Ein letztes Wochenende
Uff, eigentlich war nicht geplant, dass dieser OS soo lang wird. (Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es eine Fortsetzung geben wird - wenn ihr wollt ^^)
Wörter: 8066
Eigentlich hatte es der perfekte Wochenend-Trip werden sollen. Einfach noch mal drei Tage zusammen in der Blockhütte von Nialls Eltern verbringen, bevor der Ernst des Lebens endgültig anbrechen würde.
Das Ganze war Liams Idee gewesen. (Er war immer schon derjenige gewesen, der am meisten auf den Zusammenhalt der Gruppe geachtet hatte.) „Wir haben zusammen die High School überlebt, Harry, das müssen wir doch feiern. Ein letztes Mal nur wir zusammen, bevor jeder von uns seinen eigenen Weg geht."
Und wie hätte Harry dazu nein sagen können? Immerhin hatten sie sich acht Jahre ihres Lebens jeden Tag gesehen und Harry wusste, dass er die Idioten auf dem College definitiv höllisch vermissen würde. Trotzdem war es die richtige Entscheidung gewesen, sich nicht wie Liam und Louis am örtliche College zu bewerben, sondern mehrere hundert Kilometer Entfernung zwischen sich und seinen Heimatort zu bringen.
Ein letztes Wochenende also. Nach längerem Bearbeiten hatte Niall schließlich von seinen Eltern die Schlüssel zur Hütte bekommen, nachdem er hoch und heilig hatte schwören müssen, dass es bei sechs Personen im Haus bleiben und er sämtliche entstehenden Schäden aus eigener Tasche bezahlen würde. Die Horans kannten ihren Sohn schließlich auch schon ein paar Jahre und hatten aus mehreren Hauspartys während der High School gelernt, die Niall für den ganzen Jahrgang geschmissen hatte, ohne seine Eltern um Erlaubnis zu fragen.
Losgehen sollte es am Freitagmorgen nach dem Abschlussball. Fröstelnd und gähnend lehnte Harry sich gegen die Motorhaube des (in seinen Augen völlig überdimensionierten) Jeeps von Liams Eltern. Im Gegensatz zu Nialls Eltern hatten die Paynes keine Sekunde gezögert, ihrem durch und durch verantwortungsvollen Sohn das Auto zu leihen, der außerdem ein exzellenter Fahrer war und seine Fahrprüfung direkt beim ersten Anlauf bestanden hatte. (Was für ein Streber.)
Einen Vorteil hatte montröse Fahrzeug jedoch: es bot genug Platz für sechs Personen inklusive Gepäck, sodass sie kein zweites Auto brauchten, dass dann womöglich noch Louis gefahren hätte.
„Wo bleibt er denn?", fragte Liam ungeduldig und blickte zum wiederholten Mal zur Haustür der Tomlinsons, vor der sie bereits seit über einer Viertelstunde parkten und auf einen kleinen Wuschelkopf warteten.
Überfragt zuckte Harry mit den Schultern und vergrub seine Hände tiefer in den Taschen seiner dicken Fleece-Jacke. Louis mochte viele gute Eigenschaften haben, aber Pünktlichkeit gehörte absolut nicht dazu.
Frustriert blickte Liam ein weiteres Mal auf die Uhr. Harry wusste, dass sein Kumpel inzwischen echt sauer war, dann bildete sich nämlich immer diese eine Falte zwischen seinen Augenbrauen.
Seufzend stieß sich der Wuschelkopf vom Auto ab. „Ich geh jetzt klingeln."
„Um dann die gesamte Tomlinson-Familie zu wecken? Vergiss es." Liam schüttelte nur den Kopf. Sie hatten besonders früh losfahren wollen, um möglichst viel aus ihrem Trip herauszuholen. Womit aber niemand gerechnet hatte, war, dass sie sich um 05:19 Uhr vor Louis' Haus die Beine in den Bauch standen, weil ... nun ja, warum eigentlich?
„Ich setz mich ins Auto, ja?" Liam nickte nur und seufzte ebenfalls, dann zog er sein Handy aus der Hosentasche, um Louis – mal wieder – zu fragen, wo er blieb.
Harry umrundete den Wagen und zog die Schiebetür auf. Auf der mittleren Bank hatte sich bereits Zayn niedergelassen. Ein kurzer Blick verriet Harry, dass sein schwarzhaariger Kumpel unverändert gegen die Scheibe gelehnt vor sich hin döste.
Er schob seinen Rucksack auf den Mittelsitz und zog die Tür hinter sich zu, bevor er sich setzte und anschnallte.
„Und?" Auf dem Beifahrersitz vor ihm drehte sich Niall um. Er war der Einzige, der so richtig wach zu sein schien – was aber auch den Unmengen von Energydrinks liegen konnte, die sich neben seinen Füßen stapelten.
Harry zuckte nur mit den Schultern. „Er ist noch nicht da."
Niall nickte, drehte sich wieder nach vorn und begann erneut, wie wild auf seinem Handy herumzutippen. Soweit Harry es mitbekommen hatte, hatte Niall bei einem seiner komischen Online-Spiele einen Typen aus Wales kennengelernt und seitdem schrieben sie sich fast täglich – trotz Zeitverschiebung zwischen Großbritannien und den USA.
Vorsichtig, ohne Zayn zu wecken, zog Harry seine Kopfhörer aus der Außentasche seines Rucksacks, steckte sie in den dafür vorgesehenen Anschluss und startete seine Lieblingssongs. Mit einem tiefen Ausatmen ließ er sich tiefer in seinen Sitz rutschen und schloss die Augen.
Schwungvoll wurde die Tür neben Harry aufgerissen. Unwillig öffnete er die Augen. Zayn war ebenfalls hochgeschreckt und sah blinzelnd und mit plattgedrückten Haaren an Harry vorbei.
„Louis, Mann! Du bist da!" Ein kleines Lächeln breitete sich auf Zayns Gesicht auf, bevor er seine Faust gegen die von Louis stoßen ließ.
„Ja, endlich", sagte Liam gepresst und von seinem Sitzplatz konnte Harry perfekt beobachten, wie Liams Knöchel kurz weiß wurden, als er das Lenkrad umklammerte.
„Sorry, Liam, Eleanor musste sich noch fertig machen", antwortete Louis und sah entschuldigend zum Fahrersitz.
Harrys Laune sackte noch ein Stockwerk tiefer. Eleanor. Da war ja was gewesen.
Eigentlich hatten die Jungs Perrie eingeladen, das Wochenende mit ihnen zu verbringen, aber diese hatte sich vor vier Wochen für alle komplett überraschend von ihrem Langzeitfreund Zayn getrennt. Also hatten sie noch einen Platz freigehabt und als Louis gefragt hatte ... nun ja, es hatte keinen Grund gegeben, Eleanor nicht mitzunehmen.
Zumindest keinen, den Harry ausgesprochen hätte. Dass er das Mädchen, die seit 18 Tagen mit seinem besten Freund zusammen war, nicht ausstehen konnte, zählte wohl nicht.
„Hi, Jungs!" Eleanor erschien neben Louis und legte ihren Arm um seine Taille. Er hatte nicht gelogen: Eleanor (Harry weigerte sich, sie wie die anderen schlicht El zu nenen) hatte sich wirklich herausgeputzt und trug erstaunlich viel Make-Up dafür, dass sie in den nächsten fünf Stunden niemand außerhalb dieses Autos zu Gesicht bekommen würde. Aber hey, vielleicht stand Louis ja auf dicke Puder-Schichten ...
Harry zwang sich dazu, keine Miene zu verziehen, als der älteste Tomlinson-Spross in die letzte Sitzreihe kletterte und sein göttliches Hinterteil nur wenige Zentimeter an Harrys Gesicht vorbeischob. Alles andere hätte die sowieso schon angespannte Situation nur noch schlimmer gemacht.
Als Louis' Freundin ihm nach hinten folgte, landete ihre überdimensionierte Handtasche direkt in Harrys Gesicht. Er blinzelte die Tränen weg, die ihm vor Schmerz in die Augen geschossen waren. Danke, Eleanor.
Als alle saßen, drehte Liam den Zündschlüssel herum und mit einem tiefen Schnurren erwachte der Motor zum Leben.
"Jetzt gehts los, jetzt gehts los!", jubelte Niall enthuasiastisch und hüpfte auf seinem Sitz herum. (Er war und blieb eben ein kleiner Spinner.)
"Ja, Mann", rief Louis und trommelte aufgeregt gegen die Rückenlehne von Zayns Sitz. Sogar Liam lächelte zufrieden und die Haut zwischen seinen Augenbrauen glättete sich wieder.
Damit bogen sie auf die Straße ab.
Drei Stunden später fuhr Liam vom Highway auf den Parkplatz des nächsten Diners. Nialls Proviant war alle, Louis wollte einen Kaffee und Liam musste aufs Klo, also hatten sie einstimmig beschlossen, eine kleine Pause einzulegen.
Mit steifen Beinen kletterte Harry aus dem Jeep und atmete tief die immer noch kühle Morgenluft ein. Während Liam, Niall, Louis und die bei ihm untergehakte Eleanor zielstrebig auf den Eingang des roten Gebäudes zusteuerten, das fettige Köstlichkeiten und knochenwärmende Getränke versprach, blieb Zayn noch neben Harry stehen und sah ihn fragend an.
"Willst du mit reinkommen?"
Harry überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. Hunger hatte er keinen, dazu war es noch zu früh. Und um ehrlich zu sein, hatte er auch keine Lust, Eleanor und Louis aus nächster Nähe beim Herumturteln, Kuscheln und Flirten zu beobachten. Wenn sie erst mal in der Hütte angekommen waren, würde er noch genug Zeit mit dem glücklichen Pärchen verbringen müssen.
"Okay." Zayn nickte nur und nach einem kurzen, nachdenklichen Blick wandte er sich ab und stiefelte den anderen hinterher.
Harry stieß den angehaltenen Atem aus und beobachtete die kleinen Wölkchen, die erst in der Luft aufstiegen, um sich dann in alle Richtungen zu verflüchtigen, als wären sie nie da gewesen.
Wie schnell sich die Dinge doch änderten ...
Mit langsamen Schritten schlenderte Harry den Parkplatz entlang, weg vom Auto, weg vom Diner, in dessen kuschelige Wärme sich seine Freunde verzogen hatten, weg von den anderen.
Weg von Niall, dessen unschuldige Begeisterungsfähigkeit Harry dazu zwang, sich ebenfalls ein Grinsen ins Gesicht zu tackern, das faker war als Chers gesamtes Gesicht.
Weg von Liam, der sich so auf diesen gemeinsamen Trip gefreut hatte, dass Harry ihm beim besten Willen nicht die Wahrheit sagen konnte.
Weg von Zayn, dem als einziger nicht entgangen zu sein schien, dass Harry seit geraumer Zeit etwas vor ihnen verheimlichte.
Weg von Eleanor, die ... na ja, die einfach sie selbst war und mit ihrer bloßen Anwesenheit so sehr an Harrys Nerven zerrte, dass er am liebsten geschrien hätte.
Und weg von Louis. Louis, der genau genommen der Grund für dieses ganze Schlammassel war, obwohl Harry ihm nie die Schuld gegeben hätte. Louis, einer der wunderbarsten Menschen, denen Harry je begegnet war. Louis, der Grund, weshalb Harry sich schweren Herzens dazu entschlossen hatte, sich an einem College zu bewerben, dass mehrere Autostunden entfernt lag.
Die meisten Menschen hätten Harry deswegen vermutlich melodramatisch genannt und ihn gefragt, ob er nicht ein bisschen überreagierte. Aber die meisten Menschen waren auch nicht schon ihr halbes Leben in ihren allerbesten Freund verliebt und hatten keine Ahnung von diesem bittersüßen Schmerz, die Louis' Anwesenheit für Harry bedeutete.
Nach einer halben Stunde hatte der Highway sie wieder. An Schlaf war nicht mehr zu denken, dafür lag eine kribbelige Vorfreude in der Luft. Auf Eleanors Wunsch hatte Liam das Radio angeschaltet und Britney Spears' „Hit me baby one more time" schallte durch das Wageninnere.
Ohne auf Niall, Louis und Eleanor zu achten, die lautstark mitgrölten (was gleichermaßen peinlich und lustig war), blickte Harry aus dem staubbedeckten Autofenster und bewunderte die Bergketten, die langsam begannen, sich am Horizont abzuzeichnen.
Der Anblick der Felsgiganten, die sich scheinbar nie veränderten, beruhigte ihn. Egal wie desaströs dieser Trip enden mochte (Harry zwang sich positiv zu denken), die Erde würde sich weiterdrehen und auch die Rocky Mountains würden noch in vielen Hundert Jahren ihr steinernes Haupt über die vorbeifahrenden Menschen erheben. (Gott, war er melodramatisch drauf.)
Die nächsten zwei Stunden verbrachte Harry damit, „Ich sehe was, was du nicht siehst" mit den anderen zu spielen (ein Flopp, da draußen nichts als Berge, Sand und Staub zu sehen waren) und ließ sich danach von Niall in eine wirklich sinnvolle Diskussion darüber verwickeln, ob man Erdnussbutter wirklich als Butter und nicht vielmehr als Hülsenfrüchtemus bezeichnen sollte.
Schließlich fuhr Liam von Highway ab und als sie in den Waldweg einbogen, an dessen Ende die Hütte stand, begann sogar Harry aufgeregt auf seinem Sitz herumzurutschen.
Langsam kämpfte sich der Jeep in Haarnadelkurven einen Höhenmeter nach dem anderen nach oben. Schließlich lichteten sich die Bäume um sie herum und gaben den Blick frei auf das zweistöckige, mit Holz verkleidete Häuschen, dessen Rückseite sich an den steinernen Berghang schmiegte.
„Woohoo!" Niall knallte begeistert seine flache Hand auf die Mittelkonsole (was ihm einen strafenden Blick von Liam einbrachte) und riss die Wagentür auf, bevor der Jeep richtig zum Stehen gekommen war (was für einen zweiten strafenden Blick sorgte).
Etwas langsamer schnallte auch Harry sich ab, schob die Tür auf und stieg aus dem Auto. Während Liam das Auto abschloss, Louis mit Zayn zum Kofferraum stürzte (Eleanor stand wenig hilfreich daneben) und Niall bereits die Hüttentür aufschloss, ließ Harry den Blick schweifen. Vor der Hütte befand sich eine Art Plateau, bevor der Untergrund sanft abfiel und hinab ins bewaldete Tal führte. Der Ausblick war atemberaubend.
Ein Vibrieren an seinem linken Bein riss Harry aus der Betrachtung der vor ihm liegenden Landschaft. Er fischte sein Handy aus der Hosentasche und öffnete mit einem Daumenwisch die E-Mail, die er bekommen hatte.
Sehr geehrter Mister Styles, es freut uns Ihnen mitteilen zu dürfen, dass sie das Auswahlverfahren bestanden haben! Wir hoffen, Sie zu Beginn des nächsten Semesters an unserem College willkommen heißen zu können. Weitere Details -
Schluckend ließ Harry das Handy sinken, während sein Herz kleine Saltos schlug. Er hatte es geschafft! Er war angenommen worden! Er würde in Seattle studieren! Was auch bedeutete, dass seine Gnadenfrist abgelaufen war, obwohl er immer noch nicht wusste, wie er seinen Freunden beibringen sollte, dass sie nicht – wie die anderen annahmen – zusammen aufs College gehen würden.
„Harry, kommst du?" Schnell ließ Harry sein Handy zurück in die Tasche gleiten und drehte sich um. Die anderen waren bereits in der Hütte verschwunden, nur Liam stand noch mit seinen und Harrys Taschen vor der Tür und wartete.
„Klar."
Drinnen angekommen blieb Harry kaum Zeit, die Einrichtung zu begutachten (nicht, dass sich viel geändert hatte, seit er vor zwei Jahren das letzte Mal hier gewesen war), denn ein neues Problem stand an: die Zimmerverteilung.
Das Blockhaus verfügte neben einer kleinen Küche samt angeschlossenem Wohnzimmer und dem Bad über drei Doppelzimmer: eins im Erdgeschoss und zwei im ersten Stock.
Als noch Perrie als sechste Teilnehmerin ihres Trips eingeplant gewesen war, war allen klar gewesen, dass Zayn und Perrie, Liam und Niall sowie Harry und Louis je ein Zimmer belegen würden.
Jetzt, da Eleanor mitgekommen war, lag die Sache jedoch anders und musste neu ausdiskutiert werden.
„Also Louis und ich nehmen ein Zimmer, oder Schatz?" Eleanor schmiegte sich an ihren Freund und schmachtete ihn mit klimpernden Wimpern an. (Natürlich nahmen sie das. Schließlich wäre es äußerst merkwürdig, würde sich Eleanor mit jemand anderem ein Zimmer teilen.)
Harry wandte den Blick ab. Er hatte schon damit gerechnet und wusste nicht so recht, ob Eleanor dankbar dafür sein sollte, dass er Louis' Anwesenheit nicht aus noch näherer Nähe ertragen musste.
„Klar, Schatz." Der blauäugige Wuschelkopf lächelte und hauchte der immer noch an ihm klebenden Eleanor einen Kuss auf die Lippen, bevor seine brünette Freundin seinen Kopf erneut zu sich zog und ihn für einen weiteren Lippenkontakt an sich drückte. (Verdammt, hatte Harry nicht weggucken wollen?)
Liam nickte, räusperte sich und drehte sich zu den restlichen Jungs um. „Tja, dann müssen wohl nur noch wir uns aufteilen. Zayn, willst -"
„Harry? Nehmen wir ein Zimmer?", fiel der Angesprochene ihm ins Wort. Niall zog überrascht die Augenbrauen hoch und über Liams Gesicht huschte für eine Sekunde ein verletzter Ausdruck, bevor er wieder im Griff hatte und Harry fragend ansah.
„Tja ... wieso nicht?" Harry zuckte die Schultern. „Solange wir das Zimmer unten nehmen?"
„Klar, kein Problem", gab Zayn hastig zurück und sah fast schon erleichtert aus.
Also bezogen Harry und Zayn das Zimmer neben der Küche. Verstohlen blickte Harry zu seinem Kumpel herüber, während er seine Bettdecke in den passenden Bezug stopfte. Genauso wie Niall hatte auch der Lockenkopf damit gerechnet, dass Zayn ein Zimmer mit Liam beziehen würde, immerhin war dieser neben Perrie schon seit Jahren die Person, mit der er die meiste Zeit verbrachte.
„Ist was?" Zayn blickte von seiner Reisetasche hoch.
Schnell schüttelte Harry den Kopf. Warum auch immer Zayn urplötzlich auf Distanz zu Liam gehen wollte – es ging ihn nichts an. Immerhin hatte Zayn auch nicht nachgefragt, was neuerdings mit Harry los war, wofür er echt dankbar war.
Für einen kurzen Moment sah Zayn so aus, als wollte er noch etwas sagen, dann wandte er sich doch ohne ein Wort wieder ab.
Ohne ein Anklopfen flog die Tür auf und ein sehr aufgedrehter Niall Horan landete auf Zayns Bett.
„Freunde, was bin ich nicht froh, hier zu sein!", krähte er und ließ rücklings auf Zayns Kissen fallen.
„Ach was", antwortete Zayn trocken und räumte weiter seine Klamotten in seine Hälfte des kleinen Schranks in der Raumecke.
„Hey!" Niall bohrte dem Pakistani seine Ferse in die Seite. „Ein bisschen mehr Enthusiasmus, bitte! Immerhin wird das hier der letzte gemeinsame Trip, bevor dich für ein Jahr in die Weiten von Europa, Asien oder sonst wo verpisst und die anderen Streber gleich die nächste Schulbank drücken. Also, wer kommt mit mir zum Kicken nach draußen?"
Wenig motiviert ließ Harry sich auf sein fertig bezogenes Bett fallen. „Frag doch Liam oder Louis, ich bin eh eine Niete im Fußball."
„Langweiler." Niall schnaufte und verdrehte die Augen. „Außerdem ist Louis mit El nach oben verschwunden, um sonst was zu machen, und Liam kümmert sich ums Mittag. Zayn, was ist deine Ausrede?"
„Gar keine. Ich komm mit, du Nervensäge", antwortete Zayn und schneller als Harry blicken konnte, war der Blondschopf jubelnd aufgesprungen und zog den Schwarzhaarigen aus dem Raum.
In der Küche war Liam tatsächlich schon dabei, die Kartoffeln fürs Mittagessen zu schälen. Vermutlich hatte er noch nicht mal angefangen, seine Sachen auszupacken. Aber so war Liam eben: stets darauf bedacht, dass es seinen Freunden gut ging – auch wenn er sich dabei manchmal gluckenhafter benahm als all ihre Mütter zusammen.
„Hey, kann ich dir helfen?", fragte Harry, lehnte sich mit der Schulter gegen den Türrahmen und blickte zu Liam, der am Küchentresen herumhantierte. Durchs Küchenfenster konnte man Niall und Zayn herumrennen sehen und gedämpft drang aufgeregtes Gelächter und Gebrüll herein.
„Musst du nicht, ich komm schon klar", erwiderte Liam mit flacher Stimme, ohne sich zu Harry umzudrehen, und schnippelte weiter an den Kartoffeln herum.
„Kann es sein, dass du irgendwie sauer auf mich bist?" Draußen ertönte lauter Siegesjubel und Harry konnte sehen, wie ein strahlender Zayn mit Niall abklatschte. Liam blickte stur weiter auf seine Kartoffeln. Ach. Daher wehte der Wind also.
„Geht es um Zayn? Dass er mit mir in ein Zimmer wollte und nicht mit dir? Bist du deshalb sauer auf mich?"
Kurz erstarrte Liam, dann ließ er mit einem Seuzfen den Kartoffelschäler sinken und drehte sich zu Harry um.
„Ich bin nicht sauer auf dich, okay?" Liam fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare. „Es ist nur ... warum? Ich meine, wenn Zayn mit irgendwas ein Problem hat, wenn ich was falsch gemacht habe – das hätte ich doch bemerken sollen, oder? Etwas ist los mit ihm und ich bin sauer auf mich. Ich hätte das viel eher bemerken sollen ..."
Harry biss sich auf die Unterlippe. Er wollte gar nicht wissen, welche Gewissensbisse Liam plagen würden, wenn er wüsste, wie lange Harry schon ein Problem mit sich herumtrug, ohne dass er es gemerkt hatte. Noch ein Grund mehr, sein kleines Geheimnis für sich zu behalten.
„Du hast doch nichts falsch gemacht, Liam", protestierte Harry energisch. Er konnte den traurigen Ausdruck in Liams lieben Teddybäraugen kaum ertragen.
„Ach ja?", fragte Liam und warf frustriert seine Hände in die Luft, „irgendwas muss aber los sein. Ich war der Letzte, der mitbekommen hat, dass er und Perrie Schluss gemacht haben. Der Letzte! Dabei wäre er doch normalerweise wäre er doch schon viel früher zu mir gekommen und hätte mir alles erzählt. Aber jetzt?"
Harry schluckte betroffen, als er den Schimmer in Liams Augen sah. Offensichtlich hatte auch Zayn bereits seit einiger Zeit seine eigenen Geheimnisse. Und Liam ging das anscheinend viel näher, als Harry vermutet hatte.
„Ach, Liam", seufzte er leise und nahm seinen Kumpel in den Arm. Nach ein paar Sekunden entspannte sich der Umarmte und legte ebenfalls seine Arme um Harry.
„Tut mir leid", nuschelte Liam gegen Harrys Schulter.
„Alles okay", murmelte Harry zurück und rieb ihm vorsichtig über den Rücken. Selbst der große und stets perfekte Liam brauchte also manchmal eine Schulter zum Anlehnen. Irgendwie war das beruhigend zu wissen.
„Liam, wann – oh, stören wir?" Erschrocken zuckten Harry und Liam auseinander. Ohne dass sie es gemerkt hatten, waren Niall und Zayn wieder hereingekommen.
„Nein, es ist ... nein, ihr stört nicht", sagte Liam mit einem Räuspern, um seine Stimme wieder in den Griff zu bekommen.
„Sicher? Ist alles okay?" Skeptisch zog Niall die Augenbrauen hoch.
„Klar", antwortete Liam betont heiter, obwohl wirklich allen klar war, dass das nicht stimmte. Ohne ein Wort drängte Zayn sich an Niall vorbei und verschwand im Bad. Oh Mann.
„Ja, genau." In Nialls sonst so fröhlicher Stimme schwang unerwarteter Sarkasmus mit. „Wisst ihr was? Ist mir egal, was grade bei euch abgeht, okay? Ich hol mal Louis und El zum Essen machen nach unten."
Es wurde dann doch noch ein ganz lustiger Tag. Erst quetschten sie sich alle in die Küche und bereiteten zusammen das Mittagessen vor, wobei auf ungeklärte Weise ein Ei in Nialls Haaren landete (obwohl Harry stark Louis im Verdacht hatte), was ohne Liams Eingreifen in einen wahren Essenskrieg ausgeufert wäre.
Da die Sonne von einem babyblauen Himmel herunterstrahlte, setzten sie sich zum Essen nach draußen auf die kleine Terasse. Auch wenn es kurz Probleme gab, als sich herausstellte, dass Eleanor Veganerin war, fand sich doch noch etwas tierproduktfreies zu essen für sie.
Während um ihn herum alle laut durcheinander redeten, Niall immer wieder in sein typisches Lachen ausbrach und sogar Zayn sich rege am Gespräch beteiligte, musste Harry zugeben, dass das Wochenende doch besser werden könnte, als er erwartet hatte.
Mehrere Stunden später lag Harry mit hinter dem Kopf verschränkten Armen im Bett und starrte durchs Dunkel in Richtung der Zimmerdecke. Obwohl er wirklich früh aufgestanden war und sich der Stundenzeiger seiner Armbanduhr schon auf die Zwölf zubewegte, war er hellwach.
Die Gedanken in seinem Kopf kamen einfach nicht zur Ruhe. Louis, der garantiert gerade mit Eleanor kuschelte; die komische Sache mit Zayn und Liam, die immer noch im Raum stand; außerdem noch die Zusage des Colleges von Seattle, von der er den anderen auch noch irgendwann erzählen musste – es gab nicht gerade wenig, dass ihn vom Schlafen abhielt.
So wie sich Zayn im Bett an der gegenüberliegenden Wand herumwarf, schien auch er (wenn überhaupt) nur sehr unruhig zu träumen.
Mit einem leisen Klacken wurde die Türklinke heruntergedrückt und ein schmaler Lichtstreifen fiel auf den Holzboden, als jemand die Tür öffnete.
„Harry?", drang ein Flüstern in den Raum.
Sehr verwirrt stütze sich der Lockenkopf auf seine Ellenbogen und blinzelte in Richtung der Silhuette, die im Türrahmen erschienen war. „Louis? Was machst du hier?
„Ich und El ... wir haben uns gezofft und ...", zögerlich trat Louis von einem Fuß auf den anderen, „na ja, sie hat mich mehr oder weniger aus dem Zimmer geworfen?"
Frustriert ließ Harry den Kopf in den Nacken fallen. Er war definitiv zu müde, um sich mit den neuesten Entwicklungen der Calder-Tomlinson-Beziehung zu beschäftigen.
„Und?", fragte er schließlich, als Louis keine Anstalten machte, sich von der Tür zu verziehen und Harry schlafen zu lassen.
„Kann ... kann ich bei dir schlafen?" Harry war gerade mehr als froh darüber, dass es dunkel im Zimmer war und Louis daher zum Glück nicht seinen entsetzten Gesichtsausdruck sah.
Nein, konnte er verdammt noch mal nicht! Das war nicht gut, das war gar nicht gut. Es fiel Harry schon so schwer genug, sich zusammenzureißen und sich die Gefühle nicht anmerken zu lassen., die in ihm brodelten, sobald Louis nur in der Nähe war. Wie sollte er da bitte eine ganze Nacht mit Louis Tomlinson nur wenige Zentimeter neben sich überstehen? Und – noch wichtiger – wie sollte er den Riss kleben, den Louis hinterlassen würde, wenn er am nächsten Morgen aus Harrys Bett steigen und als allererstes Eleanor einen Guten-Morgen-Kuss geben würde?
„Wieso nimmst du nicht die Couch im Wohnzimmer?" Harry war sich durchaus bewusst, dass er sich gerade wie ein Arsch und nicht wie der beste Freund benahm, der er zumindest offiziell war. Aber wenigstens einmal musste er egoistisch sein und zuerst an sein Herz und dann erst an Louis' gekränkte Gefühle denken.
Louis schnaubte nur. „Hast du mal gesehen, wie klein die ist?"
„Und? Du bist auch klein." Harry biss sich auf die Zunge, als Louis still blieb. Das hätte er nicht sagen sollen, immerhin wusste er selbst am besten, dass hinter Louis' selbstbewussten und frechen Auftreten auch einige Selbstzweifel versteckt waren, die mit seiner Größe zusammenhingen.
Verdammt.
„Jetzt lass ihn schon rein", klang Zayns verpennte Stimme auf einmal durch das dunkle Zimmer. „Und macht endlich die Tür zu, es wird kalt und ich will schlafen, klar?"
Harry seufzte und ließ sich zurück in sein Kopfkissen sinken. Dass Zayn sich eingemischt hatte, passte ihm gar nicht, aber er wusste, dass der Pakistani ausflippen würde, wenn er noch einen einzigen Ton von sich gab. Zayn war sein Schlaf heilig.
Es wurde wieder schwarz, als Louis die Zimmertür hinter sich schloss und dann leise auf Harrys Bett zutapste. Der Lockenkopf drehte sich zur Wand und versuchte seinen Herzschlag zu beruhigen, der gerade stark auf die 200 zusteuerte.
Mit einem Rascheln, das in Harrys Ohren dröhnte, schob Louis nach kurzem Suchen die Bettdecke zur Seite. Die Matratze senkte sich, als er sich neben Harry legte und der Lockenkopf hielt den Atem an, bis Louis sich schließlich zugedeckt hatte.
Bewegungslos lag Harry da. Berühren taten sie sich nicht, darauf hatte er genauestens geachtet, aber Louis war so nah, dass Harry seine Anwesenheit beinahe schmerzhaft spüren konnte. Wie zur Hölle sollte er so nur einschlafen?
Irgendwann musste er dann doch weggeschlummert sein, denn als Harry die Augen aufschlug, war die absolute Dunkelheit durch grau-dämriges Licht ersetzt worden, das durch die Vorhänge sickerte.
Außerdem war seine Nase ein einziger Eiszapfen. Zayn und er mussten gestern Abend vergessen haben, die Heizung anzumachen. Na toll. Murrend kuschelte sich Harry tiefer in die schön warme Bettdecke, die ihn wie ein beschützender Kokon umfing.
Mit dem einzigen Unterschied, dass Kokons (zumindest Harrys Auffassung nach) nicht einfach im Schlaf vor sich hin schmatzten.
Harry machte sich bei dem unerwarteten Geräusch starr wie ein Brett und schob seinen Kopf vorsichtig wieder aus der Decke heraus. Scheiße. Warum lagen bitteschön Louis' Arme um ihn herum? Als wären sie ein Pärchen oder so?! Verdammt. Wie war das passiert?
Harry musste hier raus.
Vorsichtig schälte er sich aus mehreren Schichten Daunen und Stoff (irgendwie hatten sie es in der Nacht geschafft, einen verdammten Wrap aus sich zu machen). Leise schnappte er sich seine Fleece-Jacke sowie sein Handy und schob sich zur Tür hinaus.
Erst draußen auf der Terasse, die Unterarme auf das Geländer gelegt, konnte Harry wieder richtig atmen. Er hatte es gewusst, oder? Er hatte gewusst, dass es die dümmste Idee auf der ganzen Welt gewesen war, mit Louis in einem Bett zu schlafen. Seine Gefühle waren die Cola gewesen, Louis das Mentos und das Ergebnis davon, die beiden Dinge zu nah zusammen zu bringen, erlebte er gerade.
Harry zog sich die Ärmel seiner wärmenden Jacke weiter über die Finger und starrte nachdenklich über das Tal hinweg zu den Bergen, die sich grau in grau gegen den langsam heller werdenden Himmel abzeichneten.
Nur noch diese zwei Tage. Dann wäre er wieder zuhause und könnte Louis aus dem Weg gehen, bis er endlich ins College ziehen würde und dort hoffentlich über seinen besten Freund hinwegkommmen könnte.
Apropos. Mit steifen Fingern entsperrte Harry sein Smartphone und rief die Mail mit seiner Zusage auf. Gott, wie sollte er das den anderen nur beibringen? Immerhin gingen ja alle davon aus, dass er sich auch am College zuhause beworben hatte. Er war so am Arsch. Er wusste weder, wie er das Thema ansprechen sollte, noch, wie begründen sollte, warum er plötzlich nicht mehr zusammen mit den anderen studieren wollte, ohne sein komplettes Gefühlschaos offen zu legen. Was sollte er bloß tun?
„Hey." Harry zuckte zusammen, als sich jemand neben ihm rückwärts gegen das Geländer lehnte.
Nein, nicht jemand. Louis.
„Hey", erwiderte er schließlich und starrte in den Morgennebel, der um die Spitzen der Bäume waberte, die weiter unten im Tal standen.
„Alles okay?" Harry musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Louis ihn mit diesem aufmerksamen Blick musterte, der ihm jedes Mal das Gefühl vermittelte, Louis könnte bis auf den Grund seiner Seele gucken.
Also nickte er nur und senkte den Blick zurück auf das Display seines Handys, das immer noch die E-Mail aus Seattle anzeigte.
„Was ist das?", fragte Louis neugierig, drehte sich um und stützte seine Unterarme neben Harrys auf die Brüstung.
„Nichts." Schnell sperrte Harry das Display, bevor Louis etwas erkennen konnte und stieß sich vom Geländer ab. „Ich geh rein, Frühstück machen. Vielleicht solltest du mal nach Eleanor gucken."
„Ist wirklich alles okay? Mit uns, meine ich?", fragte Louis hinter ihm.
„Klar", sagte er mit einem falschen Lächeln und drehte sich zurück zu ihm.
„Wirklich?" Louis begann mit seinen Fingern herumzuspielen. „Du bist also nicht sauer?"
„Was?", fragte Harry völlig überrascht. „Warum sollte ich sauer sein?"
Louis zuckte mit seiner Schulter, ohne Harry anzusehen. „Weil ich in letzter Zeit so ein schlechter bester Freund war."
Richtig. Harry schluckte. Beste Freunde, das war alles, was sie jemals sein würden.
„Eigentlich, seit El und ich zusammen sind. Ich hab dich vernachlässigt, das tut mir leid", fuhr Louis fort, „und die Sache mit dem Abschlussball auch."
Harry räusperte sich, um den Kloß loszuwerden, der sich in seinem Hals gebildet hatte. „Kein Problem." Gelogen. „Ist längst vergessen." Gelogen.
„Du bist also nicht böse, dass ich dich hab sitzen lassen, obwohl wir doch als Freunde zum Ball gehen wollten und dir erst am Abend selber Bescheid gesagt habe?", fragte Louis überrascht.
„Nein." Gelogen.
Die Stimmung beim Frühstück war bei weitem nicht so ausgelassen wie noch der gestrige Tag. Niall gähnte in einem fort vor sich hin und hätte beinahe seinen Ellenbogen in seine Müslischale gestellt, hätte Harry ihn nicht angeschubst. Zayns und Liams Blicke widerrum wichen sich gegenseitig so offensichtlich aus, dass es fast schon wieder witzig war.
Außerdem fehlte Eleanor. Louis hatte nur die Augen verdreht, als er wieder die Treppe heruntergekommen war. Anscheinend hatten sie sich noch nicht wieder vertragen. Nicht, dass Harry nicht gern auf Eleanors Anwesenheit verzichtet hätte, aber der Streit der beiden drückte die Stimmung nur noch mehr.
Langsam rührte Harry in seinem Tee herum. Dann versickerte jedoch auch die Unterhaltung zwischen Louis und Liam in Sande (der letzte Versuch, so was wie ein Tischgespräch zu führen) und das Klappern seines Löffels gegen die Tasse war das einzige Geräusch, das die Küche erfüllte, also hörte er auf.
Als Zayns Handy vibrierte, blickten alle erleichtert auf.
Mit einem Daumenwisch nahm Zayn das Gespräch an und stand gleichzeitig auf, um aus der Küche zu verschwinden. Bevor er die Tür hinter sich schloss, konnten sie nur noch ein „Hey, Perrie" hören.
Überrascht blickten sich die restlichen vier Jungs an. (Okay, drei. Niall war schon wieder weggedöst.)
„Ich dachte, die beiden haben sich getrennt?", sprach Louis perplex aus, was alle dachten.
Liam zuckte nur mit den Schultern und säbelte weiter an seinem Bagel herum. „Vielleicht gibt es ja bald die Reunion?"
Auch zehn Minuten später war Zayn noch nicht wieder gekommen. Lediglich Niall war inzwischen ganz eingeschlafen.
„Ich geh mal kurz auf die Toilette", sagte Harry und stand auf. Als er in den Flur trat, sah er Zayn, der mit dem Rücken zu ihm neben der Badtür lehnte und sich fahrig die Stirn rieb, während Perrie am Ende der Leitung auf ihn einzureden schien.
„Das ist nicht so einfach, Perrie!", brach es schließlich aus dem Schwarzhaarigen heraus, „Und nein, ich habe es ihnen noch nicht gesagt, okay? Bist du jetzt zufrieden?"
Vorsichtig und in dem Wissen, etwas zu hören, was nicht für seine Ohren bestimmt war, öffnete Harry von Zayn unbemerkt die Tür zum Badezimmer und schlüpfte herein. Mit einem Seufzen ließ sich auf dem Toilettendeckel nieder und vergrub das Gesicht in den Händen. Dieser Trip entwickelte sich gerade zu einem einzigen Disaster und er wollte nur noch nach Hause.
Für fünf oder zehn Minuten saß er einfach nur so da, bevor er sich einen Ruck gab und aufstand. Länger konnte er sich nicht hier drin verstecken, bevor es den anderen auffiel.
„Auf gehts!", flüsterte Harry seinen Spiegelbild zu, das jedoch nicht sonderlich beeindruckt aus müden Augen zurückstarrte.
„Rede mit mir, okay?", war das erste, was Harry hörte, als er die Tür öffnete. „Ich seh doch, dass irgendwas los ist." Liam war Zayn anscheinend in den Flur gefolgt und redete jetzt auf ihn ein.
„Ich weiß nicht, was du meinst", gab Zayn passiv zurück.
„Ach ja, und was ist mit-" Liam brach ab, als er Harry sah.
„Sorry." Harry hob entschuldigend die Hände, auch wenn es nicht so wirkte, als würde sich Zayn Liam in nächster Zeit anvertrauen.
„Schon okay." Liam seufzte und sah Zayn noch mal ernst an. „Und du weißt hoffentlich, dass du immer und unter allen Umständen zu mir kommen kannst, oder?"
Zayn schluckte, nickte dann aber vorsichtig. Vielleicht wurde das ja doch noch was.
Nach dem Frühstück gingen sie wandern. Alles andere wäre schließlich eine absolute Verschwendung der wunderschönen, atemberaubenden Landschaft direkt vor ihrer Haustür gewesen. Und Harry merkte schnell, dass es nicht nur ihm, sondern der ganzen Gruppe guttat, draußen unterwegs zu sein.
Wenn er sich auch nicht mit Liam, sondern Niall unterhielt, so war es doch schön zu sehen, wie Zayn sich entspannte und immer gesprächiger wurde. Auch Liam hörte langsam auf, die ganze Zeit besorgt zu dem Pakistani herüber zu schielen, sondern unterhielt sich locker mit Louis.
Und Harry? Der war froh, seine Kamera mitgenommen zu haben und hielt begeistert ein Motiv nach dem anderen für die Ewigkeit fest. Auch wenn das dazu führte, dass er regelmäßig kleine Sprints einlegen musste, um den Rest der Gruppe einzuholen. Aber das nahm er gern in Kauf, denn beim Fotografieren musste er sich voll und ganz auf das Bild konzentrieren und hielt somit sogar Louis aus seinem Kopf heraus.
Als sie gegen Mittag endlich zurück zur Hütte kamen, erwartete sie jedoch eine Überraschung. Anstelle von Eleanor empfing sie nur eine knappe Notiz, in der Louis' Freundin ihnen mitteilte, dass sie sich von ihrem Dad hatte abholen lassen und sie den Rest des Wochenendes ohne sie genießen sollten.
„Oh Mann, Louis, du musst ja echt Mist gebaut haben", seufzte Liam, nachdem er die kurze Nachricht vorgelesen hatte.
Louis zuckte nur mit den Schultern und schmiss sich auf die Couch. „Sie reagiert total über, das ist alles."
„Nicht, dass ich hier die meiste Ahnung von Beziehungen hätte", warf Niall ein (was noch eine Untertreibung war, immerhin hatte der Blondschopf bisher nur eine Freundin gehabt, mit der er länger als vier Wochen zusammen gewesen war), „aber ich glaube nicht, dass diese Einstellung hilft, euren Streit aus der Welt zu schaffen."
„Was ist denn überhaupt passiert?", fragte Zayn und ließ sich neben Louis nieder.
Harrys Laune begab sich wieder in den Sinkflug. Klar, Louis war sein bester Freund und alles; aber er war nun mal auch sehr viel mehr für ihn und genau deswegen hatte er gerade keine Lust daneben zu sitzen, während er und Zayn die Details des Streites mit Eleanor, die immer noch Louis' Freundin war, rekonstruierten und am besten noch einen Plan ausheckten, wie er sie am besten zurückgewinnen könnte.
Also verschwand er in sein und Zayns Zimmer und warf sich bäuchlings auf sein Bett. Kurz spielte er mit dem Gedanken, seine Mom anzurufen und ihr von der College-Zusage zu erzählen, entschied sich dann aber doch dagegen. Erstens würde er gern ihr Gesicht dabei sehen (was vermutlich vor Stolz aufleuchten und jede Menge Umarmungen zur Folge haben würde) und außerdem wollte er nicht riskieren, dass im entscheidenden Moment einer der Jungs hereinkam und so Wind von der Sache bekam, bevor Harry sich überlegt hatte, wie er ihnen das Ganze am besten beibringen sollte.
Stattdessen rief er die Mail ein weiteres Mal auf seinem Handy auf und starrte auf das Display. Vermutlich wäre es am besten, das Ganze so schmerzlos wie möglich zu machen. Aber das müsste er sich erst mal trauen ...
Die Tür schwang auf und Louis warf sich neben Harry aufs Bett, wobei er sein Handy herunterfegte.
„Oh Gott, gehen die anderen mir gerade auf die Eier!", stöhnte er entnervt, „Können sich nicht einfach mal alle aus meiner Beziehung raushalten?"
„Sie meinen es doch nur gut", versuchte Harry ihn zu beruhigen.
„Ich weiß. Aber nerven tun sie trotzdem." Louis seufzte dramatisch und bückte sich, um Harrys Smartphone aufzuheben, das weich auf einem T-Shirt gelandet war, das Harry gott sei Dank noch nicht vom Boden aufgehoben hatte. „Uh, was liest du denn da?"
Sofort riss Harry ihm das Handy aus der Hand. Für ein paar Momente sah Louis ihn einfach nur perplex an.
„Es ist nichts", sagte Harry schließlich, schob sein Handy zurück in seine Hosentasche und setzte sich auf.
„Sicher, Harry, wenn du meinst, du kannst mir nicht mehr vertrauen ..." Louis' Stimme klang böse und schneller als Harry blicken konnte, war der Wuschelkopf aufgesprungen und aus dem Zimmer gestürmt. (Inklusive geknallter Tür. Louis war eine Diva.)
Scheiße.
Bis zum Abendessen hatte Louis sich gott sei Dank wieder eingekriegt, worüber Harry mehr als froh war. Der Wuschelkopf konnte nämlich extrem nachtragend sein und die restlichen anderthalb Tage ihres Trips mit einem beleidigten Louis zu verbringen, hätte wohl niemand von ihnen überstanden.
Dafür verhielt sich Zayn mehr als hibbelig. Erst schmiss er aus Versehen sein (zum Glück nur mit Wasser) gefülltes Glas um, womit er eine mittlere Überschwemmung auf dem Esstisch anrichtete. Und nachdem er bereits zum zweiten Mal sein Besteck hatte fallen lassen, war allen klar, dass Zayn wegen irgendetwas höllisch nervös sein musste.
„Alles ... alles okay bei dir?", fragte Niall vorsichtig, als der Pakistani mit seiner Gabel in der Hand wieder unter dem Tisch hervor gekrabbelt war.
„Ja ... nein ... also ..." Zayn atmete tief durch und sah zögerlich hoch zu seinen Freunden. „Erinnert ihr euch noch an den Pakt, den wir in der fünften Klasse geschlossen haben?"
„Den Power-Ranger-Schwur?", fragte Louis und schob sich noch eine Gabel mit Nudeln in den Mund, „Klar, was ist damit?"
„Na ja", fuhr Zayn unsicher und mit gesenktem Blick fort, „wir haben uns ja versprochen, immer die Wahrheit zu sagen und keine Geheimnisse voreinander zu haben ..."
Louis' Blick huschte für eine Sekunde zu Harry und dieser wusste genau, was der Wuschelkopf gerade dachte. Nämlich dass Zayn nicht der Einzige war, der ihren Pakt in dieser Hinsicht verletzt hatte.
„Hey", sagte Liam fürsorglich und legte Zayn eine Hand auf den verspannten Unterarm, „wir haben uns auch geschworen, immer Freunde zu bleiben und füreinander da zu sein. Also, was auch immer los ist, du kannst es uns sagen, okay?"
„Okay." Zayn atmete tief durch und nickte. „Okay. Ich weiß nicht genau, wie ich das sagen soll, also ..." Ein weiteres Durchatmen.
„Ich bin bisexuell."
Stille.
Zayn starrte weiter stur auf seinen Teller und Harry wusste nicht genau, was er sagen sollte. Herzlichen Glückwunsch? Und wo ist das Problem? Ich auch? (Wobei er sich da nicht mal sicher war.)
„Okaay ...", sagte Niall schließlich langsam, „du weißt hoffentlich, dass das für uns alle komplett okay ist, oder?"
„Ja?", fragte Zayn leise und blickte ungläubig hoch. „Es ist wirklich okay? Für euch alle?"
„Na ja, es ist schon etwas ungewohnt", gab Louis zu. Liam stieß ihn mit einem warnenden Blick an. Also fügte der Wuschelkopf hastig hinzu: „Also nicht schlecht oder so. Ich muss das nur kurz abspeichern, das ist alles."
„Louis hatte ja schon immer eine lange Leitung", flachste Niall und irgendwie war es das, was es gebraucht hatte, um die Stimmung aufzulockern.
Trotz seines gespielt beleidigten Gesichtsausdrucks stieg Louis in das Gelächter der anderen mit ein und sogar Zayn entwich ein leises Kichern, während seine Augen verdächtig glänzten.
„Ich freu mich für dich", sagte Harry schließlich, als sie sich alle wieder beruhigt hatten, und sah Zayn ernsthaft an. „Wirklich, ich find es toll, dass du es uns gesagt hast. Ich bin stolz auf dich, okay? Und ich bin stolz darauf, dass wir befreundet sind."
Gerührt sah Zayn ihn an und dann kullerte doch eine kleine Träne über seine Wange.
„Ach, komm schon her, du Idiot", meinte Harry und zog Zayn kurzerhand in eine enge Umarmung. (Die sich etwas sperrig gestaltete, immerhin saßen sie noch. Aber darum ging es ja nicht.)
„Gruppenkuscheln!", rief Niall, sprang auf und zog die anderen hoch.
Harry verdrehte belustigt die Augen und dann befand sich Zayn plötzlich von allen Seiten umringt von Armen und Oberkörpern seiner Freunde. Und nur für diesen einen Moment hatte es sich gelohnt, diesen Trip zu unternehmen, da war Harry sich plötzlich sicher.
„Weiß Perrie eigentlich darüber Bescheid?", fragte Louis interessiert, als sie sich alle voneinander gelöst und wieder gesetzt hatten.
Zayn nickte. „Sie war die erste, der ich es erzählt habe, als ich es mir selber klar wurde. Das war vor ungefähr vier Wochen."
„Habt ihr euch deswegen getrennt?", fragte Niall neugierig.
Zayn nickte nochmal.
„Nicht dein Ernst!", stieß Liam heftig hervor. „Sie hat sich von dir getrennt, weil du bi bist? Nichts gegen Perrie, aber ... was für eine Bitch."
Ungläubig sahen sich Niall und Harry an. Was war denn da passiert und wo war ihr Liam hin, dessen Ausdrucksweise braver war als die eines Pfadfinders.
„Liam ...", begann Zayn vorsichtig, aber der Angesprochene fiel ihm ins Wort.
„Du musst sie nicht verteidigen, Zayn, okay? Wenn sie dich nicht so akzeptiert wie du bist, hat sie dich gar nicht als Freund verdient!"
„Liam, sie akzeptiert mich doch." Zayns Stimme wurde auch etwas lauter. „Meine ... Sexualität war indirekt der Grund dafür, okay? Wir haben uns getrennt, weil ... ich hab mich in einen Typen verknallt, okay?"
„Oh." Liam sackte auf seinen Stuhl zurück. „Na dann ..."
Unbehagliche Stille.
„Wo wir gerade bei Geständnissen sind ...", fing Louis an.
„Du bist schwanger!", riet Niall.
„Nein", antwortete Louis, „es geht auch nicht um mich. Sondern um jemand anderen, der Geheimnisse vor uns hat. Nicht wahr?"
Und damit legte er Harrys Handy vor sich auf die Tischplatte.
(Er musste es ihm bei ihrer Umarmung aus der Hosentasche gezogen haben.)
Harry wurde eiskalt. „Gib das her!"
Louis starrte ihn selbstbewusst an. „Wenn du uns verrätst, was für eine Nachricht du da bekommen hast – gerne."
„Louis, ich warne dich!" Harrys Stimme wurde vor lauter Panik ganz hoch. „Das geht dich verdammt noch mal nichts an!"
„Wie war das mit keine Geheimnisse?" Louis verschränkte die Arme und sah ihn herausfordernd an. „Also?"
Harry schüttelte nur ängstlich den Kopf.
Verwirrt sahen die anderen zwischen ihnen hin und her.
„Louis, ich glaube wirklich nicht -", begann Liam und sah Harry besorgt an.
„Liam, lass gut sein", fiel Louis ihm ins Wort, „wenn Harry es uns nicht selbst sagen will, müssen wir eben nachgucken."
Der Lockenkopf sackte gegen die Stuhllehne und sah ohnmächtig zu, wie Louis eine Ziffer nach der anderen seinen Code eingab. 2 – 8 – 0 – 9. Liam runzelte zwar die Stirn, griff aber nicht noch mal ein. Niall hingegen sah eher interessiert aus.
Dann war das Handy entsperrt und Harry verfluchte sich dafür, die Mail nicht geschlossen zu haben, bevor er sein Smartphone ausgeschaltet hatte. Jetzt lag sein Geheimnis wie auf dem Präsentierteller und Louis musste nur noch zugreifen.
„Sehr geehrter Mister Styles", begann Louis vorzulesen und Harry wurde schlecht. „Es freut uns Ihnen mitteilen zu dürfen, dass sie das Auswahlverfahren bestanden haben! Wir hoffen, Sie zu Beginn des nächsten Semesters an unserem College willkommen heißen zu können."
Verwirrt blickte Niall zu Harry. „Du wurdest am College angenommen? Aber das ist doch toll!"
Harry schluckte und zwang sich zu einem Lächeln. „Ja. Ja, ist es."
„Hey, Gratulation!", rief Zayn und schlug Harry begeistert auf die Schulter. „Toll gemacht!"
„Ja, ganz toll", sagte Louis tonlos, blickte auf – und Harry sah in seinem Blick, dass sein bester Freund den Haken an der ganzen Sache entdeckt hatte.
„Sag mal, freust du dich etwa nicht für Harry?", fragte Liam leicht vorwurfsvoll.
„Natürlich freue ich mich für Harry", sagte Louis mit einem kalten Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. „Natürlich freue ich mich wahnsinnig für ihn, dass er am College in Seattle angenommen wurde."
Es wurde ganz still am Tisch und Harry hätte sich am liebsten übergeben. Genau davor hatte er Angst gehabt und gerade hasste er Louis einfach nur dafür, dass er es ihm einfach so aus der Hand genommen hatte, wann und unter welchen Umständen er seine Freunde einweihen würde.
„Und wann hattest du vor, uns das zu sagen?", fragte Louis gefährlich ruhig. „Heute noch? Morgen? Wenn wir wieder zuhause gewesen wären? Oder doch erst, wenn du dich bereits nach fucking Seattle verpisst hättest?"
„Louis ...", sagte Liam warnend, aber der Blauäugige ließ sich nicht abhalten.
„Im Ernst, Harry – wann hättest du es uns gesagt, dass du gar nicht am gleichen College beworben hast wie Liam und ich? Wann? Oder hättest du einfach gewartet, bis wir in der ersten Woche von selbst drauf kommen?" Louis' blaue Augen blitzen wie zwei Sturmgewitter und plötzlich schoss heißer Zorn in Harrys Adern.
Louis hatte nicht das Recht dazu, so zu reden! Nicht Louis, der nicht mal im Entferntesten wusste, warum Harry sich so entschieden hatte, und der vor allem keine Ahnung hatte, wie schwer ihm diese Entscheidung gefallen war!
„Mal abgesehen davon, dass es meine Entscheidung gewesen wäre", fauchte Harry und beugte sich vor, „wann hätte ich denn mit dir reden können, hm? Während du mit Eleanor shoppen warst? Oder als du unseren monatlichen Filmabend abgesagt hast, weil das Fußballtraining länger gedauert hat? In den Pausen, in denen du an deiner Freundin geklebt hast, als wärt ihr siamesische Zwillinge? Oder doch am Abschlussball, als du mich hast sitzen lassen, ohne mir wenigstens Bescheid zu sagen, hm?"
Louis riss empört die Augen auf. „Oh nein, mein Lieber, schieb jetzt nicht mir die Schuld zu! Ich hab mich entschuldigt und du hast gesagt, du wärst nicht sauer deswegen! Und außerdem bist du mein bester Freund! Du hättest mich anrufen können oder einfach fragen können, ich hätte hundert Shopping-Dates mit El abgesagt, wenn ich gewusst hätte, dass du reden willst, okay?!"
Harry schnaubte wütend. „Und genau da liegt doch das Problem, Louis! Beste Freunde verbringen nicht nur Zeit miteinander, wenn der eine mal reden will! Und entschuldige, dass ich dir nicht gleich gesagt habe, wie beschissen ich diese Aktion fand, als du mich gefragt hast. Weil weißt du was? Ich war froh, dass du überhaupt mal wieder mit mir geredet hast und wenn es nur daran lag, dass du dich mit Eleanor gezofft hast. Dabei hast du gar keine Ahnung, wie bescheuert es ist, seiner Mum und der halben Familie, die nur darauf wartet, die Ballfotos zu machen, nach einer halbe Stunde Wartezeit beizubringen, dass du doch nicht aufkreuzen wirst und ich stattdessen ganz allein auf diesen beschissenen Ball muss. Es war absolut demütigend, okay? Bester Freund, dass ich nicht lache. Ein Scheiß bist du!"
Aufgebracht atmend starrten sich die beiden böse an.
„Okay, vielleicht beruhigen wir uns erst mal kurz und -"
„Halt die Klappe, Liam!", fielen beide dem Braunhaarigen ins Wort.
Louis kniff sauer die Augen zusammen. „Wenn ich also so ein scheiß Freund bin, weißt du, was du dann bist, Harry? Du bist ein gottverdammter Schisser! Du hättest ja mal den Mund aufmachen können! Wie soll denn jemand auf die Idee kommen, dass es dir nicht gut geht, wenn du selbst einen auf heile Welt machst und mir sogar noch direkt zuück schreibst, dass das gar kein Problem ist und mir viel Glück mit Eleanor wünscht! Du kannst verdammt noch mal nicht das eine sagen und das andere meinen und darauf hoffen, dass ich schon verstehe, was du meinst! Weil nein, wie sollte ich wissen, was du jetzt wirklich sagen willst! Und anstatt mit mir darüber zu reden und mir wenigstens eine Chance zu geben, deine Sicht zu sehen und mich zu entschuldigen, verpisst du dich einfach ans andere Ende des Landes! Also entschuldige bitte, dass ich das nicht so geil finde, ganz im Gegenteil: das ist einfach nur feige! Du bist einfach verdammt noch mal ein Feigling!"
Harry wurde leichenblass, als Louis voll ins Schwarze traf. Er war ein Feigling, der vor seinen Gefühlen flüchtete. Er räusperte sich und schob seinen Stuhl zurück.
„Weißt du was: du hast Recht. Ich bin ein Schisser. Aber dafür bist du einfach nur ein Arschloch, dass sich nach Lust und Laune für seine Freunde interessiert oder auch nicht. Das hab ich nicht verdient, okay? Und Eleanor im Übrigen auch nicht. Du hast unglaublich viel Glück, eine Freundin zu haben, der du verdammt wichtig bist und alles, was du machst, ist, beim ersten Streit in das Bett deines besten Freundes zu klettern. Das ist feige, Louis. Ich kann wirklich nur zu gut verstehen, dass Eleanor einfach gegangen ist. Und weißt du was: der Schisser geht jetzt auch." Damit stand er auf und ging.
„Du kannst jetzt nicht einfach abhauen!", konnte er Louis hinter sich rufen hören, „Wir sind hier noch nicht fertig!"
„Oh doch, Louis", erwiderte Harry, ohne sich umzudrehen, „wir beide sind so was von fertig miteinander."
Eigentlich hatte es der perfekte Wochenend-Trip werden sollen. Einfach noch mal drei Tage zusammen in der Blockhütte von Nialls Eltern verbringen, bevor der Ernst des Lebens endgültig anbrechen würde.
Als Harry seinen Kopf gegen die Autoscheibe des Jeeps legte, der sie am nächsten Morgen zurück nach Hause brachte, und die vorbeiziehenden Berge beobachtete, musste er sich eingestehen, dass sie sich alle etwas vorgemacht hatten.
Der Ernst des Lebens war schon längst angebrochen. Es wurde endlich Zeit, erwachsen zu werden.
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