• 83 •
Harry
Ich war froh, dass nicht noch mehr Schüler zurück waren. Zayn war genügend Umstand für Louis' und meine Pläne. Aber trotzdem gab es einen kleinen Teil von mir, der gerne mit Niall geredet hätte.
Natürlich hatte ich Niall davon erzählt, dass ich bereit war. Dass Louis es wusste. Er hatte sich für uns gefreut, aber wir hatten nicht groß über das alles geredet. Jetzt bereute ich das etwas.
Meine Jungfräulichkeit zu verlieren sollte keine große Sache sein, das wusste ich. Die Zeit mit Louis hatte mich viele Sachen gelehrt und eine davon war definitiv, dass es keine Rolle spielte, wie viele Dinge man erlebte, die nicht richtig waren, denn Zeit war in Sachen Liebe einer der unwichtigsten Faktoren. Mein erstes Mal sollte keine so hohe Bedeutung für mich haben. Ich war nicht nervös, aber irgendwie war ich es doch.
Ich vertraute Louis, vollkommen. Das war das wichtigste, das wusste ich und das wusste er. Louis vertraute mir. Er liebte mich.
Aber war es nicht trotzdem okay, etwas nervös zu sein? War das nicht normal? Das nahm schließlich nichts von der ehrlichen Vorfreude und der Erwartung, die mich ebenso zerfraßen. Oder? Ich wusste, dass es nichts zu befürchten gab, vor allem nicht mit Louis an meiner Seite, aber Nervosität war ganz einfach etwas Unkontrollierbares.
Sicher war Louis bei seinem ersten Mal auch nervös gewesen. Moment, daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich sollte einfach mit Louis über die Sache reden. Er hatte das alles schon durchgemacht und immerhin war er derjenige, auf den ich in dieser Situation am meisten zählte. Das war immer noch das wichtigste; ich vertraute ihm.
Ich strich eilig die Decke auf meinem Bett glatt. Ich hatte mich bemüht, das nachher alles nicht zu sehr zu überdenken und durchzuplanen, denn auch wenn ich das immer gedacht hatte, waren es nicht die rosafarbenen Märchenträume, die ich mir immer ausgemalt hatte, die mich am glücklichsten machten, sondern ehrliche und situationsbedingte Entwicklungen. Was spontan mit Louis passierte, war besser, als ich mir vorher ausmalen könnte. Deswegen wollte ich nicht unser Zimmer vorher komplett von der normalen etwas unordentlichen Atmosphäre unseres Zusammenlebens befreien. Alles würde so passieren, wie es sein sollte und wie es am besten war. Das einzige, was ich zur Vorbereitung tun wollte, war noch einmal duschen zu gehen.
Trotzdem lief ich jetzt die Treppen hinunter, um mit Louis zu reden. Ich fand ihn im Gemeinschaftsraum, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Er saß mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen auf einem der Sessel. Als ich näher kam, schlug er die Augen auf. Er hatte also nicht geschlafen.
»Hi Babes«, sagte er mit zartem Lächeln. Ein Teil von mir wollte die Augen verdrehen, ein anderer wollte rot anlaufen und mein Gesicht in seinem Shirt vergraben.
Ich ließ mich auf die Armlehne seines Sessels gleiten. »Ich wollte dich was fragen, Lou. Ich weiß nicht genau, ob du darüber reden willst.«
Aufmerksam setzte er sich ein wenig aufrechter hin. »Schieß los.«
Dankbar nickte ich. »Wie war dein erstes Mal, Louis? Warst du nervös?« Ich versuchte nicht zu klingen, als würde die Nervosität mich komplett übernehmen. Mehr, als wäre die Frage eine, die mich nicht betraf.
Was Louis natürlich nicht groß durchschauen musste. Er kannte mich und über welche Dinge ich mir in welchen Ausmaßen Sorgen machte. Trotzdem war ich erleichtert, als er ein paar Mal seinen Kopf hin und her wiegte. Das bedeutete, dass er sich die Worte zurechtlegte.
Er zog seine Beine hoch auf den Sessel und schlang die Arme um seine Knie. »Ich war zu jung, Harry. Das weißt du ja schon.« Seine Stimme war ruhig und verriet keine bestimmte Emotion. »Sie war zwei Jahre älter als ich. Wir gingen auf eine Schule und sie wohnte am anderen Ende meiner Straße. Es war mein erstes Jahr an einer richtigen Schule, kein Privatunterricht mehr. Am ersten Tag baten meine Eltern sie, mich durch die Schule zu geleiten und mir zu helfen und mich einzuleben. Für eine Weile war es ihr Chauffeur, der mich zusammen mit ihr zur Schule brachte und mich wieder dort abholte. Es dauerte nicht lange, bis sie mich küsste; in der Jungstoilette oder dem Rücksitz des Autos.« Louis runzelte die Stirn, als würde er seine Erinnerungen sortieren. Ich konnte ihn nur stumm ansehen. »Wir waren kein...Paar oder so. Sie hat mich nicht ausgenutzt, wir wussten beide nicht wirklich, was wir taten.« Er machte eine kurze Pause und sah zu mir auf der Armlehne auf. Ich verflocht meine Finger mit seinen.
»Ich war nicht nervös vor meinem ersten Mal, Harry. Ich wusste nicht, dass es passieren würde, bis es passierte und dann...taten wir es einfach..? Macht das Sinn? Wir taten es auf jeden Fall willentlich, nur ein bisschen unwissend, was es bedeutete, diesen Schritt zu gehen. Es war seltsam, alles. Nicht gut, aber nicht schlecht, schätze ich. Es war, was es war. Es ist einfach passiert. Danach haben wir nie wieder miteinander geredet. Nathan hat mich ab dann zur Schule gefahren.« Die Geschichte war zu Ende. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich konnte Louis nur weiter ansehen.
Er wirkte entspannt. Seine Atmung war so selbstverständlich, dass sich sein Brustkorb und seine Nasenflügel kaum bewegten. Nicht mal seine blauen Augen konnten mich beunruhigen.
Louis hatte eine unerklärliche Weise, mit seiner Vergangenheit umzugehen. Manchmal konnte ich nicht glauben, wie unterschiedlich unsere Leben bis zu einem bestimmten Punkt verlaufen waren. Louis und ich waren Gegensätze gewesen, in allen möglichen Aspekten, aber irgendwie hatten wir uns gefunden.
»Ändert das etwas, Harry?«, fragte er sanft, als wäre es meine bisher verschwiegene Geschichte, die er erzählt hatte. »Ändert das etwas an deiner Meinung zu heute? Willst du länger warten?« Er sah hinunter auf unsere verschränkten Finger.
Aber ich schüttelte schneller den Kopf, als ich blinzeln konnte. Natürlich änderte es nichts. Wie könnte es?
»Lass uns Zayn suchen.«, sagte ich statt einer ausgesprochenen Antwort auf seine Frage. »Wir setzen ihn vor einen Film. Wie du es gesagt hast. Ich will nicht länger warten.«
Amüsiert zog Louis die Augenbrauen hoch, als ich ihn aus dem Sessel zog. »Da hat es aber jemand eilig!«
Ich küsste ihn kurz, aber entschlossen. »Komm mit, Louis.«
Wir wussten, dass Zayn auf seinem Zimmer war. Louis hatte ihn vorhin hochgehen sehen. Jetzt beschloss ich, Louis wieder den einzigen sein zu lassen, der sich um Zayn kümmerte. Ich bat ihn darum, das mit dem Film zu klären, während ich schnell duschen ging. Louis willigte ein, also ließ ich ihn allein.
Die Dusche tat mir gut. Für ein paar Minuten konnte ich an gar nichts denken und sobald das warme Wasser abgestellt war, fühlte ich mich noch bereiter als je zuvor. Ich schlang mir ein Handtuch um die Hüfte und lief zurück zu unserem Zimmer. Ich war überrascht als Louis mir mit schnellem Schritt entgegen kam. Er lächelte, als er mich sah. Sein Blick brannte auf der nackten Haut meines Oberkörpers. Kurz blieb er stehen.
»Zayn ist unten, alles gut. Ich will nur noch kurz etwas erledigen.« Er setzte einen weichen Kuss auf meine Schulter. Seine Finger streiften meinen Oberarm, dann hatte er schon wieder sein altes Tempo aufgenommen.
Meine Neugier verhinderte natürlich nicht, dass ich mich fragte, was Louis noch ›erledigen‹ wollte, aber ich würde es sicher noch erfahren. Mit einem Lächeln, das mir selbst nicht ganz bewusst war, schlenderte ich in unser Zimmer. Mit einem Finger am Saum meines Handtuchs stand ich vor unserem Kleiderschrank und fragte mich, ob ich jetzt überhaupt noch etwas anderes anziehen sollte. Ob es nicht etwas überflüssig war, mich jetzt noch in Hose und Shirt zu zwingen, wenn Louis sie mir gleich wieder ausziehen würde. Andererseits waren Louis' Finger am Bund meiner Hose immer sexy gewesen. Gott, das war alles kompliziert.
Weil mir dann auffiel, dass ich gar nicht genau wusste, wie lange Louis vielleicht noch brauchen würde, bis er zurück war, entschied ich mich doch für die Kleidung. Ohne groß zu überlegen zog ich beliebige Kleidungsstücke aus dem Schrank.
Doch ich kam nicht dazu, sie überzuziehen. Stattdessen erschrak ich, als Zayn plötzlich in der Tür stand. Ich musste ein Seufzen unterdrücken. Wir hätten wissen müssen, dass das mit dem Film kein perfekter Plan gewesen war. Jetzt müssten Louis und ich uns also doch noch etwas Neues ausdenken für Zayn. Vielleicht sollte ich ihn einfach höflich fragen, uns für eine Weile in Ruhe zu lassen.
Zayn sah sich kurz im Raum um, was auch immer er sah, schien ihn zu ermutigen. Ich starrte ihn nur fragend an. Mir wurde jetzt wieder bewusst, dass ich nur mit einem dünnen Handtuch bekleidet war.
»Harry«, sagte Zayn mit entschlossener Stimme, die mich ein wenig beunruhigte. Sein Blick streifte kurz meine entblößte Brust.
»Zayn?« Ich wollte nicht unhöflich sein, aber ich wollte ihn wirklich loswerden. »Wolltest du nicht einen Film sehen?«
Er ignorierte meine Frage vollkommen. »Weißt du, Harry, über was wir vorhin geredet haben... Die Dinge, die ich über Louis gesagt habe, die Dinge, die ich über dich gesagt habe...ich habe etwas verstanden.«
Ich runzelte die Stirn, weil ich nicht wirklich verstand, was er mir sagen wollte. Aber ich hatte auch nicht besonders viel Zeit, darüber nachzudenken. Es ging zu schnell. Ich war nicht vorbereitet. Ich hatte ganz einfach nicht damit gerechnet. Wie auch?
Deswegen traf es mich wie ein elektrischer Schlag, als Zayn nach meiner unbedeckten Taille griff und mich küsste.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top