The Quiet...

Auf dem Weg nach Hause wurden Jake und Lindsey beinahe unerträglich in ihrer Turtelei. Jake machte schlechte Witze und Lindsey lachte so dermaßen gekünzelt, das Jamie Zahnschmerzen bekam. Aber sobald sie die zwei vorne im Auto ausblenden konnte, hatte sie hinten auf der Rückbank schön viel beinfreiheit und endlich mal die Ruhe ein wenig weiter in ihrem Buch zu lesen. Sie wühlte in ihrer Tasche um es wieder auszupacken.

Doch es war nicht da.

"Mein Buch."

Die beiden vorne sangen lauthals zu Abba mit und lachten, als Lindsey den falschen Text benutzte. Sie wurde von der Rückbank aus nicht gehört.

"Ich habe mein verdammtes Buch liegen lassen!", schrie sie diesmal beinahe und lehnte sich nach vorne. Jake fuhr durch ein Schlagloch und Jamie klapperten hart die Zähne aufeinander. Eine blonde Strähne hatte sich aus ihrem Zopf gelöst und war ihr in die Stirn gefallen. Jake schaute über seine Schulter zu ihr.

"Und?"

Jamie verstand die Frage nicht.

"Und? Und bitte einmal umdrehen, ich brauche mein Buch!", erklärte sie. Jake guckte irritiert und Lindsey verdrehte die Augen. "Dieses gruselige Ding mit den toten Kuscheltieren?"

"Hols doch einfach morgen ab. Ich bin sicher morgen ist das Wetter auch wieder grandios.", schlug Jake vor und grinste dann breit zu Lindsey, die hinzugefügte. "Es wird schon keiner klauen, diesen Mist mit Zombies und Monstern. Und falls doch, kannst du sie überführen, indem du einfach nach deiner hineingeschrieben Anschrift ausschau hältst. "

Jamie biss die Zähne zusammen. Natürlich hatte Lindsey recht, doch sie wollte heute Abend eigentlich weiter lesen. Sie hatte bei "Friedhof der Kuscheltiere" gerade die Stelle erreicht, an der sie die Katze beerdigten und sie wieder zurückkam. Ihr Plan war es gewesen sich einen Eistee mit aufs Zimmer zu nehmen und das Licht soweit zu dimmen, dass sie jedes Mal wenn ein Schatten an ihrem Haus vorbei flog sie komplett aus ihrer Haut fuhr, weil sie sich so sehr erschreckte. Doch auf einmal hatte sich ihre Abendplanung aufgelöst. Und nun?

"Hm, da hast du wohl recht. Na gut, dann morgen... Was macht ihr heute Abend?", fragte Jamie in den Raum des Autos und wusste in der Sekunde in der sie die Frage zuende gestellt hatte, dass es ein Fehler gewesen war zu fragen. Jakes Schultern spannten sich an und Lindsey senkte ihren Blick.

Die beiden hatten eine heimliche Verabredung und sie war dabei ihr Date zu sprengen!

Jetzt gab es zwei Möglichkeiten. Entweder einen eleganten Rückzug anschlagen, die beiden aus der peinlichen Situation entlassen und ihnen viel Glück wünschen oder mit einer Eleganz eines Elefanten im Porzellanladen in alle Fettnäpfchen treten und die ganze Situation unglaublich unangenehm machen.

Jamie hatte ein Talent für letztes.

"Oh, ihr habt ein Date! Wer hat wen gefragt? Wurde aber endlich auch mal Zeit.", brabbelte sie los, bevor ihr Gehirn den Befehl zum Weitersprechen an den Mund gegeben hatte. Lindsey bekam rote Ohren und Jakes Knöchel ums Lenkrad wurden weiß.

"Wir gehen ins Kino Jamie!", sagte Jake betont lässig und handelte sich einen stechenden Todesblick von der Seite ein als er ergänzte. "Kein Date. Willst du auch mitkommen?"

Das war eindeutig nicht die Antwort, die Lindsey gehofft hatte zu hören. Aber wenn sie wegen des Buches nicht umdrehen wollten und ihr ihre Abendplanung kaputt machten. "Och wisst ihr..." Sie sah wie Lindsey gequält versuchte ihr Lächeln auf den Lippen zu halten und gab dann doch nach. "...eigentlich bin ich ziemlich erledigt. Ich denke ich genieße noch die letzten paar Stunden Freiheit bevor ich morgen wieder meine Schicht antreten muss.

"Bei the Gap war das, richtig?", fragte Jake weiter und sie seufzte.

"Jap." Ihr Sommerjob. Jucheeee. Sie hätte mir was suchen sollen, wo es etwas zu essen gab. Restaurant Kellnern oder so. Dann hätte sie wenigstens umsonst essen können. Nun war es allerdings beinahe so, dass ihr gesamtes Gehalt direkt wieder in Fast Food reinvestiert wurde. Außerdem würde sie, wenn sie ein Mädchen wäre, dass über so etwas jammerte (-was sie nur manchmal heimlich war), sich darüber beschweren, dass sie vielleicht auch ein wenig ihre Sommerfigur verloren hatte. Naja oder zumindest nicht weiter gefördert. Verloren setzte voraus, dass man sie einst besessen hatte.

Jamie war mit ihren Gedanken vollkommen abgeschweift, doch als sie sich wieder konzentrierte wurde ihr bewusst, dass sie genau so gut weiter hätte träumen können. Sie wurde für das aktuelle Gespräch gar nicht benötigt. Jake hatte was gesagt und Lindsey lauthals gekichert. Jamie hatte die Augen verdreht.

"Ich sage voraus, dass die beiden am Ende dieser Woche ein paar sind.", murmelte sie auf der Rückbank leise vor sich hin ehe sie noch leiser hinterher schob "Falls ich sie bis dahin nicht wegen ihres ekelhaften Turtelns ermordet habe".

Es war beinahe eine Erleichterung als Jakes alter Chevy vor ihrer Haustür hielt und sie aussteigen konnte. Lindsey stieg mit ihr aus um sie von der Rückbank aus dem Dreitürer entlassen konnte.

"Tu nichts, was ich nicht auch tun würde.", flüsterte sie Lindsey noch beim Drücken ins Ohr und lachte, als sie Lindseys herausgestreckte Zunge sah.

"Dann leb ich ja wie eine Nonne, ich will meinen Spaß!", rief Lindsey Jamie hinterher und erntete sich dafür Jamies schwachen Versuch, sie mit einer fast leeren Wasserflasche abzuwerfen. Lins lehnte sich noch einmal aus dem Fenster. "Wir sehen uns morgen du Niete.", dann schlug sie spaßhaft einen ernsteren Ton an. "Und tue du mal auf jeden Fall Dinge die ich auch tun würde." Dann zwinkerte sie ihr zu und war verschwunden.

"Ich bin verdammt nochmal zu Hause du Witzbold, was soll ich hier schon spannendes anstellen.", murmelte Jamie und schloss die Haustür des kleinen Häuschens auf, das sie alleine mit ihrer Mutter bewohnte. Die Verander unter ihren Füßen knirschte.

"Da müsste mir schon jemand direkt in die Haustür fallen."

*********

Die Ironie ihrer Worte fiel ihr dann 8 Stunden später auf. Mittlerweile hatte die heiße Sommerluft sich ein wenig abgekühlt und es hatte zu regnen begonnen. Sie war gerade in die Küche gegangen und hatte sich einen heißen Tee gemacht, nachdem sie von ihrem anderen Stephen King Buch "Cujo" eine dringende Pause benötigte. Wann immer sie das Buch zur Hand nahm war sie ausnahmsweise mal erleichtert, dass ihre Eltern nicht nachgegeben hatten, als sie unbedingt einen Hund hatte haben wollen. Während sie barfuß durch ihre Küche tappte stellte sie sich vor, wie ein Hund nun mit ihr hier alleine wäre und um sie herum laufen würde was sie zum Erschaudern brachte. Ihre Mutter hatte die Nachtschicht an der Tankstelle übernommen, sodass Jamie den Abend das Haus für sich alleine hatte. Dennoch meinte sie aus den verschiedenen Zimmern Geräusche zu hören - Zweifellos die Paranoia, die durch ihre Liebe zu Horror Büchern und Filmen noch weiter gefüttert wurde. Sie beschloss sich Kamille als Tee zu nehmen.

"Du bist manchmal echt albern.", schimpfte sie währenddessen über sich selbst und versuchte ihr rasendes Herz zu beruhigen. Als das Pfeifen des alten Wasserkochers auf dem Herd losging, sprang sie dennoch ein wenig in die Luft. Zeit, sich auf andere Gedanken zu bringen.

Jamie war einen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach 11.00. Jake und Lindsey sollten eigentlich aus dem Kino zurück sein. Vielleicht könnte sie Lindsey anrufen und sie fragen wie es gewesen war? Andererseits waren die beiden vielleicht auch noch weiter gezogen. Und eigentlich wollte sie sich Lindseys gesülze auch nicht unbedingt anhören. Obwohl sie Lindsey lieber Jake hinterher schmachten sah als Billy.

Billy. Pff.

Sie verstand es nicht.

Okay, sie verstand es doch, aber sie wäre niemals so doof.

Sie hatte gesehen wie schnell Billys Temperament von 0 auf 100 ging. Dass er nicht davor zurück scheuchte, zuzuschlagen. Und zwar nicht nur im Rahmen einer kleinen Schlägerei. Billy kämpfte, als käme er aus dem Knast. Himmel, früher oder später würde er da auch landen. Vielleicht jemanden umbringen? Die Grenze überschreiten, absichtlich oder unabsichtlich.

Gott, diese Gefahr war es einfach nicht wert. Verdammt gut sitzende Jeans oder nicht. Für eine Sekunde erwischte Jamie sich dabei, wie sie darüber nachdachte, was Billy wohl zu dem Menschen hatte werden lassen, der er jetzt war. Erschrocken und eigentlich unnötig schlug sie sich gegen den Kopf. "Nun reichts aber Jamie."

Nein, solche Gedanken sollte sich sie wirklich nicht machen.

Ihr Tee war durchgezogen und sie nahm den Beutel aus der Tasse und warf ihn in den Müll. Zwar schlug ihr Herz nicht unbedingt ruhiger, doch sie vermutete nicht mehr hinter jedem Schatten einen durchgeknallten Hund wie aus dem Buch, also gab sie sich selbst die Erlaubnis weiter zu lesen. Sie war gerade auf dem Flur zurück auf dem Weg zu ihrem Zimmer, als es unerwartet laut an der Tür klopfte.

In hohem Bogen flog die Tasse durch die Luft und zerbrach in tausend Teile.

Fuck.

Es klopfte erneut. Jamie erstarrte in ihrer Bewegung, einen Fuß bereits auf der knirschenden Treppenstufe.

"Hallo?", ertönte eine tiefe Männerstimme von der anderen Seite der massiven Holztür. Vorsichtig tapste sie näher an den Türspion heran, ihr Blick ging zu dem neben der Tür lehnenden Baseballschläger. Sicher ist Sicher.

Es klopfte noch einmal.

"Huhu. Ich hab doch genau gehört, dass jemand zu Hause ist!", sagte die Stimme erneut und das Klopfen wurde fordernder. Jamie hatte mittlerweile die Tür erreicht und streckte sich auf Zehenspitzen um besser sehen zu können. Nachdem sie erkannte wer vor ihrer Tür stand, fiel sie erschrocken zurück auf die Fersen.

Was zu Hölle?

Sie entriegelte die Tür (-soweit, dass sie sich einen Spalt weit öffnen ließ). Trotzdem blieb die Kette vor. Die ganze Situation war mehr als ungewöhnlich.

Billy Hargrove stand komplett durchnässt und mit einer üblen Kopfwunde vor ihrer Tür und tigerte ungeduldig auf und ab. Jamies Herz raste.

"Ja?"

Ihre Stimme klang merkwürdig piepsig und unsicher. Sie fühlte sich ertappt und räusperte sich in der Hoffnung etwas mehr Autorität zu erreichen.

Billy zog die Augenbrauen zusammen.

"Was machst du hier?"

Jamie machte ihm die Geste nach.

"Ich wohne hier?"

Das Augenbrauen runzeln wurde stärker.

"Oh."

Er war dabei auf dem Absatz kehrt machen zu wollen und zurück in den Regen zu spazieren. Jamie schloss die Tür und entriegelte sie. Ein Blick auf Billy verriet ihr, dass irgendwas hier nicht stimmte. Er wirkte ehrlich verwirrt.

"Billy?"

Billy drehte sich um und sah sie mit leerem Blick an.

"Was hast du gesagt?"

Dann trat er wieder zurück in den Schutz des Veranda Vorsprungs. Jamie musterte ihn genauer. Anders als sonst trug Bill weder das großspurige Grinsen, noch die breitschultrige Haltung. Seine Haare saßen alles andere als perfekt und seine Kleidung war, wie sie jetzt unter genauerer Betrachtung feststellte, komplett schmutzig und zerrissen. Blut lief ihm an der Seite des Gesichts unterhalb der Platzwunde entlang und vermischte sich auf Höhe seines Kieferknochens mit Dreck. Sein Blick war gehetzt und verletzlich.

Sie trat näher. Billy wich einen Schritt zurück.

"Billy, geht es dir gut?", fragte sie vorsichtig und sah, wie ein Hauch von Verständnis in seinem Blick erschien.

"Ich heiße Billy!", flüsterte er und legte den Kopf schief.

Irritiert nickte Jamie. "Ich weiß".

Billy zog die Augenbrauen zusammen und atmete dann zischend die Luft ein, als die Gestik ihn offensichtlich an seine Wunde auf der Stirn erinnerte. Er hob seine Hand und berührte sie verwirrt.

"Immerhin einer von uns."





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