37: Maltuel

Ich kenne jeden seiner Atemzüge, nichts an ihm ist fremd. Sind es auch nur so Kleinigkeiten, wie die Bewegung seiner Hand, wenn er seine Brille zurechtrückt; so wie er jetzt tut. Das Geräusch seiner Schritte, wenn er die Treppe runtergeht. Der Klang seiner Stimme, wenn er mit Luisa telefoniert, unwissend, dass ich ihm zuhöre. Ich weiß, wann er aufsteht und ich weiß, wann er einschläft. Ich merke, wenn er traurig ist und ich merke, wenn er glücklich ist. Es gibt wohl niemanden, der dein Leben besser kennt, als ich.

Damals, an heißen Sommertagen, als wir uns vom Bootsteg treiben ließen, beobachtete ich ihn lange, wenn er seine Augen geschlossen hatte. Er merkte es nicht. Er merkte es nie. Keiner merkte etwas. Wir haben uns geschworen, ewig Freund zu bleiben. "Spucke Hand drauf", hatte er gesagt und gelacht. "Ich liebe dich", hatte ich gedacht und gelächelt. Was wäre wohl aus uns geworden, hätte ich es ausgesprochen? Wir waren so jung. Schon damals beste Freunde.

Ich denke an unsere gemeinsamen Jahre.

Jedes Jahr mehr Lügen, jedes Jahr brach mein Lächeln mehr. Die Fassade hielt, dahinter bröckelte es zusammen. Jedes Jahr auf Neue suchte ich die richtigen Worte, fand sie nie. Belog ihn, belog mich. Seine Nähe schmerzte mit jedem Jahr ein Stückchen mehr, weil er weniger in uns sah, als ich. Für mich war er alles, für ihn war ich so gut wie nichts.

Ich erinnere mich an einen Freitag im Sommer, ich wurde 18. Wir trafen uns zum Essen, redeten bis in die Nacht und lebten.

Ich sehe ihn an. Er ist noch genau so wie damals. Er ist ein Träumer, ein Abenteurer und er lacht viel, wenn er erzählt. Er sieht mich an, lächelt, ist mir nah. Näher, als er denkt. Näher, als er weiß. Näher, als er wissen sollte. Seine Nähe bedeutet mir mehr, als sie sollte.

Er steht auf und räumt seinen Teller weg. "Worüber denkst du nach?"

Seine Stimme.

Seine Augen.

Seine Hände.

Sein Geruch.

Seine Nähe.

Sie tut mir weh, weil ich in uns mehr sehe, als wir beide sind.

Er sieht mich fragend an.

Worüber denke ich nach?

Über uns. Über ihn. Über damals. Über heute. Über seine Nähe und das, was zwischen uns ist.

"Über nichts wichtiges."

Deep shit, lasst Meinung da.
ideacloud

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