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Louis

Harrys fassungsloses Gesicht schimmerte in bunten Farben, als er hinaus auf den Balkon trat. Ich schloss die Türen hinter uns, damit wir endlich normal miteinander reden konnten.

Mit leicht geöffnetem Mund sah Harry sich um. »Was ist das, Louis?«

Ich nahm seine Hand und zog ihn mit mir hinunter auf die Decke, die ich über den Balkon ausgebreitet hatte. Es war eine der Decken aus dem Filmzimmer. »Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst. Vor einigen Wochen hast du mich gefragt, was ich mir zum Geburtstag wünsche. Und ich habe dich gefragt, was du dir wünschst. Erinnerst du dich, was du geantwortet hast?«

Harry schien sich zu erinnern, sein Blick wurde weich und ich wusste, dass er jetzt wusste, was das hier war. »Ich habe mir gewünscht, dass wir leben können wie andere Teenager. Dass wir auf Dates gehen können, alberne und romantische.«

Ich lächelte und nickte. »Dass wir abends so lange weg wären, bis wir eine Menge Ärger bekommen würden.« Aus einer Ecke nahm ich eine weitere Decke und legte sie Harry um die Schultern. »Willkommen zu unserem ersten Date, Harry.«

Das Grün seiner Augen ging im Schimmer der anderen Farben unter, aber ich konnte sehen, wie überwältigt Harry war. Er lehnte sich leicht zu mir herüber und küsste mich langsam. Es war ein Danke. Ich schloss die Augen und genoss es.

Als Harry sich wieder zurücklehnte, lächelte er entwaffnend. »Wenn du wüsstest, wie wenig ich dich verdiene, Louis...« Er verflocht seine Finger mit meinen.

Mit der anderen Hand reichte ich Harry ein paar Weintrauben. Er nahm sie dankbar an. »Wenn du denkst, du würdest mich nicht verdienen, dann hast du ja keine Ahnung, Harry.« Ich wünschte, es gäbe einen irdischen Weg, Harry zu zeigen, wie viel er wert war.

»Wann hast du das alles gemacht, Louis?«, fragte Harry mit einem Blick über den Balkon. In den Geländern verflochten und Quelle unseres bunten Lichtscheins waren die Bänder, mit denen wir Nachtfußball gespielt hatten. Auf dem Boden waren zwei Decken ausgebreitet, die uns vor dem kalten Boden des Balkons schützten und auf denen mehrere kleine Schüsseln mit Obst, Keksen und Schokolade ausgebreitet waren.

»Der meiste Dank gebührt Liam und – vor allem – Niall. Nachdem du von deinem Wunsch geredet hast, habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich es irgendwie hinbekommen könnte, uns einen Ort zu verschaffen, an dem wir alleine sein könnten. Ich hatte an eine Art Picknick gedacht. Um ehrlich zu sein, weil ich nicht wirklich eine andere Idee für dieses Internat hatte. Erst wusste ich nicht, wo wir hin sollten, aber dann habe ich an einem Morgen durch diese Glastüren die Hyazinthen in den Blumenkästen gesehen«, ich deutete auf die Blumen, die vom Geländer aus das gesamte, riesige Grundstück vor dem Internat überblicken konnten, »und da wusste ich, dass ich hier hinwollte.«

Harry richtete die Decke über seinen Schultern so, dass sie auch mir Wärme spendete. Er kuschelte sich näher an mich. »Aber wann hast du all das hier...wie?«

Ich küsste seine Locken. »Wie gesagt; Liam und Niall. Ich habe ihnen erzählt, was ich ungefähr machen wollte und sie um Hilfe und Ratschläge gebeten. Immerhin bin ich immer noch irgendwie der Neuling hier – zumindest haben die beiden sehr viele Jahre Erfahrung hier mehr als ich. Außerdem habe ich mich auch noch daran erinnert, dass Liam zu deinem Geburtstag Muffins besorgt hatte, weißt du noch? Da dachte ich, könnten sie mir von großer Nützlichkeit sein.« Ich wickelte eine seiner Locken langsam um meine Finger. »Wir haben uns das mit den bunten Bändern überlegt. Liam war besonders für Essen zuständig. Niall hat uns irgendwie den Schlüssel besorgt – frag nicht.« Aber Harry sah mich lächelnd an, als wüsste er ganz genau, woher Niall den Schlüssel hatte.

»Dann musste Niall nur noch dafür sorgen, dass du den ganzen Abend bei ihm bleiben würdest, während wir die Vorbereitungen hier getroffen haben, ohne erwischt zu werden.« Ich drückte seine Hand. »Und jetzt sind wir hier.«

Harrys Blick verlor sich irgendwo in den bunt leuchtenden Bändern, die zwischen den Stäben des Balkongeländers verflochten waren. Ein zartes Lächeln lag auf seinen Lippen. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und blickte ebenfalls in die nächtliche Dunkelheit der englischen Landschaft hinaus.

»Danke, Louis«, sagte er dann, keiner von uns hatte sich bewegt. »Ich hatte wirklich keine Ahnung, was los war, als du so lange nach der Nachtruhe noch nicht wieder da warst.«, seine Stimme tanzte amüsiert in der kalten Luft. »Und hiermit habe ich ganz bestimmt nicht gerechnet. Aber ich denke, ich mag Überraschungen.«

Harry holte ein Schüsselchen mit Keksen näher zu uns, biss von einem ab. Ich hob meinen Kopf von Harrys Schulter und rutschte mit ihm in meinem Arm gegen die Glasscheibe in unserem Rücken. »Ich bin glücklich, Louis.«, flüsterte Harry leise, als wären wir wieder zurück im Jungstrakt. »Du machst mich glücklich.«

Ein ›Ich liebe dich‹ lag mir auf den Lippen, aber ich war mir nicht sicher, ob Harry es nach gestern schon wieder hören wollte. Ich küsste ihn stattdessen. Er schmeckte nach der Schokolade des Kekses und versteckt nach der minzigen Zahnpasta, mit der er sich vor fast einer Stunde die Zähne geputzt haben musste.

»Ich habe das Fenster in unserem Zimmer geöffnet«, murmelte ich erst gegen seine Lippen, dann in die Nachtluft. »Als du noch bei Niall warst. Und hab es dann wieder geschlossen, bevor du zurück warst.«

»Deswegen war es so kalt.« Harrys Schläfe lehnte gegen meine Wange. Er hatte die Beine angezogen, damit sie näher an der Wärme unserer Körper waren.

Ich nickte nur schwach, damit ich ihm nicht wehtat. »Ich hatte gehofft, dass du dich dann schon von alleine dicker anziehst, sodass du hier draußen nicht frieren würdest. Trotz der Decken.«

Ich sah zu ihm hinunter. Sein Gesicht schimmerte dunkel in Blau- und Grüntönen der Bänder. Er lächelte. »Es hat funktioniert.« Ich spürte seine kalten Finger unter dem Saum meines Pullovers. »Ich habe überhaupt nichts von alledem mitbekommen.«, stellte er ein wenig beeindruckt fest.

Mit dem Arm, der um Harrys Schultern lag, malte ich kleine Kreise auf seine Brust. Ich fand es nicht so beeindruckend, dass man so etwas hier versteckt halten konnte. Wieder dachte ich an das ungewollt mitgehörte Gespräch von Harry und Niall. Harry hatte ja ganz offenbar auch für all die Monate etwas vor mir verstecken können.
Aber das wollte ich jetzt nicht ansprechen. Nicht heute Abend.

Ich unterdrückte ein Seufzen und fragte mich plötzlich, ob es jemals der passende Zeitpunkt wäre, sein Geheimnis anzusprechen.

»Louis?«, holte Harrys Stimme mich zurück ins Hier und Jetzt. Er klang besorgt. Oder vielleicht sogar ein wenig schuldig. Ich spitzte die Ohren. »Es gibt etwas, das du wissen solltest.«

Perplex sah ich ihn an. Konnte es sein, dass er irgendwie meine Gedanken gelesen hatte? Würde er jetzt das ansprechen, wozu ich mich nicht getraut hatte?

Er sah hinunter auf unsere verflochtenen Finger. »Als wir beide in der Bibliothek...du weißt schon.« Ich versuchte, nicht enttäuscht zu sein, dass es anscheinend nicht um sein Geheimnis ging. »An diesem Abend wusste ich, dass ich es wollte.«

Ich runzelte die Stirn. »Dass du was wolltest?« Ruhig strich ich ihm durch die dunklen Haare. Allerdings hielt ich inne, als er seinen Keks anlächelte und antwortete.

»Sex«, erklärte er simpel. Er legte seinen Kopf schräg und sah mich an. »Ich weiß, dass wir auf mich gewartet haben. Darauf, dass ich bereit bin. Und, Louis, versteh mich nicht falsch, ich liebe die anderen Dinge, die wir tun! Ich meine, alleine, wie du Freitag- Gott, du musst mir glauben, wie gut all das ist. Aber in der Bibliothek, auf einmal, ich wusste es. Ich wusste, dass ich es wollte. Dich wollte. Ich weiß, dass ich bereit bin und es tun will.«

Ich hob überrascht die Augenbrauen. Ich konnte das Grinsen nicht unterdrücken. Wenn ich mit irgendeinem Gespräch nicht gerechnet hatte, dann mit diesem hier.
Natürlich hatte Harry recht; die anderen Sachen, die wir taten, waren großartig. Anscheinend hatte es einen gegenseitigen Handjob zwischen Bücherregalen gebraucht, um ihn noch mehr wollen zu lassen.

Ich verzog missmutig mein Gesicht. »Das hättest du mir wirklich nicht jetzt erzählen sollen, Harry.«

Er sah mich mit großen Augen an. Entschuldigend setzte er sich gerade auf. »Wieso? Ist es zu früh? Louis, ich wusste nicht, dass du vielleicht auch noch nicht-«

»Harry, hey, nein!«, unterbrach ich ihn schnell. »Ich meine nur, dass ich jetzt wirklich bereue, das Date hier draußen organisiert zu haben. Ich hätte dir mehr als gerne sofort deinen Wunsch erfüllt.«

Harry zupfte lächelnd am Saum meines Pullovers. »Wir haben alle Zeit der Welt, Lou.«, sagte er sanft. »Ich wollte nur«, er beugte sich vor und küsste mich, »dass du es weißt.«

Ich lächelte mit geschlossenen Augen. »Vermerkt.«

Harry lachte leise und ich zog ihn wieder dicht an meinem Körper. Einhändig holte Harry die Schokolade näher zu uns und schob mir ein Stück zwischen die Lippen.

»Das ist wahrscheinlich der größte Nachteil an diesem Internat.«, bemerkte ich mit klebriger Zunge. Ich konnte noch immer nicht ganz glauben, dass Harry sich so sehr wünschte, mit mir zu schlafen, wie ich es andersherum tat. »Es gibt keinen Ort, an dem wir ungehört sein könnten. Außer irgendwo draußen, aber das ist wohl nicht der perfekte Ort für dein erstes Mal.« Ich stupste ihn grinsend mit meiner Nasenspitze an.

Grübchen bildeten sich in Harrys Lächeln. »Es sind bald Ferien, Lou. Ich weiß, du bist die erste Woche auf Sardinien, aber solltest du dir überlegen, früher zurückzukommen...«

»Wann kommst du denn aus Wales zurück?« Harrys überraschte Miene erinnerte mich daran, dass wir noch gar nicht über die Ferien geredet hatten. »Niall hat mir erzählt, du fährst mit deinen Eltern.«

Harry schien zu überlegen. »Ich schätze, zu ähnlicher Zeit wie Zayn aus Somerset wieder hier sein wird.« Mit unruhigen Fingern spielte er mit der Decke um unsere Schultern. Vielleicht, weil er unser erstes Mal so wenig abwarten konnte wie ich.
Ich würde also versuchen, nach meiner Woche Italien sofort zurückzukehren, dann hätten wir hier immer noch eine halbe Woche, bevor die restliche Schülerschaft zurückkehren würde.

Ohne Vorwarnung küsste Harry mich und ich wurde gegen die kalte Scheibe in meinem Rücken gedrückt. Überrascht suchte ich mit geschlossenen Augen unter all den Decken und Pullovern nach Harrys Taille, während Harry mein Gesicht in seine Hände nahm und seine Zunge auf meine traf. Atemlos suchte ich den Minzgeschmack in seinem Mund unter all dem Schokoladenaroma meiner eigenen Zunge. Harry krabbelte ohne unsere Lippen zu trennen kniend zwischen meine Beine, mit denen ich ihn genau dort hielt, wo ich ihn hatte. Sein warmer Atem ließ meine feuchten Lippen kribbeln. Ein unterdrücktes Keuchen entwich mir und ich löste mich langsam von Harry.

Mein Gesicht noch immer in seinen Händen lehnte Harrys Stirn an meiner. Flach atmete Harry mit leichtem Lächeln gegen meine Haut. Seine Locken kitzelten mich sanft und ich schob sein Gesicht ohne Nachdruck ein paar Zentimeter von meinem.

»Danke, Harry.«, flüsterte ich ironisch. »Jetzt kann ich die Ferien noch weniger abwarten.«

Harry lächelte und seine Lippen streiften dieses Mal nur flüchtig meine. »Vorfreude ist die schönste Freude.«

Dessen war ich mir nicht so sicher, denn auf Sex mit Harry zu warten, könnte vielleicht eine ziemliche Qual werden, jetzt wo ich wusste, dass er bereit war. Aber ich schüttelte nur lächelnd den Kopf und zog Harry wieder gegen meinen Oberkörper. »Immerhin ist es jetzt ein richtiges Date, plus Rummachen.«

Harrys Lachen verlor sich in meinem dicken Pullover. »Weißt du was?«, fragte er, »Eigentlich ist das heute gar nicht unser erstes Date.«

Ich runzelte die Stirn und überlegte. »Nicht?«

Harry schüttelte leicht den Kopf. »Wir waren schon zusammen Eislaufen. Und beim Nachtfußball.«, mit einer Hand deutete er auf die bunten, in der Dunkelheit schimmernden Bänder, »Die zählen auch als Dates, oder nicht?«

Ich lächelte in seine Haare. »Ja, wahrscheinlich hast du recht. Aber das hier ist unser erstes Date, bei dem wir komplett alleine sind.«

»Ich kann immer noch nicht glauben, dass du all das hier gemacht hast.« Harrys Augen wanderten über den Balkon. »Nur weil ich es mir den einen Abend gewünscht habe.«

Als Harry diese Worte aussprach fiel mir plötzlich etwas ein. »Harry, an diesem Abend, weißt du noch, da hat es geklopft und Evelyn kam herein und wollte, dass du mit ihr kommst. Wieso? Worüber wollte sie mit dir reden?«

Harry starrte mit großen Augen in die Nacht, als hätte er diesen Vorfall schon wieder ganz vergessen gehabt. Er öffnete den Mund – und schloss ihn sofort wieder.

»Wieso hat sie dich um 23 Uhr abends aus unserem Zimmer geholt?«, wiederholte ich meine Frage.

»Es ging um meine Noten.«, sagte Harry schnell. »Für Englisch musste ich zur Ergänzung noch etwas abgeben. Darum ging es.«

Ich sah ihn skeptisch an, sein Blick lag am in der Dunkelheit versteckten Horizont. »Um 23 Uhr?«

Harry zuckte mit den Schultern. »Ja...« Plötzlich setzte er sich wieder auf und sah mir direkt in die Augen. »Bitte erzähl mir von London, Louis.«

Ich suchte in seinen Augen nach der Bestätigung, dass er nur das Thema wechseln wollte, aber dann seufzte ich lediglich und drückte einen Kuss auf seine Stirn.

»Na gut«, sagte ich und Harry schlang seine Arme um meinen Hals. Ich wusste, wie sehr er sich auf unser gemeinsames Wochenende freute. »London.«

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Ich habe gestern Kapitel 66 gelesen und es gab so viele kleine Tippfehler, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass ich es vor dem Veröffentlichen damals nicht Kontroll-gelesen habe. Jetzt habe ich ein bisschen Panik, dass ich es bei anderen Kapiteln auch vergessen habe und ihr vielleicht die Hälfte dieser Geschichte mit zahllosen, nervigen Rechtschreibfehlern klarkommen musstet.
Ich hoffe ehrlich, Kapitel 66 war das einzige...

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