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Ich hatte ihm nun ein Kissen unter den schwer herab hängenden Kopf gelegt - meine flachen Hände tätschelten immer wieder seine Wangen. Er musste einfach wieder zu sich kommen, er musste, verdammt noch mal!
„Thomas, bitte wach auf... Thomas... Thomas, bitte... Thomas, oh Gott..."
Verzweifelt rüttelte ich an seiner Schulter. Plötzlich hörte ich ein Geräusch von der Tür, sie wurde geöffnet und ich keuchte erschrocken auf. Als ich tatsächlich jemand ins Zimmer kommen hörte, fuhr ich herum. Mit vor Schock weit aufgerissenen Augen starrte ich fassungslos in Martins aalglattes Antlitz. Seelenruhig schloss er die Tür hinter sich. Sein Blick war kalt und unberührt. Warum tauchte er grade jetzt hier auf?!
„Was machst du hier?"
Er kam langsam näher während ich Thomas noch immer in meinen Armen hielt. Sein Körper lag kühl und schlaff auf meinem Schoß. Ich machte mir nicht die Mühe meine Tränen weg zu wischen - nicht in dieser Situation, mir war es egal, dass Martin sie sah.
„Die frage ist ja wohl eher, was du hier machst... was hast du mit ihm gemacht?"
Ich konnte mir vorstellen, wie die Szene hier für Martin aussehen musste. Wie in einem billigen sexfilmchen, was leider schiefgegangen ist. Ich schlug mir die Hände vor den Mund, ließ sie dann weiter auf meinen Kopf wandern als müsste ich ihn festhalten damit er nicht zersprang. Wenn Thomas doch nur aufwachen würde... wenn er nur überhaupt wieder aufwachen würde... bis dahin blieb mir wohl nur übrig mich weiter zu verteidigen - entgegen allen Anschein.
„Nichts..."
Martin ging nun schnelleren Schritts zum Bett rüber und lehnte sich ebenfalls über Thomas reglosen Körper, seine Schläge auf Thomas Wangen waren aber bei weitem weniger zimperlich wie meine.
„Thomas, kannst mich hören?"
Ich kniete nun hinter Martin und Thomas auf dem Bett, wie das 3. Rad am Wagen. Vielleicht konnte ich diese absurde Szene ja abkürzen.
„Das habe ich auch schon probiert."
Martin rüttelte heftig an Thomas Schultern. Plötzlich sah er auf und wandte sich zu mir um. In seinem Blick ein gefährliches funkeln.
„Was ist passiert?"
Meine Kehle war ganz zu vor lauter Tränen und Schmerz. Doch ich musste ihm sagen, was ich wusste - wir mussten zusammenarbeiten, zumindest dieses 1 mal.
„Ihm ist plötzlich schwindlig geworden und, dann hat er das Bewusstsein verloren."
Auf einmal hatte Martin die Überreste von Thomas Glas entdeckt. Er hob vorsichtig den noch intakten Teil hoch und roch dran. Sein Gesicht verzog sich, nur ein klein wenig, aber ich sah es. Sein Blick wurde noch kälter und abwertender.
„Ist das Sein Glas? Was hast du ihm da hinein getan?"
Ich richtete mich auf soweit dies auf der wackligen Matratze möglich war. Martin stellte den verblieben Rest des Glas auf einen kleinen Beistelltisch. Das wurde ja immer besser hier - das wurde ja ein richtiges Verhör.
„Nichts... aber interessant, dass du ausgerechnet jetzt hier aufkreuzt."
Mein Gesicht war ganz rot vor Wut und heller Panik. Martin nestelte die ganze Zeit an Thomas herum, ohne auch nur die geringste Reaktion von ihm zu erhalten.
„Wir hatten was geschäftliches zu besprechen. Ich habe dich schreien hören und bin rein."
Unwillkürlich wanderte meine Hand an Thomas Kopf und strich sanft drüber. Ich keuchte unter meinen Tränen - schnappte nach Luft. Meine Knie schmerzten vom knien. Mein dünnes Kleid bedeckte viel zu wenig, Martin hätte mich schon längst nicht mehr so sehen sollen.
„Sein Puls ist schwach. Wenn er stirbt, dann wanderst du in den Knast."
Erschrocken starrte ich ihn aus weit aufgerissenen Augen an, das war eine Verschwörung gegen mich, ganz sicher! Martins Hand lag auf Thomas Kehle, wo er seinen Puls gefühlt hatte. Er wandte sich um und sah mich so voller Hass an, dass mir beinahe das Blut in den Adern gefror. Ich blickte zurück - nicht wissend, was ich tun sollte, um meine Unschuld zu beweisen. Endlich kam wieder Bewegung in mich und ich hüpfte vom Bett, um wieder in meiner Handtasche nach meinem Handy zu suchen. Mit meinen zittrigen Fingern war das weiterhin nicht grade leicht. Ich zog meine Tasche ins Licht der kleinen Lampe, um besser sehen zu können. Noch während ich suchte, informierte ich Martin über meinen Plan.
„Ich rufe einen Arzt... und solange bleibe ich bei ihm."
Plötzlich fuhr Martin herum - da war so viel Wut und Empörung in seinem Blick, dass ich mich fragte, was ich jetzt schon wieder falsch gemacht hatte. Er rappelte sich vom Bett auf. Ich wagte es nicht meinen Blick wieder zu dem Chaos in meiner kleinen Tasche zu senken, er wirkte so gefährlich, so drohend. Ich kauerte auf dem Boden, vor ihm, wie unpassend. Er wirkte so groß und mächtig, ich so klein und zierlich. Ich blickte zu ihm auf, wie ein ungehorsames Mädchen zu seinem Papa. Die strenge und Anmaßung in seinem Blick waren grenzenlos - dabei hatte er mir eigentlich gar nichts zu sagen, ich habe keinen Fehler gemacht, diesmal nicht. Ich wünschte er würde aufhören mich so anzusehen, denn unter seinem Blick fühlte ich mich ganz klein. Wie eine jämmerliche Maus, bereit sich in ihr Loch zu verkriechen.
„Dich lasse ich keine Sekunde mit ihm allein... und jetzt raus hier, sonst rufe ich die Polizei."
Salzige Tränen rannen über meine Lippen, ich schmeckte meinen eigenen Schmerz. Er tat mir so unrecht.
„Ich habe nichts gemacht."
Martin kam auf mich zu während ich händeringend versuchte ihm zu erklären, dass ich wirklich unschuldig war. Ich warf einen letzten Blick auf Thomas, der noch immer so hilflos auf seinem Bett lag. Am liebsten wäre ich wirklich geblieben - das war ich ihm schuldig. Doch Martin wirkte so unberechenbar, dass ich ihn nicht noch weiter provozieren wollte.
„Du kannst nur hoffen, dass er wieder aufwacht."
Ich keuchte erschrocken auf als er mich am Arm packte und aus dem Zimmer zehrte, meine Tasche und meine Weste flogen in hohen Bogen hinterher. Ein Stechen fuhr durch meinen Arm, genau an der Stelle, wo er mich festgehalten hatte.
„Au..."
Martin bestrafte mich immer wieder auf die schlimmstmögliche Art und Weise. Seine körperlichen Angriffe fürchtete ich zwar, aber die seelischen Wunden, die er mir zufügte, taten bei weitem mehr weh. Bevor mich noch jemand sah, raffte ich meine Sachen zusammen und machte mich auf den Weg in meine Wohnung.
Glaubt ihr Martin hat auch etwas mit der Sache zu tun?
Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen
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