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Louis

Am nächsten Tag hatten wir auch um 11:30 Uhr das Haus noch nicht verlassen. Wir waren viel zu spät dran. Ich war mir ziemlich sicher, dass wir mindestens drei unserer beim Frühstück geplanten Vorhaben von unserer Liste streichen mussten. Das hatte ich Harry auch schon mitgeteilt. Aber bis auf ein leichtherziges Nicken hatte es nicht besonders viel Reaktion aus ihm herausgekitzelt.

Ich konnte es ihm nicht vorwerfen. Es ging mir genauso. Worum trauern? Ich würde garantiert nicht bereuen, wie wir unseren Morgen stattdessen verbracht hatten.

Mit einem Lächeln, das ich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr hatte verbannen können, zog ich mir zwei kurze, weiße Socken über die Fersen. Meine Fingerspitzen waren schrumpelig vom Wasser der Dusche. Aber das hatte man wohl davon, wenn man innerhalb einer Stunde gleich zweimal duschte – das erste Mal hatte nichts genützt, weil ich danach nicht mal bis zur Treppe gekommen war, bevor Harry mir meine Jeansshorts schon wieder ausgezogen hatte.

Aber dieses Mal würde es uns hoffentlich gelingen, das Haus zu verlassen. Ich war optimistisch. Genau deswegen hatten wir immerhin die Maßnahme ergriffen, beim zweiten Mal getrennt zu duschen. Jetzt musste ich also nur noch warten, bis Harry im Badezimmer fertig war. Er hatte die Tür offen stehen lassen – weil ich ihn mit tanzender Zunge gegen den Türrahmen geküsst hatte, als er nach meiner Dusche zum Ablösen mit einem Bündel frischer Kleidung hereinspaziert gekommen war – und jetzt hörte ich ihn zum Klang einer erfundenen Melodie unverständliche Worte singen.

Ich rappelte mich vom Rand der Matratze auf und ließ meinen Blick über die mitgenommenen Laken des Bettes gleiten. Vor etwas mehr als zwei Stunden, als Harry mich grinsend und warm atmend mit einer viel zu engen Umarmung geweckt hatte, hatte ich mir noch vorgenommen, das Bett später neu zu beziehen. Aber jetzt erschien mir das nur noch wie unnötige Zeitverschwendung. Ich würde heute Nachmittag einfach einen Zettel für Carys, unsere Putzfrau, liegen lassen, damit sie, im Gegensatz zu den letzten acht Monaten, mein Zimmer heute mal wieder mit in ihre Routine aufnahm. Mit einem kleinen Trinkgeld vielleicht.

»Hilfe, Louis!«

Überrascht wandte ich den Kopf in Richtung von Harrys Stimme aus reiner Überforderung und Hilflosigkeit. Was auch immer es war, das er im Bad als eine Gefahr einstufte; ich machte mir nicht allzu große Sorgen um sein Wohlergehen. Am ersten Nachmittag hier war er vor Schreck fast an die Decke gegangen, als das eingebaute Licht des Spiegels von alleine angesprungen war, ganz einfach, weil er sich weit genug vorgebeugt hatte. Trotzdem machte ich mich gemächlich auf den Weg zu ihm.

Für ein paar Sekunden dachte ich, es wäre wieder das Spiegellicht, das Harry aus der Fassung gebracht hatte. Mit einer Hand klammerte er sich ans Waschbecken, die Augen groß und rund auf sein Spiegelbild gerichtet. Doch dann sah ich seine zweite Hand; die Finger in entsetzter, federleichter Berührung an der weichen Haut seines Halses.

Harry hatte also einen Spiegel gebraucht, um eins und eins zusammenzuzählen. War ja klar gewesen.

»Louis!« Ohne den Blick von seiner Reflexion abzuwenden, drehte er den Kopf behutsam von links nach rechts. Doch die Variation des Lichteinfalls änderte nichts an seinem Anblick.

Ich grinste – ziemlich schamlos, um ehrlich zu sein. »Das gute Gefühl hat einen Preis, Harry.«

Er presste die Lippen aufeinander. Als wären sie magnetisch aneinandergebunden, konnten seine Finger sich nicht von dem Lila und Blau und Grau seines Halses lösen. Die Verfärbung erstreckte sich in verlaufenen Farbtupfern bis zu seinen markanten Schlüsselbeinen.

»Ich kann unmöglich einen Rollkragenpullover tragen. Oder einen Schal. Es ist warm draußen!«

Ich bezweifelte nicht wirklich, dass er in seinem 15-Kilo-Gepäck auch einen Schal und mindestens einen Rollkragenpullover mitgebracht hatte. »Keine Sorge, Harry.« Ich drückte ihm einen Kuss auf die hübsche Wölbung seines Ohrs. »Ich kann dir garantieren, dass du unter den 8 Millionen Menschen da draußen nicht der einzige sein wirst, der nach einem Samstagabend ein paar Knutschflecken hat.«

»Samstagabend und Sonntagmorgen, in unserem Fall«, murmelte Harry ein wenig missmutig, ließ sich aber von mir vom Spiegel wegziehen. Ich hätte ihm sagen können, dass mir die Vorstellung gefiel, dass sein nackter Oberkörper zu meiner Landkarte geworden war, aber ich ließ es sein.

Zurück in meinem Zimmer sammelte ich die wenigen Sachen zusammen, die wir in der Stadt brauchen würden. Harry machte sich an seinem Koffer zu schaffen und ließ Kleidungsstück für Kleidungsstück die nackte Haut verschwinden.

»Weißt du, was das Schlimmste ist?«, fragte er nach einer Weile. An die offene Tür gelehnt und eine Hand auf der Klinke wartete ich auf ihn.

»Was?«

»Dass wir Niall und Liam mit ihrer Wette in die Hände spielen.«

»Die Wette darüber, an welchem Tag wir unser erstes Mal haben?«, fragte ich grinsend.

»Nein.«, erwiderte er in noch immer etwas trotzigem Tonfall. Er nahm meine Hand und wir machten uns auf den Weg zur Treppe. »Die Wette darüber, wer von uns beiden mit mehr Knutschflecken zurückkommt.«

»Hat Niall dir davon beim Telefonat erzählt?«

Harry schüttelte trocken den Kopf. »Nein. Aber ich kenne ihn.«

Ich wollte lachen, als mir auffiel, welches Kleidungsstück Harrys dunkle Schlüsselbeine bis zu seinem Hals bedeckte. »Du willst das also wirklich tragen?« Ich strich über das rote Arsenal-Logo über seiner Brust.

»Ja.« Er legte eine Hand aufs Treppengeländer. »Wirst du mich aufhalten?«

»Ich liebe dich, Harry, aber du siehst idiotisch aus.« Die Stufen unter meinen Füßen waren wie immer ein bisschen rutschig, aber wenn Harry sie gedankenlos herunter tanzen konnte, dann bestand für mich wohl kaum eine Gefahr.

»Nur für dich. Weil du weißt, dass ich keine Ahnung von Fußball habe.«

»Vielleicht.«, räumte ich widerstandslos ein und dirigierte Harry durch den Eingangsbereich, als wäre es sein erster Tag hier.

»Also wirst du mich nicht aufhalten?« Unkompliziert schlüpfte er in seine Schuhe. An den Schnürsenkeln zog ich mein eigenes Paar zu mir herüber. Ich würde ihn nicht stoppen. Aber der erstbeste Chelsea-Fan, dem wir auf der Straße begegneten, womöglich.

»Wenn ich dich jedes Mal aufhalten würde, wenn du etwas tust, das ich für idiotisch halte, würdest du in einer Gummizelle sitzen.«

»Heeyyy!«, beschwerte er sich, aber seine Stimme klang abwesend. Ich sah von meinen fest gebundenen Schleifen auf. Harrys Blick war auf ein dunkel eingerahmtes Bild an der Wand fixiert. Es zeigte mich und meine Eltern an meinem ersten Tag an einer öffentlichen Schule, ihre Hände formell auf meinen kindlichen Schultern platziert. Die so ordinäre Schuluniform hatten sie anpassen lassen, das Hemd war gestärkt und Manschettenknöpfe glänzten unwirklich wie Sterne an einem milchigen Großstadthimmel an den weißen Ärmeln. Natürlich hatte Harry das einzige Familienfoto im ganzen Haus gefunden.

»Es ist das erste Bild, das ich sehe.«, stellte er neutral für mich fest. »Von dir. Deiner Familie.« Unwillkürlich fragte ich mich, wie viele Bilder Harry von sich und seinen Eltern hatte. Waren die wenigen Fotos an der Decke über seinem Bett womöglich alles, was ihm an festgehaltenen Erinnerungen verblieb? Feuer waren gnadenlos. Aber ich wollte Harry nicht fragen. War es egoistisch, dass ich nicht riskieren wollte, ihn an eine Welt aus Geistern und schwarzer Trauer zu verlieren?

Aber mir fiel stattdessen etwas anderes ein, das ich fragen konnte. Jetzt, wo wir mit den Geheimnissen reinen Tisch gemacht hatten, würde er mir vielleicht eine Antwort geben. »Harry? Was ist mit dem Bild über deinem Bett? Das Foto von mir? Kannst du mir jetzt verraten, woher du es hast?« Ich hatte das Gefühl, die Wahrheit schon grob zu kennen.

Er schielte zu mir hinüber, dann musterte er wieder mein zwölfjähriges Ich mit den blassen Sommersprossen, die ich bis heute alle fast ausnahmslos verloren hatte. »Eve«, erklärte er so selbstverständlich, wie seine Beziehung zu der Schulleiterin für ihn eben war. »Sie hat mich deine Schülerakte ansehen lassen.«

Den Haustürschlüssel in der Luft schwebend, hielt ich in meiner Bewegung inne. »Du hast meine Schülerakte gelesen?«

»Ja.« Wie beiläufig nickte Harry und wandte sich jetzt endlich von dem Bild ab. Auffordernd imitierte er mit den Fingern das Drehen der Schlüssel. Ich rappelte mich dazu auf, die Tür wirklich zu öffnen. Also gut, wenn Harry meine Schülerakte mit all ihren großen und kleinen Verweisen und Tadeln gelesen hatte, dann gab es jetzt also auch hinsichtlich dieses Themas keine Geheimnisse mehr. Hatte es wohl nie gegeben. Wahrscheinlich hatte Harry meine Schülerakte schon gelesen, bevor ich überhaupt einen Fuß ins Internat gesetzt hatte.

Ich begann die nervige Prozedur des Türverriegelns von außen. »Und das Foto war in meiner Akte?«, fragte ich weiter und versuchte gar nicht erst überrascht darüber zu sein, dass Evelyn Harry anscheinend bedenkenlos erlaubt hatte, übers Lesen hinaus auch noch Dinge aus meiner Schülerakte zu entwenden.

»Ja.«, sagte Harry wieder. Seine Finger verflochten sich mit meinen, wir kletterten die helle Treppe bis auf den feingepflasterten Weg hinab – etwas langsamer, weil Harry manchmal schmerzhaft das Gesicht verzog. Als wir wieder auf ebenem Untergrund standen, fuhr er fort. »Es war ein großer Teil deiner Akte von der letzten Schule; Schulsport und so weiter. All deine Involvierung und die Erfolge und dein Teamgeist waren aufgeführt. Und das Foto vom Rudern. Ich bin zurückgegangen und hab Eve darum gebeten.«

Skeptisch hob ich eine Augenbraue. Wir traten auf den ähnlich gut gepflegten Gehweg vor unserem Grundstück. »Hört sich fast an, als hätte meine alte Schule mich gemocht. Eigentlich müsste ich das lächerlichste Schulsportverzeichnis in ganz Europa haben.«

Harry biss sich auf die Lippe, als hätte er etwas dazu zu sagen, aber wusste nicht, ob es eine gute Idee war. Doch dann schien er sich durchzuringen. »Louis«, sagte er ruhig. »Sie wollten dich unter allen Umständen loswerden.«

Ich starrte ihn an. Natürlich wusste ich sofort, dass er recht hatte. Aber ich war überrascht, dass ich mich beleidigt fühlte. Meine letzte Schule hatte jeden Grund dazu gehabt, mich so schnell wie möglich loswerden zu wollen – was in meinem Fall und dem Schatten meiner Eltern weniger einfach gewesen sein musste als bei anderen Schülern. Aber, dass sie meine Schülerakte aufpoliert hatten...einfach nur, um mich endlich abzuschütteln..? Das war doch noch mal eine ganz andere Nummer.

Naja. Wahrscheinlich sollte ich froh darüber sein. Vielleicht hatte es über das Geld hinaus einen Unterschied bei meiner Akzeptanz am Internat gemacht. Womöglich war es meine Kleinkriminalität und Involvierung mit Drogen, die mich überhaupt erst mit Harry zusammengebracht hatte. Hatte im Leben letztendlich wirklich alles einen größeren Sinn?

Oder hatte meine Glücksfee einfach endlich begonnen, ihren Job ernst zu nehmen?

»Wie auch immer«, meldete Harry sich wieder zu Wort und blieb – zu meiner größten Überforderung – stehen, nur um sich umzudrehen, meine Hand loszulassen und in die entgegengesetzte Richtung zurück zu marschieren.

»Was ist los, Harry?«, fragte ich verwirrt.

»Ich hab die Kamera vergessen!«, rief er mir über die Schulter hinweg zu.

Die verdammte Polaroidkamera. Niall ließ uns sogar aus 150-Kilometer-distanzierter Abwesenheit wie seine Puppen tanzen. Ich atmete tief ein und schloss für eine Sekunde die Augen. Dann fanden meine Finger den Schlüssel in meiner Tasche.

»Schon gut.«, verkündete ich laut genug, dass Harry es hören konnte. »Ich komme.«

Es war viel zu warm, um in der bizarr intensiven Mai-Mittagssonne in der endlosen Schlange für die wohl mit Abstand dämlichste Sehenswürdigkeit in London anzustehen. Aber Harry Edward Styles hatte sich nun mal in den Kopf gesetzt, die Hauptstadt von der Spitze des London Eyes aus zu sehen. Und auch wenn es mittlerweile schon über drei Monate her war; es war eben Harrys Geburtstag. Dass ich hoffnungslos verliebt in diesen Jungen war, hatte auch nicht geholfen. Also war das hier wohl oder übel, wo wir uns befanden. Inmitten einer Kolonne von Menschen, die ausnahmslos alle so dumm waren wie wir.

Das größte Problem waren die Tickets. Ich hatte bei meiner Planung nichts vorbestellt, weil ich sicher gewesen war, dass ich Harry von dieser Schnapsidee – wenn er sie denn haben würde – abbringen könnte. Eine Fehleinschätzung, die uns andernfalls zumindest den größten Teil des Anstehens hätte ersparen können. Aber Harry hatte nicht mal mit der Wimper gezuckt, als ich ihm erklärt hatte, dass es wenig schlimmere Touristenabzocken in dieser Stadt gab als das London Eye. Wahrscheinlich war Geld nicht das überzeugendste Argument gewesen, wenn man auf den Millionen seiner toten Adelsfamilie schlummerte. Auch wenn Harry das mit dem Geld bisher noch beunruhigend unerwähnt gelassen hatte. Ich hatte den starken Verdacht, dass das wahrscheinlich daran lag, dass er schon längst alles in die Wege geleitet hatte, in der ersten Sekunde seines 18. Geburtstages alles bis auf den letzten Penny wegzugeben, um den Welthunger zu beenden. Oder so.

»Louis?«

Aufgeschreckt unterbrach ich das Studieren des quadratischen Musters der Steine unter meinen Füßen. Harrys herausfordernder Blick kitzelte auf meinem Nasenrücken. »Ja?«

»Hast du mir zugehört?«

Die Wahrheit? Nein; ich hatte nicht jedem einzelnen seiner Worte über das musikalische Talent der kleinen Gruppe an Straßenmusikern, für die wir 20 Minuten im Schatten der Waterloo Station stehengeblieben waren, meine volle Aufmerksamkeit geschenkt.

»Bist du verletzt, wenn ich ›Nein‹ sage?« Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um einen besseren Blick auf die Köpfe der Menschen vor uns zu haben. Es waren immer noch zu viele, um schon optimistisch zu sein.

»Nein.«, seufzte Harry und kickte einen kleinen Kiesel so weit von uns, dass ich ihn nicht mehr von seinem Untergrund unterscheiden konnte.

»Bereust du deine Entscheidung?«, fragte ich hoffnungsvoll. Auch wenn mir der Gedanke missfiel, die bisherigen 42 Minuten umsonst angestanden zu haben; der Gedanke daran, noch weitere zwanzig Minuten anzustehen, war schlimmer.

Aber Harry schüttelte tapfer den Kopf. »Nein.«, sagte er wieder. Bisher hatte er wirklich sein Bestes gegeben, sich nichts von der zährenden Anstrengung der Sonne und des Aufrechtstehens anmerken lassen. Dabei mussten seine Füße langsam wirklich wehtun. In der U-Bahn hatte er auf einen Stehplatz bestanden, weil er bei dem Versuch, auf einem der eher schlecht gepolsterten Sitze Platz zu finden, schmerzhaft aufgezischt hatte (»Nicht lustig, Louis!«). »Es wird sich lohnen.«

Ja, das war dann wohl Ansichtssache. Das letzte Mal war ich zur Hochzeit einer meiner Großcousinen hier gewesen. Weil ich aber weder zu Eltern noch allerbesten Freunden gehört hatte, war meine Glasgondel in nicht mal einem Drittel der Höhe für eindeutig zu lange steckengeblieben, während sich ganz oben Eheversprechen gegeben wurden. Wenigstens hatten sie ihr perfektes Foto bekommen. Die Geschichte hatte ich Harry, seit wir in dieser Schlange standen, schon dreimal erzählt. Ich betete, dass es nicht zu einem vierten Mal kommen müsste.

»Vielleicht hätten wir einfach Zuhause bleiben sollen.«, gab ich zu bedenken.

»Im Internat?!«

»Nein, bei mir. Im Moment denke ich, es hätte mir besser gefallen, wenn wir...unsere Zeit allein noch ein bisschen genutzt hätten.« Behutsam ließ ich meinen Blick über die Familie vor uns schweifen. Ich wollte die Eltern nicht in Rage bringen, indem ich ihre beiden Kindern durch Ausdrücke traumatisierte, die nicht jugendfrei genug waren. Das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, waren noch mehr Aufstände mit unseren Schlangennachbarn. Die ältere Dame hinter uns hatte lauthals zu schimpfen begonnen, als ich Harry als Entschädigung für den Seitenhieb, der ihm von meinem Ellenbogen beim Entfalten seiner dämlichen Touristenkarte verpasst wurde, auf die Lippen geküsst hatte. Ihre Initiative hatte mich überrascht, als sie eine Streichholzschachtel-große Bibel aus ihrer Jackentasche gezogen hatte. Harry war eingeschritten. Ich hatte erwartet, dass er sich mit zuckersüßem Lächeln und charismatischen Augen bei ihr für unsere selbstsüchtige Rücksichtslosigkeit entschuldigen würde. Stattdessen hatte er ihr – mit eben diesem Gesichtsausdruck – erklärt, dass sie ›gerne für die nächste halbe Stunde die Augen schließen‹ konnte. ›Wenn es Sie so sehr schmerzt, andere Menschen glücklich zu sehen, Madam.‹ Das hatte sie so sehr empört, dass sie mit verzweifeltem Schwenken ihres Taschentuchs einen der Securityguards auf sich aufmerksam gemacht hatte. Der nette Mann mit den vielen Tattoos hatte allerdings geduldig und unnahbar die Entscheidung getroffen, sie selbst und nicht uns aus der Schlange zu verweisen. Was doppelt gut war, denn ich hatte keine Ahnung, wie wir dreißig Minuten in einer geschlossenen Blase aus Glas mit ihr überlebt hätten. »Weitere Übung und so.«, fügte ich grinsend hinzu.

Harry rollte mit den Augen. Dabei war Übung das Wort, das er selbst benutzt hatte, als er beim Frühstück urplötzlich mit einem für mich ziemlich neuen Blick auf seinem Gesicht aufgestanden war und den Tisch umrundet hatte, bis er breitbeinig auf meinem Schoß saß – ja; die unschuldigen Grübchen waren nichts als Lug und Trug.

Harry neigte den Kopf. »Man sollte es nicht übertreiben, oder?« Seine Finger umschlossen wie in einem Traum die verfärbten Stellen seines Halses.

Ich bemühte mich so gut es ging, nicht zu lächeln. »Je mehr du versuchst, sie zu verstecken, desto mehr Aufmerksamkeit ziehst du auf sie, Haz.« Sanft küsste ich seine Schulter.

»Das sagst du nur, weil deine so blass sind.« Die Schlange bewegte sich einige Schritte vorwärts. Er hatte recht, die Flecken an meinem Hals waren nicht besonders auffällig. Dafür trug ich hoch auf meinen Oberschenkeln ein Muster von Blut und wunder Haut, das alles andere als blass war. Es war allerdings komplett von meiner kurzen Hose bedeckt.

»Das ist aber nicht meine Schuld.«, erinnerte ich ihn und warf einen Blick hinauf zum Riesenrad, das sich in seinem steten Schneckentempo weiter drehte.

Er nickte sachlich. »Ich weiß. Wenn wir zurück im Internat sind, werde ich-«, seine Augen weiteten sich, als wäre er über seine nutzlosen Füße gestolpert. »Hey!«

»Was?« Prüfend ließ ich meinen Blick über die Anordnung seiner Wimpern wandern.

»Zayn, wir müssen über Zayn reden!«, rief er laut genug aus, dass die Köpfe beider Eltern vor uns sich kurz zu uns umdrehten. Was mich nicht groß kümmerte. Denn Harry hatte ein viel zu wichtiges Thema angesprochen.

»Ja!«, erklärte ich aufgebracht. »Wir müssen über Zayn reden! Vielleicht fangen wir damit an, dass du ihn zum Gesprächsthema machen wolltest, während wir zum ersten Mal Sex hatten?« Eindringlich gestikulierte Harry in die Richtung der herumspringenden Kinder vor uns, doch dieses Mal schenkte ich ihnen keinen zweiten Blick. »Kannst du mir das erklären? Wieso zur Hölle, Harry Styles, hast du an Zayn gedacht, während meine Finger in deinem-«

»Louis!« Harrys Hand war nach vorne geschnellt und verdeckte jetzt meinen Mund. Sein entsetzter Gesichtsausdruck hätte mich fast zum Lachen gebracht. Ich umfasste das schlanke Handgelenk und befreite meinen Mund.

»Okay.«, sagte ich ein bisschen ruhiger. »Also nochmal: wieso hast du angefangen, über Zayn zu reden?« Ich war nicht wütend, aber es war ein Moment, den ich nicht wie so häufig unkommentiert in die Harrys-Gehirn-ist-eben-ein-unerklärliches-Labyrinth-aus-Zuckerguss-Schublade schieben wollte.

»Weil ich weiß, wie wir ihn loswerden können!«, verkündete er mit derselben Aufregung, die auch gestern Abend auf seinen Wangen gebrannt hatte, als ihm diese Erkenntnis gekommen war.

»Ja. Das hattest du bereit verkündet.«

»Willst du meine Idee nicht wenigstens hören?«

»Erstmal würde ich gerne hören, wieso du in der Mitte deines ersten Mals an Zayn gedacht hast, der – um das einmal festzuhalten – nicht anwesend war!« Ich schaute an meinen Beinen hinab, als ich eine raue Kälte spürte. Der kleine Hund – der zu keiner der drei Hunderassen gehörte, die ich richtig bestimmen konnte – der Familie vor uns war zum gefühlt achtzigsten Mal zu uns spaziert, um mit wackelndem Kopf meine Knöchel abzulecken. Ich fragte mich, wer ihnen beibringen müsste, dass Hunde im London Eye nicht erlaubt waren. Ich jedenfalls nicht.

Harry ging in die Hocke und zog eine süße, kindliche Grimasse, als könnten Hunde menschliche Gesichtsausdrücke lesen. Auch zum gefühlt achtzigsten Mal. »Weil du von der National Gallery geredet hast. Wegen seiner Eltern.«

Ich hielt ihm eine Hand hin und zog ihn wieder zu voller Körpergröße hoch. Unser hechelnder Besucher trottete an seiner Leine zurück zu seinen Besitzern. Wenn ich die Augen zusammenkniff, sah er fast aus wie Ted. »Also soll ich die Gedanken an ihn in deinen Kopf beschworen haben?«

Er nickte. »Und außerdem, Louis William, hast du angefangen, über Alice zu reden.«

»Alice?«

»Alice im Wunderland.«

Ich runzelte die Stirn. »Ist das ein Scherz, Harry? Vergleichst du Alice aus Alice im Wunderland, eine fiktive Figur aus einem Buch aus dem fünfzehnten Jahrhundert, mit Zayn?!«

Er zog trotzig die Augenbrauen zusammen. Ich fragte mich, ob er heute Morgen an Sonnencreme gedacht hatte. »Neunzehntes Jahrhundert.«

Empört warf ich die Arme in die Luft. Dieser Junge war einfach unglaublich. »Zayn ist real!«

»Ich habe darüber geredet, dass ich ihn loswerden, nicht Sex mit ihm haben wi-«, er biss sich auf die Innenseiten seiner Wangen und warf den Kindern vor uns einen weiteren unsicheren Blick zu. Alles war okay. Das kleine Mädchen kaute auf dem Ende einer ihrer Flechtezöpfe herum. Ihr Bruder murmelte unverständlich vor sich hin und fummelte an der Plastikschnalle des hässlichen Gürtels herum, der alle englischen Monarchen seit Henry VIII zeigte. Die Eltern diskutierten über ablaufende Parkzeiten.

»Weiß ich doch, Harry.«, erklärte ich amüsiert. »Ich zieh dich nur auf.« Er presste die Lippen aufeinander, als könnte er meiner Intention immer noch nicht ganz trauen. »Na, komm schon.« Aufmunternd küsste ihn kurz und weich. »Erzähl. Wie können wir Zayn loswerden?«

Er öffnete den Mund, aber ich unterbrach ihn, bevor er einen einzigen Ton herausbringen konnte. »Wenn es wieder ein Krieg ist, dann werde ich protestieren müssen.«

Die Schlange bewegte sich ein paar beachtliche Meter vorwärts. Harry warf einen Blick über die Schulter auf all die Menschen hinter uns. »Ein Krieg wäre es, wenn Niall in die Planung involviert wäre.« Vielleicht ermutigte es ihn, dass wir uns mittlerweile im ersten Drittel der Schlange befanden. Als er sich wieder nach vorne wandte, lächelte er. »Ich hatte da eher an Paris gedacht.«

»Harry, ich würde Zayn wirklich gerne auch einfach in ein Flugzeug nach Paris setzen, aber ich bezweifle, dass er das so einfach mit sich machen lässt.« Ich musterte das Fußball-Logo auf Harrys Brust und fragte mich, ob sein Plan für das Loswerden von Zayn auf der gleichen Denkweise beruhte, die ihn glauben ließ, dass er heute ein Shirt des Arsenal Londons tragen sollte.

Er blinzelte hinauf in den Himmel. Und entschied sich dazu, meine Bemerkung zu übergehen. »Hast du von Henri Loyrette gehört?«

»Wer soll das bitte sein? Ein Kopfgeldjäger?«

»Der Direktor vom Louvre.«

Überrascht nickte ich. »Ja, davon habe ich gehört! Dass er zurücktritt? Meine Eltern haben in den Osterferien darüber geredet. ›Nicht mal der Louvre kann seine Angestellten mehr halten!‹«, imitierte ich die Stimme meiner Mutter, ihre Füße durch feine Riemchensandaletten und ein schneeweißes Handtuch vorm Strandsand beschützt. Dann der Akzent meines Vaters: »›Das bezweifle ich. Ich habe gehört, er soll an Krebs leiden.‹ Bla bla bla, Paris, Wein, Geld.« Langsam bereute ich es, keine Sonnenbrille mitgenommen zu haben. Aber vielleicht kam das nur daher, dass ich mich mental zurück an einen Mittelmeerstrand versetzt hatte. Natürlich war mir bewusst, worauf Harry hinauswollte. »Aber die werden Zayns Dad nicht mal in Erwähnung ziehen für die Stelle. Er ist nicht in Frankreich geboren.«

»Jean-Luc Martinez wird Henri Loyrettes Nachfolger.«

»Okay...cool? Ich interessiere mich nicht besonders für französische Kunsthistoriker, Harry. Und ich wusste nicht, dass du das tust. Zayns Vater ist aus dem Rennen, so oder so. Ich bin mir nicht so sicher, wie gut durchdacht dein Plan ist.«

Harry zupfte einen kleinen Fussel von meinem Shirt. »Jean-Luc Martinez hat angekündigt, die größten Änderungen durch Umstrukturierungen des Personals zu bewirken.«, fuhr Harry weiter fort, als wäre ich überhaupt nicht Teil dieses Gesprächs. »Er möchte ein internationaleres Bild für das Museum.«

»Hast du eine französische Kulturzeitung oder so abonniert?«

»Eve hat mir davon erzählt.«, berichtete er, als wäre das ein klassisches Gesprächsthema, wenn man eine Patentante hatte. Aber vielleicht waren das ganz einfach die Art von Gespräche, die man führte, wenn man Nachfahre einer einflussreichen Adelsfamilie war.

»Na gut.«, räumte ich ein – und versuchte, im Hinterkopf nicht schon darüber nachzudenken, was wir nach unserer Fahrt im London Eye essen könnten. »Es ist also eine andere Stelle für Zayns Dad offen. Aber denkst du wirklich, es gibt Gründe, die überzeugend genug sind, um als Direktor der National Gallery zurückzutreten, nur um zu irgendeinem Abteilungsleiter in einem anderen Land zu werden?«

Harry lächelte, wie er es tat, wenn ich etwas so Lächerliches sagte, dass er es niedlich finden musste. »Ja. Erstens ist er kontrovers genug hier in London. Er leitet die National Gallery; als Amerikaner. Ich kann mir nicht mal vorstellen, wie viele Kritiker er allein in seinem eigenen Management haben muss. Das ist weder gut für ihn noch fürs Museum.« Stumm nickte ich. Ich hasste es, wenn jemand etwas schmerzhaft Logisches und Offensichtliches sagte, aber ich nicht einmal bei aktivem Nachdenken darauf gekommen war.

»Zweitens ist der Louvre das größte Kunstmuseum der Welt. Die National Gallery kann da im Traum nicht mithalten. Auf keiner Visitenkarte. Zayns Dad selbst wird das besser wissen als jeder anderer, denn er hat in beiden Museen gearbeitet.« Harry hielt jetzt seine Hand hoch und streckte neben seinem Zeige-und Mittel- auch den Ringfinger aus, um sich nicht zu verzählen. »Drittens: das Geld. Du hast natürlich recht; für die zwei bestbezahltesten Stellen wird er nicht in Erwägung gezogen werden. Direktor und stellvertretender Direktor sind für gebürtige Franzosen reserviert. Aber Nummer drei ist noch offen. Geschäftsführer. Und wer würde in einem internationalen Komitee keinen amerikanischen Geschäftsführer haben wollen – der in seinem Lebenslauf schon das MoMA und die Londoner National Gallery vorzuweisen hat? Und noch viel wichtiger; er hat bereits im Louvre gearbeitet. Er hat einen Vorteil gegenüber anderen Bewerbern. Außerdem müsste für ihn selbst das Geld schon ausschlaggebend genug sein. Geschäftsführer vom Louvre, herzlichen Glückwunsch.«

Ich fragte mich, was ich darauf erwidern sollte. Doch Harry hob jetzt auch noch den kleinen Finger an.

»Viertens haben sowohl seine Frau als auch sein Sohn das Leben in Frankreich dem in England vorgezogen.« Mein überfordertes Gesicht musste ihn beeindruckt haben. »Hat Zayn mal erwähnt.«, erklärte Harry ruhig und langsam, als wäre ich ein Vierjähriger. Es stimmte. Ich hatte eine vage Erinnerung daran, wie ich Zayn am ersten Tag durchs Internat geführt und er Paris als ›die beste Stadt auf der Welt‹ bezeichnet hatte. »Außerdem würde Eve nachhelfen.«

Ich starrte ihn an. Was sollte das denn jetzt schon wieder bedeuten? »Inwiefern?«

»Sie würde die Maliks anrufen und ihnen die Wahrheit erzählen. Dass sie glaubt, dass Zayn die Schule nicht guttut. Dass er sich nicht wirklich erfolgreich in den Schulalltag eingelebt hat und seine Mitschüler auf ihn wie ein ihm gegenüber feindliches Umfeld wirken – und, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Dass Eve nach angemessener Beobachtung vermutet, dass Zayn als ein Junge, der sein bisheriges Leben in New York, Paris und London verbracht hat, in einem abgeschiedenen Internat nicht klarkommt und sich nicht anpassen kann. Dass es sich als ein großes Hindernis in seinem folgenden Abschlussjahr entpuppen könnte. Und dass sie es deswegen leider als beste Option angesehen hat, jetzt das Gespräch zu suchen und ihnen schweren Herzens zu empfehlen, Zayn von der Schule zu nehmen.«

»Wer bist du und was hast du mit Harry Styles gemacht?«

Er zuckte mit einer Schulter und lächelte wie bei einem Vorstellungsgespräch.

»Das würde Evelyn tun?«, hakte ich nach.

»Ja. Wie gesagt; es ist die Wahrheit.« Harry ließ seine Hand mit den ausgestreckten Fingern sinken. »Hört sich für mich alles ziemlich eindeutig an. Wenn ich Zayns Vater wäre, würde ich nicht zögern. Höheres Gehalt, größeres Museum, besserer Ruf, glücklichere Familie.«

Mehr als ein wenig überrumpelt versuchte ich, den Schwall an Informationen zu verarbeiten. Harry konnte schön rauf und runter reden, aber irgendwie kam mir die ganze Sache trotzdem noch lückenhaft vor. »Das ist ja toll und alles.«, begann ich, als ich ungefähr wusste, was ich sagen wollte. »Aber woher sollen wir wissen, dass die Stelle nicht schon längst vergeben ist? Und selbst wenn nicht, wie willst du Zayns Dad darauf anspringen lassen? Wie können wir so einfach das Schicksal dazu manipulieren, den Vater des Arschlochs, das dich gegen deinen Willen geküsst hat, zum CEO des Louvre zu machen? Ihm eine E-mail schreiben, dass wir da ein interessantes Jobangebot für ihn gefunden haben? Ich weiß schon!«, sagte ich ironisch. »Wahrscheinlich ist dieser Jean-Jacques–«

»Jean-Luc«, berichtigte Harry geduldig.

»Wahrscheinlich ist Jean-Luc Evelyns Zwillingsbruder und so kriegen wir alles ganz einfach eingefädelt!«, spekulierte ich überdramatisch.

»Zwillingsbruder«, kicherte Harry leise und umschloss meine Hand mit seiner, weil ich nicht bemerkt hatte, wie sich die Schlange vorwärts bewegt hatte. »Jean-Luc ist Eves Cousin.«

Meine Beine froren in ihrer Bewegung fest. »Nicht dein Ernst.«

»Ist er!«, erklärte Harry fröhlich und zog mit einem unsanften Ruck an meinem Arm, damit ich mich weiterbewegte. »Deswegen hat sie mir überhaupt erst von allem erzählt. Ich habe ihn kennengelernt, als ich acht war oder so, aber ich kann mich nicht wirklich erinnern. Er ist nett, sagt Eve.«

»Er ist nett.«, wiederholte ich mit lahmender Zunge. Ich musste denken. Es schien fast so, als könnte Harrys kleiner Plan funktionieren. »Wie schön.«

Harry lächelte, tiefe Grübchen und weiße Zähne. »Ja, nicht wahr? Vielleicht kriege ich Eve dazu überredet, im Sommer nach Frankreich zu fahren. Ich habe England außer für Irland seit...ewig nicht mehr verlassen, aber in den Sommerferien gibt es eigentlich immer ein bisschen Zeit, in der Eve frei hat. Und ich hoffe, dass die Situation sich jetzt ein bisschen geändert hat, mit London, mit dir. Weißt du, vielleicht ist es gewissermaßen sogar gut, dass das mit den Kerzen passiert ist.«

Das bezweifelte ich zwar, aber darüber würde ich mit ihm nicht diskutieren. »Eine Frage hätte ich noch.«, meldete ich mich wieder zu Wort. Harry nickte und wippte auf seinen Füßen vor und zurück. »Du hast dir also diesen komplexen Plan überlegt, während wir zum ersten Mal miteinander geschlafen haben?!«

Dieses Mal drehte sich die Mutter der Kinder vor uns wirklich um. Sie warf mir einen entrüsteten Blick zu und schob ihre Tochter ein Stück weiter in die Beine der Menschen, die vor ihnen aufgereiht warteten.

Harry schüttelte mit lebhaften Locken den Kopf. »Nein! Versprochen! Als ich deiner Mum gestern Morgen von den Sachen erzählt habe, die wir bisher hier gemacht haben, hab ich die National Gallery erwähnt. Und dann hat sie von dem Direktorwechsel beim Louvre angefangen, Museum-zu-Museum oder so. Da habe ich zum ersten Mal die Parallele gezogen. Von Jean-Luc hatte ich schon gewusst, weil Eve mir davon erzählt hatte, aber ich habe dem Wissen nichts zugeschrieben. Gestern Morgen hat deine Mum mich dann aber darauf gebracht und ich habe die Fakten zusammengebastelt, während du das mit meinem kaputten Tube-Ticket geregelt hast. Aber dann kam die Entenfamilie, erinnerst du dich? Ich hab's wieder vergessen, bis du abends das mit der National gesagt hast. Ist immerhin nicht meine Schuld, dass das war, als du mich gerade gefing-« Mit schuldbewusstem Blick auf die gelangweilten Kinder und ihren zappeligen Hund presste er schnell die Lippen aufeinander.

Schmunzelnd unterdrückte ich ein Lachen. Ich würde an unserem ersten Mal oder an Harry nichts ändern, selbst wenn ich es könnte. Und ich hoffte, dass er das wusste – denn es war nicht die Art von Dingen, die ich laut aussprach.

»Hey!« Harry ging auf die Zehenspitzen und deutete mit ausgestrecktem Arm auf ein paar uniformierte Männer nur wenige Meter vor uns. »Taschenkontrollen! Glaubst du, sie werden mir meine Kamera abnehmen?« Beschützerisch klammerte er sich an die zu klobige Polaroidkamera, die um seinen Hals baumelte.

Wie so oft konnte ich nur ungläubig die Augen verdrehen. »Harry, komm schon, die wollen nicht verhindern, dass du Fotos, sondern auf Menschen schießt. Natürlich nehmen sie dir die Kamera nicht ab.«

Er sah erleichtert aus. Das einzige, das mich erleichterte, war der Fakt, dass wir mittlerweile fast den Einstieg erreicht hatten. Dann nur noch 30 Minuten in einer Glasgondel mit 25 Fremden, und Harry, der mich nicht mehr beachten würde, weil ich kein Wolkenkratzer war. Ich konnte nicht fassen, dass wir unsere kostbare Zeit in London so verschwendeten.

Aber es würde ihn glücklich machen. Er würde mich aufgeregt und vor sich hin brabbelnd küssen, sobald wir wieder auf festem Boden standen. Und letztendlich würde auch ich glücklich sein. Denn so sinnlos das auch war; so funktionierte es nun mal mit der Liebe.

Ich musste grinsen, aber nicht weil meine Knöchel schon wieder von einer rauen Hundezunge abgeleckt wurden. Sondern weil der einzige Harry Styles auf diesem Planeten sich aus irgendeinem unerklärlichen Grund ausgerechnet in mich verliebt hatte.

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Vorletztes Kapitel, Überraschung :))

Aber wichtiger: Etwas, das mir sehr am Herzen liegt und die letzten vier bis fünf Jahre pausenlos in meinem Verstand herumgetanzt ist. Meine neue Geschichte, hey hey. Ich habe sie heute hochgeladen (Prolog), aber das erste Kapitel kommt zusammen mit dem letzten von one room :)

Lest sie gerne, denn Harry ist ein richtiger, echter, lebendiger Schutzengel. Louis ist...ein Mensch. Und mein Kopf wäre beim Planen ein paar Mal fast geplatzt.

Wir sehen uns dort oder im nächsten und letzten one room Kapitel oder nie wieder, aber danke für all die Geduld <3

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