• 16 •

Harry

»DU HAST IN SEINEM BETT GESCHLAFEN?!«

»Ni, reg dich ab! Ich habe ihn ja nicht irgendwie...berührt oder so.« Er starrte mich an, als wäre ich vollkommen verrückt geworden.

»Also willst du mir sagen, du warst die ganze Nacht wach, sodass du weißt, dass ihr euch nicht berührt habt?« Er verspottete mich. Meine Naivität.
Ich schüttelte den Kopf.

»Nein, natürlich habe ich geschlafen. Aber darum geht es doch gar nicht. Ich habe es ja gerade gemacht, weil ich ihm keinen Sieg über mich gönnen wollte.«, versuchte ich Niall zu überzeugen.

»Du hättest ihm den Sieg versaut, wenn du die ganze Nacht in dem nassen Bett geschlafen hättest, als würde es dir nichts ausmachen. Dann hättest du gewonnen.«, sagte er vorwurfsvoll.

»Dann würde ich jetzt aber an einer Lungenentzündung sterben. ›Harry Styles, starb im zarten Alter von sechzehn Jahren – Todesursuche: zwei Tassen Earl Grey‹. Du hast Recht, Niall, das wäre ein triumphaler Sieg für mich gewesen.«, erwiderte ich sarkastisch. Ich war mir ziemlich sicher, dass wir beide wussten, dass ich nicht die schlechteste Option gewählt habe, als ich mich zu Louis gelegt hatte. Nur war Niall zu stolz, um das zuzugeben.

Weil er jetzt auch nicht mehr recht zu wissen schien, was er dazu noch sagen sollte, beschloss ich, zum nächsten Thema überzugehen. Liams und meinem Plan.
Nur würde ich ihn Niall nicht erzählen. Er würde nur eine Lüge zum Zweck erfahren.

Liams Vorschlag war im Grunde simpel. Als er sagte, dass wir Louis mit den eigenen Waffen schlagen müssten, meinte er damit, dass wir ihn in unserem Kriegsspiel so hart treffen würden, dass er dann beschließen würde, dass er das selbst nicht mehr wollte.

Und diesen cleveren Zug hatte Liam sich überraschenderweise auch schon ausgedacht. Ich fand ihn nicht annähernd so genial wie er selbst.
Liam hatte sich überlegt, Louis auszusperren. Morgen würden wir ihn einfach aussperren, den ganzen Tag. Es würde nicht schwer werden. Wenn das Wetter so bleiben würde wie heute, würde niemand anders rausgehen, der ihm die Tür öffnen könnte.
Wie gesagt, ich hielt die Idee für ziemlich mangelhaft. Aber Liam war super überzeugt.

Und zu diesem Plan gehörte es auch, dass ich Niall diese Aussperrgeschichte jetzt als simple Rache für den Tee im Bett auftischte.

Ich seufzte innerlich und versuchte, es nicht zu offensichtlich zu machen, dass ich Niall nicht in die Augen sah. Würde ich ihn ansehen, würde er sofort merken, dass ich log. Ich musste wirklich mein bestes versuchen, überzeugend zu lügen.

Normalerweise wäre dieses Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dass Harry Styles überzeugend log, war ungefähr so wahrscheinlich wie Schnee im Sommer.
Aber dieses Mal hatte ich eine Chance. Theoretisch log ich ja nicht – ich verschwieg nur den wesentlichen Teil der Geschichte. Das würde ich schon irgendwie schaffen.

»Ich werde das mit dem Tee nicht einfach so auf mir sitzen lassen.« Ich setzte einen – hoffentlich überzeugenden – wütend entschlossenen Blick auf, der Nialls Streitsucht garantiert ansprechen würde. »Deswegen habe ich für morgen den Gegenschlag geplant. Ich könnte nur ein wenig deiner Unterstützung brauchen, Ni.«

Ich sah Niall sofort an, dass ich ihn hatte.
»Ja, endlich! So liebe ich meinen Haz! Wurde ja auch Zeit, dass du lernst, was für dich am besten ist!«

Während ich Niall erklärte, dass ich Louis über den kompletten Tag aussperren wollen würde, bemühte ich mich die ganze Zeit, wirklich grimmig zu gucken. Ich wollte gar nicht sehen, wie verkrampft das aussah. Ich war wirklich der schlechteste Lügner und Schauspieler in diesem und allen anderen Universen.
Aber glücklicherweise merkte Niall das nicht, denn er war viel zu begeistert von dem Gedanken, Louis für ›seine unmenschlich homophoben Gräueltaten büßen zu lassen‹. So nannte er es.
Diese Seite von meinem besten Freund machte mir ehrlich gesagt etwas Angst, aber eigentlich wusste ich, dass er sich nur um mich sorgte.

Ich ließ Niall dann ziemlich schnell allein, bevor ich mich noch verplappern würde. Ich wäre gerne rausgegangen, aber der leichte Nieselregen hielt mich davon ab. Der Sommer war jetzt vorbei. Dieses Jahr würde ich keine Blumenkränze mehr flechten.
Stattdessen ging ich in den Gemeinschaftsraum und wurde schnell von den anderen Schülern in ihr Würfelpoker-Spiel aufgenommen.

Ich verlor jedes Mal haushoch, aber ich war noch nie ein schlechter Verlierer gewesen.
Außerdem dachte ich dann an das, was Niall immer sagte. Pech im Spiel, Glück in der Liebe.

Nur dafür, dass ich in meinem Leben schon so oft verloren hatte, habe ich von der Liebe bisher nicht gerade viel gesehen. Um all meine Niederlagen ausgleichen zu können, müsste das Leben noch ein paar große Entschädigungen in Sachen Liebe für mich zücken müssen. Meinetwegen könnte es damit langsam mal losgehen. Ich habe schon lang genug auf meinen Traumprinzen gewartet.

Weil sich das Wetter nicht besserte, verbrachte ich den ganzen Tag mit den anderen im Gemeinschaftsraum. Zumindest bis zum Abendessen.

Jeden Samstagabend war Filmeabend. Auch heute. Das Internat hatte neben dem Gemeinschaftsraum einen Raum mit Fernseher, dessen Wände mit alten DVDs und Videokassetten gepflastert waren. Und jeden Samstag traf sich die Hälfte aller Schüler und schaute einen Film. Wahrscheinlich war das so beliebt, weil wir sonst kaum technische Freizeitbeschäftigungen hatten – Louis' zweitliebstes Beschwerde-Thema, direkt nach meiner Sexualität.

Während des Essens und auch noch mindestens eine halbe Stunde danach versuchte Niall hartnäckig, mich zum mitgucken zu überreden. Normalerweise hätte ich das auch getan, aber ich musste noch einen achtseitigen Aufsatz für Englisch schreiben, mit dem ich noch nicht mal begonnen hatte. Und wir mussten ihn Montag abgeben.
Irgendwann schaffte ich es, Niall abzuwimmeln.

Letztendlich schrieb ich nur zwei Seiten. Dann überfiel mich eine plötzliche, schwere Müdigkeit – wahrscheinlich noch Nachwirkungen von letzter Nacht.

Also machte ich mich dann bettfertig. Es war ungewöhnlich leer in dem sonst belebten Gemeinschaftsbad. So leer wie es nur an einem Samstagabend, an dem alle Schüler von einem Film gefesselt waren, sein konnte. Allerdings genoss ich die Stille.

Bevor ich dann schlafen ging, hinterließ ich Niall erst noch eine Nachricht in seinem Zimmer, weil er eigentlich geplant hatte, nach dem Film nochmal zu mir zu kommen.

Dann war es eine Erlösung, mich endlich in mein Bett fallen zu lassen und die Augen schließen zu können. Mein Bett roch noch leicht nach der unverwechselbaren Note des schwarzen Tees, aber sonst gab es keine Rückstände mehr von Louis' impulsivem Kriegszug.

Hätte ich gewusst, dass diese Nacht nicht so ruhig werden würde, wie ich es in diesem Moment dachte, hätte ich mir vielleicht sogar den Tee zurückgewünscht.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top