Hummingbird Bakery
Hier ist der Niall Oneshot, den sich Ambi63 gewünscht hat.
Viel Spaß Merliwa
Mich von meiner Nervosität und inneren Unruhe ablenkend, habe ich mich heute besonders in meine Unterlagen vertieft. In Gedanken bei dem was auf dem Papier vor mir steht und mich in die Welt des jungen Menschen versinken lässt, der diese Geschichte geschrieben hat, bemerke ich nicht wie Mary das Büro betritt. Mir gefällt die Arbeit als Lektor in dem kleinen Verlag, in dem ich vor zwei Monaten zu arbeiten begonnen habe. Ich liebe es, wenn junge Neuautoren ihre Gedanken und Gefühle in Worte fassen, Geschichten erfinden und ihrer Phantasie freien Lauf lassen. Dies zu lesen ist aufregend und es gefällt mir sie in ihrem Werden zu unterstützen.
„Mr. Horan, es ist 16.30. Ich gehe nach Hause. Brauchen Sie noch etwas?"
Erschrocken hebe ich den Kopf: „Schon so spät. Nein, Mary, ich brauche nichts mehr. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend"
Blitzschnell bin ich wieder in der Realität angekommen, realisiere, dass ich in meinem Büro befinde und genauso schnell sind meine Gedanken wieder bei meinen Plänen für heute. Sofort spüre ich das Pulsieren meines Herzschlages bis zum Hals. Ich bin aufgeregt. Dass Mary sich verabschiedet, höre ich schon gar nicht mehr richtig. Es ist schon so spät. Ich habe ganz die Zeit übersehen, genauer gesagt, ist es mir erfolgreich gelungen mich abzulenken, um nicht vor Nervosität zu platzen bei dem Gedanken daran, was ich mir für heute vorgenommen habe. Heute will ich es tun.
Nervös raffe ich die Unterlagen zusammen und packe sie mit den Büchern und Stiften in meine Tasche. Ich schließe den Laptop, schlüpfe in meine Jacke und mache mich auf den Weg. In meiner Aufregung jedoch beginne ich nervös zu schusseln und so muss ich am Eingang noch einmal umdrehen, weil ich vergessen habe, die Tür abzuschließen. Also durchatmen, nachdenken. Habe ich alles? Hausschlüssel, Portmonee... Jetzt muss ich mich aber wirklich beeilen, aber nicht um schnell die Bahn nach Hause zu erwischen, nein, seit ein paar Wochen habe ich einen ganz anderen Fixpunkt zu dem ich so schnell wie möglich kommen will. Heute ist der Tag. Ich habe mir etwas ganz Besonderes vorgenommen. Heute werde ich all meinen Mut zusammen nehmen und es tun.
Hastig eile ich zu meinem Ziel und so komme ich zwar außer Atem aber noch rechtzeitig in der Hummingbird Bakery in South Kensingston an.
Mary hatte einige Monate zuvor gemeint, ich müsste die einzigartige Auswahl an süßen Spezialitäten dort unbedingt ausprobieren. Vermutlich hatte sie meine Leidenschaft nach köstlichen Leckereien schon erkannt und so ließ ich mir diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen. Ich war von dem netten Ambiente sofort angetan und die kleinen Tischchen vor dem Eingang luden wirklich ein den Tag bei einer Tasse Kaffee und einem leckeren Stück Kuchen ausklingen zu lassen. So setzte ich mich das erste Mal mit meinem Caramel Cappuccino und mit meinem Double-chocolate-Muffin an einen kleinen Tisch vor das Lokal und ließ den Blick in die Gegend schweifen. Noch ganz neu in der Stadt nahm ich die Eindrücke noch intensiver wahr. Alles war neu und ungewohnt und ich genoss es einfach dazusitzen, den Menschen um mich zuzuschauen und so in die Atmosphäre einzutauchen, die mich umgab. Vielleicht ist es meine Arbeit, vielleicht bin es einfach ich, aber es ist mir ein Leichtes meiner Phantasie freien Lauf zu lassen und mir zu überlegen, welche Geschichte sich wohl hinter den Gesichtern verbirgt, was die Menschen wohl heute erlebt haben und wohin sie ihr Weg noch führen würde. Dies verbunden mit einer köstlichen, süßen Verführung und angenehmer Musik führte dazu, dass die Humminbird Bakery zu einem täglichen Fixpunkt nach der Arbeit wurde.
Ich erinnere mich, dass ich erstaunt war, als ich das erste Mal beobachtete, wie ein älterer Herr einen Klappstuhl neben die Telefonzelle stellte und seine Gitarre auspackte. Er hatte nicht das typische Aussehen eines Straßenmusikanten mit seiner ordentlich gebügelten Leinenhose und der Tweetjacke. Trotzdem setzte er sich an diesen auch nicht wirklich geeigneten Platz für Straßenmusik und begann auf seiner Gitarre zu spielen. Verwundert beobachtete ich ihn und ich war fasziniert von der sanften Musik, die er ganz in sich selbst versunken auf seinem Instrument erklingen ließ.
Inspiriert von den Klängen nahm ich oft mein Notizbuch aus der Tasche und versuchte Worte dazu zu finden, die die Gefühle beschrieben, die durch die Musik lebendig wurden. Ja, hier war die Geburtsstunde meiner Leidenschaft selbst Lieder zu schreiben und zu versuchen Texte mit Musik zu untermalen oder Melodien mit Worten zu verbinden. Diese beiden Ausdrucksmittel zusammen hatten die einzigartige Möglichkeit Menschen in ganz besonderer Weise zu erreichen und das gefällt mir. Ich hatte bereits mit elf Jahren gelernt Gitarre zu spielen und durch das Spiel des alten Mannes wurde Musik, Lieder, Singen wieder ein Teil in meinem Leben.
Hummingbird Bakery wurde zu meinem sozialen Treffpunkt. Ich lernte die Leute kennen und traf mich mit meinen Freunden dort. Lucy, die Ladenbesitzerin wurde mir eine liebe Freundin und eines Tages bat ich sie, mir die Geschichte zu erzählen, die den alten Mann jeden Tag zu dieser Telefonzelle führte und ihn Gitarre spielen ließ. Es war eine Liebesgeschichte, so erzählte sie mir. Hier an dieser Telefonzelle hatte er seine Frau kennengelernt und im Laufe der Jahre wurde dies der Ort, wo sie sich immer wieder trafen, sie sich ihre Liebe gestanden und er ihr einen Heiratsantrag machte. Sie sei vor einiger Zeit gestorben und seitdem kam er jeden Tag, um ihr hier ihre liebsten Lieder zu spielen in der Gewissheit, dass sie sie hören konnte.
War dies nicht ein wundervolles Zeichen der Liebe?
Das ist aber nicht der Grund warum ich heute so nervös mit meinem Vorhaben zur Bakery eile. Ich bestelle meinen Cappuccino und setze mich an meinen gewohnten Tisch. Mein Herz schlägt bis zum Hals und ich verspüre ein leichtes Ziehen in meiner Magengegend. Ich bin noch nicht zu spät und eindeutig aufgeregt. Harry ist auch noch nicht da. Er wollte sich hier mit mir treffen um mich tatkräftig zu unterstützen, damit ich nicht kneife.
Gleich wird sie kommen.
Als ich sie das erste Mal gesehen hatte, fiel sie mir in ihrem kobaltblauen Mantel und dem auffallenden Schmetterlingsschal sofort auf, aber es war nicht ihr äußerer Eindruck der mein Herz höher schlagen ließ. Es war die Art und Weise wie sie vor dem alten Mann stehen blieb, schweigend, ohne sich zu bewegen, sah sie seinem Spiel zu, nur in ihrem Gesicht zeichnete sich ab wie sehr sie von der Musik berührt war. Ich konnte den Blick nicht mehr von ihr nehmen. Ich war fasziniert von dem, was ich da sah. Da schien es etwas in ihr zu geben, das mir so vertraut war. Etwas das ich so gut kannte. Wenn die Musik zu deinen Ohren drang, es aber nicht die Töne waren die du hörtest, sondern der tiefere Klang der Botschaft, die in der Melodie mitschwingt und dein Herz erreicht. Wenn du die Emotionen spürst, die über das Instrument vom Musikanten zu dir getragen wird und eine Verbindung zwischen Musikanten und dem Zuhörer entsteht, eine ganz besondere Kommunikation auf einer Ebene wo es keine Worte braucht.
Von diesem Tag an wartete ich darauf, dass sie die Straße entlang kam und bei dem Straßenmusikanten stehenblieb, nichts ahnend, dass ich ein paar Meter weiter an dem kleinen Tischchen saß und darauf wartete ihr zuzusehen, wie sie sich von den Klängen der Gitarre berühren ließ. Sie blieb stehen, lächelte und es war als würden die beiden in eine eigene Welt versinken, als würde hier ein Dialog der Herzen stattfinden, der nur über das Spiel der Töne und das Zuhören zu einem tieferen Verständnis des anderen führte und ich durfte es miterleben. Und mit jedem Mal begann mein Herz mehr für diese Frau zu schlagen.
Viele Male wollte ich sie ansprechen, aber nie fand ich den Mut. Immer wieder malte ich mir aus, was ich sagen könnte, nahm es mir ganz fest vor, um dann mit dem „Morgen" in meinem Kopf doch sitzen zu bleiben.
Diesmal aber nicht. Ich hatte mir selbst ein Ultimatum gestellt und nun ist der Tag gekommen. Ich sitze da, blicke auf die Uhr, zehn Sekunden später wieder und meine Nervosität steigt an. Ja, ich werde sie heute ansprechen. Ich werde mich trauen, den Mut finden, aufzustehen und zu ihr zu gehen. Wie wird sie reagieren?
In der Aufregung vergeht die Zeit scheinbar langsamer oder ist sie spät dran? Sollte sie nicht kommen? Dann hätte ich meine Chance verpasst. Ängstlich beginne ich Gedanken in meinem Kopf zu spinnen, was denn nun wäre, wenn ich sie nie wieder sehen würde. Ich kenne weder ihren Namen, noch woher sie kommt und wohin sie geht. Ich würde ewig damit hadern müssen, nicht zu wissen, ob mit ihr, meine Chance auf die Liebe meines Lebens gegangen ist.
„Sie ist spät dran, oder? Möchtest du noch etwas, Niall?" Lucy kommt zu mir und reißt mich aus meinen Gedanken. „ Heute ist dein großer Tag", lächelt sie mir zu.
„Was ist, wenn sie nicht kommt, wenn es das gewesen ist und ich sie nie wieder sehe?" In diesem Moment setzt sich Harry zu mir an den Tisch. Er ist da. Er wird mich etwas beruhigen können. „Sie kommt nicht", sage ich statt einer Begrüßung und Harry legt nur wissend eine Hand auf meine Schulter.
„Sie wird kommen, da bin ich ganz sicher." Harry wohnt im selben Haus wie ich und ich habe ihn im Treppenhaus kennengelernt, als er mir die Hummingbird Bakery Cupcakes abnahm, damit ich die Post aus dem Briefkasten nehmen konnte. Ich lud ihn darauf auf eine Verkostung der Leckereien ein, die wir fortan in der Bakery fortsetzten. Es war unumgänglich, dass er mitbekam, wie sehr mich die junge Frau gefangen nahm und mich jeden Tag noch ein bisschen mehr zum Schmelzen brachte. Unzählige Male hatte er miterlebt, wie ich auf sie zugehen wollte um dann doch wieder einen Rückzieher zu machen.
Aber heute nicht.
So sitze ich nun hier an diesem Tischchen mit meine zwei besten Freunden, immer nervöser werdend, ob sie nun kommt oder nicht?
„Niall, schau mal, sie kommt", stupst Harry mich an, „jetzt geh schon."
Mit zittrigen Beinen stehe ich auf, gehe zu dem alten Mann und stelle mich neben die Frau mit dem kobaltblauen Mantel. Sie lächelt mich an und ich sage: „Hey, ich bin Niall."
Sie hebt ihren Kopf und ich sehe zum ersten Mal wirklich in ihre tiefblauen Augen, die mich neugierig anschauen. In ihren Augen spiegelt sich die Farbe ihres Mantels wieder gemischt mit dem Türkis des Meeres und dem zarten Blau des Himmels. Ich bin gefangen von der Wärme, die sie ausstrahlen und muss darauf achten, dass ich sie nicht zu sehr anstarre.
„Ich bin Sarah. Du sitzt immer in der Bakery, oder?" antwortet sie und reicht mir die Hand. Nun bin ich doch etwas verlegen und ich vermute, dass man mir das ansieht. Sie hat mich also auch bemerkt. Dann erzähle ich ihr, dass sie mir schon eine ganze Zeit aufgefallen ist, wie sie der Musik lauscht und auf sich wirken lässt. Eine Weile stehen wir nun gemeinsam und hören dem Gitarrenspiel zu. Ich genieße ihre Gegenwart, direkt neben mir und ich spüre Zufriedenheit in mir, dass ich nun hier stehe und es geschafft habe Sarah anzusprechen, als sie zu mir sagt: „ Niall, möchtest du mich nachhause begleiten?"
Und wie ich möchte. Mit einem Lächeln und Augenzwinkern drehe ich mich kurz zu Harry und Lucy um, dann mache mich an der Seite der Frau mit dem kobaltblauen Mantel auf den Weg.
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