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Hyemi
"Geht es dir gut?", fragte ich das jüngere Mädchen, die ihrem Peiniger verängstigt nachsah. Ihr süßes Gesicht war mehr als deutlich von Wunden überhäuft, einige bluteten sogar.
"Wenn ich dich noch einmal sehe oder ich erfahre, dass du dem Mädchen etwas antust, werde ich das selbe mit dir machen. Verstanden?" Erschrocken blickte ich hinüber zu Jungkook, der dem Jungen ordentlich Angst ein zu jagen schien. Und auch ich spürte die kühle Präsenz, die plötzlich von ihm aus ging. Ich hatte Jungkook noch nie so erlebt, nicht einmal ansatzweise. Er schien nicht die Art von Mann zu sein, der seinen Gefühlen freien Lauf ließ und schon garnicht seine Wut derart deutlich zeigte.
Eifrig nickte der Junge, der plötzlich nicht mehr so taff schien. Es geschah ihm ganz Recht. Verängstigt lief der Junge fort, als Jungkook ihm die Möglichkeit zur Flucht gab.
"Gam-Gamsahabnida", hauchte das kleine Mädchen bloß noch, da sie mittlerweile zu weinen begonnen hatte. Viele Tränen liefen ihre Wangen hinunter und fielen auf ihre mit Schmutz befleckte Hose.
"Jungkook-ah...", sprach ich den Schwarzhaarigen an, der sich noch immer nicht zu uns umgedrehte hatte. Langsam wandte er sich uns zu und fuhr sich aufgebracht durch die Haare, ehe ein kleines und entschuldigendes Lächeln seine Lippen umspielte. Dieses verblasste jedoch sofort, als er das Mädchen weinen sah.
"Kannst du laufen?", fragte ich sie, nachdem ich mich erhoben hatte und sah, wie sie ihr rechtes Bein angehoben hielt. Stumm schüttelte sie ihren Kopf, während sie ihr Gesicht schmerzvoll verzog. Es war, als würde ein Messer in mein Herz gestochen werden, als ich sie so sah.
"Ist dein Zuhause hier in der Nähe?", ertönte nun auch Jungkooks Stimme nach einer verschwiegenen Ewigkeit. Erneut schüttelte das Mädchen ihren Kopf.
"Jungkook-ah, ich wohne hier in der Nähe. Ich möchte sie nicht alleine nach Hause schicken und würde vorschlagen, dass ich sie mit zu mir nehme, ihre Wunden behandle und dann ihre Eltern anrufe, damit sie sie abholen können."
"Nae, ich denke das wäre das Beste", antwortete er und erwiderte meinen besorgten Blick. Sogar Falten hatten sich bereits vor Sorge in seinem Gesicht sichtbar gemacht
"Wäre das für dich in Ordnung?" , fragte Jungkook das kleine Mädchen, die langsam nickte.
Mit einem Mal drehte Jungkook ihr seinen Rücken zu, weshalb ich diesen verwirrt ansah, im nächsten Moment allerdings verstand, was er vor hatte.
"Es ist schon ok", versicherte ich der Kleinen lächelnd, als diese zögernd Jungkooks Rücken bestieg und kurz aufquitschte, als dieser sich mit ihr auf dem Rücken erhob. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu meiner Wohnung und erfuhren auch den Namen, des kleinen Mädchen. Sie hieß Ai. Jungkook und ich tauschten einen wissenden Blick aus und ahnten bereits böses. Ai war immerhin ein japanischer Name, was darauf zurück schließen ließ, dass der Junge sie deshalb so behandelte. Es war wirklich grausam, was er ihr angetan hatte.
"Sag mal Ai, du kennst doch die Telefonnummer von deinen Eltern, oder?"
"Nae", antwortete sie, während sie ihren Kopf an Jungkooks Halskuhle gelegt hatte und vor Erschöpfung kaum noch ihre Augen offen halten konnte. Lächelnd schaute ich hinauf zu Jungkook, der kurz zu Ai gesehen hatte und meinen Blick abfing. Sofort weiteten sich seine Augen.
"Was ist los?"
"Niichts", antwortete ich und lächelte weiterhin sanft zu ihm hinauf. Der Schreck war seinen Augen entwichen und einzig und allein der sanfte Blick in seinen Augen war geblieben. Ich spürte, wie mein Herz begann schneller zu schlagen, während wir einander so ansah und es nur noch seine Augen für mich gab.
"Unnie, Oppa? Seid ihr ein Paar?"
Mit einem Mal blickten Jungkook und ich einander erschrocken und ertappt zugleich an, ehe wir unsere Blicke schnell voneinander abwandten. Zum Glück, war es bereits etwas dunkler geworden, denn die Röte in meinem Gesicht hätte mich sofort verraten.
"W-Wie kommst du darauf?", fragte ich Ai.
"Ihr seht aus wie ein Paar", erklärte sie und hob ihren Kopf an, um Jungkook von der Seite ansehen zu können.
"Oppa, bist du mit Unnie zusa- Oh, hast du Fieber? Du bist so rot", fragte Ai Jungkook besorgt, weshalb ich ihn wieder ansah und deutlich im Licht der Straßenlaterne sehen konnte, wie errötet sein Gesicht plötzlich war. Beschämt schielte er für einen Augenblick zu mir hinunter, doch schaute ich schnell weg, um ihm keine Unannehmlichkeiten zu bereiten und zu verhindern, dass er mich beim anstarren ertappte.
"Aniyo, ich habe kein Fieber", antwortete Jungkook Ai, die ihren Kopf zurück an seine Halskuhle legte und für den Rest des Weges schwieg.
(...)
Zufrieden betrachtete ich Ai, der ich ein Kleid mit Ärmeln von mir gegeben hatte, um ihre Sachen waschen zu können. Die Ärmel waren ihr natürlich viel zu lang und auch das Kleid saß nicht so, wie es eigentlich sitzen sollte, doch immerhin reichte es für den Moment. Summend flechtete ich ihre Haare und gab sie dann wieder frei.
"Gamsahabnida", bedanke sie sich lächelnd und betrachtete sich gerührt im Spiegel. Ihre schulterlangen Haare hatte ich zu einem lockeren Zopf geflochten, damit ich ihre Wunden in Ruhe desinfizieren konnte.
"Seit wann tut er dir das an?", fragte ich sie, als ich gerade mit einem Wattestäbchen, den ich zuvor mit Desinfektionsmittel eingesprüht hatte, ihre Wunden reinigte.
"Eine Weile", antwortete Ai. Beschämt wich sie meinem Blick aus, als wüsste sie, was ich ihr sagen wollte.
"Du musst dir so etwas nicht gefallen lassen Ai-ah", sprach ich sanft und lächelte das betroffene Mädchen an. Ein Klopfen ertönte plötzlich an der Tür zum Badezimmer, ehe Jungkook zögernd hinein kam.
"Ai-ah, deine Mutter ist da", sprach er und betrachtete das Mädchen verblüfft. Dann bildete sich allerdings ein annerkennendes Lächeln um seine Lippen, als sich unser Blick fand.
"Gamsahabnida Unnie", bedankte sie sich und folgte Jungkook hinaus ais dem Badezimmer. Schnell räumte ich den Verbandskasten beiseite und wusch mir eben meine Hände, ehe auch ich das Badezimmer verließ und eine völlig aufgelöste Frau im Wohnzimmer vorfand, die weinend ihre Tochter in ihren Armen hielt.
"Es tut mir so leid Ai. Es tut mir so unendlich leid", sprach sie immer und immer wieder. Sanft tätschelte Ai den Kopf ihrer Mutter und lächelte tröstend vor sich hin. Ai war wirklich ein starkes Mädchen. Obwohl sie wegen des Jungen so viel durchmachen musste, blieb sie für ihre Mutter stark, die sich die Schuld für Ai's Situation gab.
"Habt vielen Dank, dass ihr meiner Tochter geholfen habt und so freundlich zu ihr wart", bedankte sich Ai's Mutter und verbeugte sich sehr tief vor uns. Es brach mir das Herz.
"Haben wir gerne getan", antwortete Jungkook und verbeugte sich ebenfalls mit mir vor der aufgelösten Frau.
"Ai-ah, sehen wir uns Montag im Bus?", fragte ich Ai, deren Mundwinkel sich weit anhoben und sie mich dankbar ansah.
"Nae Unnie."
Nachdem ich Ai's Mutter die geschwaschenen Sachen von Ai übergeben hatte, machten sie sich auf den Weg nach Hause.
"Ich denke, ich sollte nun auch gehen", erklang Jungkooks Stimme nachdenklich, nachdem er sein Handy aus seiner Hosentasche gezückt hatte, um nach der Uhrzeit zu sehen. Es war wirklich schon verdammt spät.
"Hast du es sehr weit?", fragte ich den Schwarzhaarigen besorgt, nachdem ich ihm zur Tür gefolgt war.
"Aniyo. Es müssten ungefähr 20 Minuten von hier aus sein", antwortete er lächelnd und öffnete die Tür. Im Türrahmen blieb ich stehen und sah, wie er sich seine Kopfhörer aus der Hosentasche kramte.
"Hast du keine Angst, dass du überfallen wirst, wenn du nichts hörst?" Besorgt musterte ich ihn und malte mir bereits diverse Szenarios eines Überfalles aus.
"Hyemi-ah, du machst dir viel zu viele Sorgen um mich", sprach Jungkook belustigt und sah mir sanft in die Augen.
"Aber es sind berechtigte Sorgen. Außerdem-" Mit einem Mal verstummte ich, als Jungkook sich nah vor mich gestellte hatte und verträumt zu mir hinunter sah.
"Mach dir keine Sorgen um mich", flüsterte er sanft, weshalb mein Blick auf seine wohl geschwungenen Lippen fiel.
Unruhig schlug mein Herz in meiner Brust, als ich wieder in seinen Augen schaute, deren Dunkelheit mich in einen Bann zog, aus dem ich nicht fliehen konnte- und auch nicht wollte.
Langsam beugte er sich hinunter zu mir, als sein Blick auf meine Lippen gefallen war. Würde er mich...?
"Hyemi", hauchte er meinen Namen und als würde sich dieses Hauchen auf meine Haut legen, bekam ich automatisch eine Gänsehaut. Nur noch wenige Zentimeter lagen zwischen unseren Gesichter und der verlangende und verlorene Blick in seinen Augen raubte mir den Atem. Ganz leicht striffen seine Lippen der meinen, als wir plötzlich zusammen zuckte und uns ruckartig voneinander trennten.
"Hyemi-ah hast du vielleicht noch-"
Mit einem Mal verstummte Taehyung, als er Jungkook und mich vollkommen errötet vor meiner Haustür auffand und uns erschrocken ansah.
"I-Ich gehe dann jetzt."
"N-Nae, pass auf dich auf", antwortete ich Jungkook und wich seinem Blick genauso aus, wie er meinen. Erst als nur noch sein Rücken zu sehen war, sah ich Jungkook enttäuscht hinterher. Ob er wohl ein guter Küsser war? Zählte das überhaupt als Kuss? Nun machte sich auch die Enttäuschung in meinem Herzen breit, zog meine Laune weit hinunter in den Abgrund.
,,Hab ich Euch gestört?",erklang Taehyungs Stimme fragend, doch weitaus vorsichtiger als gewöhnlich. Er ahnte es. Kurz sah ich ihn an, gab ihm somit die Antwort auf meine Frage und begab mich zurück in meine Wohnung. Taehyung folgte mir.
"Hyemi-ah! Mianhaeyo!", rief er mir zu, als ich mich bereits erschöpft in mein kuscheliges Bett gelegt hatte. Es war ein riesiges Bett und ähnelte dem Bett einer Prinzessin. Ruhig verlief meine Atmung, während ich meine Augen nun geschlossen hielt, allerdings hörte, wie Taehyung mein Zimmer betrat.
"Hyemi-ah"
Ohne ein Wort zu sagen, zog ich an seinem T- shirt. Taehyung interpretierte die Geste korrekt, da ich sofort spürte, wie die Matratze unter seinem Gewicht nach gab. Vorsichtig nahm er mich in seine Arme, sodass ich meinen Kopf an seine Brust lehnen konnte.
"Ich bin da", flüsterte er und küsste flüchtig mein Haar, ehe ich langsam begann einzuschlafen.
Seit wir uns kannten kam es immer Mal wieder vor, dass wir zusammen einschliefen. Doch hatte dies einen entscheidenden Grund. Manchmal kam es vor, dass einer von uns beiden nicht ohne jemanden im Bett oder in der Wohnung schlafen konnte. Wir beide fühlten uns einfach allein gelassen und schliefen zu unruhig, wenn wir uns alleine in unseren Wohnungen befanden. Doch wenn wir zusammen waren, verspürten wir diese Gefühle nicht. Wir brauchten einfach jemanden, der bei uns war, wenn wir uns alleine fühlten. Deshalb hatten und brauchten wir einander.
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