Wiedersehen auf der Bühne •Nico Sallach•
Ich stand in der Menge, umgeben von lauten Stimmen, Menschen, die wild tanzten, und dem donnernden Bass, der durch den ganzen Raum vibrierte. Es war so lange her, dass ich auf einem Konzert von Electric Callboy gewesen war. Eigentlich wollte ich nur für David da sein. Es fühlte sich gut an, wieder in meiner Heimatstadt zu sein, zurück nach all den Jahren in den USA. Die Lichter auf der Bühne flackerten, als Kevin plötzlich stehen blieb. "Einen Moment, ich habe doch gerade..." murmelte er ins Mikro, während er suchend über die Menge blickte. Plötzlich hielt er inne, und ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Ha! Wusste ich es doch, NIAAAAA!" rief er laut, und ich konnte nicht anders, als zu lachen. Ich war kurz davor, mich tiefer in der Menge zu verstecken, doch das war unmöglich. Die Aufmerksamkeit der Band und des Publikums lag jetzt auf mir. "Da ist sie doch. Für alle, die Nia nicht kennen, sie ist die kleine Schwester von unserem David und meine beste Freundin! Ein Applaus für Nia!" schrie Kevin, und die Menge folgte prompt. "Nia, uns fehlt heute leider eine Frauenstimme für einen bestimmten Song. Hast du Lust, mit Nico diesen zu performen?" Mein Herz setzte kurz aus. Nico. Seit ich hier war, hatte ich alles vermieden, was mich mit ihm in Verbindung brachte. Es war leichter, ihn einfach in der Vergangenheit zu lassen, als ständig daran erinnert zu werden, warum es zwischen uns endete. Nico hatte damals Schluss gemacht. Nicht, weil er mich nicht wollte, sondern weil er Angst hatte, mich in sein Image als Fuckboy hineinzuziehen. Jeder sagte, er sei ein Typ, der jede haben könnte und jede wollte. Er wollte mich vor all dem schützen – und das war der Grund, warum er gegangen war. "Ach komm Kev, das hast du doch geplant", lachte Nico und drehte sich zu Kevin. "Nein! Ich wusste wirklich nicht, dass sie hier ist", lachte Kevin ebenfalls und zuckte unschuldig mit den Schultern. "Also, Nia?" Mein Blick wanderte von Nico zu Kevin. Mir war klar, was hier passierte. Kevin wollte uns zusammenbringen. Er wusste, dass da noch etwas zwischen uns war, etwas Unerledigtes, das wir beide nie wirklich abgeschlossen hatten. Der Abschied war damals viel zu schnell gekommen, bevor ich für mein Studium in die USA ging. Die Menge wartete. Kevin grinste wie ein kleines Kind, das einen Überraschungsgast zu seiner Party eingeladen hatte. Schließlich nickte ich zögernd. "Holt sie hoch!" rief Kevin aufgeregt, während ich von den Fans in die Arme der Crew gehoben wurde. Währenddessen begannen die Jungs, einen anderen Song zu spielen, um Zeit zu überbrücken.
Die Bühne war hell erleuchtet, und die ersten Takte des nächsten Songs begannen zu spielen – "Fuckboi". Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Es war fast ironisch, diesen Song jetzt zu singen. Nico und ich standen nebeneinander, die Spannung zwischen uns war greifbar. Unsere Blicke trafen sich immer wieder, als wir die ersten Zeilen sangen. Seine Stimme vibrierte in der Luft, tief und voller Energie. Meine Stimme schloss sich seiner an, und es fühlte sich gleichzeitig so vertraut und doch so neu an, wieder zusammen zu performen. "You said I'm just another fuckboi, but I swear..." Wir sangen die Zeilen, als ob sie uns direkt betreffen würden – und das taten sie auch, in gewisser Weise. Mit jedem Refrain kamen wir uns näher. Nico bewegte sich über die Bühne auf mich zu, und ich fühlte die Elektrizität in der Luft. Es war, als ob die ganze Welt um uns herum verschwamm, und nur wir beide übrig blieben. Als der Song seinen Höhepunkt erreichte, standen wir uns gegenüber, und ich konnte seine Atmung über das Mikro hören. Unsere Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt. Der Rest der Bühne, die Musik, die Fans – alles war ausgeblendet. Es gab nur diesen Moment, in dem sich unsere Lippen fast berührten. Ich hielt den Atem an. Sollte das wirklich passieren? Konnte ich mich darauf einlassen, nachdem alles, was zwischen uns gewesen war, so chaotisch geendet hatte? In diesem Moment riss Nico sich zurück, gerade bevor es passieren konnte. Ein Bruchteil einer Sekunde, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte. Wir beide lächelten, aber es war ein unsicheres Lächeln. Es gab so viel, was unausgesprochen zwischen uns stand. Nach dem Konzert fühlte ich mich wie in einer anderen Welt. Der Adrenalinschub, die Musik und die Nähe zu Nico – alles schwirrte noch in meinem Kopf. Doch tief in mir wusste ich, dass der Moment auf der Bühne nur ein flüchtiger Augenblick war. Draußen, abseits der Scheinwerfer, wartete die Realität. Während ich versuchte, meine Gedanken zu sortieren, kamen Kevin und David auf mich zu. Kevin trug sein gewohntes, freches Grinsen, aber in Davids Augen lag etwas Ernstes. Ich konnte es nicht ganz einordnen, doch irgendetwas sagte mir, dass das, was sie zu sagen hatten, nicht leicht sein würde. "Komm her, du kleines Monster", wiederholte Kevin mit seiner typischen Wärme und drückte mich noch einmal fest an sich. "Was machst du denn hier, mit dir haben wir am wenigsten gerechnet!" Ich lachte leise. "Naja, zufälligerweise bin ich wieder in der Stadt, aber ich hatte wirklich nicht erwartet, dass ich heute auf der Bühne lande." "Ja, das war echt eine Überraschung!", stimmte David zu und legte seinen Arm um mich. Doch es lag etwas in seiner Stimme, das mich stutzen ließ. "Was ist los, David?" fragte ich und schaute zuerst zu ihm, dann zu Kevin. Die beiden tauschten Blicke aus, und in mir zog sich etwas zusammen. Es war, als ob sie versuchten, etwas zu verbergen. "Es gibt etwas, das du wissen solltest", begann Kevin vorsichtig und schob seine Hände in die Taschen seiner Jeans. "Es geht um den Song, den du heute gesungen hast... also, um ‚Fuckboi'." Mein Herz schlug schneller. "Was ist damit? Ich meine, ich weiß, dass der Song eine Anspielung auf Nicos Image ist, aber..." "Es ist mehr als das", unterbrach David mich sanft, und seine Hand auf meiner Schulter drückte sich fester. "Es geht nicht nur um das, was die Leute über Nico sagen. Der Song ist... ziemlich persönlich." "Was meinst du?" fragte ich und suchte in ihren Gesichtern nach Antworten, während mein Magen sich zusammenzog. Kevin nahm einen tiefen Atemzug und sah mir direkt in die Augen. "Nia, Nico hat den Song geschrieben... wegen dir." Meine Welt schien für einen Moment stillzustehen. Ich blinzelte, als ob ich sicherstellen wollte, dass ich richtig gehört hatte. "Wegen mir?" David nickte langsam. "Ja. Es geht um eure Beziehung, um die Trennung. Nico hat den Song kurz nachdem Schluss war geschrieben, weil er damit versucht hat, seine Gefühle zu verarbeiten." "Und wie er mit dem ganzen ‚Fuckboi'-Image zu kämpfen hatte", fügte Kevin hinzu, diesmal ernster als sonst. "Er wollte nie, dass du das Gefühl hast, er wäre so wie die Leute ihn beschrieben haben. Aber er konnte sich nicht gegen dieses Bild wehren, das alle von ihm hatten. Und als ihr auseinandergegangen seid... hat er das in den Song gepackt." Ich spürte, wie sich mein Brustkorb zusammenzog, als ich versuchte, das alles zu verarbeiten. Die Lyrics von "Fuckboi" hallten in meinem Kopf wider, aber jetzt mit einer völlig neuen Bedeutung. Jede Zeile, jede Emotion... sie alle drehten sich um uns. Um mich. "You said I'm just another fuckboi, but I swear..." Die Worte hatten mich auf der Bühne getroffen, doch ich hatte nie geahnt, dass sie direkt von Nico an mich gerichtet waren. "Warum hat er mir nie davon erzählt?" Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Ein Teil von mir fühlte sich betrogen – nicht von Nico, sondern von der Tatsache, dass er seine Gefühle in einem Song versteckt hatte, anstatt sie mir direkt zu sagen. David seufzte. "Er hat immer gesagt, dass er dich nicht mit seinem Leben belasten wollte. Er wusste, dass du nach Amerika musstest, und wollte, dass du ohne diese... Komplikationen gehst." Kevin nickte zustimmend. "Er dachte, es wäre besser, wenn du denkst, er sei der ‚Fuckboi', den alle sehen, anstatt dich mit seinen inneren Kämpfen zu belasten. Aber in Wahrheit hat es ihn fast zerrissen." Die Schwere ihrer Worte drückte auf meine Brust. Ich hatte es nicht gewusst. Ich hatte nie verstanden, wie sehr Nico wirklich für mich empfunden hatte, weil er so gut darin gewesen war, seine Gefühle hinter einem maskenhaften Lächeln und seinem Ruf zu verstecken. "Und jetzt?" flüsterte ich. "Was soll ich jetzt tun?" David schaute mich sanft an. "Das musst du selbst entscheiden, Nia. Aber ich glaube, dass es für euch beide noch nicht zu spät ist. Er war damals nur zu stolz oder zu verunsichert, um dir alles zu sagen." "Er ist backstage", sagte Kevin leise, fast so, als ob er mich anstupsen wollte, in Bewegung zu kommen. "Du solltest mit ihm reden. Vielleicht gibt es noch eine Chance, das Ganze zu klären." Ich zögerte. Da war so viel zwischen uns, so viel Unausgesprochenes. Doch gleichzeitig wusste ich, dass ich nicht einfach so gehen konnte, ohne mit ihm zu sprechen. Ich musste wissen, was er wirklich dachte – was er fühlte. Mit einem tiefen Atemzug nickte ich den beiden zu. "Okay... ich werde mit ihm reden." Kevin grinste breit. "Das ist das Monster, das ich kenne." Er zwinkerte mir zu, bevor er mich fest an sich drückte. David klopfte mir leicht auf die Schulter. "Egal, was passiert, wir stehen hinter dir, Nia." Mit diesen Worten machten sie sich auf den Weg zurück zur Crew, und ich stand für einen Moment allein in der kühlen Luft des Backstage-Bereichs. Meine Gedanken rasten, und mein Herz schlug schneller, je näher ich der Tür kam, hinter der Nico wartete.
Meine Schritte hallten leise durch den Gang, der zum Backstagebereich führte. Jeder Schritt, den ich tat, brachte mich näher zu Nico – und doch wollte ein Teil von mir am liebsten weglaufen. Die Worte von Kevin und David drehten sich immer noch in meinem Kopf. Der Song "Fuckboi" war wegen mir geschrieben worden. Wegen unserer Trennung. Wegen ihm. Ich blieb vor der Tür stehen, hinter der Nico sich aufhielt. Das Herz schlug mir bis zum Hals, und meine Hände zitterten leicht. Was sollte ich überhaupt sagen? Wo sollte ich anfangen? Die Wahrheit, die ich gerade erfahren hatte, fühlte sich zu schwer an, um sie in Worte zu fassen. Mit einem tiefen Atemzug hob ich die Hand und klopfte an. Keine Antwort. Ich zögerte nicht lange und drückte die Tür langsam auf. Der Raum war schummrig beleuchtet, und in der Ecke saß Nico auf einer Couch, die Augen geschlossen, als würde er sich von der Show erholen. Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, öffnete er die Augen und schaute auf. Unser Blick traf sich sofort. "Nia", sagte er überrascht, seine Stimme rau von der Show. "Was machst du hier?" Ich schluckte schwer, ging einen Schritt weiter in den Raum und blieb dann vor ihm stehen. Es fühlte sich an, als würde jeder Muskel in meinem Körper angespannt sein. "Warum hast du mir nie gesagt, dass du ‚Fuckboi' geschrieben hast? Wegen uns? Wegen der Trennung?" Die Frage hing in der Luft, und ich beobachtete, wie Nico sich langsam aufrichtete. Für einen Moment schien er zu kämpfen, als ob er nicht wusste, wie er antworten sollte. Dann fuhr er sich durch das zerzauste Haar und schaute zu Boden. "Ich... konnte nicht", begann er schließlich leise. "Es war leichter, dich gehen zu lassen, ohne dir all das zu sagen. Ich dachte..." Er hielt inne und schüttelte leicht den Kopf, bevor er weitersprach. "Ich dachte, es wäre besser, wenn du mich einfach vergisst. Wenn du dein Leben ohne mich aufbaust, ohne das ganze Chaos, das ich mitbringe." Ich blinzelte, unfähig zu begreifen, was er da gerade gesagt hatte. "Du wolltest, dass ich dich vergesse?" "Ja", antwortete er knapp, und seine Stimme war plötzlich rauer, härter. "Nia, schau mich doch an. Du hast es gesehen, alle haben es gesagt: Ich bin der Fuckboi, der jede haben könnte. Das war das Bild, das jeder von mir hatte. Und ich wollte nicht, dass du damit in Verbindung gebracht wirst. Ich wollte, dass du dein eigenes Leben lebst, ohne dass ich dich mit runterziehe." Ich schüttelte den Kopf, mein Herz zog sich bei seinen Worten zusammen. "Aber ich..." Meine Stimme brach kurz, bevor ich mich wieder fasste. "Ich habe dich nie als den Typen gesehen, den alle in dir gesehen haben, Nico. Du warst nie nur irgendein ‚Fuckboi' für mich. Du warst immer mehr." Nico hob den Blick, und in seinen Augen lag etwas, das wie Reue aussah. "Das spielt keine Rolle. Ich wollte, dass du jemanden findest, der besser ist. Jemanden, der nicht so... kompliziert ist wie ich." "Jemanden, der besser ist?" Ich konnte ein bitteres Lachen nicht unterdrücken. "Nico, verstehst du nicht? Seitdem du Schluss gemacht hast, war da niemand anderes. Niemand. Ich habe dich nicht vergessen, egal wie sehr du wolltest, dass ich das tue. Du warst immer in meinem Kopf. Immer nur du." Sein Blick wurde weicher, als ich diese Worte aussprach, doch ich konnte die Spannung zwischen uns fast greifen. Die Nähe auf der Bühne, die unerfüllte Spannung – sie lag immer noch in der Luft, als ich diese Wahrheit endlich laut aussprach. Ich konnte sehen, wie er mit seinen eigenen Gefühlen kämpfte, wie er versuchte, nicht zu viel zu zeigen. Für einen Moment schien es, als ob er etwas sagen wollte, doch ich wollte nicht hören, was auch immer es war. Nicht jetzt. Es war zu viel, zu plötzlich. "Es tut mir leid", flüsterte ich und machte einen Schritt zurück, als ob ich damit die Distanz zwischen uns vergrößern könnte. "Aber ich... ich kann das gerade nicht. Ich dachte, ich wäre über alles hinweg, aber das bin ich nicht." Nico stand auf, seine Hand hob sich leicht, als ob er mich aufhalten wollte, doch er ließ sie wieder sinken. "Nia..." "Nein", unterbrach ich ihn, meine Stimme zitterte jetzt. "Ich muss gehen." Und ohne auf eine Antwort zu warten, drehte ich mich um und ging aus dem Raum. Mein Herz pochte laut in meinen Ohren, und ich fühlte, wie die Tränen hinter meinen Augen brannten. Ich hatte ihn nicht vergessen. Ich hatte es nie wirklich geschafft, ihn loszulassen. Aber ich wusste auch nicht, ob ich jetzt, nach all dem, überhaupt noch die Kraft hatte, ihn zurückzulassen.
Nach dem Konzert lag ich in meinem Bett und starrte an die Decke. Das Zimmer war dunkel, still – aber mein Kopf war voller Lärm. Die Worte, die Nico gesagt hatte, drehten sich in meinem Kopf wie ein endloser Kreislauf. "Ich wollte, dass du mich vergisst." Doch ich hatte ihn nicht vergessen. Und jetzt, wo ich die Wahrheit über "Fuckboi" kannte, fühlte sich alles nur noch verwirrender an. Ich drehte mich auf die Seite, zog die Decke enger um mich, als könnte sie den Sturm in meinem Inneren beruhigen. Doch es half nichts. Schlaf war weit weg, unerreichbar. Stattdessen hörte ich immer wieder die Melodie von "Fuckboi" in meinem Kopf. Jedes Wort, jede Zeile schien jetzt eine neue Bedeutung zu haben. Eine Bedeutung, die ich vorher nicht verstanden hatte. Ich atmete tief durch, warf die Decke von mir und setzte mich auf die Bettkante. Es hatte keinen Sinn, im Dunkeln zu liegen und auf Schlaf zu warten, der nicht kommen würde. Also stand ich auf, schlich mich leise durch die Wohnung und ging in die Küche. Das kalte Licht des Kühlschranks fiel auf mich, als ich ihn öffnete, aber ich suchte nicht wirklich nach etwas. Ich stand einfach da, die kühle Luft auf meiner Haut, und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Schließlich schloss ich die Tür wieder und ging zurück ins Wohnzimmer. Mein Handy lag auf dem Couchtisch, und ich griff danach, bevor ich mich auf das Sofa fallen ließ. Ohne groß nachzudenken, öffnete ich die Musik-App und tippte den Namen des Songs ein, der mich nicht losließ. "Fuckboi". Mit einem Klick begann die vertraute Melodie durch den Raum zu schweben. Ich schloss die Augen und ließ mich zurückfallen, während die ersten Zeilen erklangen. "You said I'm just another fuckboi, but I swear..." Die Worte klangen jetzt so anders, als ich sie bewusst auf mich wirken ließ. Es war nicht nur ein Song über ein Image, das Nico aufgedrückt wurde. Es war ein Song über unsere Beziehung – und über all das, was er nie hatte sagen können. "I'm not like those other guys..." Ich spürte, wie meine Brust sich zusammenzog. Das war es. Das war, was er mir die ganze Zeit hatte sagen wollen. Er wollte, dass ich wusste, dass er nicht wie all die anderen Typen war, die nur mit Frauen spielten. Er war nicht der, für den ihn alle hielten. Aber stattdessen hatte er sich hinter diesem Image versteckt und mich weggestoßen. "And every word you say is a lie..." Die nächste Zeile traf mich wie ein Schlag. War das wirklich das, was er damals gedacht hatte? Hatte er das Gefühl gehabt, dass ich ihm nicht geglaubt hatte, als ich ihm sagte, dass er mir wichtig war? Dass ich ihn nicht nur als den "Fuckboi" sah, den die Welt in ihm sah? Ich öffnete meine Augen und starrte zur Decke, während die Musik weiterlief. Jede Zeile fühlte sich an, als ob sie direkt aus Nicos Seele kam – aus dem Teil von ihm, den er mir nie gezeigt hatte. "You said you'd never leave me, but you did..." Ich schluckte hart. Hatte er wirklich geglaubt, dass ich ihn verlassen hatte? In meinen Augen war es anders gewesen. Er hatte die Entscheidung getroffen, mich aus seinem Leben zu lassen, um mich zu schützen. Aber aus seiner Sicht... vielleicht hatte er das als Verrat empfunden. Vielleicht hatte er gedacht, ich hätte ihn aufgegeben. "Now I'm left here alone, trying to forget you..." Und da war es. Die Zeile, die alles erklärte. Er hatte versucht, mich zu vergessen, weil er dachte, es wäre besser für mich. Aber in Wahrheit hatte es uns beide zerstört. Die Trennung hatte nicht nur mich verletzt – sie hatte auch ihn getroffen. Tief. Die letzte Zeile des Songs verklang, und ich saß stumm da, während die Stille den Raum wieder erfüllte. Alles machte plötzlich Sinn, doch gleichzeitig fühlte es sich an, als hätte ich noch mehr Fragen als zuvor. Warum hatte er nie versucht, mit mir darüber zu sprechen? Warum hatte er all diese Gefühle in einem Song versteckt, anstatt mir die Wahrheit zu sagen? Ich ließ mein Handy auf den Tisch sinken und lehnte meinen Kopf in meine Hände. Der Schmerz war wieder da, aber diesmal war es ein anderer Schmerz. Es war nicht mehr nur der Schmerz der Trennung, sondern der Schmerz des Verstehens. Ich wusste jetzt, was in Nico vorging. Ich wusste, warum er mich damals verlassen hatte. Aber es änderte nichts an der Tatsache, dass wir beide verletzt waren. Dass wir beide nicht wussten, wie wir mit dieser Verletzung umgehen sollten. Langsam stand ich auf und ging zum Fenster. Die Stadt draußen war still, nur das leise Summen der Laternen erfüllte die Nacht. Ich atmete tief ein und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Ich hatte die Wahrheit erkannt, aber ich wusste nicht, was ich damit anfangen sollte. War es wirklich vorbei zwischen uns? Oder gab es noch eine Chance, dass wir das, was kaputt gegangen war, irgendwie wieder reparieren konnten? Ich drehte mich vom Fenster weg und ging zurück ins Schlafzimmer. Als ich mich ins Bett legte, wusste ich, dass der Schlaf immer noch weit weg war. Aber vielleicht, dachte ich, war das in Ordnung. Denn jetzt verstand ich zumindest, was "Fuckboi" wirklich bedeutete – und was Nico versucht hatte, mir all die Zeit zu sagen.
Ich wusste nicht, wie lange ich wach lag. Der Song "Fuckboi" lief immer wieder in meinem Kopf auf und ab, als hätte mein Gehirn ihn in Endlosschleife gesetzt. Die Worte, die Nico geschrieben hatte, die Bedeutung hinter jeder Zeile – sie ließen mir keine Ruhe. Egal wie sehr ich versuchte, meine Gedanken abzuschalten, es ging nicht. Jede einzelne Zeile brannte sich in mein Gedächtnis ein, und mit jeder Minute, die verstrich, wurde das Verlangen, ihm die Wahrheit zu sagen, größer. Es war nicht fair, was passiert war. Nicht für ihn, nicht für mich. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ohne groß nachzudenken, sprang ich aus dem Bett, zog mir eine Jacke über und schnappte mir meine Schlüssel. Meine Füße trugen mich schneller, als ich überhaupt realisieren konnte, wohin ich ging. Ich wusste es einfach. Als ich vor Nicos Tür stand, spürte ich mein Herz wild schlagen, aber es gab keinen Raum mehr für Zweifel. Ich musste das klären – egal wie. Ich hob meine Hand und klopfte an seine Tür. Für einen Moment hielt ich den Atem an, nicht sicher, was ich eigentlich erwarten sollte. Dann hörte ich Schritte auf der anderen Seite. Die Tür öffnete sich, und da stand er – Nico, barfuß und in einem einfachen Shirt. Er sah mich überrascht an, als ob er nicht ganz glauben konnte, dass ich vor ihm stand. "Nia?" Seine Stimme war leise, beinahe vorsichtig, als ob er sich nicht sicher war, was als Nächstes kommen würde. "Ich kann das nicht mehr", platzte es aus mir heraus, noch bevor er überhaupt fragen konnte, warum ich hier war. "Dieser Song, Nico. ‚Fuckboi'. Es geht mir nicht mehr aus dem Kopf." Er schaute mich an, als ob er nicht sicher war, ob er die Tür schließen oder mich hereinlassen sollte. "Was meinst du?" "Du weißt genau, was ich meine", sagte ich, meine Stimme lauter als beabsichtigt. "Die ganze Zeit habe ich nicht verstanden, warum du Schluss gemacht hast. Du hast es mir nie richtig erklärt, nie die Wahrheit gesagt. Stattdessen hast du einen Song geschrieben und versucht, alles zu verstecken. Hast du überhaupt eine Ahnung, was das mit mir gemacht hat?" Nicos Augen verengten sich leicht, und ich konnte sehen, wie er sich innerlich zu verteidigen begann. "Ich hab es versucht, Nia. Ich hab versucht, dich zu schützen. Das war alles, was ich tun konnte. Ich wollte nicht, dass du in all das reingezogen wirst." "Schützen?" Ich konnte nicht anders, ich lachte bitter. "Du hast mich nicht geschützt, Nico. Du hast mich weggeschickt. Du hast mich aus deinem Leben geworfen, als ob es das Beste für uns wäre, und mir keine Wahl gelassen." Er wich leicht zurück, seine Augen blitzen vor unterdrückten Emotionen. "Du verstehst es nicht, Nia. Jeder hat mich als den Fuckboi abgestempelt, der nur spielt, der jede haben könnte. Und ich wollte nicht, dass du das durchmachen musst. Ich wollte nicht, dass du darunter leidest, wie die Leute über mich denken." Ich schüttelte den Kopf, meine Frustration stieg. "Das ist es, was du immer wieder sagst, aber was ist mit mir? Du hast nie gefragt, was ich wollte. Du hast mich nie wirklich gefragt, ob es mich interessiert, was andere denken. Du hast einfach entschieden, dass es das Beste für mich wäre, ohne mich. Aber ich habe dich nie verlassen, Nico. Du hast mich weggeschickt." Ich sah, wie seine Schultern sich anspannten, als er versuchte, meine Worte zu verarbeiten. "Ich habe getan, was ich für richtig hielt", murmelte er, aber seine Stimme klang nicht mehr so sicher. "Richtig? Für wen, Nico? Für mich? Oder für dich?" Ich trat einen Schritt auf ihn zu, meine Stimme zitterte jetzt. "Du hast den Song geschrieben und all deine Gefühle da hineingelegt, aber mir hast du nie die Chance gegeben, meine zu zeigen. Du hast mich einfach aus deinem Leben geworfen und gehofft, dass ich dich vergessen würde." "Weil es das Beste für dich war", sagte er, seine Stimme jetzt lauter. "Ich wollte, dass du jemanden findest, der dir ein einfacheres Leben bieten kann, ohne all das Drama, ohne all die Erwartungen, die alle an mich haben!" "Ich wollte nur dich, Nico!" Meine Stimme brach, und ich fühlte, wie meine Augen brannten. "Immer nur dich. Niemanden sonst. Und egal, was du dachtest, ich habe dich nicht vergessen. Nicht einen einzigen Tag." Nico sah mich an, seine Brust hob und senkte sich schwer, als ob er die richtigen Worte suchte. "Nia... ich..." Er brach ab, sein Blick glitt zur Seite, als ob er nicht wusste, was er sagen sollte. Meine Wut kochte über, all die unterdrückten Gefühle, die mich seit unserer Trennung gequält hatten, brachen jetzt heraus. "Du verstehst es immer noch nicht, oder? Du hast mich aus deinem Leben gestoßen, und jetzt... jetzt willst du mir erzählen, dass du es nur getan hast, um mich zu schützen? Weißt du was, Nico? Ich liebe dich immer noch! Trotz allem, trotz deines dämlichen Images, trotz der Leute, die dich für einen Fuckboi halten. Aber ich werde nicht schon wieder gehen. Ich werde nicht schon wieder weglaufen, weil du denkst, dass du weißt, was das Beste für mich ist." Ich war außer Atem, meine Brust hob und senkte sich schnell, als ich diese Worte endlich ausgesprochen hatte. Es war, als ob ein schwerer Stein von meiner Seele gefallen war, aber gleichzeitig fühlte ich mich verletzlicher denn je. Ich hatte mein Herz vor ihm entblößt, und jetzt stand ich da, wartend, was er tun würde. Für einen Moment sagte Nico nichts. Er schaute mich nur an, als ob er die Worte verarbeiten müsste. Dann, ohne ein weiteres Wort, trat er auf mich zu, packte mein Gesicht mit beiden Händen und zog mich zu sich. Und bevor ich überhaupt begreifen konnte, was passierte, küsste er mich. Es war kein zögerlicher, sanfter Kuss. Es war ein Kuss, voller Leidenschaft, voller aufgestauter Emotionen, die wir beide so lange unterdrückt hatten. Für einen Moment vergaß ich alles um mich herum, vergaß den Streit, die Worte, den Schmerz. Es war nur noch Nico und ich. Als er sich langsam von mir löste, sah er mir tief in die Augen, und in seiner Stimme lag eine neue Entschlossenheit. "Bleib. Bitte, Nia. Ich will nicht, dass du gehst." Seine Worte hallten in meinem Kopf wider, und ich konnte sehen, dass er es ernst meinte. Dieses Mal wollte er mich nicht wegstoßen. Dieses Mal wollte er, dass ich bleibe. Ich atmete tief durch und nickte langsam. "Ich bleibe."
Die Tage nach dem Kuss mit Nico waren ein einziges Auf und Ab. In dem Moment, als er mich geküsst hatte und mich gebeten hatte zu bleiben, war alles so klar, so intensiv. Ich hatte gedacht, dass das der Wendepunkt war, dass wir endlich den Weg zueinander gefunden hatten, der uns all die Jahre verwehrt geblieben war. Aber das Gefühl hielt nicht lange an. Nico begann sich wieder zurückzuziehen, wie schon damals. Es war subtil, aber ich spürte es sofort. Die Nachrichten von ihm wurden seltener, und wenn wir uns sahen, schien er in Gedanken verloren, distanziert. Ich versuchte es zu ignorieren, redete mir ein, dass er einfach nur überfordert war. Aber je mehr Zeit verging, desto deutlicher wurde es. Nico stieß mich erneut von sich, und es fühlte sich an, als würde ich all das noch einmal durchmachen – die Trennung, den Schmerz, die Unsicherheit. Ich saß in meinem Zimmer, mein Handy in der Hand, unfähig, eine Nachricht an ihn zu schreiben. Wozu auch? Ich hatte es satt, immer diejenige zu sein, die um diese Beziehung kämpfte. Ich liebte ihn, das war klar. Aber wie lange konnte ich diesen Kampf noch führen? Nach allem, was wir durchgemacht hatten – die Trennung, die Jahre in den USA, die Konfrontation nach dem Konzert – war ich müde. Ich wusste nicht mehr, ob ich stark genug war, um weiterzukämpfen, wenn er mich immer wieder von sich stieß. Tränen brannten in meinen Augen, und ich schob das Handy weg, bevor ich es quer durch den Raum warf. Es war alles so frustrierend, so schmerzhaft. Ich wusste, dass ich nicht alleine damit umgehen konnte. Also zog ich mich an, wischte mir die Tränen aus den Augen und machte mich auf den Weg zu Kevin. Vielleicht wusste er, was ich tun sollte. Oder zumindest konnte er mir zuhören, denn gerade fühlte es sich an, als ob ich unter all den unausgesprochenen Gefühlen ersticken würde.
~Bei Kevin~
Kevin öffnete mir die Tür mit einem breiten Grinsen, das jedoch sofort verschwand, als er mein Gesicht sah. "Nia? Hey, was ist los?" Er zog mich ohne zu zögern in seine Wohnung und schloss die Tür hinter mir. Ich ließ mich schwer auf sein Sofa fallen, meine Schultern sanken, und es dauerte nicht lange, bis die Tränen wieder kamen. "Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll, Kev." Meine Stimme war brüchig, und ich wischte mir schnell über die Augen, aber es war nutzlos. "Ich habe alles versucht. Ich dachte, wir hätten eine Chance, aber... er zieht sich wieder zurück. Es ist wie damals. Nur, dass ich dieses Mal nicht sicher bin, ob ich diesen Kampf nochmal kämpfen kann." Kevin setzte sich neben mich, seine Stirn in Falten gelegt. "Nico? Was hat er gemacht?" Ich schüttelte den Kopf und versuchte, meine Gedanken zu sortieren. "Es ist nicht mal so, dass er etwas tut. Es ist mehr das, was er nicht tut. Er distanziert sich wieder, als ob er Angst hat, mir zu nahe zu kommen. Und ich... ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalten kann." Kevin seufzte und lehnte sich zurück, die Hände in den Nacken gelegt. "Das klingt nach Nico. Er ist so ein verdammter Idiot manchmal. Aber ich weiß, dass er dich liebt, Nia. Ich hab's gesehen. Nach dem Konzert... und auch jetzt noch. Er ist nur... kompliziert." "Kompliziert?" Ich lachte bitter und wischte erneut über meine Augen. "Das ist eine nette Art, es auszudrücken. Aber es fühlt sich an, als wäre er nicht nur kompliziert, sondern unfähig, mit mir wirklich glücklich zu sein. Und ich weiß nicht, ob ich das noch länger durchstehen kann. Nach allem... nach der Trennung, den Jahren, die ich in den USA war, und nach diesem Streit neulich..." Kevin musterte mich und griff nach meiner Hand. "Du hast dir schon so lange Gedanken über ihn gemacht, Nia. Es ist kein Wunder, dass du erschöpft bist. Aber du musst für dich selbst entscheiden, ob du weitermachen willst. Ich kann dir nicht sagen, was richtig ist." Ich nickte stumm, wusste aber, dass ich noch nicht fertig war. Es gab noch jemanden, mit dem ich reden musste. Jemanden, der Nico noch besser verstand als Kevin und jemand der mich besser kannte als Kevin.
~Bei David~
Als ich bei David ankam, klopfte ich zögerlich an seine Tür. Er wusste von allem – von meiner Vergangenheit mit Nico, dem, was beim Konzert passiert war, und dem Kuss. Und doch fühlte ich mich unsicher, ob ich mich ihm wirklich anvertrauen sollte. Er war schließlich mein Bruder, und die Situation war so verworren. David öffnete die Tür und sah mich sofort besorgt an. "Nia? Was ist los?" "Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll, David." Ich fiel ihm direkt in die Arme, und er umarmte mich fest. "Ich liebe ihn noch, aber ich weiß nicht, ob ich das durchhalte." "Hey, hey", murmelte er, während er mich in seine Wohnung führte und auf die Couch setzte. "Langsam. Erzähl mir, was passiert ist." "Er zieht sich wieder zurück", begann ich. "Nach all dem, was passiert ist, nach dem Kuss und allem... er schiebt mich wieder weg. Es ist, als würde er sich davor fürchten, uns wirklich eine Chance zu geben. Und ich weiß nicht, ob ich diesen Kampf nochmal führen will. Ich liebe ihn, Dave, aber... ich bin müde. Nach all den Jahren... ich weiß nicht, ob ich das noch kann." David seufzte und lehnte sich zurück. "Nico war schon immer jemand, der sich selbst im Weg steht. Aber ich weiß, dass er dich liebt. Ich sehe es, jedes Mal, wenn ihr zusammen seid. Er hat nur Angst, denke ich. Angst, dir nicht gerecht zu werden." "Aber warum kann er das nicht einfach sagen?" fragte ich verzweifelt. "Warum kann er nicht einfach ehrlich zu mir sein, statt mich immer wieder von sich zu stoßen?" David legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mich ernst an. "Weil er nicht weiß, wie er mit seinen Gefühlen umgehen soll. Aber du musst für dich entscheiden, ob du weiterkämpfen willst. Es ist deine Entscheidung, Nia. Du musst wissen, ob es dir das wert ist." Ich schloss die Augen und ließ die Worte auf mich wirken. Es war meine Entscheidung, das wusste ich. Aber gerade fühlte es sich an, als ob ich zwischen Liebe und Selbstschutz wählen müsste. Und ich wusste nicht, was schwerer wog.
Nachdem ich das Gespräch mit David beendet hatte, ging ich zurück in meine Wohnung. Seine Worte hallten immer noch in meinem Kopf wider. "Du musst wissen, ob es dir das wert ist." Aber was, wenn ich es nicht mehr wusste? Was, wenn meine Liebe zu Nico immer noch stark war, aber meine Kraft, um ihn zu kämpfen, zu Ende ging? Ich fühlte mich leer, ausgelaugt. Jeder Versuch, ihn zu erreichen, war gescheitert. Egal, wie sehr ich ihn liebte, ich konnte nicht länger gegen diese unsichtbare Mauer ankämpfen, die er um sich herum errichtet hatte. Trotzdem konnte ich ihn nicht einfach loslassen, ohne ihm ein letztes Mal zu zeigen, was ich wirklich fühlte. Als ich in meinem Zimmer saß, griff ich nach meinem Notizbuch und begann, Worte niederzuschreiben. Die Zeilen flossen fast von selbst aus mir heraus, als ob mein Herz schon die ganze Zeit wusste, was es sagen wollte, aber nie die richtigen Worte fand. Ich schrieb über die Liebe zu einem Mann, der sie zwar erwiderte, aber sich nicht traute, diese Liebe zu leben. Über den Schmerz, immer wieder vor verschlossenen Türen zu stehen, und die Müdigkeit, immer kämpfen zu müssen, obwohl man nichts anderes will, als in seinen Armen zu sein. Die Melodie kam ganz von allein. Es war eine sanfte, traurige Melodie, die genau das widerspiegelte, was in mir vorging. In jeder Note lag die Sehnsucht, die Hoffnung – aber auch die Erkenntnis, dass dieser Kampf zu Ende ging. Zum ersten Mal ließ ich zu, dass die Worte mein Herz öffneten, ganz ohne Fassade.
"I loved you even when you pushed me away, But how long can I keep fighting when you won't stay? I tried to hold on, I tried to be strong, But now I see, I've been fighting too long."
Als ich den Song fertiggeschrieben hatte, schloss ich das Notizbuch und atmete tief durch. Es war, als ob ich all meine Gefühle auf diesen Seiten gebannt hatte, und obwohl es mir schwerfiel, wusste ich, was ich als Nächstes tun musste. Ich schnappte mir meine Gitarre und verließ die Wohnung. Es war spät, und die Straßen waren still, fast menschenleer. Mein Herz pochte in meiner Brust, während ich auf Nicos Wohnung zuging. Die Schritte auf dem Asphalt schienen in der Stille der Nacht lauter zu sein als sonst, als ob die Welt wusste, dass dies ein bedeutender Moment war. Als ich vor seiner Tür stand, setzte ich mich langsam auf den Boden. Ich schloss die Augen, hielt die Gitarre in meinen Händen und ließ meine Finger über die Saiten gleiten. Dann begann ich zu singen. Die Melodie füllte den Flur, meine Stimme war ruhig, aber fest. Es war nicht für ein Publikum gedacht. Es war nur für ihn. Jede Zeile trug die Geschichte unserer Beziehung, den Schmerz und die Liebe, die uns miteinander verbunden hatte. Ich sang über die Kämpfe, die ich geführt hatte, über die Hoffnung, die ich verloren hatte, und über die Liebe, die immer noch in mir brannte, auch wenn ich nicht mehr wusste, wie ich sie festhalten sollte.
"You said you'd protect me by letting me go, But all I ever wanted was for you to show That love isn't easy, but it's worth the fight, But I can't keep chasing you in the dead of the night."
Mit jedem Wort fühlte es sich an, als ob ich ein Stück von mir selbst losließ. Die Last, die ich so lange mit mir herumgetragen hatte, begann sich aufzulösen, während die Musik den Raum erfüllte. Ich wusste nicht, ob er mir zuhörte. Vielleicht war er nicht mal zu Hause. Aber das spielte keine Rolle. Ich wollte ihm nur ein letztes Mal zeigen, was ich fühlte, bevor ich diesen Kampf endgültig losließ.
"I loved you even when you pushed me away, But how long can I keep fighting when you won't stay? I tried to hold on, I tried to be strong, But now I see, I've been fighting too long."
Als der letzte Akkord verklang, saß ich noch einen Moment schweigend da. Die Tränen brannten in meinen Augen, aber ich ließ sie nicht fallen. Ich hatte schon genug geweint. Jetzt fühlte es sich an, als wäre alles gesagt, alles getan. Langsam stand ich auf, ließ meine Finger noch einmal über die Saiten gleiten, und atmete tief durch. Ich schaute auf die Tür, hinter der Nico wahrscheinlich saß. Dann drehte ich mich um und ging. Die Nacht war unruhig gewesen. Ich hatte kaum geschlafen, meine Gedanken kreisten unaufhörlich um das, was passiert war. Ich fragte mich, ob er den Song gehört hatte. Ob er verstanden hatte, was ich ihm sagen wollte. Aber tief in meinem Inneren wusste ich, dass es keine Rolle mehr spielte. Ich hatte alles gegeben. Mehr konnte ich nicht tun. Als die Sonne langsam durch mein Fenster schien, fühlte ich mich erschöpft, aber auch irgendwie erleichtert. Der Druck, der auf mir gelastet hatte, war nicht mehr so schwer. Ich hatte meine Gefühle in Musik verwandelt, sie losgelassen, und jetzt lag es an ihm, was er damit anfangen würde. Egal, wie es ausging – ich hatte meinen Frieden gefunden.
Die Tage nach dem Song vor seiner Tür waren eine emotionale Achterbahnfahrt für mich. Ich hatte den Song für ihn gesungen, ihn meine Seele spüren lassen, und doch hatte ich keine Antwort von ihm bekommen. Kein Anruf, keine Nachricht, kein Zeichen. Es war, als hätte ich in ein schwarzes Loch gesungen, und nichts war zurückgekommen. Ich sagte mir, dass ich das hinter mir lassen musste, dass ich meinen Frieden gefunden hatte, aber tief in mir wusste ich, dass ich noch immer auf eine Reaktion hoffte. Doch dann kam die Nachricht. Es war ein Video, geschickt von Kevin. "Du musst dir das ansehen," lautete die kurze Notiz, die er dazu geschrieben hatte. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich den Play-Button drückte. Das Video zeigte die Bühne bei einem Konzert der Jungs. Die Menge tobte, jubelte, und Kevin sprang wie immer energiegeladen über die Bühne. Aber es war Nico, der meine ganze Aufmerksamkeit hatte. Er stand in der Mitte der Bühne, seine Hand um das Mikrofon gekrallt, als würde es ihm Halt geben. Seine Augen waren auf den Boden gerichtet, und ich konnte die Anspannung in seiner Haltung spüren. Dann hob er den Blick und sah direkt in die Kamera, als würde er mich durch den Bildschirm hindurch ansehen. "Bevor wir weitermachen, muss ich euch etwas sagen," begann er, und seine Stimme klang rau, fast brüchig. "Ich... Ich habe jemanden verletzt. Jemanden, den ich wirklich liebe. Jemanden, den ich immer wieder von mir gestoßen habe, weil ich dachte, es wäre das Richtige. Weil ich Angst hatte." Die Menge verstummte. Es war, als würden alle gleichzeitig den Atem anhalten, während sie auf seine Worte warteten. "Und... ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Große Fehler." Er schloss die Augen und atmete tief durch. "Ich habe diese Person immer wieder weggeschickt, obwohl sie mir so viel bedeutet. Ich habe mich in mein eigenes verdammtes Image als 'Fuckboi' geflüchtet, weil ich dachte, das wäre einfacher. Aber es war falsch. Sie verdient so viel mehr." Mein Herz hämmerte in meiner Brust, als ich realisierte, wovon er sprach – von uns. "Dieser Song, den wir gleich spielen, 'Fuckboi'," fuhr er fort, "der... der Song war mein Weg, mit der Scheiße klarzukommen, die ich angestellt habe. Es war mein Versuch, das zu verarbeiten, was ich kaputt gemacht habe. Aber er ist auch meine Entschuldigung an sie. Und vielleicht mein letzter Versuch, ihr zu zeigen, dass ich es jetzt endlich begriffen habe." Die ersten Akkorde von "Fuckboi" erklangen, und Nicos Stimme setzte ein. Doch dieses Mal klang der Song anders. Er war rauer, roher, fast flehend, als ob er die Worte direkt aus seinem Herzen sang. Ich konnte sehen, wie ihm jede Zeile alles abverlangte. Und als der letzte Ton verklang, stand er da, die Augen fest geschlossen, als ob er nicht wagte, in die Menge zu sehen. Ich saß da, starrte auf den Bildschirm, während Tränen über meine Wangen liefen. Es war das, worauf ich so lange gewartet hatte. Die Entschuldigung, die Reue, die Erkenntnis, dass er mich nicht nur verletzt hatte, sondern dass er bereit war, sich dem zu stellen. Ohne lange nachzudenken, schnappte ich mir meine Jacke und stürmte aus der Tür.
Als ich vor Nicos Wohnungstür stand, fühlte es sich an, als wäre es wieder wie damals. Nur dass dieses Mal alles anders war. Ich hatte das Video gesehen. Ich hatte gehört, was er gesagt hatte, und ich hatte gespürt, dass es echt war. Ich klopfte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Tür geöffnet wurde. Nico stand da, sichtlich überrascht, mich zu sehen. Seine Augen waren rot, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen, und seine Haare waren zerzaust. Er sah aus, als hätte er mit sich selbst gekämpft – und verloren. "Nia," flüsterte er, als er mich ansah, seine Stimme leise und unsicher. "Ich hab das Video gesehen," sagte ich, ohne Zeit zu verlieren. "Ich weiß, was du auf der Bühne gesagt hast. Über mich, über uns." Er nickte stumm, als ob er nicht wusste, was er sagen sollte. "Weißt du, Nico," begann ich und spürte, wie all die aufgestauten Gefühle in mir hochkamen, "ich bin kaputt. Von allem. Von den Jahren, in denen wir getrennt waren. Von all den Kämpfen, die ich geführt habe, um uns eine Chance zu geben. Und von dir. Jedes Mal, wenn du mich weggestoßen hast, hat es ein Stück von mir zerstört." Er schloss die Augen und ließ den Kopf hängen, als ob er diese Worte schon erwartet hatte. "Aber ich bin hier, weil ich wissen will, ob wir nicht einfach von vorne anfangen können. Von null. Ohne all die Vergangenheit, ohne die Kämpfe. Einfach nur wir." Er sah mich an, und in seinen Augen lag so viel Schmerz, dass ich kaum hinsehen konnte. "Nia... ich... ich weiß nicht, ob ich das verdiene," murmelte er. "Nach allem, was ich dir angetan habe..." "Es geht nicht darum, ob du es verdienst," unterbrach ich ihn scharf. "Es geht darum, ob du es willst. Ob du bereit bist, endlich den Kampf aufzugeben und mich nicht mehr von dir zu stoßen. Ob du bereit bist, mit mir neu anzufangen." Für einen Moment herrschte Stille. Dann machte Nico einen Schritt auf mich zu, seine Augen fest auf meine gerichtet. "Ich will das, Nia. Ich wollte es die ganze Zeit. Aber ich war zu blind, zu feige, es zuzulassen. Ich habe mich immer wieder hinter diesem 'Fuckboi'-Image versteckt, weil ich Angst hatte, dass ich dir nicht gut genug bin. Dass du jemand Besseren verdienst." "Es gibt niemanden Besseren," flüsterte ich, meine Stimme nun weicher. "Es gab immer nur dich. Aber ich kann diesen Kampf nicht alleine führen. Entweder kämpfen wir zusammen, oder..." "Wir kämpfen zusammen," sagte er sofort, ohne zu zögern. "Dieses Mal... ich lasse dich nicht mehr gehen." Und bevor ich etwas sagen konnte, zog er mich an sich und küsste mich. Es war ein Kuss voller Leidenschaft, aber auch voller Reue und dem Versprechen, dass es dieses Mal anders sein würde. Als er mich losließ, flüsterte er gegen meine Lippen: "Fangen wir von vorne an, okay? Nur du und ich." Ich nickte und legte meine Stirn gegen seine. "Nur wir."
~7234 Wörter~
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