Kapitel 2

   Es war eine Woche vergangen, seitdem Ochakos verunstaltete Leiche gefunden worden war. Was genau mit ihr passiert war, hatte noch niemand erfahren, da der einzige Anwesende seit diesem Erlebnis keinen zusammenhängenden Satz mehr herausbrachte.
   Die Klasse war zum ersten Mal wieder versammelt, bis auf ein paar Ausnahmen, die noch nicht bereit waren, sich der Realität zu stellen.
   Mit dunklen Gesichtern legten die Schüler und Lehrer der Klasse und auch einige aus anderen leuchtende Blumen auf den Tisch, in der Mitte ein Bild der fröhlichen Verstorbenen.

   Deku bekam nichts davon zu Gesicht. Er hatte sich aus dem Nichts noch mehr von der Welt abgeschottet. Selbst All Might, der jeden Tag mehrmals vorbeikam, hörte von seinem Nachfolger nicht mehr als ein dünnes Murmeln, zusätzlich gedämpft durch die Tür.
   Tenya Iida brachte immer nach Schulschluss die verpassten Aufgaben vorbei, in der Hoffnung, diese wenigsten persönlich übergeben zu können, doch die Tür öffnete sich nicht.
   Inko war verwirrt, als es erneut klingelte, schließlich war All Might gerade erst gegangen und Iida war schon vor einigen Stunden da. Hatte einer der beiden etwas vergessen?
   Hinter der Tür stand Bakugou. Seine Miene war fies wie üblich, aber Dekus Mutter erkannte genau, dass auch Besorgnis in seinen Augen stand.
   Stumm winkte sie ihn herein und schloss die Tür. Um nicht weiter zu stören, zog sie sich zurück, mit Tränen betend, Bakugou möge zu ihrem geliebten Sohn durchdringen.
   Ersterer baute sich vor der Tür auf und holte zu einem kräftigen Hämmern aus, was letztendlich aber doch nur zu einem leisen Klopfen wurde.
   "Oy, Deku." Er wusste nur zu gut, dass er für so etwas nicht geschaffen war, aber wenn jemand den kleinen Pimpf da rausholen könne, müsste es ja er sein.
   "Kommst du auch irgendwann mal wieder in die Schule? Ich bin mir ziemlich sicher, einige der Idioten da vermissen dich."
   Das Murmeln, was bis eben noch durch die Tür zu hören war, verstummte.
   "Ich kann nicht sagen, dass ich verstehe, was mit dir los ist, jetzt, wo die Kleine... weg ist. Aber, und ich denke, das wird auch All Might dir gesagt haben, so kann das nicht weitergehen."
   Stille. Bakugou zögerte.
   "Er und deine Mutter machen sich Sorgen, genau wie die anderen aus der Klasse, und die Lehrer. Schreihals Mic ist viel leiser geworden, und Aizawa ist endgültig zur Leiche mutiert. Shoto kommt auch gleich noch vorbei, und wenn du nicht davor die Tür aufmachst, jag ich dein Zimmer in die Luft."
   Endlich brach die Stille von Dekus Seite. Schritte waren zu hören. Zwar lief er nicht in Richtung Tür, sondern innerhalb des Zimmers hin und her, aber es war doch irgendwie beruhigend, ein Lebenszeichen wahrzunehmen.
   Im Gegensatz dazu gingen Bakugou die Worte aus. Es war ihm selber bewusst, dass sein Wortschatz nicht der größte war, und die restlichen Wörter wären wohl eher kontraproduktiv gewesen.
   Nach einem Moment unangenehmer Stille erhob er doch wieder die Stimme.
   "Was hat dich eigentlich dazu gebracht, mittendrin nochmal menschenscheuer zu werden? Dich einzuschließen, wundert mich nicht im Geringsten, aber von dem, was ich gehört hab, warst du kurz davor, wenigstens wieder aus dem Zimmer zu kommen, bevor du dich auf einmal wieder komplett zurückgezogen hast."
   Dekus Schritte wurden langsamer. Ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war, wusste der Monologierende nicht, aber es war nun eh zu spät, um das Gesagte zurückzuziehen.
   "Und anscheinend bist du an diesem Abend abgehauen, wie ich-"
   Es klingelte. Die Unterbrechung brachte Bakugou aus dem Konzept.
   "Weißt du was, ich mach mal eben auf."
   Wie gedacht stand Shoto vor der Tür. Ohne Worte zu wechseln, gingen die beiden Besucher wieder zu Dekus Zimmer, doch darin hörte man nun gar nichts mehr.
   "Midoriya, bist du da?", fragte Shoto, doch eine Antwort kam nicht. Ein kühler Luftzug war zu spüren.
   "Ich baller gleich die Tür weg." Trotz Bakugous Ankündigung keine Reaktion. Das nahm dieser als Einladung an, das Schloss zu sprengen, und mit Mister Feuer-und-Eis das Zimmer zu betreten.
   Wie befürchtet war darin keine Spur des grünhaarigen Jungen, nur ein offenes Fenster.
   "Sieht aus als müssten wir ihn verfolgen."
   Shotos Aussage ließ Bakugou genervt grinsen.
   "Selbst wenn er am Boden ist, kriegt er es trotzdem hin, lästig zu sein."
   "Wir dürfen unsere Fähigkeiten eigentlich nicht benutzen."
   "Du sagst das, als ob es dir nicht komplett egal wäre. Ich spür doch, dass du gleich wieder 'ne Eisbahn machst."
   Die beiden nickten sich zu, und nachdem Shoto noch schnell "Entschuldigung für die Störung" rief, rasten sie auch schon los, um nach ihrem Klassenkameraden zu suchen.
   "Halb-und-Halb, sag mal den anderen Bescheid. Ich kann meine Hände gerade schlecht nutzen."
   Mit einer großen Explosion schoss Bakugou sich weit nach oben, um einen Überblick über die Stadt zu erlangen, und hielt sich mit einem kleinen Dauerfeuer in der Luft.
   Nirgendwo waren die strubbeligen grünen Haare oder die elektrischen Effekte von Full Cowl zu sehen. Die ganze Stadt zu überblicken, war allerdings auch keine leichte Aufgabe.

   Auch Shoto hatte nur mäßigen Erfolg. Die anderen waren zwar auf dem Weg, aber so viele Leute waren sie nun auch wieder nicht, und nicht jeder hatte eine angemessene Macke, um nach einem Jungen in einer Großstadt zu suchen.
   Nach kurzem Überlegen entschloss er sich, Orte zu besuchen, die Deku eventuell aufsuchen würde, doch sein Glück wurde nicht besser. Dafür wurde seine Angst größer, sein Freund würde etwas Dummes tun.
   Gerade, als er meinte, alle wichtigen Orte abgehakt zu haben, kam ihm eine letzte Möglichkeit in den Sinn. Und nach einer kurzen Reise fand er ihn tatsächlich, stumm weinend.
   Shoto landete in etwas Entfernung und lief langsam auf Deku zu. Eine Menge Gedanken schossen ihm durch den Kopf, und auch wenn er vor allem seinem guten Freund helfen wollte, so hoffte er doch auch, ein paar Antworten auf die Fragen zu bekommen, die sich ihm stellten.
   Deku drehte sich langsam um, als er ihn endlich bemerkte. Sein Gesichtsausdruck war nicht deutbar, doch Shoto war entschlossen, ihn wieder aufzumuntern, und dabei zu erfahren, was hier passiert war.
   An dem Ort, an dem Ochako Uraraka starb.

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