• Fifteen •

„Was malst du da?", frage ich Óscar. Ich sitze auf seinem Bett und schaue ihm von hier aus zu. Er hat einen Pinsel in der Hand und auf der Leinwand ist ein Farbenwirbel aus den unterschiedlichsten Orange- und Gelbtönen zu sehen.

„I don't know", antwortet Óscar konzentriert. Er tritt einen Schritt zurück und betrachtet sein Werk mit schiefgelegtem Kopf. Dann winkt er mich zu sich heran.

„Was siehst du?", fragt er mich.

Ich krabbel an das Ende seines Bettes und betrachte das Bild. „Ich weiß nicht", überlege ich laut und kneife die Augen etwas zusammen. Dann erkenne ich eine Sonne in einem der gelben Farbkleckse. Und plötzlich noch einen Stern. Und einen Schmetterling in dem Orange- und Gelbgemisch.
„Alles, aber irgendwie auch nichts", antworte ich schließlich. „Ich kann mir alles darin einbilden, aber eigentlich ist es nur ein einziger großer Farbklecks."

Óscar lächelt zufrieden in sich hinein. "Das wollte ich hören."

„Was siehst du denn in dem Bild?", frage ich neugierig.

„Posibilidades. Viele."

Ich nicke. Die sehe ich auch.
Bevor ich ihm das aber sagen kann, spüre ich es. Ich schließe in Erwartung die Augen und lasse mich nach hinten auf Óscars Bett fallen, bevor dann wirklich einschlafe. Aber diesmal habe ich kein Problem damit.

***

"Wie geht es Óscar?", fragt Mamá, als ich abends wieder nach Hause komme.

"Gut", antworte ich. So wie immer, will ich noch hinzufügen, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken, als ich Teo in der Küche erblicke. Mit María.

Ich schaue Mamá an. Sie zuckt entschuldigend mit den Schultern. Sie weiß, dass Teo und ich nicht mehr viel miteinander zutun haben. Sie weiß aber nicht, warum. Wüsste sie, dass Teo mich einfach von einen Tag auf den anderen fallen lassen hat, würde sie ihn nie wieder anschauen. Aber aus irgendeinem Grund will ich es Mamá nicht erzählen. Vielleicht gerade weil Teo momentan nicht viel von seinen eigenen Eltern hat. Sein Papá liegt immer noch im Krankenhaus.

„Ich hab keinen Hunger", sage ich Mamá und gehe ohne ein weiteres Wort nach oben in mein Zimmer.

„¿Emilo?", ruft Mamá mir hinterher, bevor ich meine Zimmertür hinter mir schließen kann.

Ich seufze und stecke den Kopf durch den Türspalt meiner Tür. „Was?"

„Wolltest du mir heute morgen nicht noch was erzählen? Bevor Abel angerufen hat?"

Stimmt. Aber jetzt wo Teo da ist, finde ich es plötzlich schwer, es ihr zu sagen. Ich tue es trotzdem. „Sí, Óscar und ich wollen am Wochenende weiter aufs Land fahren. Wir wollen sein Teleskop ausprobieren und er nimmt sein Zelt mit, es soll-", bevor ich zu Ende sprechen kann, höre ich in der Küche plötzlich etwas knallen. María atmet erschrocken auf, ein paar Sekunden später höre ich ein leises "Perdón" von Teo.

Mamá seufzt. „Warte, ich wische das gleich weg. Dios mío..."
So wie es sich anhört, hat Teo sein Glas umgeschmissen.

„Also darf ich?", rufe ich nach unten.

„Sí sí, mach nur. Solange ich dich am Ende nicht aus dem Krankenhaus abholen muss, weil irgendwas passiert ist, ist alles gut."

Etwas überrascht ziehe ich mich wieder in mein Zimmer zurück. Das war einfach. Ich habe damit gerechnet, dass es etwas an Überredenskunst bedürfen würde, aber dass sie so einfach nachgibt... Damit habe ich nicht gerechnet. Mamá muss Óscar wirklich mögen. Das bedeutet mir viel.

Teo verschwindet erst spät am Abend wieder. Später erfahre ich, dass er María Nachhilfe gegeben hat.
Ich wundere mich, seit wann er Leuten Nachhilfe gibt, verwerfe den Gedanken aber schnell wieder. Darüber muss ich mir keine Gedanken mehr machen, er ist kein Teil meines Lebens mehr. Zumindest versuche ich mir das einzureden.

Aber als ich von komischen Träumen geplagt mitten in der Nacht aufwache, fällt mir plötzlich ein, dass Teo am Wochenende Geburtstag hat. An genau dem Wochenende, an dem ich mit Óscar aufs Land fahren will.

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