Winwin.
Winwin war sein Name.
Und Haechan seiner.
Winwin und Haechan, gute Freunde, die besten, unzertrennlich.
Die beiden hatten sich kennengelernt, als sie noch ganz jung waren. Hatten sich kennengelernt, als Winwin sieben und Haechan fünf war.
Jemand hatte Winwin ein Bein gestellt, weswegen er hingefallen war, sich seine neue Hose zerissen hatte.
Und wie immer hatte ihn niemand beachtet, niemand hatte sich um ihn gekümmert.
Bis plötzlich ein kleiner Junge neben ihm stand, die karamellfarbenen Haare fielen ihm ins Gesicht, als er sich zu ihm runterbeugte, um ihn besorgt zu mustern.
'Alles gut?', hatte er gefragt und Winwins Augen waren groß geworden und er hatte seinen Ohren nicht getraut.
Noch nie hatte sich jemand um ihn gesorgt.
Er hatte schnell genickt und sich von dem anderen aufhelfen lassen.
'Haechan', hatte er sich vorgestellt und breit und aufrichtig gelächelt.
'Winwin', hatte er geantwortet und zurückgelächelt.
Und das war der Beginn ihrer Freundschaft.
Damals waren beide nur halb so groß wie heute, sie waren jung und naiv, hatten die gesamte Welt vor Augen und waren doch nicht in der Lage, diese wahrzunehmen, sie zu ergreifen.
Winwin war schon seit er klein war eher ruhig. Er hatte sich nie mit Menschen gestritten, sondern immer vorher den Kompromiss gesucht.
Im Kindergarten war er aber trotzdem immer unbeliebt, kaum einer mochte ihn, die meisten ignorierten ihn.
Keiner konnte, damals wie auch heute, seine wahre Schönheit erkennen und sie schätzen, außer Haechan.
Haechan war immer laut gewesen, suchte immer die Konfrontation und wurde oft körperlich, um Streitsituationen zu schlichten.
Er war beliebt, Jungs sahen ihn als Vorbild, Mädchen als Schwarm.
Dies hatte sich durch ihre gesamte Schullaufbahn gezogen.
Haechan der Beliebte,
Winwin der Versager.
Und doch hatte Haechan Winwin nie im Stich gelassen, war immer da gewesen,wenn ihn mal wieder jemand unwirsch angerempelt hatte und,
ohne sich umzudrehen oder gar zu entschuldigen, weiter gegangen war.
Immer, wenn ihn jemand übersehen hatte und sich auf seinen Platz gesetzt hatte.
Haechan verteidigte ihn immer, wurde wütend, wenn ihn jemand nicht beachtete und wurde manchmal dank seines Temperaments sogar lauter.
Und Winwin war immer für Haechan da gewesen, wenn ihm alles zu viel wurde.
Wenn er malwieder dafür ausgelacht worden war, dass er mit so jemandem wie Winwin befreundet war und Zeit mit ihm verbrachte.
Half ihm in der Schule, wenn er ein Thema mal wieder nicht verstand.
Winwin war zu einem hübschen jungen Mann herangewachsen, seine Bewegungen immer ruhig, präzise, bedacht.
Seine Figur fragil.
Seine Haare immer gemacht und perfekt sitzend.
Seine Stimme weich wie Samt.
Seine Haut rein wie Wasser.
Haechan sagte ihm immer, dass die Welt eines Tages seine Schönheit erkennen würde, sie ihm eines Tages zu Füßen liegen würde.
Doch Winwin lachte da immer nur drüber und schüttelte sanft den Kopf.
'Du weißt nicht, wovon du da redest', hatte er immer gesagt und ihm sanft auf den Hinterkopf gehauen.
Und Haechan hatte jedes Mal angefangen zu diskutieren, bis Winwin mit einem Lächeln auf den Lippen und einem Augenrollen nachgegeben hatte.
Haechan blieb klein, war etwa einen halben Kopf kleiner als Winwin.
Seine Haare waren immer verstrubbelt und borstig. Es ließ ihn gewiss süß aussehen.
Seine Haut war immetnoch etwas gebräunter als die der anderen.
Seine Stimme klang Honig, wenn er sang, doch meistens war sie einfach nur kratzig.
Seine Klamotten waren immer präzise ausgewählt.
Oft hatte er Augenringe oder kleine Wunden an Händen und im Gesicht, die entweder daher kamen, dass er mal wieder unvorsichtig war oder daher, dass er sich vor Stress im Gesicht aufgekratzt hatte.
Er war ein normaler Mensch, doch neben Winwin, so fand er, sah er immer aus wie ein Häufchen Elend.
Winwin war all das, was Haechan nicht war.
Und doch waren sie beste Freunde, die besten, unzertrennlich.
Seit Haechan klein war, hatte er zu Hause immer von Winwin erzählt.
'Dann bring ihn dochmal mit.', hatte seine Mutter gesagt und Haechan hatte gelächelt.
'Er ist zwar sehr schüchtern. Aber ich frage ihn gerne mal.', hatte er geantwortet.
Nach einiger Überzeugungsarbeit hatte Haechan Winwin dazu gebracht, ihn zu Hause zu besuchen.
Haechan hatte mit einem überschwänglichen 'Hallo', die Haustür nach der Schule aufgerissen und Winwin breit grinsend den Weg hinein geleitet.
Seine Mutter war in den Flur gelaufen gekommen, mit dem selben Strahlen auf den Lippen und in den Augen wie Haechan.
Sie hatte gespannt ausgesehen, gespannt, diesen besagten Freund, von dem Haechan immer so viel erzählte, endlich einmal kennenzulernen.
Doch als sie in den Flur gekommen war und sich umgesehen hatte, waren ihr alle ihre Gesichtszüge entglitten.
Sie hatte sich nocheinmal umgesehen.
'Das ist Winwin.', hatte Haechan gesagt und gelächelt.
Seiner Mutter war jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen, sie sah so als, als hätte sie ein Gespenst gesehen.
Winwin hatte schüchtern gelächelt und sich verbeugt.
'Guten Tag, Frau Lee.' Und mit diesen Worten hatte Frau Lee sich einfach umgedreht und war gegangen, hatte sie alleine im Flur stehenlassen.
Haechan zuckte mit den Schultern und drehte sich zu Winwin.
'Sie hatte vermutlich einen schlechten Tag.' Winwin hatte gezwungen gelächelt und genickt.
An diesem Abend hatte Haechans Mutter nicht mit Winwin geredet. Haechan hatte als Vermittler zwischen den beiden agieren müssen. Fast so, als würde Winwin eine andere Sprache sprechen.
Nicht, dass Winwin viel gesagt hatte an dem Abend, aber trotzdem war es komisch.
Haechan tat es ab, dachte nicht weiter drüber nach und lud seitdem Winwin regelmäßig zu sich ein.
Mit der Zeit hörte Haechans Mutter komplett auf, mit Winwin zu reden.
Sie ignorierte ihn.
Rempelte ihn an.
So wie jeder andere auch.
Dies setzte Haechan mehr zu als Winwin selbst.
Er war es schließlich gewöhnt, so behandelt zu werden, doch für Haechan war es grausam.
Wie konnte seine Mutter seinen besten Freund nur so respektlos behandeln?!
Er war immer nett gewesen, hatte sich immer verbeugt, immer bedankt.
Winwin war eigentlich der perfekte Sohn, gut erzogen, höflich und nett.
Haechan hatte öfter vesuchte, seine Mutter darauf anzusprechen, doch sie hatte immer abgeblockt.
Mit der Zeit wurde Haechan immer verzweifelter.
Hatte seine Mutter angefleht, ihm zu sagen, was Winwin ihr getan hatte.
Dann kam die Phase der Wut.
Er stritt sich viel mit seiner Mutter, sie motzten sich an, doch nie kam etwas dabei heraus.
Winwin hatte in dieser Zeit immer gesagt, er solle es gut sein lassen. Es wäre schon okay, dass seine Mutter ihn nicht mochte und dass er ihn einfach nichtmehr besuchen würde. Sie würden sich einfach wo anders treffen, es würde ihre Freundschsft nicht beeinflussen.
Es schien aufrichtig gemeint zu sein, doch Haechan konnte nicht aufhören.
'Was hast du denn gegen ihn?', brüllte Haechan.
An jenem Tag war es zu viel gewesen.
Haechans Mutter hatte begonnen, schlecht über Winwin zu reden, als er im Raum war.
Sie hatte gesagt, er wäre grausam, sähe schlecht aus und wollte Haechan verbieten, sich weiterhin mit Winwin zu treffen.
Dabei hatte sie Haechan aufmerksam beobachtet, fast schon provokativ.
Er hatte jegliches gutes Zureden von Winwin nicht beachtet, hatte jedoch sehr wohl den leicht verletzten Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht gesehen.
Haechan hatte jegliche Fassung verloren und hatte angefangen rumzubrüllen.
Das war nicht seine Art. Er war vielleich laut, ja. Er war temperamentvoll.
Doch selten wurde er wirklich laut, selten wurde er wirklich wütend.
Er meinte es gut mit jedem.
Und auch seine Mutter schien entsetzt, fast schon enttäuscht.
Etwa enttäuscht in ihren Sohn?
Sie sah generell nichtmehr aus wie früher einmal.
Vor zehn Jahren sah sie aus wie ein Engel, wie Maria höchstpersönlich.
Ihre Augen hatten immer gestrahlt, sie war stets bereit, jedem ein strahlendes Lächeln zu schenken.
Die Stimmung hob sich, sobald sie den Raum betrat.
Es wurde ruhig, wenn sie sprach.
Jeder lauschte aufmerksam ihrer sanften Stimme.
Heute hatte sie nurnoch eine kleine Präsenz, sie hatte stets tiefe Augenringe, ihr Lächeln war komplett erstorben.
Wenn sie den Raum betrat, war es wie ein Geist, der durch die Gänge spukte.
Sie verzauberte niemanden mehr, niemand respektierte sie mehr.
Ihre früher so vollen Haare waren splissig und ungepflegt.
Ihr früher so perfekt sitzendes Makeup war mit der Zeit immer schlechter geworden, bis es nie mehr ihre Schönheit untermalte.
Sie hatte sich verloren.
Und so stand sie da mit ihren eingefallenen Wangen, ihren kalten, leeren Augen, den ausgetrockneten Lippen und gerade noch so übergeworfenen Klamotten.
Die Augen rot umd gereizt vom ihrem ganzen Kummer.
Und als ihr Sohn sie anschrie, brach sie in Tränen aus.
Beide, Haechan umd Winwin standen für einen kurzen Moment still und wie angewurzelt dort.
Haechan hatte seine Mutter noch nie weinen gesehen.
Hatte nie ihr Schluchzen gehört, nachdem sie gestritten hatten.
Nachdem Winwin da war.
Er hatte nie realisiert, wie sich ihr Zustand stetig verschlechterte.
Viel zu beschäftigt und gestresst von seinem Leben, um zu merken, wie sehr Winwins Anwesenheit sie verletzte.
War zu Beginn auch viel zu jung, um es zu bemerken.
Doch auch in diesem Moment erkannte er nicht, wie ernst es war.
Zu wütend, um irgendetwas anderes zu verspüren.
Sie hasste seinen besten Freund seit er denken konnte und das ohne Grund.
'Schieb jetzt nicht die Mitleidsnummer.', hatte er gebrüllt, ebenfalls mit Tränen in den Augen.
'Lass sie.', hatte Winwin geflüstert und sanft an Haechans Ärmel gezogen.
Wie immer mit diesen großen, unschuldigen Augen.
Diesem leichten Schmollmund und dem besorgten Gesichtsausdruck.
Doch Haechan riss seinen Arm weg.
'Was ist dein Problem?', hatte er geschrien.
Haechans Mutter war an der Küchentheke heruntergerutscht, bis sie auf dem kalten Steinboden saß.
Ihre dürren und leicht zitternden Finger über ihre Augen gelegt, als könnte sie sich damit vor der Realität schützen.
Man hörte ein erbärmliches Schluchzen.
'He, sags mir!' Er war näher getreten und hatte abwertend zu ihr runtergeschaut.
Wollte gerade wieder anfangen zu brüllen, als sie endlich aufsprach.
Ihre Stimme zittrig doch trotzdem laut. Sie hatte ihre letzte Kraft gesammelt.
"Ich sags dir! Ich sag dir was ist! Du bist verrückt! Durchgeknallt!
Winwin existiert nicht und er hat auch nie existiert!"
Haechan stoppte.
Seine Bewegung,
Seine Gedanken,
Seine Welt.
Er drehte sich langsam um, Tränen in den Augen, über seine Wangen fließend.
Sie verließen ihn, wie auch die letzten Tropfen seines Lebens, als er sich umdrehte und dort niemand stand.
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