Kapitel 1 - Taehyung

Regel Nr. 1: Erwartungen runter schrauben

(erwarte nichts Großartiges, dann hält sich die Enttäuschung in Grenzen)


Taehyung traf ich auf einer dieser elend überzogenen Einweihungspartys, die manche Firmen für neu erworbene Büroräume veranstalteten, um in besonderem Maße darauf aufmerksam zu machen, wie unglaublich jung, hip und absolut trendy sie waren. Und ich weiß noch, dass das erste Bild von ihm sich mir quasi auf die Netzhaut gebrannt hatte. Mein Gott, was war dieser Mann schön. Offensichtlich war er die ‚plus Eins' auf der Einladungskarte einer nicht minder aufregenden Frau, welche an seinem Arm hing, als wäre er ihr Blindenhund. Dabei war die Gute vermutlich gut und gerne doppelt so alt, wie ihr umwerfender Begleiter, auch wenn wohl ein halbes Dutzend Schönheits-OPs dafür gesorgt hatten, dass sie wenigstens ansatzweise mit ihm mithalten konnte. Trotzdem. Ihr Verhalten war affektiert, ihr Lachen zu schrill, die ganze Aussage deswegen überdeutlich: Seht her, er gehört mir.

Worüber man nun spekulieren konnte oder nicht. Denn ihr jugendlicher Begleiter fügte sich zwar ganz dem freundlichen Lächeln und der höflichen Konversation, aber hin und wieder glitt sein Blick doch beinahe hilfesuchend durch den Raum. Als gelte es, jemanden zu finden, der ihn aus seinem Elend befreien würde.

Ich war ganz kurz davor, beim nächsten Mal einfach neckisch in seine Richtung zu winken.

Eine Weile beobachtete ich also mehr oder weniger aufmerksam dieses Schauspiel, während ich selbst völlig belanglose und im höchsten Maße langweilige Konversation betrieb. Immer höflich lächelnd, immer wahnsinnig interessiert - ich wusste ja, was man von mir erwartete. Ich war selber die ‚plus Eins', allerdings einer langjährigen Bekannten, die mich angefleht hatte, sie nicht im Stich zu lassen. Wenn ich mir das Publikum hier so ansah, welches zu großen Teilen aus älteren, geifernden Männern in teuren Anzügen und mit noch teureren Uhren an den Handgelenken, bestand, ahnte ich, warum ihre Verzweiflung so groß gewesen war. Im Moment war Eun-chae allerdings gerade ins Gespräch mit einer Studienkollegin vertieft und ich hatte Zeit, einmal mehr den jungen Mann zu bewundern, der demütig und brav neben seiner grellen älteren Begleitung ausharrte. Sanft lächelnd, immer aufmerksam. Ich zollte ihm Bewunderung dafür, wirklich. Und er war wirklich umwerfend schön. Es schien fast so, als würde er das Licht im Raum aufsaugen und wie eine Aura um sich selbst langsam wieder abgeben. Er... schimmerte.

Oder ich hatte ein paar Drinks zu viel.

So oder so, ich wollte näher an diesen Kerl heran, weil ich wissen wollte, ob seine Wirkung aus der Nähe immer noch so umwerfend war. Also flanierte ich lächelnd, eine Bemerkung hier oder da einwerfend, allmählich durch den Raum, gönnte mir ein oder zwei Häppchen von einem Tablett, das eifrige, wunderschöne und ebenso blutjunge Kellnerinnen und Kellner herumtrugen und manövrierte mich so in eine bessere Ausgangslage. Jetzt konnte ich auch in Teilen das Gespräch verfolgen, in das er verwickelt worden war. Es ging wohl um Schauspielerei, wer hätte das gedacht. Sein Gegenüber bombardierte den jungen Mann mit dummen wie auch anzüglichen Fragen, aber immer noch hatte er sich im Griff. Ein leises Lachen, ein paar charmante Antworten - Respekt.

Im Übrigen hatte er eine tiefe, sexy Stimme und ich stellte mir vor, welche Wirkung diese Stimme im Halbdunkel eines Schlafzimmers haben würde. Dieses rauchige, dunkle Timbre, zusammen mit diesem heiseren Lachen, das von Zeit zu Zeit zu hören war.

„Taehyung, Schätzchen", hörte ich seine Begleitung. „Bitte sei so lieb und besorge uns noch etwas Champagner, hm?"

Taehyung also - und ich durfte außerdem verfolgen, wie das blondierte, alternde Gift ihrem hübschen Spielzeug ein Küsschen auf die Wange hauchte - Vorschuss-Dankbarkeit womöglich, weil er sich brav auf den Weg an die Bar machte.

Das war mein Stichwort. Noch bevor er sich ganz aus dem Dunstkreis seiner überwiegend älteren und umso anhänglicheren Schar der Bewunderinnen gelöst hatte, war ich schon auf dem Weg und lehnte entsprechend entspannt an der Bar, als er an selbiger ankam.

„Champagner", orderte er auch sogleich, tatsächlich nur ein Glas und als ich ihn amüsiert musterte, traf mich ein Blick aus dunkeln Augen, der mir sofort unter die Haut ging. Ich hatte keine Ahnung wie er das machte, aber es war enorm. So wie er mich ansah, war es weder besonders anzüglich, noch aufreizend, am ehesten tatsächlich unschuldig und das passte mal so gar nicht zu seiner restlichen Ausstrahlung.

„Der ist hoffentlich nicht für dich", sagte ich und drehte mich ganz zu ihm um, auch, um ihn ungeniert betrachten zu können, denn er war definitiv ein absoluter Leckerbissen. Das begann bei dem unkoordinierten Wust an dunklen Locken der sein perfekt geschnittenes Gesicht umrahmte und endete bei der hochgewachsenen, schlanken Gestalt. Alles dazwischen kämpfte verbissen um die Vorherrschaft der Aufmerksamkeit. Die Augen, der Mund, die Hände. Alles ein bisschen zu groß, alles gerade so am Limit dessen, was ihn außergewöhnlich machte. Außergewöhnlich schön.

„Nein", er lachte leise und schüttelte den Kopf. „Der ist für meine Begleitung." Jedes Wort klang wie geraunt, aber es war sein Lachen, dieses sinnlich-heisere Lachen, das quer durch meinen Körper und dummerweise direkt in meine Hose fuhr. Verdammt. Wie viel Sexappeal konnte eine einzelne Person haben?

„Bourbon", bestellte ich und gab dem Barkeeper ein Fingerzeichen. „Kein Eis." Er nickte, stellte das Champagnerglas auf dem Tresen ab und griff nach zwei Whisky Tumblern. Die Gläser kratzen mit einem leisen Geräusch über das Holz und meine neue Bekanntschaft - beziehungsweise die, die es noch werden sollte - schien wie hypnotisiert davon. Gut so. Kaum hatte der Barmann eingeschenkt, schob ich ein Glas davon in die Richtung des Jüngeren und klirrte mein eigenes dagegen.

„Yoongi", sagte ich dabei und wartete.

Nun, vieles hätte in diesem Moment passieren können. Er hätte dankend ablehnen und sich mit einem weiteren charmanten Lächeln aus dem Staub machen können. Er hätte den Drink annehmen, rasch leeren und dann verschwinden können. Aber Taehyung entschied sich wohl, spielen zu wollen, denn er lehnte sich an den Tresen, griff nach dem Glas, nahm es aber nicht, sondern drehte es nur mit einem vagen Lächeln auf dem Holz, bevor er mir einen weiteren Blick aus seinen wunderschönen Augen schenkte.

„Taehyung", erwiderte er endlich. Eine Information die ich zwar schon hatte, aber jetzt offiziell nutzen konnte.

„Es ist mir eine Freude", nuschelte ich also und wir tranken. Das heißt, ich nippte nur an meinem Glas, während Taehyung seins in einem Zug leerte, zurück auf das Holz stellte und sichtbar zögerte, es loszulassen. Natürlich, wenn er es losließ, gab es keinen Grund mehr, hier zu verharren. Die Idee, dass er womöglich gerade verzweifelt einen Grund suchte um bleiben zu können, gefiel mir.

Dabei war es die kleine Geste danach, welche die sexuelle Spannung zwischen uns urplötzlich in die Höhe schraubte. Der Moment, als er das Glas losließ und seine Hand sekundenlang auf dem polierten Holz lag, als er mich anlächelte und gleich darauf seine Zungenspitze über seine Lippen zuckte.

„Danke", flüsterte er. Ein langer Finger tippte auf das Holz. „...Yoongi..." Er drehte sich um, aber ich sah das vage Schmunzeln, dass dabei um seine Mundwinkel zuckte. Das war genau im richtigen Maße frech, um so viel Interesse zu zeigen, wie er es unter diesen Umständen wagte.

Mit dem Champagnerglas in der Hand schlenderte er also wieder zurück. Für einen Augenblick war ich mir sicher, dass er sich nicht umdrehen würde, weil er das doch gar nicht nötig hatte, doch kurz bevor er bei seiner Begleitung ankam, tat er es doch noch. Ein rascher Blick reichte um alle anderen Fragen unwichtig werden zu lassen.

Ich seufzte verhalten und nippte erneut an meinem Drink, während ich ihn unauffällig beobachtete. Ja, eindeutig der schönste Mann in diesem Raum und er zappelte bereits an der Angel. Ich fühlte mich angenehm berauscht und das hatte ausnahmsweise nichts mit dem Bourbon zu tun.

Das Problem mit gutaussehenden Männern war nämlich grundsätzlich immer: Die meisten von ihnen wussten sehr genau um ihr Potenzial und wie sie es einsetzen mussten. Auf einen zu treffen, der sich seiner Wirkung noch nicht bewusst war oder es zumindest nicht ständig einsetzte um andere zu manipulieren, war ein Glücksgriff. Und dieser junge Kerl hier, war wohl ein Rohdiamant.

Zwei Stunden später war die gesittete Party endlich zu dem entartet, was sie von Anfang an hatte werden wollen, das was sicher jeder auch ganz genau so erwartet hatte. Endlich war sie der brodelnde Sumpf an unverhohlenen Anzüglichkeiten, der nur darauf abzielte, endlich die Fronten zu klären, zwischen Jägern und Gejagten. Ich selbst nahm mich dabei gar nicht aus, auch wenn ich die letzte Stunde hauptsächlich damit verbracht hatte, Eun-chae vor aggressiven Flirtversuchen der Männer zu bewahren, die ohne Problem auch ihre Väter hätten sein können. Taehyung schnürte auf der anderen Seite des Raumes durch die Meute wie eine Wildkatze und - was ich ebenfalls registrierte - er achtete sehr genau darauf, ob ich ihn auch im Blick hatte.

Hatte ich, oh ja. Und als er sich aus seiner Gruppe löste, um den Raum zu verlassen, dabei einen vagen Blick in die Runde warf, ohne mich direkt anzusehen, war es Aufforderung genug. Ich überließ Eun-chae in der Obhut einer Kollegin und folgte dem Kätzchen. Ich stöberte ihn im Waschraum der Herrentoilette auf, wo er tatsächlich am Waschtisch lehnte, an seinen Haaren zupfte, an seinem Hemd. Sein Blick folgte mir im Spiegel, während ich ihn umrundete, aber sonst regte er sich nicht. Ich blieb am zweiten Waschbecken stehen, lächelte schwach, während ich mir die Hände wusch, mied aber seinen Blick. Ich konnte spüren, dass er mich musterte, aber er sprach kein Wort und ich ebenfalls nicht. Wozu auch, wir wussten beide, warum wir hier waren. Die Kabine hinter uns war belegt, es war die einzige, deren Tür geschlossen war.

Gleich darauf ging die Kabinentür jedoch auf, der Kerl, der heraustrat schenkte uns nicht mal einen Blick, trat ebenfalls an eins der Waschbecken und war keine Minute später verschwunden. Gerade als die Tür zum Waschraum zufiel, drehte sich Taehyung um und zwar in meine Richtung.

Ich weiß nicht, wollte er etwas sagen? Er kam nicht dazu. Noch aus der Bewegung heraus hatte ich ihn an seinem Hemd gepackt und schob ihn rückwärts in eine der Kabinen. Er prallte gegen die dünne Wand, keuchte überrascht, aber noch während ich blind versuchte, den Riegel der Tür einzurasten, waren seine Hände bereits in meinen Haaren und sein Mund verschloss meinen.

Okay, das war definitiv ein guter Anfang.

Ich gab nach, ließ es zu, dass seine Zunge in meinen Mund tauchte und genoss für einen Moment seinen wilden Übergriff. Es war verspielter, als ich es erwartet hätte, aber nicht so schlecht. Allerdings waren seine Finger immer noch in meinen Haaren, strichen jetzt behutsam über meinen Nacken und ich spürte, dass sie kaum merklich bebten.

Na schön, wenn er mir die ganze Initiative überließ. Nachdrücklich zerrte ich an seinem Hemd, befreite so viel davon aus seinem Hosenbund, wie nötig war, um auf seine warme nackte Haut darunter zu gelangen und hörte ihn leise an meinem Mund seufzen. Jetzt wurde auch sein Kuss deutlich fahriger und ich eroberte die Führung zurück. Vielleicht ein bisschen zu hart, aber er wehrte sich auch nicht wirklich. Als meine Hand über den weichen Stoff seiner Hose fuhr und unmissverständlich in seinen Schritt, stöhnte er verhalten in meinen Mund und seine Fingerkuppen bohrten sich in meinen Nacken.

Wirklich? Jetzt schon. Schmunzelnd löste ich mich von ihm, meine Hand blieb wo sie war, bewegte sich mit sanftem Druck, gerade so viel, dass ich spüren konnte, wie er unter dieser Berührung langsam hart wurde.

Und verdammt! Was ich da spüren konnte, versprach jede Menge Spaß, großen Spaß...

Unterdessen fixierte mich Taehyung schweigend. Er leckte sich die Lippen, sein Becken zuckte meiner Hand entgegen und seine Augen waren beinahe schwarz.

„Willst du gehen?" Ich verstärkte den Druck ein wenig und entlockte ihm damit ein neuerliches, leises Stöhnen, dann ein hektisches Nicken.

„Ja..." Seine Stimme war dunkel und heiser.

„Hotel?"

„Ja."

Entscheidungsfreudig und unkompliziert, das war schon mal genau mein Ding.

„In zehn Minuten draußen." Mit leichtem Bedauern zog ich meine Hand zurück, woraufhin Taehyung mit einem bebenden Ausatmen gegen das dünne Holz in seinem Rücken sank. Dann küsste ich ihn noch einmal, ein wenig sanfter als zuvor und schon wieder glitten seine zitternden Finger über meinen Nacken.

Irgendwie war das süß. Ich musste schmunzeln.

„Bis gleich."

Zurück auf der eigentlichen Party suchte ich nach Eun-chae, um sie von meiner Absicht in Kenntnis zu setzen, die Party alsbald zu verlassen. Das war jetzt nicht unbedingt die charmanteste Art, aber wir kannten uns lange genug, um uns solche Fauxpas gelegentlich zu verzeihen. Wahrscheinlich hatte sie auch mein vorübergehendes Verschwinden längst richtig eingeschätzt.

Sie lächelte, versicherte mir, dass sie zurechtkommen würde und verabschiedete mich mit einem gehauchten Kuss auf die Wange.

„Sei nett", raunte sie außerdem und ihr kaum sichtbares Nicken, wies auf die Tür. Ich drehte mich in diese Richtung und sah gerade noch, wie Taehyung durch die Türen verschwand. Schmunzelnd wandte ich mich an Eun-chae.

„Bin ich doch immer."

Sie lachte leise, ihre Hand strich über meinen Arm, dann gesellte sie sich wieder zu ihrer Freundin und ich stahl mich davon. Ich nahm den Aufzug, warf einen kurzen Blick in den Spiegel der Liftkabine und sah wieder weg. Ich hatte noch nie mit meinem Äußeren gehadert und nur weil Taehyung so unverschämt gut aussah, würde ich ganz sicher nicht damit anfangen. Stattdessen lehnte ich mich an die Rückwand und verfolgte die Stockwerkanzeige, während ich mir ein paar kleine Fantasien zu meiner neuesten Eroberung gestattete.

Wenige, denn ich hatte im Laufe der Zeit durchaus gelernt, dass es besser war, die Erwartungen nicht allzu hoch zu schrauben und Taehyungs Äußeres verleitete dazu. Das war nicht gut. Wenn man zu viel erwartete, wurde man grundsätzlich enttäuscht. Am besten war es, einfach gar nichts zu erwarten und schlicht das zu genießen, was man bekam. Allerdings spürte ich auch, dass sich eine gewisse Vorfreude in mir festsetzte, vielleicht aufgrund der kurzen Begegnung im Waschraum. Ich schloss einen Moment die Augen und atmete langsam aus. Erst beim leisen Pling des Aufzugs, öffnete ich die Augen wieder und trat in das Foyer.

Der Portier hinter dem Tresen sah auf, als ich auf ihn zukam.

„Taxi", murmelte ich nur. Ein stummes Nicken antwortete mir, der Mann griff zu seinem Telefon und tauchte dann diskret im Hintergrund ab.

Taehyung wartete vor dem Gebäude, an eine der Säulen gelehnt, die den Eingang flankierten und sah her, als ich durch die Tür trat. Alles an ihm war lasziv, sein Blick, seine Haltung, die Art und Weise wie er sich eben durch die dunklen Locken strich - aber im Gegensatz zu vielen anderen, die sich ähnlich dargestellt hatten, wirkte es an ihm nicht gespielt, sondern tatsächlich echt.

Mit einem Schmunzeln richtete er sich auf, während ich zu ihm trat und es wirkte auf mich, als würde er noch einmal mustern, worauf er sich hier eingelassen hatte. Aber offenbar, war er zufrieden mit seiner Entscheidung, denn nur einen Moment später, wich er meinem Blick aus und ein vages Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

Wenig später fuhr das Taxi vor und ich bat ihn mit einer stummen Geste in den wartenden Wagen. Ich nannte dem Fahrer das Hotel, dann erst wandte ich mich das erste Mal richtig an Taehyung.

„Ist das okay?"

„Sicher", raunte er nur, schmunzelte schon wieder und sah dabei einen Moment lang aus dem Seitenfenster. Sein Finger tippte nachdenklich und auch ein wenig neckisch an seine Unterlippe, bevor er mich doch wieder ansah. Ein intensiver Blick halb versteckt unter wilden Locken.

„Kennt man dich dort?" Er grinste frech und ich musste lachen. Subtil war anders.

Schließlich schüttelte ich den Kopf. „Nicht so gut, wenn du das meinst."

Auch das quittierte Taehyung nun nur mit einem knappen Nicken, lehnte sich entspannt zurück und streckte dabei ein Bein ein wenig aus, soweit es der Platz eben zuließ. Auch das war genau den Hauch anzüglich, der Vorfreude schürte. Vor allem aber wirkte er kein bisschen nervös und das schraubte dann doch wieder meine Erwartungen in die Höhe. Jemand, der so selbstverständlich in dieser Situation agierte, wusste, was er wollte und wie er es bekam.

Ich war versucht, die Hand nach ihm auszustrecken, ihn zu berühren, aber ich hielt mich zurück, womöglich auch, weil ich annahm, dass er genau das erwartete. Ich wollte nicht, dass er glaubte, ich wäre berechenbar. Es war mein Spiel, ich hatte ihn ausgewählt, nicht umgekehrt. Außerdem waren wir so gut wie da. Das Taxi bog in die nächste Straße ein und hielt vor der Tür des ausgewählten Hotels. Bis ich bezahlt hatte, war Taehyung schon ausgestiegen und schlenderte völlig gelassen in Richtung Eingang. Das war okay, denn wie schon gesagt, er war meine Eroberung, das Hotel war meine Wahl, ich würde bezahlen.

Während ich an der Rezeption das mit dem Zimmer klärte, war Taehyung längst weitergegangen, durch die Hotellobby geschnürt wie eine Wildkatze und wartete jetzt in der Nähe der Aufzüge. Grinsend trat ich zu ihm, das konnte ich mir jetzt nicht mehr verkneifen und legte meine Hand behutsam in seinen Rücken, als er den Aufzug betrat.

Noch vier Stockwerke, fünf Türen, dann klickte ein Schloss in unserem Rücken und jede zur Schau getragene Gelassenheit fiel augenblicklich von ihm ab. Es war die Art, wie er sich zu mir umdrehte, mich ansah, ernst mit flackerndem Blick, die klarmachte, dass das hier nichts war, was er ständig machte.

Er war nervös.

Ich schmunzelte, trat auf ihn zu und noch aus der Bewegung heraus schob ich meine Hand in seinen Nacken. Das war wohl unmissverständlich, denn sofort gab er nach und überließ sich meiner Führung. Auch das hatte ich so nicht unbedingt erwartet.

Immerhin küsste er gut, tief und leidenschaftlich, nicht mehr so verspielt, wie zuvor. Das gefiel mir. Und auch die Art, wie er jetzt zumindest teilweise die Initiative ergriff. Seine Hand strich über meine Seite, zog behutsam an meinem Hemd und schlüpfte unter den Saum. Sie war warm auf meiner Haut, allerdings wenig zielstrebig.

Also schön, dann war das wohl mein Part.

Es fiel kein Wort, während ich sein Hemd öffnete und den Stoff von seinen Schultern strich. Ebenso schweigend bewegten wir uns in Richtung Bett. Einvernehmlich, immer wieder küssend, mit einem leisen Lachen von Taehyung dann und wann. Wenn er stolperte, wenn er auf halber Höhe an den winzigen Knöpfen meines Hemdes scheiterte oder sich der Gürtel verhakte. Trotzdem schafften wir es in relativ kurzer Zeit zum Bett und krochen mehr oder weniger nackt auf die kühle und seidige Oberfläche. Dort seufzte Taehyung zum ersten Mal gut hörbar. Sein Kopf sank auf das Laken und seine Augen schlossen sich einen Moment lang.

„Warte", raunte er, die Stimme jetzt schon dunkel und rau. „Gib mir einen Moment."

Nein, er machte das garantiert nicht so oft. Dafür war er eindeutig zu nervös und aufgewühlt.

„Hey..." Ich berührte seine Wange, dann strichen meine Finger weiter hinab, über seinen Hals und noch weiter, bis auf seine Brust. „Denk nicht so viel nach, hm?" Das hier war Spaß, etwas zum Genießen, kein Wettbewerb.

Er nickte, seine Zungenspitze huschte über seine Lippen, also beugte ich mich erneut zu ihm hinab und küsste ihn. Ein bisschen sanfter zunächst, bis er sich deutlich spürbar entspannte, dann ein wenig härter. Ich fuhr mit der Hand über seine nackte Haut, bis hin zu seinem Hosenbund und öffnete den Knopf und den Reißverschluss.

Mit einem rauen Atemzug löste sich Taehyungs Mund von meinem und unsere Blicke trafen sich, während ich meine Hand unter den Stoff schob. Das reichte aus, um ihn zu einem weiteren hektischen Atemzug zu bringen. Seinen Augen wurden noch eine Spur dunkler und spiegelten seine Erregung wider. Im Grunde war das ein schönes Spiel, diese gezielten Kleinigkeiten auszuprobieren, um zu sehen, was dem anderen gefiel, aber dafür hatte ich heute irgendwie nicht die nötige Ruhe. Womöglich lag es daran, dass sich in meinem Kopf doch schon die ein oder andere Fantasie zusammengesetzt hatte.

Also beugte ich mich zu ihm, bis mein Mund sein Ohr streifte.

„Sag mir, was dir gefällt."

Er erschauerte, das konnte ich spüren und wieder musste ich schmunzeln. Taehyung atmete bebend ein und wieder aus.

„Ich... ahm... mag..."

Meine Hand schob sich behutsam unter alle Stoffschichten und auf nackte Haut, was seine halb geflüsterte Antwort in einem leisen Seufzen enden ließ.

„Das?"

„Mhm."

„Und das?"

Leises Keuchen antwortete mir, schweigendes, hektisches Nicken, als ich ihn ansah.

Und eigentlich, sprachen wir ab diesem Punkt dann gar nicht mehr. Taehyung ergab sich meinen Händen und überließ sich meiner Führung. Er ergriff die Initiative nur, wenn ich ihn gezielt dazu trieb, seine Hand führte und ihm zeigte, was ich von ihm wollte. Alles andere überließ er mir. Damit erübrigte sich auch die Frage, ob er mit der passiven Rolle einverstanden war, denn er gab zu keinem Zeitpunkt zu verstehen, dass es nicht so war. Taehyung war gut gebaut und ich mochte das an Männern. Ich mochte es, wenn ich sie anfasste, ich mochte auch das Gefühl in meinem Mund, aber ebenso klar war, ich würde mich nicht von ihm vögeln lassen.

Manchmal mochte ich auch das, aber dazu musste einfach alles stimmen und er war im Gesamten einfach nicht dominant genug, um diesen Wunsch in mir aufflammen zu lassen.

Also lag er am Ende unter mir, die Beine über meinen Schultern und ich konnte jede noch so kleine Gefühlsregung in seinem Gesicht ablesen, während ich in ihm war.

Ich konnte sehen, wie sich kleine Schweißperlen von seiner Haut lösten und in den dunklen Locken versickerten. Konnte sehen, wie er die Zähne lustvoll in seine Unterlippe grub und wie seine Augen erst flackerten, dann zufielen, kurz bevor er mit einem heiseren Stöhnen kam.

Als wir hernach schweratmend nebeneinander lagen, war es Taehyung, der als erster wieder sprach. Nun, eigentlich lachte er rau, dann drehte er den Kopf und sah mich an.

„Das war deutlich besser, als das, was ich von diesem Abend erwartet hatte."

Ich wusste schon, wie er das meinte, sah ihn aber nur schweigend an und hob die Augenbraue. Da riss er erschrocken die Augen auf und richtete sich etwas auf.

„Also nein... so... so habe ich das nicht gemeint, okay? Ich..."

„Schon gut." Ich musste lachen. Er war eindeutig viel zu unerfahren, aber man konnte Spaß mit ihm haben, also war es schon in Ordnung.

„Ich meinte meine... andere... Begleitung."

Ja, das hatte ich mir schon gedacht und ich grübelte einen Moment darüber nach, bevor ich mich aufsetzte und die Beine aus dem Bett schwang.

„Sie wird sauer sein, dass du einfach abgehauen bist."

„Ach, na ja..." Taehyung zuckte die Schultern und als ich von der Minibar mit einer kleinen Flasche Wasser zurückkam, verschlang er mich mit Blicken. Ein kleines, schmutziges Lächeln setzte sich um seine Mundwinkel fest. „Ich mache es beim nächsten Mal wieder gut."

Auch dazu sagte ich nichts. Es ging mich auch nichts an, wen er vögelte. Sollte er tun und lassen, was immer er wollte. Ich reichte ihm die Wasserflasche, setzte mich neben ihn auf die Bettkante und beobachtete ihn, während er trank.

Mit einem neckischen Lächeln stellte er die Flasche weg und blinzelte mich an.

„Willst du noch ein bisschen bleiben?" Seine Zähne gruben sich in seine Unterlippe und er neigte den Kopf etwas. Zusammengenommen war das eine unwiderstehliche Mischung aus Verruchtheit und unschuldigem Charme, aber nichts, was sich halten ließ. Taehyung war nett und die ausgesprochen hübsche Verpackung befeuerte so manche Fantasie, doch gerade schaffte er es nicht, meine Neugier nochmal anzustacheln. Ich kräuselte die Nase, lächelte vage, ohne zu antworten und vielleicht war das bereits Hinweis genug, denn für einen Moment sah er weg, atmete dabei tief durch, bevor er die Beine ebenfalls aus dem Bett schwang.

„Also ich denke, ich springe rasch unter die Dusche", sagte er leise, bevor er mich ansah. „Und du kannst mitkommen, oder hier warten, oder..."

Sein verlorenes Lächeln verriet ihn.

„Okay", sagte ich nur und nickte.

Taehyung tat es mir gleich.

„Okay."

Ich sah ihm nach, wie er im angrenzenden Bad verschwand und lauschte auf das leise Rauschen des Wassers, bevor ich seufzend aufstand, meine Klamotten zusammensuchte, mich anzog und verschwand.

Keine Abschiedsworte, kein unnützes Geplänkel und ich war mir ziemlich sicher, dass Taehyung auch nicht erwartete, dass ich noch hier sein würde, wenn er aus dem Bad kam.

***

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