Kaffee und andere Pfeile Amors

Endlich mal wieder ein Update, juchee! Wenn ihr euch für Einblicke in mein (Schreib-)Leben interessiert, dann schaut mal bei meinem Blog "was wollte ich sagen" vorbei x

Wörter: 10.022


NIALL

Mit einem leisen Bimmeln der Glocke über der Tür öffnete sich die massive Holztür des "Impresso Espresso Coffee Houses" und ließ neben einem Schwall kalter, frischer Luft auch einen groß gewachsenen Lockenkopf herein, dessen grüne Augen im warmen Licht der von der Decke baumelnden Glühlampen zu schimmern schienen.

"Hey, Harry", begrüßte ich den Neuankömmling, wischte meine Hände am dunkelgrünen Stoff meiner Schürze ab und kletterte von der Theke herunter. Nicht ohne Stolz begutachtete ich die Tafel, auf der mit ordentlich geschwungener, weißer Kreideschrift alle tagesaktuellen Angebote angepriesen wurden. Heute war mir die Gestaltung besonders gut gelungen, befand ich zufrieden.

"Ist echt toll geworden", bestätigte Harry, stellte sich neben mich und betrachtete mit in die Hüften gestemmten Händen mein kleines Kunstwerk. "Wie lange bist du schon da?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Ne knappe Stunde oder so? Die Kaffeemaschine hab ich schon angeworfen und die Blumen auf den Tischen ausgetauscht, du musst also nur noch deinen Hintern in die Küche schwingen und dich um die erste Ladung Cupcakes kümmern, okay?"

"Klar, kein Problem." Harry folgte mir hinter die Theke und wickelte nebenbei den bordeauxroten Schal von seinem Hals, bevor er sich mit der freien Hand einmal durch seine inzwischen schon fast schulterlangen dunkelbraunen Haare wuschelte und die Schwingtür zu seinem Allerheiligsten aufstieß. Ich folgte ihm in die Küche.

"Ach übrigens", fuhr er etwas unsicher fort und zog seinen Mantel aus, bevor er sich die neben dem Herd hängende Kochschürze umband, "ich hab gestern Abend ein neues Rezept ausprobiert. Zitronen-Mandel-Cupcakes mit Mascarpone-Creme. Vielleicht können wir die ja in die Karte aufnehmen? Ich meine, nur wenn du willst natürlich."

"Hab ich schon mal eine deiner Kreationen nicht auf die Speisekarte gelassen?", frage ich und lehnte meinen Hintern gegen eine der Arbeitsflächen. "Harry, du bist wirklich gut und du darfst hier genauso viel mitreden wie ich. So wie ich dich kenne, hast du doch garantiert eine Kostprobe mitgebracht. Und so wie ich mich kenne, werd ich dich nach dem ersten Bissen anbetteln, nie wieder irgendwo anders zu arbeiten. Also?"

Ertappt senkte Harry den Kopf und schob mit einem leichten Lächeln eine kleine Box zu mir rüber, in der ein halbes Dutzend verführerisch duftender Cupcakes mit perfektem Swirl-Topping nur darauf warteten, meine Geschmacksnerven zu verwöhnen.

Vorsichtig operte einen der kleinen Schätze aus der Dose heraus, ohne die anderen zu berühren oder - noch schlimmer - die hellgelbe Creme zu verschmieren und biss behutsam ab. Sofort schmolz das Topping in meinem Mund dahin und eine leichte Süße breitete sich aus, die von einer leicht säuerlich-herben Zitronennote ergänzt wurde. Beinahe hätte ich aufgestöhnt.

"Diese Dinger", ich verdrehte genießerisch die Augen, "sind genial, Harry. Einfach der Wahnsinn, wirklich." Schnell nahm ich noch einen Bissen – und fühlte mich wieder wie im Himmel. "Gott, die müssen einfach auf die Speisekarte, keine Widerrede!"

"Ehrlich?" Harry strahlte mich erleichtert an. Obwohl er jetzt schon seit über drei Jahren im "Impresso Espresso" arbeitete und ich ihn vor zwei Jahren sogar zu meinem Geschäftspartner und Teilhaber des Cafés gemacht hatte, schien er immer noch nicht realisiert zu haben, was für ein Genie er eigentlich in der Küche war.

"Auf jeden Fall, mein Lieber!" Ich klopfte ihm begeistert auf die Schulter und stibitzte mir noch eins der Kunstwerke, bevor ich mit dem Hintern die Schwingtür aufstieß und mich aus der Küche schob, um Harry seine Magie wirken zu lassen.

***

Eine gute halbe Stunde später blickte ich mich zufrieden um. Die Tische waren alle gewischt und warteten auf Gäste, ich hatte noch einmal durchgefegt und sämtliche Zuckerstreuer und Serviettenspender aufgefüllt. Außerdem standen - durch die gläserne Front der Theke gut sichtbar - neben einer Schwarzwälder-Kirsch-Torte und einem gedeckten Apfelkuchen auch eine Blaubeertarte sowie Harrys neueste Kreation, eine Brownie-Käse-Torte, bereit.

Während leise Jazzmusik aus den Boxen klimperte, die unauffällig an den hohen, dunklen Holzbalken der Decke verteilt waren und sich Kaffeeduft mit dem Geruch nach frischgebackenen Köstlichkeiten vermischte, der langsam aus der Küche sickerte, drehte ich das Schild an der Eingangstür von Geschlossen auf Geöffnet.

Ich hatte mich gerade wieder hinter die Theke gestellt, da betrat begleitet von einem leisen Klingeling bereits unser morgendlicher Stammgast das Coffee House.

"Hey, Liam, wie gehts?", begrüßte ich den Braunhaarigen, der uns so gut wie jeden Morgen besuchte, und nahm seinen Thermosbecher entgegen, bevor ich mich unserer metallisch glänzenden, italienischen Kaffeemaschine zuwandte, und seinen Kaffee zubereitete. Schwarz mit einem Stück Zucker und einem Extra-Schuss Espresso zum Wachwerden.

"Tja, was soll ich sagen", Liam verzog müde das Gesicht, während der Kaffee mit einem leichten Zischen in seinen Becher lief, "viel zu früh, so wie immer. Und bei euch alles okay?"

"Alles in Ordnung", bestätigte ich, reichte ihm mit einem „Achtung, heiß" seinen Becher und nahm sein Geld entgegen. Obwohl ich Liam schon mehrfach angeboten hatte, darauf zu verzichten, bestand er darauf, wie alle anderen auch für seinen morgendlichen Wachmacher zu bezahlen. Und das, obwohl er der allererste Kunde in damals noch meinem Café gewesen war und wir ihm inzwischen die Hälfte unserer Stammgäste verdankten. Also schob ich ihm stattdessen den zweiten Cupcake zu, den ich aus der Küche hatte mitgehen lassen.

"Wie viel kriegst du?" Liam kramte schon wieder in seinem Portemonnaie herum.

"Geht aufs Haus." Als Liam mahnend die Augenbrauen hochzog, grinste ich nur unschuldig. "Komm schon, das ist eine von Harrys Neuentwürfen und steht noch nicht mal auf der Karte. Ich wüsste also gar nicht, welchen Preis ich dir berechnen soll."

Als Liam immer noch zögerte, seufzte ich. Gott, war dieser Junge vielleicht korrekt. "Betrachte dich doch einfach als Versuchskaninchen", schlug ich vor, "wenn du eine Lebensmittelvergiftung bekommst, weiß ich, dass wir diesen Cupcake besser nicht verkaufen, okay?"

Liam verdrehte die Augen, nahm den Cupcake aber an und winkte mir zum Abschied noch einmal zu. "Bis morgen, Niall. Und grüß Harry von mir."

"Mach ich. Ciao, Liam."

***

HARRY

Ich zog gerade das zweite Blech mit Schokoladen-Muffins aus dem Ofen, als Niall in die Küche gestürmt kam. Erstaunt blickte ich hoch. "Alles okay bei dir?"

"Sehe ich etwa so aus?", fragte Niall leicht verzweifelt zurück und wischte sich bereits zum dritten Mal die Hände an seiner Schürze ab. "Und hast du mal meine Haare gesehen? Die sind eine einzige Katastophe heute! Oh Gott, und jetzt zitter ich schon wieder und -"

"Niall." Ich legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. "Komm erstmal runter, ja? Schön tief durchatmen und dann sagst du mir, was los ist, okay?"

Vorsichtig nickte er und nach ein paar tiefen Atemzügen begann die Panik aus seinen hellblauen Augen zu verschwinden. Schnell zog ich die Schublade neben mir auf und reichte Niall einen kleinen Löffel, dann schob ich ihm den Topf mit geschmolzener Zartbitterschokolade zu, die ich eigentlich für den Guss eingeplant hatte.

"Ehrlich?" Nialls Augen wurden groß. Normalerweise hatte er absolutes Verbot, irgendwas in meiner Küche anzufassen, weil das meistens dazu führte, dass ich plötzlich keinen Kuchenteig mehr hatte oder das Frosting nicht mehr für alle Cupcakes reichte, die damit verziert werden sollten. Von der Unordnung, die er hinterlassen konnte, mal ganz abgesehen.

Ich nickte nur. Wenn mein bester Freund eine Krise hatte und Schokolade brauchte, ging das definitiv vor. Immerhin hatte er mich in den fast vier Jahren, die wir uns jetzt schon kannten, auch durch einige kleinere und nicht so kleine Panikanfälle hindurch begleitet. Die größte Hilfe war er jedoch gewesen, als ich nach langem Hin- und Herüberlegen und mehreren Heulattacken schließlich entschieden hatte, mein Studium abzubrechen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits über ein Jahr als Kellner und gelegentlicher Bäcker im "Impresso Espresso" ausgeholfen, um den Geldbeutel meiner Eltern wenigstens ein bisschen zu entlasten. Mit der Zeit hatten sich bei mir immer mehr Studienzweifel und -ängste angestaut und nach einer besonders anstrengenden Schicht war ich einfach zusammengeklappt und hatte Niall alles erzählt. Wie sehr mich mein Studium stresste, wie wenig mich die Inhalte interessierten, dass ich teils bis mitten in der Nacht über meinen Mitschriften brütete, ohne auch nur ein einziges Wort zu verstehen, wie ich langsam aber sicher nicht nur inhaltlich, sondern auch zwischenmenschlich den Anschluss zu meinen Kommilitonen verlor ...

Es war einfach alles aus mir herausgeplatzt. Und Niall hatte mich nicht verurteilt, sondern mir nur ruhig zugehört und als ich fertig war, einen festen Arbeitsplatz als Konditor und Bäcker angeboten. Und das, obwohl ich nicht mal eine Ausbildung oder so etwas hatte.

Also war es für mich eine Selbstverständlichkeit, Niall wieder aufzubauen, wenn er selbst in Panik geriet - sogar wenn das bedeutete, meine sorgsam geschmolzene Schokolade zu opfern.

"Und?", fragte ich ruhig und strich eine kurze Strähne zurück, die sich aus meinem Dutt gelöst haben musste. „Willst du mir jetzt sagen, was los ist?"

Niall schob sich noch einen Löffel in den Mund, nickte dann aber. "Du wirst mich jetzt bestimmt auslachen, aber ..." Er trommelte mit dem Löffelstiel gegen seine Handfläche und schluckte nervös, bevor es aus ihm herausplatzte: "Er ist wieder da."

"Er?" Ich zog fragend die Augenbraue hoch und begann nebenbei schon mal die ersten Muffins aus der Silikonform zu befreien und zum Auskühlen auf die vorbereitete Platte zu stellen.

"Na ja, du weißt schon ...", druckste Niall herum und strich sich fahrig durch die blonden Haarspitzen, "der Schreibtyp halt."

"Ach was." Ich begann zu grinsen, ließ die Muffins Muffins sein und drehte mich zu ihm um. "Niall Horan ist also verknallt, ja?"

"Bin ich gar nicht, du Doofie", grummelte er und piekste mich mit dem Löffel in den Bauch, als ich anfangen musste zu lachen. "Und lach nicht so doof, ja?"

"Tu ich doch gar nicht." Kapitulierend hob ich die Hände, konnte aber ein kleines Kichern doch nicht unterdrücken. Demonstrativ schmollend wandte sich Niall wieder dem Schokotopf zu.

"Der Schreibtyp also ... ?", fragte ich, als ich mich wieder beruhigt hatte. Der Schreibtyp war vielleicht zwei oder drei Jahre älter als ich und tauchte seit ein paar Wochen regelmäßig in unserem Café auf. Meist bestellte er einen einfachen Kaffee und ließ sich in dem kuscheligen Sessel mit den ausladenden Armlehnen am Fenster nieder, in dem man fast versank und den Niall und ich zusammen auf einem Flohmarkt in der Nähe ersteigert hatten. Dann zog er ein Notizbuch samt Stift hervor und war für die nächsten drei Stunden damit beschäftigt, irgendwelche geheimnisvollen Dinge vor sich hin zu kritzeln.

Zusammen mit seiner Lederjacke, den abgewetzten Boots und Wangenknochen eines jungen griechischen Gottes machte er damit einen ziemlich mysteriösen und zugleich anziehenden Eindruck. Auch wenn ich das Gefühl hatte, dass er sich dessen ziemlich bewusst war - Niall schien auf diese Masche ganz augenscheinlich abzufahren.

"Tja, dann sprich ihn doch heute mal an", schlug ich vor.

Lautes Geschepper. Niall war vor Schreck der Topf aus der Hand gefallen. Gott sei Dank hatte er bereits die komplette Schokolade verdrückt. "Spinnst du? Ich mach mich doch nicht zum Affen!"

Ich seufzte. "Und was willst du dann machen? Ihn aus der Ferne anschmachten, bis er irgendwann nicht mehr kommt?"

Niall nickte trotzig. "Klar, wieso nicht?"

"Und bedienen soll ich ihn dann die ganze Zeit, oder was?", fragte ich ironisch nach.

"Na ja ...", Niall sah mich unsicher an, "schon irgendwie?"

"Du kannst ihm doch nicht ewig aus dem Weg gehen", versuchte ich ihn zu überzeugen, "außerdem sollst du ihm doch keinen Antrag machen, sondern nur seine Bestellung aufnehmen und wenn es gut läuft - wer weiß? Dann kannst du ihm ja deine Nummer auf die Rechnung schreiben."

"Ich weiß nicht ..." Niall sah unsicher auf seine Hände. "Was, wenn -"

"Keine Widerrede", fiel ich ihm ins Wort. "Du gehst jetzt da raus und kümmerst dich um die Gäste. Ich hab hier noch genug zu tun - zum Beispiel neue Schokolade schmelzen."

***

NIALL

Ich atmete tief ein und warf einen vorsichtigen Blick auf das übernatürlich attraktive Wesen im dunkelgrau bezogenen Sessel am Fenster, das mir schon seit einigen Wochen wackelige Knie bescherte. Nur seine Bestellung aufnehmen – Harry hatte gut reden. Ganz augenscheinlich musste sich der Lockenkopf schleunigst mal die Augen untersuchen lassen.

Schon allein bei dem Gedanken daran rüberzugehen und von einem nonchalanten Blick aus diesen umwerfend akazienbraunen Augen gestreift zu werden, begannen meine Hände so stark zu zittern, dass sie einem Parkinson-Patienten alle Ehre gemacht hätten.

Vielleicht konnte ich mich ja einfach unter der Theke verskriechen, bis der Schreibtyp wieder gegangen war? Ja, das hörte sich wirklich nach einer guten Idee an. Keine zehn Pferde würden mich auch nur in die Nähe dieses schwarzhaarigen Engels bringen.

Neben mir schwang die Küchentür auf. „Du bist ja immer noch hier", stellte Harry belustigt fest – ganz der absolut nicht hilfreiche Depp, der sich mein bester Freund schimpfte.

"Ich bin beschäftigt, Harold. Geh weg", verkündete ich aus meinen Versteck zwischen dem Geschirrregal und dem halbhohen Kühlschrank, in dem wir alle Zutaten zwischenlagerten, die es brauchte, um jede Kaffeespezialität zu zaubern, die das Herz begehrte.

Natürlich hörte die menschgewordene Giraffe nicht auf mich, stattdessen lehnte sich Harry gegen die Küchentür und verschränkte die Arme vor einem zugegebenermaßen ziemlich durchtrainierten Oberkörper. Und mit diesen Muskeln als Vergleich sollte ich also genügend Selbstvertrauen aufbringen, um das himmlische lederjackentragende Wesen drei Tische weiter anzusprechen? Never ever.

"Und? Bequem da unten?", fragte der Lockenkopf mit schiefgelegtem Kopf und ich konnte seine Mundwinkel zucken sehen, als er sich ein Grinsen verkniff. Das fand er also witzig, ja? Dieser doofe Verräter.

"Jup." Beleidigt verzog ich mich noch etwas weiter in die vielleicht wirklich etwas enge Lücke. Aber das musste Harry ja nicht wissen.

"Komm schon, Niall, bist du nicht ein bisschen alt, um verstecken zu spielen?" Harry zog die Augenbrauen hoch und ging in die Hocke, um mir ins Gesicht gucken zu können.

„Nö", antwortete ich äußerst erwachsen und zog meine Knie zu mir heran. Harry würde mich hier nicht in einer Million Jahren rausbekommen.

„Also nur damit ich das richtig verstanden habe: du – Inhaber des „Impresso Espresso" – versteckst dich wie ein Dreijähriger hinterm Kühlschrank, weil du einen deiner Gäste attraktiv findest. Soweit korrekt?" Harrys Blick drückte eindeutig Zweifel an meiner geistigen Gesundheit aus. Na danke.

„Erstens: Teil-Inhaber. Die andere Hälfte gehört dir", begann ich, während Harry grinsend die Augen verdrehte. „Punkt zwei: ich versteck mich neben dem Kühlschrank, nicht dahinter. Wichtiger Unterschied. Und außerdem: es spielen ja wohl nicht nur Dreijährige verstecken."

Harry schnaubte. „Ganz offensichtlich."

Er erhob sich wieder. „Du kommst da also erst raus, wenn der Schreibtyp wieder weg ist?"

„So wie du das sagst, klingt es total albern", protestierte ich.

Harry zog nur wortlos die Augenbrauen hoch.

„Okay, was es vielleicht – aber nur vielleicht – auch ein bisschen ist", murmelte ich widerwillig und ergänzte trotzig: „Aber ja: ich beweg mich erst wieder hier raus, wenn er weg ist."

„Cool." Harry nahm eine Tasse von der Ablage über der Kaffeemaschine. „Das heißt, du kannst nichts dagegen machen, wenn ich gleich mal zu ihm rübergehe und ihm erzähle, dass du dich seinetwegen neben unserem Kühlschrank versteckst?"

„Harold Edward Styles, wag es ja nicht!"

„Oder was?" Und dann hatte dieser Arsch die Nerven, mich herausfordernd anzusehen! Mir fehlten die Worte! All die Jahre hatte ich gedacht, Harry sei einer dieser immerzu netten Menschen ... und dann fiel er mir eiskalt in den Rücken! Unglaublich.

„Oder ...", fieberhaft überlegte ich, welche Drohung ich Harry an den belockten Kopf schmeißen konnte, „oder ich feuer dich!"

Und dann lachte er.

Anstatt sich wie angemessen vor Angst mit zitternden Knien vor mir zu Boden zu werfen und um Vergebung zu flehen ... lachte Harry. Na warte! Dem würde ich das Grinsen mit einem meiner genialen Konter aus dem Gesicht wischen! Denk nach, Niall, denk nach!

„Was lachst du denn so bescheuert?"

Gut, der Preis für die rhetorisch ausgefeilteste Retourkutsche würde vermutlich nicht an mich gehen. Aber zumindest schrumpfte Harrys Grinsekatzegrimasse zu einem kleinen Lächeln und er beugte sich zu mir herunter. Na schön, wenn er sich jetzt entschuldigte und einen seiner Schokocupcakes rüberwachsen ließ, dann könnte ich ihm ja vielleicht sogar verzeihen und –

„Sorry, aber mal abgesehen von der Tatsache, dass ich kein Angestellter, sondern dein Geschäftspartner bin: ich komm mir vor, als würde mich ein drei Tage altes Katzenbaby anfauchen." Und er fing an zu kichern. Schon wieder.

„Bitte?!" Ich würde ihn umbringen, aber sowas von.

„Oh komm schon, Niall, du siehst eben nicht wirklich bedrohlich aus, wie du da in deiner Ecke hockst und mich böse anfunkelst", verteidigte Harry sich und wischte sich doch allen Ernstes eine Lachträne aus dem Augenwinkel. „Wenn überhaupt ist dieses Bild ziemlich niedlich."

„Niedlich? NIEDLICH?! Sag mal, willst du mich eigentlich verarschen??", redete ich mich in Rage, „ich bin doch nicht niedlich! Ich bin heiß und unfassbar anziehend und –"

„Niedlich", kicherte Harry.

Mir blieb der Mund offen stehen. „Und da wunderst du dich, dass ich nicht das Selbstvertrauen hab, heiße Typen anzusprechen, die hier reingeschneit kommen, ja?"

Sofort hörte Harry auf zu lachen.

„Hey, so war das nicht gemeint, Niall", sagte er leise und sah mich entschuldigend an. „Ich hätte nicht über dich lachen sollen, es tut mir leid."

Am liebsten hätte ich ihn ja noch etwas schmoren lassen, aber Harrys Getretener-Welpe-Blick war so zerknirscht, dass ich gar nicht anders konnte, als ihm zu verzeihen. Das und das Wissen, dass er sich sonst wieder wochenlang Vorwürfe machen würde, ein grottenschlechter Freund zu sein.

„Ist schon okay", erwiderte ich mit einem halben Lächeln. „Immerhin bin ich ja wirklich etwas lachhaft, wie ich mich hier verkrieche, oder?"

„Aber auch komplett verständlich." Harry ließ sich neben den Kühlschrank plumpsen und stupste mich aufmunternd an. „Ich meine, bei den Wangenknochen wird ja selbst mir heiß."

Ich lächelte verträumt. „Und hast du mal seine Wimpern gesehen? Heilige Scheiße ..."

„Mal ganz zu schweigen von diesen traumhaften Haaren", stimmte Harry mir grinsend zu, bevor er murrend hinzufügte: „Ich würde echt mal gern wissen, was für einen Conditioner der Typ benutzt – meine Haare werden nie so glänzend weich."

„Oder erst seine Stimme", fügte ich seufzend und in Erinnerungen an frühere Besuche des Schreibtypes schwelgend hinzu, ohne auf Harrys Schmollen einzugehen, „die ist Orgasmus pur für die Ohren."

„Entschuldigung? Ist da jemand?", riss mich eine fremde Stimme aus meinen Schwärmereien.

Ertappt zuckte ich zusammen. Ach ja, wir waren ja immer noch auf der Arbeit und sollten eigentlich unsere Gäste bedienen anstatt hinter dem Kühlschrank (okay ja hinter, ich gebs ja zu, Harry) unseren eigenen Fanclub für anbetungswürdige Gesichtsstrukturen zu gründen. Oops.

„Hallo? Ich würd gerne einen Kaffee bestellen?", fragte Mr. Unbekannt leicht verwirrt von der anderen Seite der Theke.

***

HARRY

Während Niall sich wie ein Origami aus der viel zu schmalen Lücke herausfaltete, in die er sich hineingequetscht hatte (von wegen bequem), beeilte ich mich aufzustehen, um den Kunden zu bedienen, den wir durch unser kleines Privatgespräch nicht bemerkt hatten. Abgelenkt zu werden war definitiv einer der wenigen Nachteile, täglich mit einem seiner engsten Freunde zusammenzuarbeiten.

„Sorry, was darf es sein?", fragte ich und drehte mich mit einem entschuldigenden Lächeln um – was ein wenig verrutschte, als ich in die strahlendsten blauen Augen sah, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Verdammt. Ich schluckte. Mir war die Stimme also doch bekannt vorgekommen.

„Ein Latte Macchiato, bitte."

Mit einem knappen Nicken nahm ich die Bestellung entgegen und drehte mich zur Kaffeemaschine um. Verdammter Mist. Was machte er bitte hier? Die Uni lag am anderen Ende der Stadt und das „Impresso Espresso" war kein typisches Studentencafé, darauf hatte ich geachtet, als ich hier angefangen hatte. Nichts war bescheuerter, als seine Kommilitonen zu bedienen, die sich von ihren Aufsichtsrats- oder CEO-Vätern und Charity-Hausfrauen-Mamis ihr Studium inklusive eigener Wohnung und einem BMW finanzieren ließen und schon eine Stelle im Familienunternehmen sicher hatten.

Wieso bestellte Louis Tomlinson seinen Milchkaffee also ausgerechnet hier?

Dampfend und zischend lief das braune Gebräu in eine kleine Metallkanne, während ich in einem zweiten Krug Milch aufwärmte und in meinem Kopf die viel wichtigere Frage aufploppte: seit wann trank Louis überhaupt Kaffee? Ich hatte ihn immer nur Tee trinken gesehen – oder natürlich Energy Drinks am Ende des Semesters, wenn man langsam zu einer Kreatur der Nacht mutierte, die seine Seele, den Erbschmuck der Großmutter und sein Erstgeborenes für ein paar Stunden Schlaf an den Teufel höchstpersönlich verkauft hätte; schwelgend in leidvollem Selbsthass und inbrünstig schwörend, nächstes Semester wirklich früher mit dem Lernen anzufangen. Die Prüfungszeit vermisste ich am Studieren definitiv nicht.

Mit der einen Hand fischte ich ohne Hinzugucken ein hohes Glas aus dem dunkelbraunen Holzregal, die andere schäumte routiniert mit gleichmäßigen Bewegungen die heiße Milch auf. Milchschaum ins Glas, Kaffee dazu, Glas auf eine Untertasse stellen, Löffel und Cantuccini danebenlegen – wenn ich mich auf einen Arbeitsschritt nach dem anderen konzentrierte, dann konnte ich vielleicht ausblenden, wer da hinter mir am Tresen stand.

Mit gesenktem Kopf schob ich das fertige knochenwärmende Getränk über die Mahagoniplatte der Theke und fuhr mit dem Blick die dunkleren Linien der Maserung nach, die sich wie Adern durch das sorgfältig polierte Holz zogen. Bloß nicht hochgucken. Wenn ich sein Gesicht nicht sah, könnte ich mir vielleicht einreden, mir stünde nur ein Gast wie jeder andere gegenüber.

„Danke."

Verdammt. Ich hatte die Rechnung ohne seine Stimme gemacht. Leicht angeraut, was vielleicht auch Louis' Zigarettenkonsum liegen könnte, etwas hoch für einen Typen seines Alters und in der Lage, jederzeit einen flapsigen Spruch von sich zu geben, wie ich aus eigener Erfahrung wusste – egal ob gegenüber Dozentem oder einem seiner unzähligen Freunde.

Die Härchen auf meinen Unterarmen stellten sich auf und ohne dass ich wollte, blickte ich nach oben. Beim Anblick der kleinen Lachfältchen um seine Augenwinkel herum wanderten meine Mundwinkel wie von selbst in Richtung Himmel, als ich sein Geld entgegennahm. Mist. Sein Lächeln hatte also in den zwei Jahren, in denen wir uns nicht gesehen hatten, nichts von seiner bezaubernden Wirkung verloren.

Dafür waren seine dunkelbraunen Haare länger geworden und fielen ihm verwuschelt ins Gesicht. Damit und den Bartstoppeln um Mund und Kinn herum ließen mich den Mann vor mir nur schwer mit dem herausgeputzten BWL-Studenten in Zusammenhang bringen, der mir in meinem ersten Semester den Kopf verdreht hatte – ganz zu schweigen von seiner Kleidung. Ein lockeres schwarzes Tanktop unter einer Lederjacke – wo waren die weißen Hemden und auf Hochglanz polierten Budapester geblieben? Und Sekunde mal – blitzte unter dem Halsausschnitt etwa die Spitze eines Tattoos hervor? Was zum Geier hatte ich bitte verpasst?

Bevor mein Starren jedoch besorgniserregende Muss-ich-gleich-die-Polizei-rufen-Psychopathen-Dimensionen annehmen konnte, hatte sich Louis schon seinen Latte Macchiato geschnappt und lief zu einem der Tische weiter im Inneren des Coffeehouses, wo er mit „Na endlich"-Rufen und unnötig komplizierten Abklatschritualen von drei Typen und zwei Mädchen begrüßt wurde. Niemand kam mir aus dem Studium bekannt vor.

„Wow." Ertappt zuckte ich zusammen. So sehr, wie sich meine Sinne in den letzten vier Minuten auf Louis konzentriert hatten (oh Gott, er benutzte immernoch das gleiche herbe Aftershave), hatte ich Niall komplett vergessen.

Schnell und mehr schlecht als recht zwang ich meine Mundwinkel wieder nach unten und hoffte beim Umdrehen, Niall würde meinen lächerlichen Versuch eines nichtssagenden Gesichtsausdrucks nicht durchschauen.

Aber er sah mich gar nicht an, sondern blickte anerkennend und mit schief gelegtem Kopf Louis hinterher. „Alle Achtung, das nenn ich ja mal einen Hintern."

***

NIALL

"Ich dachte, du stehst auf den Schreibtypen?", fragte Harry abwesend und sortierte das Geld von Mr. Beeindruckende-Kehrseite in die Kasse ein. Spielverderber.

"Deswegen wird man ja wohl trotzdem gucken dürfen", erwiderte ich unbeeindruckt und versuchte noch einen Blick auf eins der bemerkenswertesten Hinterteile zu erhaschen, das ich seit meinem Coming Out mit 16 gesehen hatte. War das oberflächlich? Vermutlich. War dieser Po es wert, einen entsprechenden Anschiss von Harry zu riskieren? Definitiv. "Und jetzt mal Schreibtyp hin oder her: der Kerl da drüben sieht wirklich gut aus - auch von vorn."

"Aha." Harrys Stimme könnte nicht abwesender klingen, während er edel duftende Kaffeebohnen in die silbrig blitzende Brühmaschine füllte - eins der Herzstücke unseres mittlerweile zur Hälfte gefüllten Ladens bildete.

Und dabei redeten wir hier von Harry, einem der aufmerksamsten Freunde, die man sich nur wünschen konnte. Harry, dem es am wichtigsten war, zu wissen, dass es seinen Freunden und seiner Familie gut ging. Harry, der für mich ein zweistündiges Justin-Bieber-Konzert inmitten von kreischenden 13-jährigen durchgestanden hatte, weil ich nicht allein hatte gehen wollen, obwohl er absolut nichts mit der Musik anfangen konnte. Harry, der so ein hoffnungsloser Romantiker und Optimist war, dass er in jedem unserer Gäste seine wahre Liebe zu finden hoffte.

"Okay, was ist los?"

"Hm?", fragte Harry, ohne vom Kühlschrank wegzublicken, aus dem er gerade hochkonzentriert und mit herausgestreckter Zungenspitze ein absolutes Meisterwerk einer Schwarzwälder Kirschtorte herausoperte und auf der marmornen Arbeitsplatte gegenüber der Theke abstellte, ohne auch nur einen einzigen Schokoraspel ins Rutschen zu bringen.

"Was ist los mit dir?", wiederholte ich meine Frage. Wenn Harry mich wirklich für doof verkaufen wollte, musste er sich schon etwas mehr anstrengen. Obwohl ich wirklich hoffte, dass er inzwischen gelernt hatte, dass er es genauso wert war, dass man sich seine Sorgen und Wünsche anhörte, und es keineswegs eine Belästigung war, wenn er über Dinge reden wollte, die ihn beschäftigten.

"Nichts ist los mit mir." Oder auch nicht.

Harry zog die Schublade unter dem Tresen auf und holte eins der nadelspitzen Kuchenmesser hervor, denen ich mich seit dem letzten Malleur nicht auf mehr als einen Meter nähern durfte. Automatisch trat ich ein paar Schritte zurück, bis sich mir ein Tellerstapel in den Rücken bohrte und meine Sneaker gegen den Boden des Geschirrregals stießen.

Zwar war ich mir relativ sicher, dass Harry nicht innerhalb der nächsten fünf Sekunden seinen inneren Zorro entdecken würde – vermutlich würde er sich beim Versuch, einen Degen zu schwingen, sowieso selbst aufschlitzen – aber sicher war nun mal sicher. Ich hatte definitiv keine Lust, mir ein zweites Mal fast den Daumen abzusäbeln – auch wenn Harry mich sofort fachkundig verarztet und ich das Hello-Kitty-Pflaster die nächsten Wochen wie eine Ehrenmedaille getragen hatte. Bis heute war ich ernsthaft beleidigt, dass keine Narbe zurückgeblieben war, mit der ich als Kriegsverletzung prahlen konnte.

Ich seufzte. „Okay, bist du sauer? Du bist sauer auf mich, oder?"

"Wieso sollte ich denn sauer auf dich sein?" Harry blickte mit verwundert zusammengezogenen Augenbrauen an zu mir herüber und ließ das Messer sinken. Okay, das klang wirklich überrascht. Abgesehen davon war Harry absolut nicht der Typ für passiv-aggressives "Natürlich ist alles okay!", sondern sagte einem geradeaus, wenn er wütend - oder noch schlimmer: enttäuscht - war.

"Keine Ahnung", gab ich zu und kratzte mich verwirrt an der Nase, "was ist denn dann los?"

"Nichts. Wie gesagt." Harry wandte sich erneut der Torte zu und beinahe hätte ich ihm seinen ruhigen Tonfall abgekauft - hätte seine Hand nicht ein wenig gezittert, als er sich eine kurze Strähne aus dem Gesicht strich.

"Du bist ein erbärmlicher Lügner, weißt du das eigentlich?" Schuldbewusstsein flackerte in Harrys grünen Augen auf. Also doch.

"Komm schon, rede mit mir. Wo ist der Harry hin, der mir genau jetzt einen Vortrag darüber halten würde, unseren Gästen nicht auf den Hintern zu gucken?"

Harry grinste leicht. "Du meinst den Vortrag, dem du sowieso nicht zuhören würdest?"

"Hey!" Ich schnappte empört nach Luft. "Außerdem sagt das grade der Richtige. Du bekommst doch bei jedem Gast Herzchenaugen, der dich mehr als eine Sekunde anlächelt. Besonders, wenn sie dein Typ sind."

Harrys Grinsen verschwand. Oh. Hatte ich da einen Nerv getroffen?

Lautes Gelächter erklang ein paar Tische weiter. Ich sah zum Latte-Macchiato-Typ mit dem spektakulären Po hinüber, der seine Geschichte mit so enthusiastischen Handbewegungen untermalte, dass ich kurz um die bauchige Vase voller rosa Tulpen vor ihm fürchtete, die ich erst heute Morgen frisch beim Blumengeschäft um die Ecke gekauft hatte.

Moment. Der Latte-Macchiato-Typ war auf jeden Fall freundlich gewesen und außerdem ... Blaue Augen - Check. Braune, fluffig-verwuschelte Haare - Check. Etwas kleiner als Harry - Check. Leicht kurvig - Check. Hohe, leicht raue Stimme - Check. Lachfältchen in den Augenwinkeln - Check. Humorvoll und ein bisschen aufmüpfig - Check. Genug Selbstbewusstsein, um sich nicht um die Blicke der anderen Gäste zu kümmern und lautstark seine Geschichte weiter zu erzählen - Check.

Sensationeller-Arsch war die Definition von Harrys Typ.

"Du stehst auf ihn!"

Harry lief knallrot an, packte kurzerhand meinen Unterarm und zerrte mich hinter sich her in die Küche.

***

HARRY

Ich war offiziell am Arsch.

Niall hibbelte stolz wie ein dreimonatiger Labrador-Welpe hinter mir her, der seinem Besitzer zum erstem Mal ein Stöckchen zurückgebracht hatte. Wenn ich die Küche heute noch verlassen wollte - oder jemals, wenn wir gerade dabei waren - musste ich ihm die Wahrheit sagen.

"Ich hab Recht, oder?" Niall hüpfte begeistert auf die glänzende Aluminium-Arbeitsplatte, auf der ich vor einer halben Stunde noch völlig ahnungslos Muffin-Teig zusammengerührt hatte. "Du stehst wirklich auf ihn, oder?"

Ich starrte auf meine abgewetzten braunen Chelsea-Boots. Auch wenn mir eigentlich bewusst war, dass es besser war, das Ganze kurz und schmerzlos hinter mich zu bringen, plädierte ein nicht gerade kleiner Teil in mir dafür, das Problem so lange zu ignorieren, bis es von allein wieder verschwand.

"Harry?" Niall hatte aufgehört, sich auf meiner Arbeitsfläche breitzumachen und blickte mich besorgt an. Nein, das wäre nicht nur unreif, sondern vor allem äußerst mies meinem besten Freund gegenüber.

Okay, kurz und schmerzlos - wie ein Pflaster abzureißen. Das kriegst du hin, Harry. Ich atmete tief ein. "Louis."

"Was?" Nialls Augenbrauen zogen sich verwirrt zusammen.

Gut, vielleicht war das ein bisschen zu kurz.

"Der Typ", ich gestikulierte vage in Richtung Küchentür, "das ist Louis."

"Hä, welcher Lou- oh. Oh." Nialls Augen wurden groß wie zwei babyblaue Wahrsagekugeln, in denen ich aber statt der Zukunft nur erkennen konnte, dass bei ihm der Groschen gefallen war. "Im Ernst? Das ist der Louis? Aus deinem Studium, den du so toll fandst?"

Ich nickte. "Sieht so aus."

"Krass." Niall nickte bedächtig.

"Jup."

"Hm."

Wir schwiegen.

"Hey, warum sprichst du ihn eigentlich nicht an?", sprudelte es auf einmal aus Niall hervor und er rammte mir aufgeregt seinen Ellenbogen gegen den Oberarm.

Ich sah zweifelnd zu ihm hoch. Was, nur fürs Protokoll, ziemlich merkwürdig war, schließlich überragte ich Niall normalerweise um mindestens einen Kopf, wenn er sich selbst nicht gerade entgegen meines ausdrücklichen Verbotes auf eine der Arbeitsflächen hievte.

"Du scheinst vergessen zu haben, dass das auch der Louis ist, der zwei Jahre lang meine Existenz ignoriert hat", merkte ich skeptisch an.

"Dann sorg eben dafür, dass das jetzt nicht passiert", erwiderte Niall ungerührt. Als ob es so einfach war. Ich schnaubte leise.

"Diese Sache mit Louis war nur eine kleine Schwärmerei von vor mehr als zwei Jahren. Ich bin drüber hinweg, wirklich", versicherte ich, "jetzt wieder davon anzufangen, ist eine dumme Idee."

Niall zog eine Augenbraue hoch. "Hatte ich schon erwähnt, dass du nicht lügen kannst, Styles?"

"Das ist keine Lüge!", protestierte ich.

Jetzt schnaubte Niall. "Die rosa Herzchen in deinen Augen sagen da aber was anderes, Harold. Außerdem war ich derjenige, dem du während jeder deiner Schichten vorgeschwärmt hast, was Louis wieder Tolles gemacht hat. Louis ist so witzig, Niall. Louis hatte heute einen blauen Pullover an, der perfekt zu seinen Augen passt, Niall. Er hat übrigens die schönsten Augen auf der Welt, Niall, hab ich das schon erwähnt? Niall, du wirst es nicht glauben, aber heute hat er für eine halbe Sekunde in meine Richtung geguckt. Ich bin fast ohnmächtig geworden. Louis hier, Louis da - einmal hast du sogar meine Lieblingscupcakes mit Salz gebacken. Kleine Schwärmerei? Wer's glaubt."

Auch ohne einen Spiegel vor mir zu haben, wusste ich, dass mein Gesicht knallrot angelaufen war. So sehr ich mir wünschte, Nialls irischer Hang zum Dramatisieren würde mal wieder mit ihm durchgehen - nichts davon war auch nur im Kleinsten übertrieben. Spätestens im zweiten Semester hatte die Hälfte meines Wortschatzes nur noch aus "Louis" bestanden und ich hatte jede gemeinsame Veranstaltung in der Uni damit verbracht, ihn aus den Augenwinkeln anzuschmachten. Das war vielleicht auch ein Grund, warum mir meine Mitschriften von Woche zu Woche chinesischer vorgekommen waren.

"Ich werde ihn trotzdem nicht ansprechen", beendete ich die Diskussion und verschränkte als Bestätigung die Arme vorm Oberkörper.

"Ach komm", Niall pikste seinen Zeigefinger in meinen Bizeps, "du musst ihm ja nicht gleich einen Antrag machen und ganz viele süße Kinder mit ihm adoptieren. Nur ansprechen. Und wenn es gut läuft - wer weiß? Dann kannst du ihm ja deine Nummer auf die Rechnung schreiben." Und dann zwinkerte er mir zu.

"Ach, auf einmal, ja?" Ich konnte es nicht fassen. "Wer von uns beiden traut sich denn nicht, den Schreibtypen anzuquatschen, hm?"

Nialls Wangen röteten sich leicht, trotzdem sah er mich herausfordernd an. "Ich sprech ihn an, wenn du mit Louis redest. Deal?" Er streckte mir seine rechte Hand entgegen.

Ich zögerte. Was ich zu Niall gesagt hatte, war nicht komplett gelogen gewesen: ich wollte über Louis hinweg sein. Wirklich. Aber wenn es in irgendeiner Weise ein Hinweis war, wie heftig ich vorhin auf ihn reagiert hatte, dann würde mich ein ganzes Gespräch mit Louis deutlich stärker aus der Fassung bringen, als mir lieb war.

Auf der anderen Seite war das vielleicht die einzige Gelegenheit, Niall zu seinem eigenen Glück zu zwingen und wöchentliche Wiederholungen des morgendlichen Kühlschrankdramas zu verhindern - ohne einen unserer besten Kunden zu verlieren.

Was tat man nicht alles für das Datingleben seines besten Freundes?

Ich schlug ein. "Deal."

***

NIALL

Mit Wackelpudding-Knien und einem Gesichtsausdruck, der hoffentlich wenigstens halbwegs den Anschein von Seriosität vermittelte, steuerte ich den Tisch am Fenster an. Entgegen meiner leisen Hoffnung saß der Schreibtyp immer noch entspannt zurückgelehnt im hellgrau bezogenen Ohrensessel - und das trotz über einer halben Stunde Wartezeit. Inzwischen blätterte er in einem abgegriffenen, kirschroten Notizbuch, das vor ihm auf dem Tisch lag und dessen leicht gewellte Seiten fast schon unleserlich dicht in schwarzer Tinte beschrieben waren; die geschwungenen Augenbrauen über wachsamen Augen elegant zusammengezogen.

Oh verdammt, ich würde das hier sowas von verkacken. Und das nur, damit Harry endlich seinen Langzeitschwarm ansprach. Was tat man nicht alles für das Datingleben seines besten Freundes?

"Herzlich willkommen im Impresso Espresso Coffee House, was darf es zu trinken sein?", rasselte ich hastig meine Standard-Begrüßung herunter, bevor ich noch etwas unfassbar Dummes tat - wie sabbernd zu Boden zu sinken oder durch die welpenweichen, ebereschenschwarzen Haare des Mannes vor mir zu fahren, die meine Finger wie magnetisch anzogen.

Reiß dich zusammen, Niall. Wirklich jetzt.

Tja, und dann blickte der Typ hoch und - nein, das war wirklich nicht fair! Es war nicht fair, dass er ohne jede Anstrengung als zum Leben erweckte antike Statue durchgehen konnte - ein Meisterwerk, dazu erschaffen, in ein Museum gestellt und bewundert zu werden -, während ich eher so aussah, als hätte ein Witzbold einer Kartoffel Nase und Ohren angeklebt.

"Einen Cappuccino bitte", riss mich die melodische Stimme des Objekts meiner Schwärmerei aus meinen bewundernden Gedanken und zog seine Mundwinkel zu einem derart hinreißenden Lächeln nach oben, dass meine Professionalität endgültig in der Luft verpuffte und ich breit anfing zu grinsen.

Tja, jetzt war wohl ich derjenige mit den Herzchenaugen. Aber was sollte ich machen, wenn gerade vor mir die Sonne aufgegangen war? (Wow. Wenn das mal nicht kitschig klang. Vielleicht hätte ich doch hinterm Kühlschrank bleiben sollen.)

Nach ein paar Sekunden verblasste das Lächeln das Schreibtyps und er legte verwirrt den Kopf schief - was ich unfairerweise wie ein Babykätzchen aussehen ließ, das einen mit großen Augen nach einem bisschen Milch anbettelte. Das Glück, das manche Leute mit ihren Genen hatten ... also wirklich.

"Ähm ... ist noch irgendwas?"

Oh verdammt. Mehrere Minute schweigend seine Gäste anzustarren war anscheinend nicht professionell. Mein Kopf wurde heiß und ich tat das einzig Sinnvolle: ich trat die Flucht an.

***

"Du weißt schon, dass du ihm seinen Kaffee noch bringen musst, oder?"

Okay, Harry war ganz offensichtlich ein Sadist.

"Ich will aber nicht", jammerte ich und warf der weißen Porzellantasse einen bösen Blick zu, die hartnäckig darauf wartete, zu Tisch 7 gebracht zu werden. "Ich hab mich für heute doch wirklich schon genug vor ihm blamiert. Willst du wirklich zulassen, dass ich meine professionelle Reputation noch weiter in den Dreck ziehe?"

Harry verdrehte die Augen. Schon wieder. Also wirklich. Man könnte fast meinen, ich würde mich wie ein Kleinkind verhalten, so wie er die ganze Zeit reagierte.

"Deine Reputation ruinierst du schon allein da durch, dass du deine Gäste ständig warten lässt." Er drehte sich zurück zur Kaffeemaschine und bereitete die nächsten zwei Vanilla Flavored Coffees vor.

Verdammt. Und dann hatte er auch noch Recht. Ich seufzte. Na dann mal auf zu Versuch Nummer 2.

Das rote Notizbuch lag inzwischen geschlossen neben dem Serviettenhalter, als ich den leicht dampfenden Cappuccino mit mehr Geschirrgeklapper als vermutlich nötig gewesen wäre vor dem Schreibtypen abstellte.

Und jetzt nichts wie weg.

"Danke Niall."

"Kein Prob- ..."

Sekunde mal. "Woher weißt du, wie ich heiße?"

Da sowohl Harry als auch ich die Arbeitsuniformen mehr als lächerlich fanden, die man dank jedem zweiten Hollywood-Streifen mit Coffee Shops verband, trugen wir zur Arbeit normalerweise nur ein weißes oder schwarzes T-Shirt, meist kombiniert mit schwarzer Skinny Jeans - keine bunten Hemden oder Schürzen, keine würderaubenden Kopfbedeckungen und vor allem keine Namensschilder.

"Ähm ..." Die Wangen des Schreibtypen liefen rosa an. So sah er bestimmt auch aus, wenn er Rouge tragen würde. Dazu noch haselnussbrauner Lidschatten, ein paar Töne dunkler als seine Haut, der seine Augen so richtig zum Leuchten bringen würde ... huiuiui.

Ich sollte wirklich aufhören, mir den Mann vor mir mit Makeup vorzustellen, sonst würde ich gleich ernsthafte Probleme bekommen.

"Liam."

Ich blinzelte verwirrt und versuchte die Vorstellung von dunkelrot geschminkten Lippen (oh Gott, seine Lippen) aus dem Kopf zu bekommen. Anscheinend nicht sehr erfolgreich, denn ich bekam nur ein gestammeltes, äußerst intelligentes "Hä?" heraus.

Gott, Harry würde diesen Louis-Typ mindestens heiraten und drei Kinder mit ihm adoptieren müssen, um diesen Tag der Peinlichkeiten wieder wett zu machen.

"Ich ... " Der Schreibtyp fuhr sich verlegen durch seinen Undercut. "Ich hab Liam gefragt, nachdem ich ein paar Mal hier war. Ich meine, er hat mir so oft von eurem Kaffee vorgeschwärmt - und am Anfang war ich etwas skeptisch, weil Liam so ungefähr jeden Menschen nett findet, der ihn einmal angelächelt hat - wirklich, dieser Junge ist zu höflich für diese Welt - aber dann hat er mich solange bequatscht, bis ich ihm versprochen habe, mal vorbeizukommen und ich hatte mich schon auf das Schlimmste vorbereitet - du weißt schon, unhöfliche Gäste, schlechte Musik, überzogene Preise - aber es war wirklich schön hier, der Kaffee ist wirklich toll, ganz zu schwiegen von euren Cupcakes - mann, die sind echt mega - und es stört keinen, wenn ich mehrere Stunden bleibe und arbeite, also bin ich öfter hergekommen und wirklich, das ist echt der beste Coffeeshop der Stadt; jedenfalls wollte ich dann irgendwann wissen, wer mir meine Mittwochvormittage immer so versüßt, also hab ich Liam gefragt und natürlich durfte ich mir ewig anhören, dass er doch gesagt hätte, dass es mir hier gefallen würde und ich öfter auf ihn hören sollte - er kann manchmal wirklich ein Besserwisser sein, wirklich, wenn er nicht einer meiner besten Freunde wäre, ich sags dir -, aber am Ende ist er dann doch mit einem Namen rausgerückt und ja ... jetzt hab ich wahrscheinlich zu viel geredet."

Ich blinzelte.

"Oh Gott, ich hab wirklich zu viel geredet, oder?" Er stöhnte auf (gott, ich durfte jetzt echt nicht zu genau über dieses Geräusch nachdenken) und rieb sich peinlich berührt den Nacken, seinen Blick stur auf die anscheinend plötzlich sehr interessant gewordene Speisekarte gerichtet. "Sorry, das passiert manchmal, wenn ich nervös werde ... ich fang an zu quatschen, als würde ich tot umfallen, wenn ich nicht eine bestimmte Anzahl Wörter pro Minute loswerden würde, quasi eine Art verbaler Vulkanausbruch, und -"

Er atmete tief durch und blickte auf. "Und ich mach es grade schon wieder. Sorry."

Ich blinzelte nochmal. Gott, ich musste echt was sagen, sonst würde die peinliche Stimmung gleich komplett unerträglich werden. Also los, sag was, irgendwas, komm schon, Horan!

"Du bist nervös?", platzte es aus mir heraus.

Oh hallelujah. Wo war ein schwarzes Loch, was einen für immer absorbieren würde, wenn man es denn mal brauchte, hmm? Auf das Universum war in letzter Zeit aber auch gar kein Verlass mehr!

"Tja also ..." Der Schreibtyp spielte fahrig mit dem kleinen Löffel auf der Untertasse herum. "Irgendwie schon ... schätze ich ..."

"Aber warum?"

Herrgott Niall, wie war das noch mal mit erst denken, dann reden - oder noch wichtiger, so was wie Professionalität?

"Wie warum?" Mit einem letzten Klackern kam der Löffel zur Ruhe und die Augenbrauen des Schreibtypes zogen sich ein klein wenig ratlos zusammen, während er mich endlich ansah. Und okay, vermutlich sollte ich einfach den Mund halten, aber das hier wurde gerade definitiv zu albern.

Ich schnaubte leise. "Ich meine, dass jemand, der so verdammt heiß aussieht wie du, absolut keinen Grund hat, wegen irgendwas nervös zu sein."

Die dunkelbraunen Augen des Typen wurden groß. "Ich - du findest ...  ich meine - was?"

Oh oh. Gar nicht gut. Ich schluckte und biss mir auf die Unterlippe. "Ich hätte das nicht sagen sollen, Entschuldigung. Das war extrem unprofessionell."

Er starrte mich immer noch komplett überrumpelt mit leicht offen stehendem Mund an, ohne zu antworten.

"Ich werd dann einfach ..." Meine Hände gestikulierten zittrig in Richtung Theke, hinter der Harry vermutlich immer noch damit beschäftigt war, diverse Kaffeegetränke zuzubereiten, ohne die Katastrophe wahrzunehmen, die ich gerade auf seinen Vorschlag hin angerichtet hatte. Jetzt würde ich mich definitiv für die nächsten drei Jahre hinterm Kühlschrank verkriechen müssen.

Ich schaffte nicht mal zwei Schritte, als -

"Du findest mich wirklich heiß?"

Mit einem mittlerweile mehr als verkrampften Lächeln ins Gesicht getackert drehte ich mich wieder um und dankte innerlich allen Göttern, an die ich eigentlich nicht glaubte, dafür, dass die umliegenden Tische alle unbesetzt waren und nicht noch mehr Gäste Zeuge dieser mehr als blamablen Unterhaltung werden konnten.

"Wie gesagt, es tut mir wirklich leid. Das war unangemessen und wird nicht wieder vorkommen", versprach ich, den Blick starr auf die unverputzte Ziegelmauer hinter dem Schreibtypen gerichtet.

"Aber ... was wenn ..." Der Löffel trommelte immer hektischer gegen die Tischplatte und die ihn haltende Hand verkrampfte sich so sehr, dass die Knöchel weiß wurden. "Wenn ich das nicht will?"

Was?

Mein Blick schnellte zurück zu meinem Gegenüber. Er war etwas blass geworden, blickte mir aber trotzdem fest in die Augen.

"Ich meine ...", fuhr er mit wackeliger Stimme fort, "du hast gefragt, warum ich nervös bin ... tja, da ist dieser Typ, den ich wirklich süß finde ... und er arbeitet in diesem einen Café, weshalb ich seit Wochen dort auftauche und mich dann doch nie traue, ihn zu anzusprechen ..."

Meine Augen wurden immer größer und mein Herz hämmerte derart heftig gegen meinen Burstkorb, dass es jeden Moment herausspringen und auf ihn zufliegen konnte. Ich versuchte, durch den Nebel in meinem Kopf einen klaren Gedanken zu fassen zu bekommen und keine übereiligen Schlussfolgerungen zu ziehen. Himmel, er konnte von jedem hier sprechen - wenn es denn überhaupt um das "Impresso Espresso" ging!

"Und inzwischen habe ich schon meinen besten Freund nach allen Details über ihn ausgequetscht, aber kriege es einfach nicht auf die Reihe, ihm zu signalisieren, dass ich interessiert bin ... was vermutlich auch daran liegt, dass er eindeutig in einer höheren Liga spielt als ich ..."

Mein Bauch begann unangenehm zu grummeln. Wenn er jetzt hoffte, dass ich bei Harry ein gutes Wort für ihn einlegte ...

"Also kein Wunder, dass ich immer anfange, dummes Zeug zu faseln, sobald er in meiner Nähe ist ... und dann", er schluckte und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, "dann hat er mir heute gesagt, dass er mich heiß findet."

Mein Kopf stand still. Nur wattige Stille dort, wo bis vor zwei Sekunden noch tausende wirre Gedanken ineinandergerast waren. Ich starrte ihn an, unfähig mich zu bewegen. Wirklich, es hätte mich inzwischen nicht mal mehr gewundert, wäre plötzlich Medusa vor mir aufgetaucht und hätte mich mit ihren Schlagenhaaren versteinern lassen. Ein Krächzen quetschte sich meinen Hals empor.

Langsam atmete der Schreibtyp aus und schloss schließlich kurz die Augen. "Okay, vergiss es. Ich hätte gern die Rechnung, wenn das geht."

"Was?" Meine Stimme quietschte ein bisschen sehr schrill, aber das konnte mir gerade nicht egaler sein. "Hast du ... hast du gerade von mir geredet? Also so wie in der süße Typ aus dem Café?"

Der Kopf des Schreibtyps schoss hoch und er starrte mich ungläubig an. Okay, jetzt hatte ich mich wirklich blamiert. Natürlich hatte er nicht jemanden so durchschnittlichen wie mich gemeint, wie war ich auch nur auf diese absolut bescheuerte Idee gekommen?

"Von wem sollte ich denn sonst geredet haben?" Er sah mich so an, als sei ich hier derjenige, der sich irrational verhielt. Also wirklich, was war heute nur mit allen los?

"Was weiß ich. Ist ja nicht so, als könnten dir Leute bei deinem Aussehen nicht ständig sagen, dass sie dich heiß finden", argumentierte ich beleidigt. "Und außerdem, wenn hier jemand in einer höheren Liga spielt, dann bist das ja wohl du."

"Danke?", erwiderte er langsam, " Und nur um das klarzustellen: ja, ich habe von dir geredet."

"Gut zu wissen."

Der Schreibtyp biss sich auf die Unterlippe und sein Blick glitt suchend über mein Gesicht. "Also -"

"Die Rechnung kommt gleich!", fiel ich ihm ins Wort und hastete zur Theke.

Eine knappe Minute später erreichte ich den Tisch wieder. Der Schreibtyp hatte seinen Kaffee bereits komplett ausgetrunken und das Notizbuch in seiner Tasche verstaut. Seine Hände lagen einander umklammernd auf der Tischplatte und er sah so aus, als er wäre er wirklich überall lieber als hier.

Mit einer schnellen Handbewegung schob ich die Rechnung zu ihm hinüber. Zuerst zog er ein abgewetztes Portemonnaie aus der Hosentasche, bestrebt, so schnell wie möglich zu verschwinden, dann überflog er mit einem knappen Blick die Quittung - und seine Hand verharrte mitten in der Luft.

Sein Kopf drehte sich zu mir und ich konnte nichts gegen das Grinsen ausrichten, das sich auf meinem Gesicht ausbreitete.

"Das ist ...", begann er langsam und blickte erneut auf die Ziffern, die ich gerade in höchster Eile auf die Rechnung gekritzelt hatte.

"Meine Nummer", bestätigte ich.

***

HARRY

"So, der Frappuccino ist für Tisch 9 und der Earl Grey hier für Tisch 28." Schwungvoll stellte ich zwei bis zum Rand gefüllte bauchige Tasse auf der Theke vor Niall ab, der ... mit höchster Konzentration auf sein Handydisplay starrte. Zum vierten Mal in den letzten zehn Minuten.

Ich räusperte mich.

Ertappt schoss Nialls Kopf nach oben. Hastig sperrte er sein Smartphone und ließ es zurück in seine Hosentasche gleiten, bevor er mir einen verlegen-schuldbewussten Blick zuwarf. Den gleichen wie die letzten drei Mal, als ich ihn beim Schreiben erwischt hatte.

Nicht dass ich es ihm nicht gönnte, dass er es geschafft hatte, mit seinem Crush Nummern auszutauschen (auch wenn mir immer noch nicht ganz klar war, wie genau er das angestellt hatte) - aber kurz vor der Rushhour auf der gesamten anfallenden Arbeit sitzen gelassen zu werden, war weniger erfreulich.

"Sorry." Niall fuhr sich unbeholfen durch die Haare und begann dann verträumt zu grinsen. (Schon. Wieder.) "Aber Zayn hat -"

"Niall." Ich schnipste ihm gegen die Nase und ignorierte seinen aufrichtig empörten Blick. "Frappuccino. Tisch 9. Earl Grey. Tisch 28. Jetzt."

"Von mir aus. Jesus, bist du ein Spielverderber." Niall zog die Tassen zu sich heran und verdrehte die Augen. Nur weil ich gerade keinen Nerv für die neuesten Nachrichten des Schreibtypes - Zayn - hatte, die Niall für nobelpreisverdächtig hatte. Also wirklich. Dramaqueen.

"Glaub übrigens bloß nicht, dass ich vergessen habe, dass du deinen Teil des Deals noch nicht erfüllt hast, mein Lieber", sagte Niall mit einem eindeutig zu selbstzufriedenen Grinsen, zwinkerte mir nochmal zu und zog dann endlich mit den Bestellungen ab.

Na wundervoll. Niall würde sich bestimmt nicht mehr davon abbringen lassen, dass ich Louis noch anquatschen musste. Und ich passte nicht mal hinter den Kühlschrank, also fiel dieser Ausweg wohl aus.

"Entschuldigung?"

Hervorragend. Als hätten ihn Nialls Worte mit einer Art irischer Kobold-Magie heraufbeschwört, stand Louis plötzlich auf der andere Seite der Theke. Zugetraut hätte ich es ihm.

"Wie kann ich helfen?" Ich war selbst überrascht, wie freundlich und zuvorkommend meine Stimme klang. Fast hätte sogar ich vergessen, dass ich dem Typen gegenüberstand, der mein Gay Awakening gewesen war. Fast.

"Tja, zwei Erdbeer- und ein Aprikosen-Scone jeweils mit Clotted Cream, zwei Blaubeer-Frischkäse-Cupcakes, ein Schoko-Toffee-Muffin ...", zählte er an seinen kurzen, schmalen Fingern ab, die schon öfter in nicht-jugendfreien Gedanken meinerseits vorgekommen waren, als ich mir eingestehen wollte. Ich hoffte mal stark für Louis' Cholesterinspiegel, dass er mit den gesamten Wünschen seiner Gruppe vorgeschickt worden war und er nicht vorhatte, das alles selber zu essen. Beneidenswert guter Stoffwechsel oder nicht - seine durchtrainierte Figur würde er so nicht lange halten können. Und das wäre wirklich ein Verlust.

"Kommt sofort." Ich holte mehrere cremeweiße Teller aus dem offenen Regal neben mir und begann die Bestellung vorzubereiten. Dabei versuchte ich so unauffällig wie möglich, Louis' Präsenz vor mir zu ignorieren, die in meinem Bauch Tango tanzenden Ameisen auszublenden und weder über Louis' Augen noch seine Lippen oder seinen Bizeps nachzudenken. Langsam bekam ich echt Übung darin. Vielleicht würde den Tag ja doch überlegen.

Louis räusperte sich und lehnte sich vor.

Mit einem unelegante Platschen rutschte mir eine zu große Portion Clotted Cream vom Löffel und landete halb auf dem Aprikosen-Scone statt daneben. So viel dazu.

Aus der Nähe war Louis' Aftershave noch intensiver - ich konnte Mahagoni, Sandelholz sowie eine leichte Vanille-Note ausmachen - und ich hätte schwören können, die Wärme, die sein Körper abstrahlte, noch auf meiner Haut prickeln spüren zu können.

Oder ich war nur schon wieder knallrot angelaufen, wer weiß.

"Sorry, wenn das jetzt vielleicht komisch klingt, aber ..." Louis hatte seine Ellenbogen auf die Theke gestützt und wich meinem Blick aus, während er mit seinen Fingern herumspielte. Erinnerungen an einsame Abende im Studentenwohnheim kamen wieder hoch und -

Super. Spätestens jetzt war ich rot angelaufen. Das waren absolut keine Gedanken für die Öffentlichkeit.

Louis hob den Kopf und zog eine Augenbraue in die Höhe. "Kennen wir uns vielleicht irgendwoher?"

Fuck.

Ob es die Frage war oder der feste Blick aus meeresblauen Augen, in denen ich zum ersten Mal grüne Funken entdecken konnte, wusste ich nicht - aber die Luft wurde aus meinem Brustkorb gepresst, als hätte mich ein Bulldozer überfahren.

Mir war ja klar gewesen, dass ich auf Louis vermutlich nicht den gleichen bleibenden Eindruck hinterlassen wie er auf mich, aber dass er mich nicht mal wiedererkannte ... autsch.

Am einfachsten war es wahrscheinlich, das Ganze mit einem Sorry, aber nein abzutun. So wenig, wie ich in den Vorlesungen aufgefallen war, würde Louis mir bestimmt abnehmen, sich getäuscht zu haben - gerade weil wir uns das letzte Mal vor über zwei Jahren gesehen hatten. Aber wollte ich das wirklich? Oder würde ich stattdessen heute Abend die ganze Begegnung in Dauerschleife durch meinen Kopf laufen lassen und mich mit hunderten Was-wäre-wenns quälen?

Hinter Louis konnte ich Niall sehen, der sich mit Barbara, eine unserer treuesten Kundinnen,  unterhielt und ihre Bestellung aufnahm. Vermutlich erzählte er ihr gerade von Zayn und bekam im Gegenzug brühwarm alle Neuigkeit zu ihren Enkelkindern aufgetischt. Ich traf eine Entscheidung.

"Mikroökonomie bei Johnston, erstes Semester." Mein Herz knallte wie eine Bowlingkugel gegen meine Rippen, aber ich zwang mich, Louis' Blick weiterhin standzuhalten.

Seine Augen wurden ein bisschen größer, als der Groschen fiel. "Oh, du - echt? Krass." Louis lehnte sich noch ein Stück in meine Richtung (nicht in Ohnmacht fallen, Harry). "Aber danach kann ich mich irgendwann gar nicht mehr an dich erinnern ..." Er zog verwirrt seine Nase kraus, bevor er hastig hinterherschob: "Ich mein - also nicht, dass du nicht erinnerungswürdig bist oder ich so ein arroganter Arsch, der seine Kommilitonen ignoriert, aber -"

"Ich hab im dritten Semester abgebrochen", unterbrach ich ruhig Louis' Herumgestottere.

"Oh." Louis' Mund stand ein bisschen offen. (Jap. Auch über diesen Anblick würde ich jetzt nicht nachdenken.) "Warum?"

Ich zögerte.

"Sorry, vergiss es, das geht mich nichts an." Louis wuschelte sich verlegen durch die ihm ins Gesicht fallenden Haare, was ihn noch mehr aussehen ließ, als sei er gerade erst aufgewacht. Nicht fair.

"Schon okay." Ich strich mir eine vorwitzige Strähne zurück hinters Ohr und zuckte mit den Schultern. "Ich schätze einfach, es ist nicht besonders schlau, einfach mal in einem Fach drauflos zu studieren, das einen nicht mal besonders interessiert, nur weil man keinen Plan hat, was man sonst mit seinem Leben anstellen soll, oder?"

"Du meinst also, wie jeder zweite BWL-Student?" Louis grinste spitzbübisch und wackelte mit seinen Augenbrauen.

"Oh, wow." Mein Mund klappte auf. Ich war beeindruckt. "Beleidigst du dich damit nicht grade selber? Oder bist du etwa die berümte goldene Ausnahme von der Regel?"

"Ich wünschte, es wäre so." Louis seufzte theatralisch, bevor er seine Arme auf der Theke überkreuzte. Seine Augen fixierten das weinrote Festivalbändchen an seinem rechten Handgelenk, unter dem ein weiteres klassisch in schwarz gehaltenes Tattoo hervorlugte. Seine langen Wimpern, für die manche Mädels sicherlich getötet hätten, warfen Schatten auf seine markanten Wangenknochen, die denen von Zayn um nichts nachstanden. Angesichts dieser anbetungswürdigen Aussicht konnte ich nur ein schwer ein verträumtes Seufzen unterdrücken. (Reiß. Dich. Zusammen. Harry.)

Louis schien sich einen Ruck zu geben und blickte mir mit einem Gesichtsausdruck, den ich nicht ganz entziffern konnte, geradewegs in die Augen. "Ich bin nach fünf Semestern zu Medienmanagement gewechselt." Er spielte mit dem Reißverschluss am schon etwas verschlissenen Ärmel seiner Lederjacke herum. "Hat meinem Dad absolut nicht gefallen, aber da ich sowieso nicht in seine Firma einsteigen will, brauch ich auch nichts zu studieren, was er will, oder? Außerdem ..."

Er zögerte.

Von der anderen Seite des Cafés winkte mir Niall zu und gestikulierte mit gehobenen Daumen in Louis' Richtung, ohne sich um die Blicke unserer Gäste zu kümmern. Ich versuchte ihn zu ignorieren. Meine Aufmerksamkeit hatte hier gerade wirklich andere Prioritäten, okay?

"Außerdem hatte ich ziemlich Probleme mit ein paar homophoben Arschlöchern", gab Louis leise zu.

Ich verschluckte mich. Wie bitte?

Louis hatte unbehaglich die Arme vor der Brust verschränkt und starrte so entschlossen auf den Erdbeer-Scone vor sich, als wollte er sich jede Sekunde darin vor der Welt verstecken. Der Anblick seiner abwehrend hochgezogenen Schultern brach mir das Herz.

Oh verdammt.

"Das ist scheiße", sagte ich vorsichtig und bemühte mich, meine Stimme ruhig zu halten. Meinen Ärger über ignorante Penner herauszuschreien, die mit verletzenden Kommentaren um sich warfen, nur weil sie selbst in das Schema "weiß, cis, hetero" passten, würde Louis auch nicht helfen.

Dieser zuckte nur mit den Schultern und fixierte weiterhin die Teller vor sich.

"Hey, von mir wird garantiert kein dummer Spruch kommen, okay?" Ich beugte mich vor. "Wäre auch ziemlich bescheuert, dann würde ich mich ja selber beleidigen."

Louis hob den Kopf und sah mich zweifelnd an. "Du bist schwul?"

Ich schluckte - und nickte. So schnell hatte ich mich noch nie geoutet, nicht einmal Niall gegenüber.

"Ernsthaft?" Louis wirkte nicht überzeugt.

"Was?" Ich konnte nicht verhindern, dass sich mein Kiefer verhärtete. "Glitzer ich dir nicht genug oder wie?"

"Was? Nein!" Louis' Augen wurden groß, als er den Ärger in meiner Stimme bemerkte.

"Klar", schnaubte ich und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. "Der ungläubige Ton sagt aber was anderes."

Louis starrte mich an wie ein Reh, das geradewegs in ein ausgehungertes Rudel Wölfe gestolpert war. "Das war echt nicht so gemeint -"

"Bestimmt." Ich verzog spöttisch das Gesicht. "Nur leider kann ich mir nicht wirklich vorstellen, wie du das dann gemeint haben willst."

Louis befeuchtete sich die trockenen Lippen und zum erstem Mal, seit er heute so unerwartet wie ein Schneesturm Mitte August wieder in mein Leben gefegt war, war ich zu sauer, um mich von der Bewegung seiner Zunge ablenken zu lassen.

"Okay, das wird jetzt vermutlich sehr peinlich, aber ..." Louis fuhr sich mit zittrigen Fingern durch seine Haare und holte ein paar Mal tief Luft. "Ich hab vorhin gelogen, okay? Als ich gefragt habe, ob wir uns irgendwie kennen? Ich erinner mich sehr wohl an dich."

Seine Finger trommelten ein Staccato auf die Theke. "Es gibt ja Leute, die wissen seit ihrer Kindheit, dass sie auf das gleiche Geschlecht stehen. Und dann gibt es andere, die zwanzig Jahre ihres Lebens der Meinung sind, straight zu sein, bis ... bis jemand auftaucht, der diese Sicht komplett einmal umschmeißt."

Ich erstarrte.

"Und tja ..." Louis lachte freudlos auf. "Dieser Jemand warst du für mich."

"Das ist ein Scherz, oder?" Die Worte platzten schneller hervor, als ich denken konnte.

"Was?" Louis sah mich verletzt an.

Oh scheiße. Hatte es mich gerade eben nicht noch total gestört, dass Louis meine Gefühle nicht ernst genommen hatte?

"Sorry." Ich verzog das Gesicht, als ich hörte, wie jämmerlich meine Stimme klang. "Aber ... ich hatte nie Gefühl, dass du mich je wahrgenommen hast ..."

"Was das angeht ..." Louis kratzte sich beschämt am Hinterkopf. "Ist dir nie aufgefallen, wie laut ich in unseren gemeinsamen Vorlesungen immer war?"

Oh doch. Ich bezweifelte ernsthaft, dass es eine einzige Person gegeben hatte, die das nicht bemerkt hatte. Unser Dozent in Kostenrechnung hatte sogar mindestens einmal pro Vorlesung gedroht, Louis aus der Veranstaltung zu schmeißen, wenn er nicht die Klappe hielt.

"Und das war ...", begann ich langsam.

"Mein armseliger Versuch, auf mich aufmerksam zu machen", beendete Louis gequält meinen Satz. "Jap."

Ich schwieg und versuchte zu verdauen, was sich mir gerade offenbart hatte. Ein Teil von mir erwartete immer noch, gleich aufzuwachen - oder, noch besser, dass Niall Louis irgendwie bestochen hatte, um mir dieses Geständnis zu machen. Das erschien mir auf jeden Fall realistischer, als dass Louis freaking Tomlinson, mehr Engel als Mensch, tatsächlich während der Unizeit mal sowas wie Gefühle für mich gehabt hatte.

"Tja, ich hab dich gewarnt, dass es peinlich wird." Louis probierte ein klägliches Grinsen.

Ein Kichern blubberte in mir hoch und plötzlich fühlte ich mich wie ein Luftballon, vollgepumpt mit Helium und kurz vorm Abheben. "Okay, willst du was noch Peinlicheres hören?"

"Äh ..." Louis sah mich überrascht an. "Klar."

"Ich stand in der Uni auch auf dich." Da, es war raus.

"Wie bitte?" Louis' Augenbrauen verschwanden hinter seinem Pony und sein Kiefer klappte nach unten.

"Und du warst tatsächlich auch derjenige, wegen dem ich festgestellt hab, auf Typen zu stehen", fügte ich verlegen hinzu und spürte, wie mein Kopf heiß wurde.

Louis schnappte nach Luft. "Nicht. Dein. Ernst! Du willst mir also erzählen, wir hätten bereits seit ganzen zwei Jahren zusammensein können?"

Ich erstarrte.

Louis erstarrte.

Der ganze Raum erstarrte.

(Nicht, dass ich das persönlich hätte beurteilen können - immerhin lag meine ungeteilte Aufmerksamkeit auf Louis' immer blasser werdendem Gesicht -, aber es erschien mir eine angemessene Reaktion auf eine solche Verkündung.)

"Was?", brachte ich schließlich heraus.

Louis schluckte. "Ähm ... ich meine ... das war hypothetisch gemeint?" Seine Stimme wurde immer leiser.

"Oh-kay." Skeptisch legte ich meine Stirn in Falten. "Also ... nur so rein hypothetisch gesprochen, ja?"

Louis' Ohren wurden rot und er sah auf seine Fingerspitzen.

"Also gut, rein hypothetisch gesprochen würde ich sagen: ja, wir könnten schon seit zwei Jahren zusammensein." Ich spürte, wie sich ein zufriedenes Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitete.

Dann fuhr ich fort: "Und ganz praktisch gesehen würde ich sagen, dass wir langsam wirklich mal anfangen könnten, die zwei Jahre wieder aufzuholen."

Louis' Kopf schnellte hoch und er sah mich aus ungläubig geweiteten Augen an. "Was?"

"Okay, wir müssen echt an unserer Kommunikation arbeiten, wenn das häufigste Wort in unserer Unterhaltung Was? ist." Ich zog mein Handy aus der Hosentasche, entsperrte es mit dem Fingerabdruck meines Daumen und schob es Louis hin. "Also? Gibst du mir jetzt deine Nummer, lädst mich auf eine Pizza ein und spätestens beim dritten Treffen erzähl ich dir in allen peinlichen Details von unserer Hochzeit, die ich seit über drei Jahren plane - oder nicht?"

Louis blinzelte. Dann breitete sich langsam ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und brachte die Lachfältchen in seinen Augenwinkeln zum Vorschein, die mich jedes Mal aufs Neue faszinierten.

"Ja." Er griff nach meinem Handy. "Ja, ich denke, ich mach das."

"Cool." Ich wippte aufgeregt von einem Bein auf das andere, während Ziffer für Ziffer Louis' Nummer in den Speicher meines virtuellen Adressbuchs wanderte. "Auch wenn ich dich warnen muss: ich hab schon komplett die Inneneinrichtung unserer ersten gemeinsamen Wohnung durchgeplant."

(Ich hoffte, ihm war bewusst, dass das höchstens zur Hälfte ein Scherz war.)

Louis schmunzelte. "Kein Problem - wenn ich dafür den Namen unseres Labradors aussuchen darf und außerdem noch einen zweiten Latte Macchiatto bekomme. Deal?"

Ich musste lachen. "Deal."

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