Family Portrait

Was zur Hölle tat sie hier überhaupt?

Siedend heiß wurde Jamie klar, dass sie mit nichts weiter als wirren Theorien und unanständigen Träumen das Haus ihres... joa, was eigentlich. Was war Billy? Ihr Freund? Ihr Erzfeind? Ihr Bademeister? Was auch immer, sie stürmte sein Haus ohne triftigen Grund oder Vorwand. Ihre Wangen färbten sich rot und sie wollte gerade auf ihrem Absatz kehrt machen, als sich die Tür öffnete und eine mittelalte rothaarige Frau ihr gegenüberstand.

„Ja?", fragte sie höflich und mit einem nicht unbedingt falschem, aber auch nicht aufrichtigem Lächeln. Ein kalter Luftzug strich Jamie im Rücken entlang und sie sah sich wachsam um. Irgendetwas... war merkwürdig.

Die Frau sah sie erwartungsvoll an, was Jamie daran erinnerte, dass sie ja diejenige gewesen war, die geklingelt hatte.

„Stimmt. Richtig. Hi.", fing sie an und wischte sich ihr Handinnenflächen an ihren Oberschenkeln ab. Etwas steif streckte sie ihre Hand entgegen.

„Jam. Also Jamie. Jamie McNeill. Aber Jam ist auch in Ordnung.", brabbelte sie. Toll. Sie fing jetzt schon an zu brabbeln. Das ging ja gut los. Schnell schloss sie den Mund.

„Susan Hargrove." gab die Frau gegenüber mit einem nun ehrlichen Lächeln zurück und schüttelte Jamies ausgestreckte Hand. Nervös sah Jamie an der Frau vorbei ins innere des Hauses. Die Frau sah Billy so gar nicht ähnlich. Ob sie sich vielleicht doch im Haus geirrt hatte? Dabei hatte sie gesagt, ihr Name sei Hargrove...Kurz überlegte sie, vorzugeben eine Zeugin Jehovas zu sein und sich wieder auf den Weg zu machen, doch das schien ihr dann doch ein wenig übertrieben.

Ein peinliches Schweig entstand.

„Und wie kann ich dir helfen Jamie?", fragte die Frau freundlich und legte den Kopf schief, wobei sie Jamie ein wenig unauffällig musterte. „Möchtest du vielleicht zu meinem Sohn Billy?"

„Gott, eigentlich überhaupt nicht!", rutschte es Jamie raus, bevor sie überlegen konnte, was sie eigentlich hätte sagen können. Ihr Gesicht prickelte noch mehr. „Ich meine ja, bitte."

Susan lachte. „Na dann komm mal rein Jamie."

Und damit trat sie aus der Tür und Jamie folgte ihr mit einem ungutem Gefühl in die Küche.
„Setz dich doch.", schlug sie Jamie vor, die sich darauf hin unwohl auf dem Holzstuhl in der Küche fallen ließ, wobei Billys Mutter sich daran machte, einen Tee aufzusetzen.

„Billy ist gerade nicht zu Hause, aber ich bin sicher er kommt bald wieder zurück.", flötete sie.
Großartig. Er war noch nicht einmal da.

„Ach so wichtig war es gar nicht. Ich war nur gerade in der Nähe und dachte ich schau dann mal vorbei. Aber wenn Billy gar nicht da ist, kann ich auch wann anders wieder kommen. Ich will ihnen wirklich keine Umstände-„

Susan Hargrove stellte eine dampfende Tasse Tee vor Jamie ab.

„-machen." Jamie sah von der Tasse zu der Frau hoch und wieder zurück. Sah so aus, als würde sie blieben müssen. Verdammt. „Danke."

„Gern geschehen Schätzchen."

Die Mutter zog sich einen Stuhl heran und setzte sich Jamie gegenüber an den Küchentisch. Sie strahlte ein gewisses Maß an Ruhe aus. War freundlich, vernünftig und respektvoll. Wie um alles in der Welt konnte so eine Frau einen solchen Sohn großziehen? Und wieso wurde sie das Gefühl nicht los, dass irgendetwas in diesen vier Wänden ganz und gar nicht stimmte.

Mit ihrem Tee in der Hand sah sie sich in der Küche um. Es schien ein normales Haus zu sein. Größer als das, in dem sie mit ihrer Mutter lebte.

„Ein schönes Haus haben Sie!", durchbrach Jamie die erneut aufkommende Stille.

„Danke! Uns gefällt es auch sehr gut. Wobei wir nach dem Umzug noch ein paar Veränderungen vorgenommen hatten..." sinnierte sie.

„Ach, Sie sind auch gerade erst hier her gezogen?"

„Ja, letztes Jahr."

Das überraschte sie irgendwie. So wie die ganze Stadt von Billy sprach, kam es ihr vor, als hätten sie seit Jahren nichts anderes getan. Andererseits machte es auch Sinn. Billy war das glänzende neue Spielzeug Auto, dass jeder einmal fahren wollte.

Jamie schüttelte unmerklich den Kopf über die Wendung,die ihre Gedanken nahmen, und fragte das nächstbeste was ihr in den Kopf kam, um das Gespräch am Laufen zu halten. „Wie kam es zu dem Umzug?"

Mrs. Hargrove lächelte nervös. Da war es wieder. Irgendetwas an dem Lächeln war nicht richtig.

„Ach, Max und ich fanden, nach allem wäre vielleicht eine Veränderung eine ganz gute Idee...", antwortete sie kryptisch.

„Max, Ihr Mann?"

„Meine Tochter."

Tochter. Stimmt ja, Billy hatte eine Schwester. Jamie stürzte die Lippen, während sie über den Namen stolperte, konnte sich aber nicht erinnern, wieso er ihr so bekannt vorkam. Das machte alles noch weniger Sinn. Wieso um alles in der Welt ging er so mit anderen Menschen, insbesondere Frauen um, wenn er eine liebevolle Mutter und eine kleine Schwester hatte. Irgendwie wurde sie aus Billy einfach nicht schlau.

„Veränderung?", harkte Jamie weiter nach. Sie kam sich etwas unhöflich vor, ganz eindeutig in etwas zu wühlen, dass sie nichts anging, doch ihre Neugier siegte.

„Ach, Sie kennen ja Billy...", ließ sie die Antwort in der Luft hängen. Was auch immer das nun wieder bedeuten sollte.

„Kennen wir ihn nicht alle, den bösen Jungen.", ertönte eine Stimme höhnisch in ihrem Rücken. Jamie wäre beinahe aus ihrer Haut gefahren, so sehr erschrak sie über Billys plötzliches Erscheinen. Etwas rabiater als beabsichtigt setzte sie ihren Becher, welchen sie in der Hand gehalten hatte, ab, sodass er unter einem lauten Knall auf dem runden Holztisch landete. Tee schwabbte hoch. Ihr Herz raste, ihr Hände wurden plötzlich klamm und ihr Nacken kribbelte.

„Herrje!" rief die Mutter aus, sprang auf und lief zur Anrichte, um ein Küchentuch zu holen.

„Billy.", stieß Jamie atemlos hervor, riss den Kopf herum um ihn anzusehen.

Er sah furchtbar aus. Nun ja, soweit man als Schönling furchtbar aussehen konnte. Unter seinen Augen lagen tiefe Augenringe, seine Haut war, wenn auch weiter gut gebräunt, von einem aschfahlen Schimmer überzogen. Seine Haare wirkten strähnig, seine Augen matt und traurig. Sie könnten zusammen in einer Horrorshow auftreten.

Susan war derweil damit beschäftigt, fast schon panisch den Tisch zu wischen.

„Entschuldigung, ich wollte nicht...", Jamie versuchte ebenfalls behilflich zu sein, das peinliche Gefühl im Nacken, etwas schlimmes getan zu haben. „Kann ich helfen?"

„Nein. Nein, alles gut Schätzchen, ich muss nur..."

„Es ist nur Teewasser Susan!", unterbrach Billy.

„Billy!", begrüßte auch Susan ihn und flatterte nervös mit den Händen durch die Luft. „Schön, dass du wieder zu Hause bist. Deine Freundin hat schon auf dich gewartet."

„Wer's glaubt Susan.", schnaubte Billy.

Zeitgleich stellte Jamie klar: „Ich bin nicht seine Freundin."

„Dein Vater kommt bald nach Hause. Vielleicht geht ihr auf dein Zimmer, dass ich mich hier um alles kümmern kann..." Mit einem eingefrorenem Lächeln sah Susan zwischen ihnen beiden hin und her ehe sie schnell etwas von Waschmitteln in der Vorratskammer murmelte und die Küche verließ.

Jamie beobachtete Billy, wie dieser Susan mit einem hasserfülltem Blick hinterher sah, wie sie die Küche verließ. Sie war erschrocken, welch Wut von ihm auszugehen schien. Unwohl schielte sie zu der Tür neben der Anrichte. Dem Hinterausgang des Hauses.

„Wenn's gerade ungünstig ist...", fing sie an und machte bereits einen Schritt auf die Hintertür zu, als Billys schnauben sie inne halten ließ.

„Willst du bereits wieder kneifen?", fragte er höhnisch und sah sie herausfordernd an. Billy hatte sie genau an ihrer Schwachstelle, ihrem Stolz erwischt. Eingeschnappt verschränkte Jamie ihre Arme vor der Brust.

„Geh vor zu deinem Zimmer, ich folge dir.", schnaubte Jamie und zeigte wütend mit ihrem Zeigefinger auf sein Gesicht, als er unanständig zu Grinsen begann. „Und wisch dir den Ausdruck aus dem Gesicht mein Freund."

Billy lachte zwar freudlos, musterte sie aber nicht weiter lüstern und ging wie besprochen vor. Jamie folgte ihm.

„Casa de Billy!", präsentierte er mit vorgestreckter Brust und ließ Jamie einen kleinen Moment um sich zu orientieren. Es war, wie sie es sich vorgestellt hatte. Nicht, dass Jamie besonders viel Zeit zu Hause verbracht hätte um sich Billys Zimmer vorzuustellen. Doch hätte sie die Zeit dafür aufgebracht, dann wäre sie so ziemlich bei dem gleichen Ergebnis gelandet.

Poster von halb nackten Frauen hingen an den Wänden. Die Möbel waren ohne viel schnick-schnack aus einfachem Holz gefertigt, sein Bett war ungemacht und mit einer dunkelblauen Bettwäsche bezogen. Seine Wände hatten eine Tapete und verschiedene Gewichte und Sportutensilien lagen im Zimmer auf dem Boden verteilt mit unterschiedlichen Hemden auf dem Boden. Überraschend war vielleicht der große Spiegel und die unzähligen Utensilien, welche davor lagen. Deo, Aftershave, Parfum, Bürste, Kamm, irgendwelche Haargels und weiter Tuben und viereckige Verpackungen die sie nicht genauer ansah standen auf einer Anrichte darunter. Sie verdrehte die Augen und sah sich weiter um. Ihr Blick blieb an seiner lilafarbenen Lavalampe hängen und ihr Herz machte in Satz.

„Du hast nicht gelogen.", stellte sie überrascht fest und drehte sich dann wieder zu Billy um, welcher sich seinerseits verwirrt zu ihr umdrehte. Er war zu seinem Schreibtisch gegangen und hatte sich eine Packung Zigaretten aus der Schublage gezogen, wobei er die erste bereits zwischen den Zähnen stecken hatte und eine Reihe Streichhölzer anzündete ehe er die Flamme unter den Stängel hielt. Er schüttelte die Flamme aus und hielt ihr die Zigaretten hin.

„Auch eine?", murmelte er.

Jamie schüttelte den Kopf.

„Ich rauch nicht."

Sein verwirrter Ausdruck verstärkte sich und er legte den Kopf schief, während er sie erneut musterte.

„Woher kennen wir uns nochmal?", fragte er und wirkte dabei ehrlich durcheinander. Jamie musste ein Ausdruck des Unglaubens wie aufs Gesicht geschrieben gewesen sein, denn Billy hob abwehrend die Hände und trat einen Schritt zurück. „Hey, nur ne Frage. In der Regel kommen die Weiber immer an und schnurren sich ne Kippe um mit mir ins Gespräch zu kommen."

Jamie blinzelte mehrfach. War sie im falschen Film?

„Schwimmbad.", antwortete sie schlussendlich trocken, als es aussah als würde Billy sich eher beim Denken einen Muskel zerren, als sich an sie zu erinnern. War das irgendeine merkwürdige Masche?

Billy schnipste und zeigte dann auf Jamie.

„Bademädchen!", rief er bei der Erkenntnis.

„Schmalzlocke.", begrüßte sie ihn mit einem Nicken.

Er grinste.

„Wusst ich's doch, dass du wieder kommst.", brummte er und war in einem schnellen Satz bei ihr und legte seine Hände an ihre Hüfte. In einer fließenden Bewegung zog er sie an sich und küsste sie. Zumindest versuchte er es nicht wenig überzeugend, doch Jamie lehnte sich in seinen Armen so weit nach hinten, dass sie mit Sicherheit auf ihrem Hintern landen würde, wenn er sie nun loslassen würde.

Billy zog seinen Kopf wieder zurück und sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

„Mann, du bist merkwürdig.", murmelte er und machte Anstalten sich von ihr zu lösen.

„Nicht!", schrie Jamie auf und geriet ins straucheln während sie versuchte wieder in die diagonale zu kommen und nicht nach hinten über zu fallen.

Er zog sie wieder nähe an sich. Seine Finger fanden ihren Weg unter den Saum ihres Oberteils und kribbelten auf Jamies nackter Haut „Doch nicht?"

„Nein."

„Nein?", fragte er verwirrt.

„Nein, also ja. Doch. Lass mich los." Wieso hatten sie nur immer wieder die gleiche Unterhaltung?

Billy zog seine Hände zurück, langsamer diesmal, dass sie Zeit hatte sich aufrecht hinzustellen, und Jamie richtete ihre Kleidung wieder her und trat einen Schritt zurück. Hilfe, der Kerl war wirklich Sex auf zwei Beinen. Schwer ließ sie die angestaute Luft, von der sie gar nicht wusste, dass sie nach ihr geschnappt hatte, aus ihren Lungen entweichen. Sie musste ihren Kopf wieder frei kriegen. Sie wollte reden. Er hatte eine Freundin. Eigentlich war es ganz einfach. Finger weg.

„Gott, du bist wirklich ein Paradoxon.", seufzte er weiter und setzte seine Zigarette wieder an seine Lippen. Wo hatte er die den eben gehabt? Hatte er mehr als zwei Hände? Es hatte sich vor ein paar Nächten auf jeden Fall so angefühlt...

Gott, Schluss jetzt!, schimpfte sie sich selbst.

Er lehnte sich gegen seinen Schreibtisch und überschlug seine langen Beine. In der gleichen Bewegung legte er sich seine freie Hand auf seine Brust, musterte sie und legte den Kopf schief.

Er musterte sie und beurteilte ihr Aussehen!

Na gut, ein bisschen heiß und kalt spiele ich noch mit. Aber irgendwann ist Schluss, auch wenn du was niedliches hast..." kam er dann zum Schluss und zwinkerte ihr zu als wäre es ein Kompliment ehe er ihr mit der Hand, zwischen dessen Fingern noch die Zigarette steckte, bedeutete zu sprechen.

„Also, was kann ich dir gutes tun..."

„Jamie!"

„Ja. Jamie. Stimmt." Er schnipste mit den Fingern.

Gott, er kannte nicht einmal ihren Namen! Sie kam sich dämlich vor. Richtig, aufrichtig, dämlich. Sie hätte einfach gehen sollen, als sie noch die Chance dazu gehabt hatte. Am besten gar nicht erst hier her kommen. Zu dem Haus. In diese Stadt.

Sie kratzte sich am schmerzendem Kopf. Ihre Finger waren kalt und klamm und zum ersten Mal wünschte sie tatsächlich, sie würde rauchen, um mit ihren Händen etwas zu tun zu haben. Hilfe, was tat man nochmal mit Händen?!

Jamie verschränkte die Arme vor der Brust und sah Billy an. Unter seinem Blick hatte sie das Gefühl zu schrumpfen. Wann war sie nur eines von den Mädchen geworden? Sie richtete sich auf und reckte ihr Kinn hoch. Verdammt, wie sollte sie nur anfangen? Am besten direkt.

"Billy, wir müssen über letzte Nacht reden.", formulierte sie ihr Anliegen blöde undeutlich und missverständlich das sie beide gleich verwirrt aus der Wäsche guckten.

"Ich meine den Wald!", versuchte sie es weiter und stöhnte dann, während Billys Gesichtsausdruck sich verfinsterte und er eine der perfekt geschwungenen Augenbrauen hochzog, sodass sie unter seiner Haarmatte verschwand. Er wirkte auf der Hut und amüsiert zugleich und ließ sie sich weiter um Kopf und Kragen reden. Es machte Jamie wütend.

"Verdammt Billy, was soll das Ganze?", sprang sie im Thema und wirbelte mit ihren Armen zwischen ihnen zwei umher.

"Du tauchst an meiner Tür auf, verschwindest wieder, liegst neben mir im Bett und tauchst dann bei meiner Arbeit mit Heather auf."

Je mehr sie die Dinge aufzählte, die Billy getan hatte, wobei sie einige vergaß und andere gewissenhaft ausließ, weil sie einfach klangen als sei sie wahnsinnig, desto wütender wurde sie. Ihr Atem ging bereits flach.

"Wem?"

Jamie schnaubte aufgebracht. "Deine fucking Freundin?!", keifte sie. "Beine bis hier-", Jamie gestikulierte mit ihren Armen bis zu ihren Brüsten "lange braune Haare und wache braune Augen. Freundlich, hilfsbereit und nett.", fuhr sie weiter vor und merkte wie ihre Eifersucht auf Heather anstieg. Warum musste sie auch so perfekt sein?

Billy Augen wurden groß. "Ach geht's hier gar nicht um mich, geht's um Heather? Willst du sie für dich", fragte er und musterte sie erneut neugierig. „Ehrlich?"

„Was?! Ja!"

„Ja?"

„Ja. Nein. Ich meine", frustriert wirbelte sie mit den Händen durch die Luft. „Was soll das Ganze, die letzten Nächte, wenn du eine Freundin hast."

Es war eindeutig, dass er nicht verstand, was ich sagen wollte.

"Willst du sagen du bist wütend wegen letzter Nacht? Weil ich mich mit Heather getroffen haben?", fragte er komplett verwirrt. „Gott, dann komm ich heute Nacht zu dir, wenn es das ist worauf du stehst!", lenkte er großspurig ein und erwartete wohl Applaus. Jamie klappte der Kiefer runter.

„Was? Nein! Halt! Du hast dich gestern Nacht mit Heather getroffen?"

Ein Tag hatte doch nur 24 Stunden. Kein Wunder das er so dermaßen fertig aussah, wenn er die ganze Nacht von einem Mädchen zum nächsten hüpfte.

„Bevor oder nachdem wir uns gesehen haben?", harkte Jamie weiter nach und mochte es gar nicht, dass sie wie die schlimmste, eifersüchtigste Art von Freundin klang, die sie sich vorstellen konnte.

"Was? Halt!"

Er war nicht ihr Freund. Sie nicht seine Freundin. Genau genommen war das Heather. Die er wohl auch noch auf dem Schirm hatte.

„Was tue ich hier bloß?", murmelte sie und atmete tief durch. „Weißt du was. Egal. Vergiss es. Halt dich einfach von mir fern in Zukunft bitte, und dir und Heather wünsche ich viel Glück. Liebe Grüße an sie."

Jamie machte Anstalten zu gehen, was Billy dazu veranlasst sich von dem Schreibtisch abzustützen.

"Hey. Bademädchen. Stopp.", rief er.

Jamie blieb stehen und drehte sich wieder um.

"Was genau ist dein Problem? Das ich mich gestern mit Heather getroffen habe? Nun, dass ist mein gutes Recht!", schnaubte er, sprach aber wohlweislich weiter, als er ihren Blick registrierte. „Wenn du aus irgendeinem Grund auf mich gewartet haben solltest, gestern Abend und ich eine Verabredung vergessen haben sollte...", er sah bei den Worten sichtlich verwirrt aus „dann tut es mir leid. Dann lass ich Heather heute sitzen und komm bei dir vorbei... wenn es sich für mich lohnt."

Konnten einem die Augen aus dem Kopf fallen, wenn man sie weit genug aufriss? Nun, nach diesem Gespräch würde Jamie es wissen. Es dauerte einen ganzen Augenblick, bis sie ihre Stimme wieder fand. Sie räusperte sich.

"Nur nochmal, damit ich das richtig verstehe. Du hast keine Ahnung wovon ich rede. Du kennst eigentlich noch nicht einmal wirklich meinen Namen. Du erinnerst dich nicht, mich gestern Abend gesehen zu haben und bist dir auch sonst keiner Schuld bewusst, aber du würdest deine Freundin heute Abend für eine Fremde einfach irgendwo ohne Erklärung sitzen lassen um dich mit einer, wie du gerade festgestellt hast vollkommen Fremden zu treffen... vorausgesetzt, dass es sich "für dich lohnt."

Bei den letzten Worten zeichnete Jamie Gänsefüßchen in die Luft. Ihr Puls war gefährlich hoch. Die 180 knackte er dann, als Billy mit geschwollener Brust nickte. „Ich habe keine Freundin. Und die Weiber wissen das. Ich bin Billy Hargrove".

Wäre sie eine Comic-Figur, wäre ihr den Schädel explodiert.

"Gott Billy, wie kannst du nur so mit dem Mädchen umgehen? Mit Frauen generell?"

Als Jamie angefangen hatte zu sprechen, war ihr Stimme noch im Rahmen gewesen, doch je länger sie sprach, desto lauter wurde sie, geriet ins Schreien. Ihm schien es gar nicht zu gefallen von ihr angebrüllt zu werden, doch Jamie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen, so wütend war sie geworden. Irgendwo unterbewusst war ihr klar, dass ihre Wut nicht allein von Billys Verhalten ausgelöst worden war. Nach dem Gespräch glaube sie auch eher, ihn letzte Nacht nicht gesehen und nur von ihm geträumt zu haben - sodass sie ihm deswegen eigentlich keine Vorwürfe machen konnte. Doch seine Aussage sein unmögliches Verhalten Heather gegen über, rückte alles wieder in ein neues Licht. Hinzu kamen ihre eigenen Probleme und ihre Vergangenheit mit Lügen und Betrügen die sie bei solchen Themen sensibel machten. Wobei der Betrug ihres Vaters und das er sie und ihre Mutter hatte sitzen lassen, nur das geringste seiner Probleme zu sein gewesen schien. Doch Billy, der noch so seelenruhig dastand und ihr verdeutlichte wie austauschbar Frauen für ihn waren, half der Situation nicht.

"Wie kannst du das nicht verstehen? Du hast doch auch eine Schwester. Eine Mutter die dich liebt und-"

"Stiefschwester. Fucking Stiefmutter. Und die dumme Fotze liebt niemanden außer vielleicht Max.", fauchte er hasserfüllt.

Sie hielt mitten in ihrer Schimpftriade inne und sah ihn an. Jamies Gehirn war nicht schnell genug, gesagtes in seine Bedeutung umzuwandeln, ehe sie sich bereits flüstern hörte.

"Das glaube ich nicht. Sie liebt dich. Und deine Schwester liebt dich auch. Ich bin sicher, deine Mutter-"

Billy stieß sich von der Tischkante ab und schleuderte eine Lampe vom Schreibtisch, welche schellend an der Wand zerbrach.

Jamie gefror zu Eis.

„Nur weil wir gevögelt haben, glaubst du, du kennst mich? Meine Familie?", schrie er sie an. Erschrocken wich Jamie zurück. Schwer atmend hatte er sich vor ihr aufgebaut. Sein Brustkorb hob und senkte sich stark.

„Billy, wir haben nicht gevögelt.", brachte sie völlig verdattert hervor und stolperte dabei nicht mal über die derbe Ausdrucksweise, die Billy ihr an den Kopf geworfen hatte. Sie war zu perplex von seinem plötzlichen Ausbruch.

Billys Augenbrauen zogen sich zusammen. Ein Ausdruck von Unsicherheit und Verwirrung rutschte über seine Gesichtszüge ehe sie sich wieder zu der harten Maske verfeinerte, die er so ehrenvoll zu tragen wusste.

„Was willst du dann von mir Jamie?", fragte er und ließ sich zurück auf seine Fersen fallen. Es war, als habe jemand sämtliche Luft aus ihm heraus gelassen. Erschöpft ließ er sich auf seine Bettkante fallen und strich sich mit der Hand über sein Gesicht und dann durch seinen Pony seine Haare nach hinten. Eine dunkle Stelle, Dreck oder eine Verkrustung zeigten sich auf seiner Stirn ehe seine Strähnen ihm wieder vor die Augen fielen. Sein erschöpfter Anblick dämpfte auch Jamies aufgebrachtes Herz etwas.

Automatisch streckte Jamie ihre Finger aus und wollte sich seine Stirn erneut ansehen, doch Billy fing ihre Hand ab und hielt sie am Handgelenk fest.

"Nicht.", zischte er. In seinen Augen kämpften Wut, Hass und Furcht miteinander.

Was um alles in der Welt war den bloß los mit ihm?

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