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"Hey, ich bin's. Ich wollte einfach nur mal mit dir reden, denk ich. Über mich. Und dich. Und uns. Du weißt schon, über alles und so. Ich vermisse dich - das ist im Prinzip das, was ich hauptsächlich sagen wollte. Und dass ich dich liebe, schätze ich. Es ist einfach, das zu sagen, wenn du nicht antworten kannst. Wenn du mich nicht verurteilen kannst. Für alles, was ich dir sagen will.

Dafür, dass mir die Küsse immer mehr gefallen haben, als sie sollten. Dafür, dass ich jede Sekunde an dich denke. Dafür, dass ich oft wegen dir geweint habe. Dafür, dass alle es wussten, aber ich dir trotzdem nicht sagen konnte, wofür es jetzt zu spät ist. Und wegen der Dinge, die ich mit dir erleben will. Ich will mit dir zusammen sein, zusammenziehen, dich heiraten, Kinder mit dir aufziehen, mit dir mein Leben verbringen und gemeinsam alt werden. Ich will mit dir Wolken und Sterne beobachten und spazieren gehen, zu jeder Zeit. Ich will mit dir Sachen machen, die ich mit niemandem sonst machen würde, weil sie so unfassbar kitschig sind und so gar nicht zu mir passen.

Ich weiß, dass das nicht geht, weil du nicht mehr zurückkommst. Ich weiß, dass meine Hoffnung vergebens ist, aber ich kann nicht aufhören, mir all diese Dinge und dich zurück zu wünschen. All das wird nie passieren, weil du tot bist. Das weiß ich. Aber ich will es nicht, weil ich dich liebe."

Es begann zu regnen und ich sah den Regentropfen zu, wie sie an seinem Grabstein runterflossen. Manchmal hatte ich das Gefühl, er stünde neben mir. So wie jetzt. "Ich vermisse dich auch", hörte ich seine Stimme. Es lag vermutlich an den Mushrooms, aber trotzdem tat es gut, seine Anwesenheit mal wieder zu spüren. "Kommst du wieder?", flüsterte ich, obwohl ich die Antwort schon kannte. "Nein, kann ich nicht." "Und was, wenn ich zu dir komme?", fragte ich leise und strich mir eine nasse Strähne von der Stirn. "Nein, tu' das bitte nicht. Ich brauch' dich noch nicht bei mir. Bleib noch ein bisschen da, wo du jetzt bist. Da bist du gut aufgehoben, da hast Leute, die dir gut tun. Ich habe dir nicht gut getan, das mit uns hat dir nicht gut getan und das wissen wir beide. Werde ohne mich glücklich, mit unseren Freunden und irgendwem, der dich so nimmt, wie du bist. So bist du gut, änder dich bitte für niemanden, ja? So wie du bist, warst du für mich immer perfekt." Ich lächelte. Einerseits wusste ich natürlich, dass ich mir das alles nur einbildete und es nur das war, was ich hören wollte. Aber andererseits war der Gedanke tröstend, dass er an meiner Seite wäre und mich aufbauen würde. "Danke. Das bedeutet mir viel." Ich verließ sein Grab mit einem letzten Blick auf seinen eingravierten Namen.

"Warst du wieder bei ihm?"
"Ja."
"Sah das Grab anders aus?"
"Seine Schwester hat frische Blumen hingelegt."
"Du vermisst ihn immer noch sehr, oder?"
"Ich liebe ihn, natürlich vermisse ich ihn."
"Kannst du mir was versprechen?"
"Was denn?"
"Tu dir nichts."
"Warum liegt dir so viel daran?"
"Auch wenn wir es dir nicht immer zeigen, wir sind froh, dich zu haben."
"Freut mich."
"Versprich' es mir."
Ich sah auf den Tisch vor mir.
Eine Flasche Wodka, 16 Pillen.
Sechzehn.
Es würde funktionieren.
"Bitte. Verprich es."
Ein Schluck aus der Flasche, vier Pillen. Es brannte. Und es tat gut.
"Was tust du? ..trinkst du etwas?"
Noch ein Schluck, diesmal ein größerer. Fünf Pillen dazu. Es brannte, es wirkte, es tat gut.
Ich beendete den Anruf und warf mein Handy an die Wand, woher meine plötzliche Wut kam, wusste ich nicht. Brennende Wut.
Ich wurde wütend auf Tyler, weil er mich angerufen hatte.
Ich wurde wütend auf Luca, weil er gestorben war.
Weil er mich alleine gelassen hatte.
Weil er mich zurück gelassen hatte.
"Komm zurück!", schrie ich und warf die Flasche an die Wand, die klare Flüssigkeit floss langsam an ihr herunter, als das Glas zerbrach.
"Ich bin hier." Ich sah auf. Er stand vor mir und lächelte mich traurig an. Er war so detailliert und wunderschön, beinahe hätte ich geglaubt, es wäre real.
Ich schluckte die restlichen Pillen trocken, verschluckte mich kurz und merkte, wie mein Hals trocken wurde.
"Was tust du?", fragte er besorgt und kam auf mich zu.
Tränen stiegen in meine Augen und ich lächelte Luca an.
"Ich komme zu dir", antwortete ich.
Meine Sicht wurde verschwommen, mein Hals wurde trockener.
"Ich hab' dir doch gesagt, du sollst noch nicht zu mir kommen", mahnte er und sah mich verzweifelt an.
"Aber ich vermisse dich doch so", flüsterte ich und begann, heftiger zu weinen.
"Ich bin immer bei dir, wenn du es willst. Dafür musst du nicht sterben."
Ich sah auf.
"Luca?"
Meine Brust zog sich zusammen.
"Bis gleich."
Ein letzter Atemzug, ein letzter Blick auf Lucas Bild vor meinen Augen.
"Ich liebe dich."

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