorkommnisse bei unseren Einsätzen.«
Überrascht starrte ich Namjoon an. So lange schon war etwas faul?
Ich sah, wie Namjoon nach den nächsten Kieseln griff und sie warf. Das klingende Geräusch der aufkommenden Steine wurde von einem Knistern abgelöst, als sich Hawa als nächster Holzscheit entpuppte.
»Es ist, als wäre Jimin nur die Spitze des Eisberges gewesen, der sich bisher abgespielt hat.«
Der letzte Holzscheit wurde gelegt.
Kaum hatte Namjoon das letzte Wort ausgesprochen, hatte ich ihn am Kragen gepackt und unter mir auf den Kiesweg gedrückt. Er hatte gewusst, dass wir potenziell in Gefahr waren, er wusste, dass wir in den Einsätzen in Gefahr waren, weil ein Irrer hinter uns her war und er hatte nichts gesagt. Er ächzte erschrocken unter mir.
»Warum hast du nichts gesagt?! Warum hast du es nicht verhindert?!«, knurrte ich und hatte das Bedürfnis, Namjoon kräftig durchschütteln. Er hatte gesehen, dass schon so lange etwas faul war, aber nichts getan? Nichts getan wie die Polizei?
»Was denkst du, warum ich wütend bin?!«, schnappte er zurück und hatte mich von sich geschubst. Mein Rücken knallte unangenehm gegen die Bank und für einen Augenblick blieb mir die Luft weg.
»Die glauben mir nicht, verdammt!«
Meine Wut auf Namjoon war wie weggeblasen, während ich noch immer nach Luft rang.
»Was?«, brachte ich gerade so hervor.
»Die Polizei glaubt mir nicht«, wiederholte Namjoon, diesmal ruhiger, rappelte sich auf und zog auch mich wieder auf die Beine. »Sie tun die Vorfälle als Zufälle ab, sehen keinen Zusammenhang zwischen ihnen und den Vorkommnissen mit Hawa oder Jimin ...Ich bin machtlos, Yoongi! Und die einzigen, die Ermittlungen anstellen könnten, glauben mir nicht.«
Ich starrte Namjoon an, sah die Verzweiflung in seinem Blick. In seinen Augen lag Schmerz und Machtlosigkeit. Der Mensch, der immer alle Fäden in der Hand gehabt hatte, der alle kommandierte, der, der organisierte, war ratlos. Der Mensch, auf dessen Ideen und Intuition man vertraute, wusste nicht mehr weiter.
»Das kann nicht wahr sein«, schüttelte ich den Kopf.
Ein letzter Funke wollte in mir daran glauben, dass die Polizei ihren Job machte. Ein letzter Funke, der dem Ersticken verdammt nah war.
»Leider doch... und ich weiß nicht mal, wie dieser wer-auch-immer ständig weiß, wo unsere Einsätze sind! Ich habe keinen Plan, wie ich beweisen könnte, dass jemand uns sabotiert...!«
Namjoon führte den Satz nicht fort. Er hatte keine Kraft mehr dafür. Keine Energie. Keine Energie mehr übrig, jeden Einsatz zu überwachen, weil der Irre wohl immer wusste, wo wir gerade hin ausrückten. Fast, als ob er auch einen Funkspruch erhielt. Mir stockte der Atem - das war es!
»Ich weiß es«, zischte ich und streckte meine Schultern durch. Ich wusste es. Ich wusste, wie ich ihn fangen konnte. Ich wusste, wie er die Strafe bekam, die er verdiente. Ich brauchte nur noch einen Plan, einen perfekten Zeitpunkt... und für den Rest würde er bezahlen! Vielleicht konnte die Polizei nichts tun, aber ich konnte es.
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»Warum warst du nicht bei mir?«
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Wut brannte durch meine Venen. Ich hatte Jimins verweintes Gesicht vor mir, seine so dunklen Augen, rot vom Weinen, unterlaufen wegen den Albträumen. Selbst jetzt war es nicht besser geworden. Seine Schmerzen waren nicht weg, er hatte nicht mal nach Hause gekonnt, weil seine Wunde nicht verheilen wollte. Er hatte mich nicht gehen lassen wollen, doch ich musste es wissen. Musste wissen, ob ich mit den Funksprüchen richtig lag, ob ich etwas gegen Jimins Leid tun konnte. Ob ich endlich die Tyrannei für die anderen im Keim ersticken konnte. Es hatten genug Menschen gelitten.
Die Kerze vor mir flackerte. Sie spendete ein sanftes Licht. Mein Atem ging schwer und stoßweise. Ich wartete auf ihn. Wartete auf den Menschen, der Jimin das angetan hatte. Ich wusste, er würde kommen, spürte es in meinem Blut. Der Irre, der meinen Engel jetzt schon über Monate leiden ließ, würde sich das nicht entgehen lassen. Das Monster, das dafür gesorgt hatte, dass Jimin Angst vor Feuer hatte. Panische Angst sogar, ein Trauma. Aber die Angst vor Feuer war nur eine Angst unter vielen, die Jimin entwickelt hatte.
Feuer.
Jimin hatte Angst vor Feuer, Angst vor Kerzen, die ich an romantischen Abenden angezündet hatte. Früher zumindest, denn jetzt war es etwas, dass nie wieder möglich sein würde. Nie wieder Kerzenschein. So wie jetzt. Es würde das letzte Mal Kerzenschein sein. Unruhig zog ich die Luft zwischen meinen Zähnen ein. Hätte ich es früher erkannt, hätte ich Jimins Leiden verhindern können. Hätte ich früher mit Namjoon geredet, früher gemerkt, dass Dinge seltsam waren... hätte ich... vielleicht...
Der Gedanke brannte in mir. So heiß, dass er eine Furche in mich gefressen hatte und mich nicht mehr losließ.
Nur kurz hatte ich Jimins Anblick ertragen können nach dem Gespräch mit Namjoon.
Ich stieß die Kerze um.
Es musste etwas getan werden. Und zwar jetzt.
Ich sah der Flamme dabei zu, wie sie übersprang.
Feuer.
Es waren immer Feuer gewesen.
Der Tag, an dem die Vorfälle anfingen.
Der Tag, an dem Hawa herausgefunden hatte, dass sie einen Stalker hatte.
Der Tag, an dem Marcus kündigte, ohne uns je die Gründe dafür zu nennen.
Der Tag, an dem Jimin angeschossen wurde
Immer waren es Brände gewesen, lange Feuereinsätze. Brandherde, die schwer zu bewältigen waren.
Jetzt würde es ein Brand sein, durch den es endete. Ich sah, wie der Boden Feuer fing. Ich drehte mich um und trat zum Fenster. Von hier aus konnte ich Jimins Krankenhaus sehen, still, in einem roten Schein der Abendsonne. Der Geruch von Rauch erfüllte meine Lungen, der Geruch von verbranntem Holz.
Ein Lagerfeuer mitten im Zimmer.
Und ich wusste, wer es sehen musste.
Ich wusste nicht, wer meine Nachricht über Funk erhalten hatte und jetzt in den Raum trat. Ich wollte es auch nicht genauer wissen, weil er ein Monster war und das reichte aus.
»Warum?«, fragte ich und drehte mich zu ihm um.
Ich starrte in das Gesicht eines Fremden. Brandnarben zogen sich über die Wange hinab zum Hals, verschwanden unter einem Rollkragenpullover.
»Ist das von Belang?«, spuckte er und starrte mich aus irren Augen an. Sie funkelten, das Feuer reflektierte in ihnen, verlieh ihm eine grauenvolle Note. »Du wolltest, dass ich komme und ich bin hier. Was willst du nun? Wissen warum? Wissen, warum ihr der Abschaum seid?«
Er streckte die Zunge raus, lachte verächtlich.
»Denn mehr seid ihr nutzlosen Viecher nicht. Nur Abschaum. Abschaum, den niemand braucht, der unnütz ist. Der, der so tut, als sei er heroisch... Retter der Welt.«
Ich spürte, wie meine Muskeln sich anspannten, während er begann, um das Feuer herum zu pirschen. Er war das Monster, das Jimin angeschossen hatte. Das Monster, das mein Leben zerstört hatte und ich würde seines zerstören. Ich spürte das Adrenalin, meine Wut auf diesen Mann vor mir.
»Ich habe nur für Gerechtigkeit gesorgt«, spuckte er mir vor die Füße. »Ihr habt meine Familie auf dem Gewissen, habt sie einfach verbrennen lassen. Ich habe euch leiden lassen, wie ihr mich habt leiden lassen und ich bin noch nicht am Ende, als ob ich mir eine solche Einladung entgehen lasse...«
Mit einem Satz sprang er nach vorne, in die Arme meiner Wut, die ihn mit Wohlwollen empfing. Mein erster Schlag traf ihn gegen den Kiefer, bevor er seine Arme hoch riss und mir mit einem gezielten Schlag die Luft raubte.
Ich krümmte mich, befand mich wenig später unter ihm, spürte, wie er mich am Kragen gepackt hatte, doch das konnte ich auch. Und ich war stärker. Mit einem Ruck hatte ich seinen ausholenden Arm ergriffen und uns herum gezwungen.
Sein Tritt gegen meine Hüfte ließ mich aufheulen, fahrig nach Luft schnappen , bevor ich blind einen weiteren Schlag kassierte. Der Schmerz jagte durch mein System, schwammig wurde mir vor den Augen, doch die Wut hielt mich aufrecht.
»Es tut so gut zu sehen, wie ihr leidet«, lachte er. »Ihr sollt alle brennen! Und weißt du was das Beste ist?«
Meine Sicht wurde langsam wieder klarer.
»Das Beste?!«, zischte ich zurück und spuckte Blut aus. Meine Lippe war aufgeplatzt, doch das konnte mir nicht egaler sein.
Sein Grinsen war eklig, verzog das Narbengewebe zu einer hässlichen Fratze. »Ich habe nichts zu verlieren, doch du! Du hast viel zu verlieren! Ich habe deine Reaktion gesehen und ich hätte so gerne dein Leiden gesehen, wenn ich ihn umgebracht hätte. Schade, dass ich verfehlt habe!«
Mein Gebrüll jagte mir durchs Mark und Bein, erfüllte meinen Kopf und ich schlug blind zu, immer wieder zu.
Die Wut war überall. Feuerrot knisterte sie in meinen Lungen, um mich herum, jagte mir sämtliche Erinnerungen durch den Körper. Er hatte mein Leben zerstört. Ich sah das Haus brennen und ihn darin. Er sollte unter meiner Wut so zerstört werden wie dieses Gebäude. Er sollte brennen für das, was er getan hatte.
Er sollte nie wieder in der Lage sein, Leid zuzufügen, Leben zu zerstören.
Ich griff nach einem der Scheite. Und die Welt brannte unter meinem Blick.
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»War es dir das wert gewesen?«
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Der Kies knirschte unter meinen Schuhen, während Namjoon mich stützte. Noch konnte ich nicht lange allein laufen. Mein Rollstuhl war in Namjoons Auto, doch sowohl er als auch ich wussten, dass ich diesen Weg zu Fuß hinter mich legen musste.
Das Haus vor mir war nur noch Schutt und Asche. Es war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Noch immer glaubte ich, den Geruch von Verbranntem in der Luft zu riechen. Diesen typischen Geruch. Ein Geruch, den ich in- und auswendig kannte.
Es war, als würde die Welt vor meinen Augen wieder in Flammen stehen. Ich sah die Bäume brennen, hörte die Äste knistern, die zu nah am Haus gestanden hatten. Die Unglücksraben.
So wie ich.
»Geht's?«, fragte Namjoon leise und ich nickte, spürte, wie er mich vorsichtig losließ, dann stand ich allein, auf meinem einen Fuß und meiner Prothese.
Er war es gewesen, der in dieser Nacht bei mir gewesen war, als mein Bein notamputiert werden musste. Er war da gewesen, im Gegensatz zu der Person, die ich gerne bei mir gehabt hätte.
Die Person, die den Rest ihres Lebens hinter Gittern verbringen würde. Die Person, die ich abgöttisch geliebt hatte und wegen mir zum Mörder wurde. Die Person, die ich einst geheiratet hatte, mit der ich gehofft hatte, ein neues Leben aufbauen zu können.
Ich hatte die Flammen von meinem Fenster aus am Horizont gesehen, war nur deswegen in Panik aus dem Bett gestürzt und hatte meine Wunde wieder aufgerissen.
Noch einmal starrte ich auf das verbrannte Holz.
Resigniert und allein.
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»Warum? Warum hast du Rache genommen?«
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