Neue Chance [2/2]|GxG

Aufgeregt stand ich vor dem Fast Food Restaurant. Nur noch wenige Minuten, dann sollte die Schwarzhaarige erscheinen. Ein Date mit meiner Chefin. Ein Date? Nein, ganz bestimmt nicht. Erst heute Morgen endete meine letzte Beziehung. Bereit für etwas neues war ich noch lange nicht. Und mit meiner Chefin? Ganz bestimmt nicht. Ihr Charakter war einfach nur furchtbar. Wieso sollte ich mich auf jemanden einlassen, der andere, insbesondere mich, ständig nieder machte. All die Schikanen, all das Bloßstellen. Nein, so jemanden wollte ich nicht, nicht als Freund und schon gar nicht als Partner. Ich schüttelte den Kopf. Ein Blick auf meine Handyuhr verriet mir, dass es zwei Minuten vor der vereinbarten Zeit war. Was machte ich eigentlich hier? Nur weil sie mir vorhin Trost gespendet hatte, hieß dies noch lange nicht, dass die eben genannten Tatsachen hinfällig waren. Ich sollte schleunigst verschwinden bevor meine Chefin hier erschien. Ein letztes Mal schaute ich mich nach ihr um, dieses Mal in der Hoffnung dass sie noch nicht da war, nur um die Schwarzhaarige am Ende des Parkplatzes zu erblicken. Mein Herz sank in meine Hose. Für eine Flucht war es zu spät, sie hatte mich bereits entdeckt und winkte mir freudig zu. Mit einem erzwungenen Lächeln winkte ich zurück. "Was ein Zufall, dass wir uns an Weihnachten vor einem Fast Food Restaurant treffen", sagte meine Chefin, als sie bei mir angekommen war. "Ja, was ein Zufall", murmelte ich. Wirklich mitspielen wollte ich nicht. "Wenn wir beide schon hier sind, können wir ja auch zusammen essen oder wartest du auf jemanden?" Gezwungen lächelte ich mein Gegenüber an. "Nein, ich wollte selber gerade reingehen und mir etwas bestellen."
"Wie passend." Die Schwarzhaarige öffnete die Tür. "Nach dir." Noch einmal holte ich tief Luft, dann schritt ich durch die Tür. Ab jetzt gab es kein Zurück mehr. Drinnen war es angenehm warm. Nur wenige Tische waren belegt und das meistens mit Einzelpersonen. "Weißt du was du willst?" Ich nickte. "Den vegetarischen Burger als Menü." Die Schwarzhaarige nickte und trat an den Tresen. "Zwei vegetarische Burger als Menü bitte."
"Mit Ketchup?" Meine Chefin blickte zu mir rüber. "Ja, bitte." Die Schwarzhaarige drehte zurück zum Tresen. "Sehr gerne." Bevor ich es richtig realisiert hatte, hatte meine Chefin bereits die Bestellung abgeschlossen und bezahlt. "Der Tisch da hinten bei den Fenstern ist doch schön, wollen wir uns dort hinsetzen?" Die Schwarzhaarige deutete auf mit dem Tablett in den Händen auf einen Tisch in einer Ecke. Ich nickte. Wir setzten uns gegenüber von einander, wobei sie die Fensterfront im Rücken hatte. "Wieso hast du für mich mit bezahlt?"
"Wieso nicht?" Mein Gegenüber zwinkerte mir zu. Was sollte das? "Ich gebe dir das Geld zurück." Ich kramte in meiner Tasche. "Lass uns erstmal essen, danach kannst du mir das Geld immer noch zurück geben." Misstrauisch blickte ich zu ihr auf. Was hatte sie vor. "Komm, iss. Das Essen schmeckt besser solange es warm ist." Meine Chefin packte ihren Burger aus. Zögerlich folgte ich ihrem Beispiel. Ich nahm den ersten Bissen der fettigen Mahlzeit. Die Schwarzhaarige hatte heute Vormittag recht gehabt. Fast Food ließ einen besser fühlen wenn man sich am Boden befand. Hastig aß ich einen Bissen nach dem anderen. Einfach alles für einen kurzen Moment vergessen. Ich nahm einen großen Schluck von meiner Cola. Meine zerstörte Beziehung. Ich aß ein paar Pommes. Meine Arbeit. Ich nahm einen weiteren Bissen vom Burger. Meine mich drangsalierenden Kollegen. Ich aß den nächsten Bissen vom Burger. Meine Chefin. Ich biss beherzigt in den Burger. Die wollte ich besonders vergessen. Mittlerweile war ich mir nicht mehr sicher was ich schlimmer finden sollte: meine Chefin, die mich immer nieder gemacht hatte und nun freundlich zu mir war oder meine gescheiterte Beziehung. Ich beobachtete die Schwarzhaarige, welche gemütlich ihr Menü verspeiste. "Warum sind Sie plötzlich nett zu mir?" Überrascht blickte meine Chefin mich an. "Ich dachte wir wären bereits beim Du. Wenn nicht, dann jetzt: ich bin Kaja." Sie hielt mir ihre Hand hin. Ich hielt inne. Wollte ich auf diese Ebene? Ich nahm noch einen weiteren Bissen von meinem Burger. Nachdenklich kaute ich, dann ergriff ich ihre Hand. "Mira." Mein Gegenüber lächelte. "Verbringst du diese Weihnachten alleine?" Ich nickte. "Meine Eltern sind im Urlaub und meine eigentlichen Pläne sind heute Morgen abgehauen." Bei dem Gedanken wurde ich wieder traurig. "Ich bin Weihnachten auch alleine. Eine feste Freundin hatte ich noch nie." Ich nickte abwesend. Ich nahm einen Schluck von meiner Cola. Plötzlich fiel mir auf, dass die Schwarzhaarige meine Frage nicht beantwortet hatte. "Warum bist nett zu mir?"
"Wenn wir beide Weihnachten alleine sind können wir die Festtage gemeinsam verbringen, dann sind wir beide nicht alleine." Ich kniff meine Augen leicht zusammen. "Du hat meine Frage nicht beantwortet: warum bist du plötzlich nett zu mir?" Mein Gegenüber seufzte. "Wie ich heute Vormittag sagte: ich mag es nicht schöne Frauen weinen zu sehen. Reicht dir das als Antwort?"
"Nein." Ich war noch lange nicht zu frieden. Erneut seufzte die Schwarzhaarige. "Die Antwort wird dir nicht gefallen." Abwartend schaute ich sie an. "Ich habe gefallen an dir gefunden." Überrascht blickte ich Kaja an. "Ich fand dich interessant von dem Moment an als wir einander, damals noch als Kolleginnen, vorgestellt wurden. Durch Zufall sah ich dich und deine nun Exfreundin. Einerseits stieg dadurch mein Interesse an dir, andererseits versuchte ich mich von dir zu distanzieren, schließlich warst du bereits in einer Beziehung. Als ich dann zur Chefin der Abteilung, zu deiner Chefin, beförderte wurde, wusste ich mir nicht anders zu helfen als dich schlecht zu behandeln um mir selber einzureden, dass ich nichts für dich empfinden konnte. Ich weiß, keine gute und vor allem keine faire Taktik." Die Schwarzhaarige machte eine Pause. "Selbstverständlich brachte die Methode nicht den gewünschten Effekt. Meine Gefühle wuchsen eher weiter und zu allem Überfluss fingen die Kollegen ebenfalls an dich abwertend zu behandeln. Jedes Mal wenn du traurig am Schreibtisch saßt weil die Kollegen oder ich dich nieder gemacht hatten, brach es mir das Herz. Anstatt mich zu ändern wurden meine Worte nur noch verletzender." Voller Reue blickte sie mich an. Ich zeigte keine Reaktion. "Das deine Freundin dich verlassen hat tut mir wirklich leid, aber ein kein wenig hat es auch Hoffnung in mir entflammt." Kaja begann ihre Sachen zusammen zu packen. "Ich bin ein schlechter Mensch, ich weiß." Sie erhob sich. "Mir tut es leid, wirklich. Die letzten eineinhalb Jahre sind nicht mehr gut zu machen." Die Schwarzhaarige lächelte mich traurig an. "Ich werde dafür sorgen, dass du in eine andere Filiale versetzt wirst, eine in der du die Anerkennung bekommst die du verdienst." Ihre Augen waren glasig. "Lebe wohl." Weg war sie. Geschockt saß ich auf meinem Stuhl. All die Informationen auf einmal waren zu viel. Erst langsam, Stück für Stück realisierte ich die Bedeutung ihre Worte. Sie hatte Gefühle für mich. Ich lachte. Eine wirklich komische Art ihre Gefühle auszudrücken. Ich wusste nicht ob ich lachen oder weinen sollte. "Mein Arbeitsleben wurde zur Hölle nur weil du deine Gefühle nicht richtig mit deinen Gefühlen umgehen konntest." Wieder lachte ich. "Du bist echt das Letzte." Ich schaute aus dem Fenster. In der Ferne konnte ich die Silhouette der Schwarzhaarigen erkennen. Wenn ich jetzt los rannte, dann konnte ich sie noch einholen. 'Ich werde dafür sorgen, dass du in eine andere Filiale versetzt wirst ... lebe wohl', halten ihre letzten Worte in meinem Kopf nach. Sie wollte gehen. Ich sprang auf. Sie wollte einfach aus meinem Leben verschwinden. Hastig griff ich meine Sachen und rannte los. Zum Anziehen war keine Zeit. Wie konnte sie es nur wagen mein Leben zu zerstören und dann einfach zu verschwinden. "Kaja, warte!", schrie ich draußen, doch die Schwarzhaarige war bereits zu weit entfernt, sie hörte mich nicht. Ich rannte los. Wenn sie mir schon von all dem erzählte, dann sollte sie auch dazustehen und nicht vor der Verantwortung davon rennen. "Kaja!", schrie ich erneut. Die Schwarzhaarige drehte sich ruckartig um. Sie hatte mich gehörig. "Warte auf mich!" Tatsächlich blieb sie stehen. Außer Atem kam ich bei ihr an. "Du kannst nicht einfach..." ich rang nach Luft "...abhauen. Übernehme Verantwortung."
"Das tue ich doch? Ich gebe dir einen neuen Arbeitsplatz, einen Neuanfang." Ich schüttelte den Kopf. "Persönlich." Noch immer rang ich nach Luft. Die eisige Winterluft erfüllte meine Lungen. "Ich will nicht, dass du aus..." wieder musste ich mich unterbrechen um Luft zu holen. "...meinem Leben verschwindest, bis ich dir vergeben habe." Die Schwarzhaarige schwieg für einen Moment, dann fragte sie: "wird das jemals sein?" Ein leichtes Grinsen schlich sich auf meine Lippen. "Nein, vielleicht nie." Kaja lächelte schwach. Sie trat näher an mich heran, nahm mir meinen Mantel ab und hielt ihn mir hin. "Ziehe dir erstmal deine Jacke an, sonst erkältest du dich noch und es gäbe eine weitere Sache, die du mir nicht vergeben könntest."
"Vielleicht sollte ich eine Liste schreiben." Wir lachten beide. Kaja setzte mir meine Mütze auf. "Wollen wir zu mir oder zu dir?"
"Zu dir."

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