9. Kapitel: Tag 1

Ich starre Louis immer noch an und weiß nicht so recht, was ich jetzt sagen soll. "Hazza, alles gut", fragt mich Liam und nun ist es erneut Louis, dem alle Gesichtszüge entgleiten. Ich schlucke den fetten Kloß in meinem Hals herunter und nicke dann. "Ja, klar." Angespannt stehe ich am Tisch und beiße meine Zähne fest aufeinander, sodass mein Kiefer deutlich zu sehen ist. Kurz herrscht eine merkwürdige Stimmung und ich habe das Gefühl, alle hier wissen worum es geht. Naja, außer Liam. 

Irgendwie tut er mir leid, er hat so gar keine Ahnung, was hier wirklich passiert. Leicht verwirrt sieht er zu Louis, der ihn und mich mit einem undefinierbaren Blick ansieht. Ich würde ihm am liebsten eine reinhauen. Eigentlich bin ich gegen Gewalt, aber bei ihm kann ich doch eine Ausnahme machen, oder? Normalerweise bin ich ein friedliebender Mensch, aber er bringt mich dazu aus der Haut zu fahren und alle meine Prinzipien über Bord werfen zu wollen. Zugegebenermaßen nicht das erste Mal. 

Er bringt mich wirklich dazu anders zu sein und Dinge zu tun, die ich vorher nie gemacht hätte. Tja und vielleicht ist es bald so weit, dass ich auch mal meine Haltung gegenüber Gewalt ändere. Nur für ihn. Dann kann er sich besonders fühlen! 
Ich hingegen fühle mich gerade einfach nur beschissen. 

Am liebsten würde ich ihn anschreien und die ganzen angestauten Gefühle der letzten vier Jahre rauslassen. Wir liefern uns förmlich ein Blickduell und noch ist nicht klar, wer hier am Ende gewinnt. Die Anspannung ist deutlich zu spüren. Doch bevor wirklich noch etwas passieren, kommt Niall dazwischen. Mein Ritter in der Not. 

"Alsooo...ähm, ich wäre dafür, dass wir mal gucken, was Sache ist", klatscht er in die Hände. Eine Augenbraue hochziehend sehe ich ihn an. "Naja, wir sitzen hier fest und das können wir nicht ändern. Aber wir sind immer noch Menschen mit Bedürfnissen", meint er dann. Liam mach ein leises Geräusch neben ihm. Niall verdreht daraufhin nur die Augen. "Nicht das, was du denkst." Liam hebt abwehrend die Hände. "Ich hab doch gar nichts gesagt." - "Nein, das war auch nicht nötig. Weißt du, dein Blick sagt alles. Du bist einfach nur sexuell frustriert und verstehst alles so, wie du es verstehen willst." - "Gar nicht!" Liam schiebt seine Unterlippe vor und verschränkt bockig seine Arme. Wie ein kleines Kind.

"Um auf das eigentlich Thema zurückzukommen. Mit Bedürfnissen", er macht eine kleine Pause und sieht mit übertrieben großen Augen zu Liam, "meine ich eigentlich sowas wie Essen. Zum Glück ist das hier ein Pub und ich habe somit wenigstens etwas an Lebensmitteln da, aber eben auch nicht besonders viel", meint Niall dann. "Oh...", kommt es dann von Zayn, dem genauso wie mir und wahrscheinlich auch allen anderen am Tisch, klar wird, was diese Situation eigentlich für Kreise zieht. 

Wir sind hier drinnen nicht nur eingesperrt, wir müssen auch gucken, dass wir irgendwie überleben. Okay, das klingt jetzt vielleicht etwas dramatisch, schließlich können Menschen schon eine Weile ohne Essen überleben, dennoch bin ich nicht besonders scharf darauf, herauszufinden wie lange genau. Außerdem gibt es vielleicht Menschen, die Medikamente benötigen oder irgendwelche gesundheitlichen Probleme oder psychischen Ängste haben. Ich bin auch der Meinung eine Schwangere Frau gesehen zu haben. Und wo sollen bitte alle schlafen? Einige müssen wohl oder übel auf dem Boden nächtigen. Ich hoffe bloß, dass die Leute dafür Verständnis haben. 

"Oh man, daran hab ich ja noch gar nicht gedacht", meint Louis dann nachdenklich. Genervt verdrehe ich nur die Augen und bekomme von Liam erneut einen fragenden Blick. Schnell drehe ich mich weg. Tut mir wirklich leid, aber ich kann mich einfach nicht zurückhalten. Er geht mir auf die Nerven. "Wie wäre es, wenn wir mal gucken, was so da ist und dann eine Liste machen", wirft Zayn dann als Vorschlag in die Runde. "Das ist eine gute Idee. So können wir uns erstmal einen Überblick verschaffen und danach sehen wir weiter." Niall lächelt zuversichtlich. 

"Also ich würde mal nach dem Essen schauen. Harry, kommst du mit?"- "Klar." Dann ziehe ich meinen Mantel aus, welchen ich immer noch trage. "Ach und vielleicht hat ja noch jemand irgendwas Essbares dabei", meint Louis dann. "Ja, klar, weil jemand erst einkaufen und dann direkt in einen Pub geht. Und ich bezweifle, dass ein Müsliriegel uns alle satt machen würde", erwidere ich bissig. Louis setzt dazu an, etwas zu sagen, doch wird er von Liam unterbrochen. "Also ich finde die Idee gar nicht so schlecht. Einen Versuch ist es wert", versucht er die Situation zu entschärfen.

"Wie wärs, wenn du das machen würdest", fragt der Braunäugige Louis und legt ihm eine Hand auf die Schulter, um diesen zu beruhigen. Louis Kiefermuskulatur entspannt sich nur minimal. Er zwingt sich ein Lächeln auf und nickt dann. Liam erwidert dieses und sieht Louis hinterher, wie er auf einige Leute zugeht. Noch einen Moment bleibt er mir mit dem Rücken zugewandt stehen, bevor er sich blitzschnell zu mir umdreht. Das Lächeln verschwindet augenblicklich aus seinem Gesicht und weicht einer Mischung aus Ärger und Verständnislosigkeit. "Sag mal, was soll das", zischt er leise. 

Trotz der Tatsache, dass er offensichtlich verärgert ist, bleibt seine Stimme gedämpft. Das ist auch so typisch Liam, er würde eigentlich nie eine Szene in der Öffentlichkeit machen und falls doch, dann muss schon wirklich etwas passiert sein. Liams Blick ist fragend und zugleich tadelnd. Ich fühle mich irgendwie in die Ecke gedrängt, weshalb die Wut in meinem Inneren immer mehr steigt. Ich denke jeder kennt diese Situation. Wenn man eigentlich auf etwas ganz anderes wütend ist und jemand einem nur die falsche Frage stellen muss, damit man platzt…und leider bekommen es dann immer die falschen Personen ab.

"Was denn!? Ist doch so", maule ich also Liam an. "Ist das dein Ernst? Sag mal, was ist denn los mit dir? Du bist schon die ganze Zeit so komisch. Du provozierst Louis ständig und-" Ich schneide ihm das Wort ab. "Ich provoziere ihn? Bitte!? Du hast keine Ahnung! Du weißt überhaupt nichts! Also lass mich gefälligst in Ruhe und misch dich nicht ein!" Meine Stimme ist allmählich lauter geworden, doch trotzdem versuche auch ich leise zu bleibe. Es muss wirklich nicht jeder mitbekommen. 
Entgeistert sieht mich Liam mit offenem Mund an. Ich muss hart schlucken, denn mir ist sehr wohl bewusst, dass er für nichts hieran die Schuld trägt. Wie gesagt…die falsche Person bekommt es zu spüren. 

Ich drehe mich einfach um und verschwinde. "So eine scheiße", fluche ich. Ganz toll, jetzt habe ich Liam angemacht und dabei hat er doch überhaupt nichts damit zu tun. Nur, weil Louis es schafft mich mit jeder Kleinigkeit in den Wahnsinn zu treiben! Ich seufze. Ich muss mich wirklich besser im Griff haben…so bin ich nicht. Normalerweise, habe ich mich unter Kontrolle. Kontrollverlust schießt es mir durch den Kopf. Augenblicklich überkommt mich ein Schauer und mein gesamter Körper beginnt sich anzuspannen. 

"Harry?" Ich zucke leicht zusammen und drehe mich um. Niall steht im Türrahmen und beobachtet mich. "Alles gut?" - "Nein, nichts ist gut. Ich habe Liam angeschrien, obwohl er für alles gar nichts kann", ich seufze erneut und lasse die Schultern hängen. "Hey, ist schon okay. Rede einfach nachher mit ihm und dann wird das wieder. Ist ja nicht so, als ob ihr euch wahnsinnig gestritten hättet." Ich presse die Lippen aufeinander. "Trotzdem", nuschle ich. Der Ire klopft mir verstehend auf die Schulter.
"Wollen wir mal nach den Vorräten gucken", fragt er dann. Nickend stimme ich zu. 

Während wir nach hinten ins Lager gehen, sieht mich Niall von der Seite aus an. "Ach komm, lass dich jetzt nicht so hängen. Liam wird schon nicht sauer sein." - "Das hoffe ich doch." Mein bester Freund lacht leicht. "Mach dir keine Sorgen und lass dich nicht weiter von Louis provozieren", meint er dann. Genervt schnaube ich. "Ich versuchs ja, aber argh...er macht mich einfach wahnsinnig!" - "Versuch es einfach", entgegnet er und drückt mir dann ein Klemmbrett und einen Stift in die Hand. Niall öffnet die Tür zum Lager und wir versuchen eine Liste zu erstellen. 

Ein paar Minuten später sind wir so gut wie fertig. "Tja, das ging schnell." - "Ist nicht unbedingt etwas Gutes", entgegnet Niall. Ich beiße auf meiner Lippe herum und blick auf die Liste. "Naja, es ist nicht nichts." - "Ja, aber besonders viel ist es auch nicht, ich meine...ich betreibe nun mal kein Restaurant, sondern eine Bar. Hier gib es eben überwiegend etwas zu trinken und kein ganzes vier Gänge Menü!" Wütend tritt Niall gegen ein Regal und zischt kurz daraufhin auf. Schnell gehe ich auf ihn zu und frage, ob er sich weh getan hat. Einmal tief durchatmen, reibt er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Fuß. “Nein, schon gut.” Dieses Mal lege ich ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. 

"Wir schaffen das schon, keine Sorge und so schlecht, wie du es darstellst ist es auch nicht. Natürlich ist es kein Restaurant, aber wir werden nicht verhungern. Ich meine ein wenig zu Essen bietest du ja schon an und hast demzufolge einiges hier. Und wer weiß, vielleicht hat Louis aber auch Glück und es findet sich wirklich jemand", versuche ich ihn aufzumuntern. Niall zieht daraufhin nur eine Augenbraue in die Höhe. "Du glaubst auch nicht dran oder? Tja, war halt ne dämliche Idee", entgegne ich. Mein bester Freund zuckt nur mit den Schultern. "Wir müssen eine Lösung finden und darauf hoffen, dass wir hier so schnell, wie möglich rauskommen." Nialls Stimme klingt ganz anders, als noch eben vor den anderen. Verzweifelter. 

"Hey, alles wird gut", sage ich mit ruhiger Stimme. Daraufhin lächelt er nur verkrampft. Ich stupse ihn mit meiner Schulter an. "Ey, das mit dem verkrampften Lächeln ist mein Ding." Das entlockt ihm dann doch tatsächlich ein kleines Lachen. "Wir kriegen das hin ja?" - "Ja!" Ich schenke ihm ein aufmunterndes und optimistisches Lächeln. "Na gut, dann lass uns mal wieder zurückgehen", klatsche ich in die Hände und trete dabei ein paar Schritte zurück. Ausversehen stoße ich dabei gegen ein Regal, welches sich hinter mir befinde. Erschrocken zucke ich zusammen, als einige der Utensilien, welche sich darin beziehungsweise darauf befunden haben, mit lautem Krach auf dem Boden aufkommen. 

Genervt werfe ich den Kopf in den Nacken. "Tut mir leid Niall, ich räume das sofort wieder ein." Der Ire winkt nur ab und will mir zur Hand gehen, doch ich wimmle ihn ab. "Schon gut, das schaffe ich auch alleine. Geh du schonmal zu den anderen und ich packe alles wieder da hin, wo es hingehört", lächle ich. "Okay", erwidert er, schnappt sich die Liste und verschwindet. 

Ich knie mich auf den Boden und versuche mit meiner Hand nach einer Dose zu greifen, welche unter das Regal gerollt ist. "Komm schon", stöhne ich angestrengt. Natürlich ist sie bis ganz hinten an die Wand gerollt. "Warum müssen diese Dinge eigentlich immer an die ungünstigsten Stellen fallen? Genau, wie Haargummis, oder Socken die ständig einfach so verschwinden. Ich meine mal ernsthaft, gibt es dafür so ne Art schwarzes Loch oder was", beschwere ich mit gepresster Stimme. Während ich angestrengt und völlig konzentriert nach der Dose angle merke ich nicht, dass hinter mir eine Person den Raum betritt. "Kann ich dir behilflich sein?" 

1854 Wörter
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Hallo meine Lieben,

entschuldigt bitte die Verspätung. Ich war heute wahnsinnig beschäftigt und hoffe natürlich, dass ihr trotzdem Spaß daran habt. Ich freue mich auf eure Kommentare.

Wer von euch hat Nachrichten gesehen? Es sind vor kurzem tatsächlich Leute in England in einem Pub eingeschneit worden. Nicht das erste mal...die Idee zu dieser Story basiert nämlich auf genau so einem Fall, welcher vor ein paar Jahren, ebenfalls in England, stattgefunden hat.

Love SunflowerThistle ♡

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