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#1 - larrystylinson
keine ahnung was das für ein glitch war aber :)
Louis
Für den Bruchteil einer Sekunde, ein paar winzige, wunderbare Millisekunden zwischen Schlaf- und Wachzustand, vergaß ich, dass das Bett an der anderen Wand leer war. Als die Erinnerung wieder wie ein Blitz einschlug, saß ich plötzlich aufrecht auf meiner Matratze. Das Zimmer war leer. Ich war allein.
Mit brennenden Augen schälte ich mich aus meiner Decke. Es waren nicht die Tränen, sondern die Müdigkeit. Gestern Abend einzuschlafen war so unmöglich gewesen, wie ich Harrys Techtelmechtel mit Zayn eingestuft hätte. Und doch war es letztendlich passiert. Ein unruhiger Schlaf, der erst zum Morgen hin etwas tiefer geworden war, hatte mich gefunden.
Aber jetzt war ich wieder wach. Ich fühlte mich so leer wie das Zimmer. Ich verdrängte den Gedanken daran, dass ich vor weniger als 24 Stunden noch angenommen hatte, ich würde heute Morgen mit Harry in meinen Armen erwachen, nackt an meiner Seite, der unverwechselbare Geruch von Sex auf seiner Haut.
Unwillkürlich fragte ich mich, ob Harry überhaupt mit mir hatte schlafen wollen. Vielleicht nicht, vielleicht hätte er es nur über sich ergehen lassen, um die Sache mit Zayn überzeugender zu vertuschen. Vielleicht aber auch doch, vielleicht hätte er es genossen, so mit mir zu spielen.
Um ehrlich zu sein, wollte ich nicht wissen, welche von beiden Möglichkeiten stimmte.
Ich zog mich an, ich wollte nicht duschen gehen, auch wenn mich das wahrscheinlich ein wenig wacher gemacht hätte. Aber ich wollte mir kein Handtuch um den sonst nackten Körper binden, in der Erinnerung daran, wie Harry sich so an Zayn gepresst hatte. Ein bisschen Wasser im Gesicht musste reichen.
Also stapfte ich in die Waschräume, die zum Glück leer waren. Ich mied den Anblick meines Spiegelbildes. Die Toilettenspülung war zu laut in meinen Ohren. Ich wusste, dass auch das der Müdigkeit zu verschulden war. Letztendlich war ich einfach froh, dass außer mir niemand hier war. Ich traute meinen Emotionen nicht – weder in Zayns noch in Harrys Gegenwart.
Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich hier im Internat das letzte Mal alleine zum Frühstück gegangen war. Wenn ich nicht Harry an meiner Seite gehabt hatte, hatte Liam mich begleitet. Ich bemühte mich, den Klang meiner einsamen Schritte auf dem Parkett auszublenden. Ich wusste, dass ich nicht alleine hier war. Zayn, Harry, Evelyn und eine Reihe anderes Schulpersonal verbargen sich hinter verschlossenen Türen und ihren individuellen Tagesabläufen. Aber in diesem Moment fühlte ich mich, als wäre ich der einzige innerhalb dieser alten Wände, der Einzige inmitten der fast unberührten, englischen Landschaft. Einsamkeit hatte nichts mit Gesellschaft zu tun. Einsamkeit war die Leere innerhalb des eigenen Kopfes, das Echo der ungestillten, inneren Stimme. Und ich hasste sie so sehr, wie ich gleichzeitig keinem anderen Menschen begegnen wollte. Großartige Kombination.
Der Speisesaal war leer. Zum Glück. Zielstrebig stapfte ich zum Ferienfrühstücksbuffet und häufte so viel Zimt und Sirup über meinen vorgekochten Porridge, dass meine Mutter mich womöglich ein zweites Mal auf ein Internat im Nirgendwo geschickt hätte. Ein Schälchen mit Walnüssen stand bereit. Ich leerte es in meiner Schüssel aus, auf andere Rücksicht zu nehmen, kam mir nicht in den Sinn.
Sogar für mich war der Porridge zu süß. Ich aß vielleicht die Hälfte, pickte die Nüsse heraus und spülte sie mit Tee hinunter. Ich wollte mich übergeben und wusste nicht, ob das am Essen oder der Wahrheit lag, die ich seit gestern kannte.
Als ich hörte, wie die zweiflügelige Tür sich in meinem Rücken öffnete, schloss ich für ein paar Sekunden frustriert die Augen. Ich hatte es nicht geschafft, schnell genug zu essen. Jetzt war Harry hier, oder Zayn. Ich wusste nicht, wer von beiden schlimmer wäre.
Doch, ich wusste es sehr wohl. Harry wäre schlimmer.
»Guten Morgen, Louis!«
Ungläubig schlug ich die Augen auf. Ich drehte mich im Sitzen um. Evelyn, mit ihrem unermüdlichen Lächeln und dem federnden Gang, steuerte auf mich zu, als wären wir alltägliche Frühstückspartner. Erleichterung stand ihr auf die Stirn geschrieben. Ich erwiderte nichts. Dabei war ich verdammt froh, dass es weder Zayn noch Harry waren, von denen ich beim Frühstück gestört wurde.
»Sehr gut, dass ich dich finde! Ich habe Ausschau nach dir gehalten, Louis. Ich hätte eine kleine Bitte an dich.« Ihr Blick fuhr über meine Porridgeschüssel, für den Bruchteil einer Sekunde konnte sie den Grauen in ihrem Blick nicht verstecken, als sie erblickte, wie meine Haferflocken in all dem Sirup schwammen. Ich konnte es ihr nicht übel nehmen.
Aber so nett Evelyn auch ausnahmslos war; ich hatte kein gutes Gefühl wegen ihrer Bitte an mich. Die letzten Male, als sie mich um etwas gebeten hatte, war ich auf ein Geschäftsessen mit meinen Eltern oder dazu gezwungen worden, den Jungen in der Schule herumzuführen, der eine Affäre mit meinem festen Freund beginnen würde. Hervorragende Quote also.
»Letzte Nacht wurde ein gutes Stück Zaun von einigen Wildschweinen demoliert. Mit demoliert meine ich ziemlich in Mitleidenschaft gezogen. Du warst im Februar hervorragend mit den Frostschäden, Louis. Du wärst eine riesige Hilfe. Zayn und Harry sind schon an der Arbeit und helfen. Aber du würdest das Ganze definitiv stark beschleunigen.«
Ich konnte sie nur stumm ansehen. Was für ein toller Zeitpunkt für ein paar Zaunreparaturen. Nicht nur, dass sie von mir wollte, dass ich in meiner Ferienzeit den Zaun der Schule reparierte; Zayn und Harry waren auch noch dabei. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie die beiden schon tüchtig an der Arbeit waren, alleine in einer einsamen Ecke des riesigen Grundstücks. Innerhalb desselben Zwanzig-Meter-Radius wie auch nur einer der beiden zu sein, war das allerletzte, was ich gerade wollte. Vor allem, wenn sie beide da waren. Verdammt hervorragendes Timing, Evelyn.
»Ich weiß, es sind Ferien, Louis. Und ich will euch nicht zu langweiliger Arbeit verdammen müssen. Deswegen habe ich mir überlegt, dass ich euch wenigstens ein wenig entschädige. Auf eine gute Note in Wirtschaft kannst du wetten. Es erfordert immerhin eine Menge praktisches Denken und ein bisschen Planung, um einen Zaun zu reparieren.« Sie lächelte ein schwaches Siegerlächeln. Wirtschaft, natürlich. Sie wusste genau, dass das mein wichtigstes Fach war – oder vielmehr das meiner Eltern. Ich war gut in Wirtschaft, aber es ging noch besser.
Geschlagen nickte ich. Insgeheim verdammte ich das einzige Sommercamp, in dem ich jemals gewesen war; und in dem ich nach einem großen Sturm gelernt hatte, wie man einen Maschendrahtzaun reparierte. Beim Frostschaden im Februar hatte ich Evelyn und dem Hausmeister diese Fähigkeiten als Teil meiner Gartenarbeit präsentiert – und anscheinend hatten sie genügend Eindruck hinterlassen, um mich jetzt zum ewigen, qualifizierten Zaunreparateur des Internats zu machen.
»Es ist in den Gärten, bei den Kräuterbeeten. Nicht zu übersehen. Außerdem sind Zayn, Harry und Mr. O' Walsh ja auch da. Du wirst es finden. Keine Sorge, du kannst dir erst noch die Zähne putzen oder was auch immer du noch erledigen möchtest. Aber je schneller du anfängst, desto schneller ist es vorbei. Danke, Louis.«
Das war's. Mit den Worten drehte sie sich um und verließ den Speisesaal. Missmutig begutachtete ich meinen viel zu süßen Porridge. Ohne große Überwindung brachte ich ihn zur Geschirrrückgabe und machte mich auf den Weg nach oben, um, wie Evelyn es vorausgesehen hatte, mir die Zähne zu putzen.
Während der Mentholgeschmack langsam den des Sirups in meinem Mund verdrängte, schloss ich die Augen und versuchte mich auf das Gute zu konzentrieren. Natürlich wollte ich Harry und Zayn am liebsten nie wieder sehen müssen. Aber ich war nicht dämlich genug, um nicht zu wissen, dass sich dieser Moment nicht vermeiden ließ. Also könnte ich ihn auch einfach hinter mich bringen. Wahrscheinlich war diese Möglichkeit sogar ganz gut dafür, weil ich mich in die langweilige Arbeit der Zaunreparatur vertiefen und die anderen beiden ignorieren konnte.
Außerdem hatte Evelyn auch mit einer anderen Sache recht. Es hatte keinen Zweck, die Arbeit und vor allem die Begegnung herauszuzögern. Je schneller ich anfing, desto schneller war es vorbei.
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Ich versuchte krampfhaft, mir nicht vorzustellen, was Zayn und Harry gerade taten, wenn ich zu ihnen stoßen würde. Zu wissen, auf welche Weise Harry mich hintergangen hatte, reichte mir. Ich wollte es nicht mit meinen eigenen Augen sehen. Nicht noch einmal.
Aber es stellte sich heraus, dass sie an zwei verschiedenen Stellen des Zauns arbeiteten. Ich wandte den Blick von ihnen ab und unterhielt mich gezwungenermaßen für eine Weile mit Mr. O' Walsh, dem Hausmeister, der begeistert war, dass ich ihm zur Hilfe kam. Anscheinend hielt auch er mich für seine wichtigste Arbeitskraft. Dann teilte er mich einem besonders demoliertem Stück Zaun zu, viel zu dicht neben Harrys.
Er starrte mich an, als ich schweigend neben ihm begann, den umgerissenen Maschendrahtzaun aufzurollen. Es dauerte nicht mal zwei Minuten, bis er vor mir stand und mich zwang, ihn anzusehen. Ich erschrak kurz, als ich die dunklen Ringe unter seinen Augen erblickte. Seine Augen wirkten klein. Ich musste mir auf die Innenseite meiner Wange beißen, um nichts Unkontrolliertes geschehen zu lassen.
»Louis« Sein Gesicht war verzogen von einer zu großen Menge an Emotionen, die ich nicht verstehen konnte. Aber das wollte ich auch nicht. Wozu?
»Bitte rede nicht mir, Harry.« Ich wandte mich ab. Harry konnte nichts sagen, das irgendetwas ändern könnte. Ich hatte die Wahrheit bereits gehört, von Zayn, und sie ungefiltert gesehen. Keines seiner Worte könnte das ändern. Ich hatte genügend Lügen gehört.
Harry akzeptierte, dass ich nicht mit ihm reden wollte. Er versuchte es nicht nochmal. Ziemlich erfolglos verbrachte er fast zwanzig Minuten damit, einen hölzernen Pfahl aus dem Boden ziehen zu wollen. Etwa genauso erfolglos versuchte ich, nicht auf ihn zu achten.
Es war ironisch, aber Zayn hatte mir beigebracht, Liebe wirklich zu verstehen. Es stimmte, dass Liebe wie eine Droge war, aber anders, als ich immer gedacht hatte. Liebe war eine dumme Sache, auf die man sich einließ. Man wusste nicht, ab welchem Punkt man die Verantwortung vollkommen abgab, wie man immer abhängiger wurde. Aber dass nichts von all dem Glück wirklich real war, konnte man erst sehen, wenn man ins kalte Wasser der Realität geschubst wurde. Ich kannte Drogen. Ich kannte Liebe. Es funktionierte auf dieselbe Weise. Das wusste ich jetzt.
»Hi!« Ich zuckte unwillkürlich zusammen, als die laute Stimme hinter meinem Rücken erklang. Niall stapfte mit munterem Lächeln auf uns zu. »Zwei Minuten lang bin ich zurück und schon werde ich zu irgendwelcher Gartenarbeit gezwungen! Langsam verstehe ich, wieso unsere Eltern so viel Geld für diese Schule bezahlen. Es ist der legale Weg, uns zu Sklaven zu machen. Ich hätte einen späteren Flieger nehmen sollen.«
Ich bewegte keinen Muskel. Niall war zurück. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Niall war zurück, Normalität war zurück. Aber es würde nicht mehr normal sein. Harry hatte jetzt Zayn und ich hatte ein gebrochenes Herz. Wie sollte das gewöhnliche Internatleben weitergehen, jetzt, wo meine kleine Blase aus Glück sich umgekrempelt hatte?
»Gott, Harry, Louis«, fuhr Niall fort und musterte jetzt Harry und mich amüsiert. »Ihr beide seht aus wie Zombies. Ich will gar nicht wissen, womit ihr beide eure Nacht verbracht habt! Offensichtlich nicht mit Schlafen«, er zwinkerte verschwörerisch, ein anstößiges Grinsen auf den Lippen.
Als hätte man Zayn, Harry und mir die Zungen abgeschnitten, starrten wir Niall alle stumm an. Er war wie ein Alien aus einem Paralleluniversum. Ein Paralleluniversum, in dem keine Bombe in unser Leben eingeschlagen war.
Zum Glück schien Mr. O' Walsh ein weiteres Alien zu sein, er zog Niall beiseite und ließ ihn beim Ausrollen des neuen Zauns helfen.
Wie betäubt kehrten auch wir anderen zu unserer Arbeit zurück. Oder zumindest ich; keine Ahnung, was in den Köpfen von Zayn und Harry vorging. Wahrscheinlich wollten sie das hier noch schneller beenden als ich. Erst hatte ich ihnen im Weg gestanden, jetzt war es ein kaputter Zaun, der ihnen die gemeinsame Zeit raubte. Traurig.
Meine Finger verkrampften sich um den isolierten Draht. Ich musste aufhören, über Harry und Zayn nachzudenken. Ich wusste nicht, ob ich schreien oder weinen wollte. Ich wollte Zayn ein paar Knochen brechen, das konnte ich sagen. Bei Harry war ich mir nicht sicher. Ich wollte ihn vergessen. Ihn niemals kennengelernt haben. Wie hatte ich auf das billige Lügenspiel hereinfallen können?
Akribisch konzentrierte ich mich auf den Zaun. Mit jeder Sekunde arbeitete ich verbissener. Denn ich begann etwas zu realisieren.
Mehr noch als ihn zu vergessen, wollte ich Harry küssen. Ein letztes Mal. Nur um zu wissen, dass es der letzte Kuss war. Um für ein paar Sekunden zu vergessen, dass seine Lippen nicht allein mir gehört hatten. Oder vielleicht, um ihm zu zeigen, was er mit mir verloren hatte.
Um ihm dann den Rücken zuzudrehen und ihn nie wieder zu sehen.
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