10. Kapitel: Tag 1
"Kann ich dir behilflich sein?"
Ich zucke erschrocken zusammen und knalle mit meinem Arm, welcher noch unter dem Regal steckt, volle Kanne an dessen Unterseite. "Au", zische ich. "Oh entschuldige, das wollte ich nicht", höre ich die Stimme sagen. Langsam drehe ich mich um und blicke hoch in das Gesicht von Liam. Dieser lächelt mich nur entschuldigend an. "Schon in Ordnung. Ist ja nichts passiert", entgegne ich leise und fahre mir leicht über die schmerzende Stelle.
Ich fühle mich unbehaglich und klein. Am liebsten würde ich einfach wieder davon rennen. Mir sind meine Worte wirklich unangenehm. "Soll ich dir jetzt helfen", frag Liam mit sanfter Stimme. Ich schüttle nur den Kopf und erwidere ein kleines 'Passt schon'. Daraufhin wende ich mich erneut dem Regal zu und versuche die Dose zu greifen. Ach komm schon...ich meine jetzt hab ich schon lange Arme und komme nicht einmal an so eine blöde Büchse heran? Mit angestrengten Lauten probiere ich es weiter. Leider ohne Erfolg. Wie kann einen sowas bitte so lange aufhalten?
Ohne etwas zu sagen, kniet sich Liam neben mich und greift unter das Regal. Ich sehe nur, wie seine Hand an meiner vorbeigeht und er es tatsächlich schafft, an die Dose heranzukommen. Er zieht sie unter dem Regal hervor und reicht sie mir. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen bedanke ich mich. Es herrscht eine bedrückende Stille. Ich möchte mich bei ihm entschuldigen, aber ich weiß nicht so ganz, wie ich anfangen soll. Doch hier einfach nur herumzustehen und nichts zu sagen ist einfach nur unangenehm, also fange ich an die anderen, auf dem Boden liegenden Sachen einzusammeln und überlege krampfhaft, was ich sagen könnte.
Doch noch, bevor ich zu einem ordentlichen Entschluss komme, ergreift mein Mund, ohne Absprache mit meinem Gehirn, die Initiative. "Es tut mir leid", spreche ich einfach so aus. Meine Augen weiten sich ein Stück, da ich von mir selbst überrascht bin. Schluckend sehe ich in Liam’s Gesicht. Er schenkt mir ein aufrichtiges Lächeln und antwortet "Schon okay". Ich schüttle nur den Kopf und seufze einmal. "Nein, nein ist es nicht. Es...es tut mir wirklich leid. Ich meine, du hast nichts getan und ich motze dich an", erwidere ich kleinlaut. "Ich weiß wirklich nicht, was mit mir lost ist.” Erneut gelogen. “Meine Reaktion war dämlich und schon fast peinlich, genau wie das hier." - "Ist wirklich okay." Ich seufze einmal tief. “Ich war nur etwas verwundert, das ist alles." Liam zuckt mit den Schultern. "Wir sind beide etwas laut geworden. Es ist wirklich alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen", meint er und legt mir eine Hand auf die Schulter. In seinem Blick kann ich sehen, dass es sich für ihn wirklich erledigt hat und er keinen Groll hegt. Ich lächle zurück und knie mich wieder auf den Boden, Liam neben mir.
Wir sammeln stumm einige Dinge auf und hängen jeweils unseren Gedanken nach. Dann ergreift mein bester Freund das Wort. "Was ist das eigentlich mit dir und Louis?" Mir gefriert förmlich das Blut in den Adern und starre in ungläubig an. "W-Was", stottere ich.
Hat er irgendwas gemerkt? War ich vielleicht doch zu auffällig?
"Naja, ihr geht euch durchgehend gegenseitig an die Gurgel. Egal, was der andere sagt. Ist da irgendetwas, was ich nicht weiß oder...?" Mein ganzer Körper ist angespannt. "Ähm, nein ...nein, da ist nichts", versuche ich es. Liam zieht, nicht wirklich überzeugt, eine Augenbraue hoch und sieht mich prüfend an. "Bist du dir da sicher?" - "Ja. Es ist nur..." Mir fällt so schnell leider keine glaubwürdige Ausrede ein, also versuche ich, bei der Wahrheit zu bleiben. Naja, so gut wie es halt möglich ist. Sagt man nicht, dass man bei einer guten Lüge immer nah genug an der Wahrheit dran bleiben soll, damit es nicht auffällt?
"Ach er, er macht mich einfach wütend. Ich kann es nicht verhindern, auch wenn ich es versuche. Wirklich! Irgendwie ist alles, was er sagt, wie ein rotes Tuch für mich. Ich-Ich kann ihn einfach nicht leiden", spreche ich schlussendlich aus. Liam blinzelt ein paar Mal und sieht mich überrascht an. Unbewusst bin ich immer lauter geworden und räuspere mich kurzerhand. "Sorry." - "Aber warum", fragt der braunhaarige nach, doch ich zucke nur mit den Schultern und seufze ein wenig. "Ich kann es dir nicht sagen. Es ist einfach so ein Fall von 'man kann eine Person nicht leiden, obwohl man sie nicht kennt ", versuche ich zu erklären, oder vielmehr mich rauszureden.
"Es tut mir leid", hänge ich noch mit leiser Stimme hinten dran. "Warum das jetzt?" - "Er ist dein Freund und ausgerechnet mit ihm vertrage ich mich nicht. Ich weiß doch, dass du dich gefreut hast uns einander vorzustellen und dachtest wir würden uns alle super verstehen. Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen." Etwas bedrückt verziehe ich das Gesicht und richte meinen Blick nach unten.
Liam tritt einen Schritt näher und verbiegt sich so, dass er mir in die Augen sehen kann. Dadurch wird die Stimmung etwas aufgelockert und ich muss leicht lachen. Es sieht schon komisch aus, wie er sich verrenkt, nur um mir in die Augen sehen zu können. Liam kann es nämlich nicht besonders leiden, wenn ihm jemand während eines Gesprächs, nicht in die Augen sieht. Er meint immer, dass unsere Augen einem noch einmal eine andere Geschichte erzählen, als die Worte, die wir aussprechen. Sie sein ehrlicher. Das ist auch der Grund, warum ich ihm oft nicht in die Augen sehen kann. Ich habe Angst, dass er die vielen Lügen in ihnen erkennt.
"Schon gut. Also klar, es ist schade, dass diese Abneigung besteht und dies offensichtlich auf Gegenseitigkeit beruht, aber ändern kann ich das nicht", antwortet er ruhig. "Okay." - "Und wer weiß, vielleicht ist das Ganze hier eine Chance für euch beide einander kennenzulernen und ihr merkt am Ende, dass ihr doch ganz gut zusammen passt", entgegnet Liam optimistisch. Zusammen passen...ja, klar. Warum verstehe ich diese Worte auf einer ganz anderen Ebene? Achja, weil ich dies auch einmal gedacht habe und feststellen musste, dass ich falsch lag.
"Ja, vielleicht. Mal sehen", erwidere ich mit aufgesetztem und doch echt wirkendem Lächeln. Mein bester Freund scheint mir dies abzukaufen. Das heißt, es funktioniert noch und auch meine Augen verraten mich nicht. Das ist gut, sehr gut.
Wir räumen alles zurück ins Regal und zu zweit geht es doch deutlich schneller. Die Stimmung zwischen uns beiden ist wieder entspannt und aufgelockert. Gespräche können manchmal wirklich Wunder wirken. Wir reißen sogar ein paar Witze, wodurch sich meine Laune erneut hebt. "Wie siehts aus? Gehen wir zurück zu den anderen?" Ich nicke zustimmend, doch bevor er durch die Tür treten kann halte ich ihn mit einer Hand auf seiner Schulter auf. Liam sieht mich fragen an. "Aber-Aber zwischen uns ist wieder alles okay", frage ich dann doch vorsichtig nach.
Auch, wenn die Stimmung locker war, will ich lieber noch einmal sicher gehen. Auf Liams Gesicht erscheint ein breites Lächeln. "Natürlich." Seine Stimme ist fest und lässt keine Zweifel an seiner Ehrlichkeit. Er zieht mich in eine feste Umarmung, welche ich sofort erwidere. Nun habe auch ich ein breites Lächeln auf dem Gesicht und anschließend gehen wir zurück zu den anderen.
Wir kommen tatsächlich fast zeitgleich mit Louis zurück an den Tisch. Niall wirft mir einen fragenden Blick zu und nickt leicht in Liams Richtung. Ich schmunzle und nicke dann glücklich. Das Grinsen im Gesicht des Iren wird breiter und er wirft mir einen Blick zu, der soviel, wie 'Siehst du....alles halb so wild' bedeutet. Daraufhin verdrehe ich nur lächelnd die Augen und drehe mich den Anderen noch ein Stück mehr zu. "Und, wie sieht’s aus", fragt Zayn neugierig. Niall legt die Liste auf den Tisch, welche Zayn sich sofort schnappt. "Die Aussichten sind nicht allzu rosig, aber naja...besser, als nichts", sagt mein bester Freund. “Vielleicht hatte Louis ja mehr Glück." Der Ire richtet sich hoffnungsvoll an Louis, doch sein Gesicht verspricht keine guten Nachrichten. Er senkt den Kopf und beginnt vorsichtig zu sprechen.
"Naja, also..." Ich möchte schon dazwischen gehen und ihm unter die Nase reiben, dass ich recht hatte, da hebt er plötzlich den Kopf und auf seinem Gesicht erscheint ein triumphierendes Lächeln. "Ich habe tatsächlich jemanden gefunden." - "Was? Ehrlich", frag Niall freudestrahlend. "Ja, es ist kein ganzer Wocheneinkauf, aber eine junge Frau war tatsächlich kurz vorher noch ein paar Besorgungen erledigen und hat auf dem Weg zurück nach Hause eine Freundin getroffen, die sie auf einen Drink hierher eingeladen hat. Sie hat den ganzen Einkauf mitgenommen", berichtet er. Von Niall kommt ein quietschendes Geräusch der Freude. "Das ist super.", entgegnet nun auch Liam begeistert und Zayn kann diesem nur zustimmen. Der einzige, der nichts dazu sagt, bin ich.
Irgendwie komme ich mir dämlich vor, ihn vorhin noch so angemacht zu haben, wenn seine Idee doch tatsächlich funktioniert hat. Tja, jetzt bin ich wohl der Idiot. "Wow! Also ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich nicht daran glaubt habe", entgegnet Niall ehrlich, "Aber es war wirklich eine gute Idee." Louis bedankt sich und sieht dann mit einem triumphierendem Blick zu mir. Ich verdrehe nur die Augen und sehe weg. Schon gut, ja du hast mal etwas richtig gemacht. Wow, herzlichen Glückwunsch.
Schon wieder würde ich am liebsten eine schnippische Bemerkung fallen lassen und ihm dieses selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht hauen, aber ich kann mich gerade noch so davon abhalten, da ich Liams Blick auf mir spüre. Ich vernehme ein leises Seufzen seinerseits. Natürlich sind auch ihm Louis Blicke nicht entgangen und erneut fühle ich mich Liam gegenüber schlecht. Obwohl ich innerlich schreie, schlucke ich es hinunter und setzte ein Lächeln auf. "Danke für die Mühe", ringe ich mir ab und bemühe mich dabei, nicht allzu fake zu wirken. Mein Gegenüber kneift daraufhin aber nur die Augen zusammen und zieht anschließend, irritiert von meinen Worten, die Augebrauen hoch.
Auch wenn mir diese Worte nicht leicht gefallen sind, da sie indirekt auch den Irrglauben meinerseits implizieren, waren sie es Wert. Denn ich spüre eine warme Hand auf meinem Rücken, welche mich meinen Blick zu Liam wandern lässt und sehe in ein lächelndes Gesicht. Seine Augen strahlen Dankbarkeit aus und ohne, dass er etwas sagen muss, verstehe ich ihn. Und vielleicht hat Liam recht und Augen sagen einem manchmal mehr, als es Worte könnten.
1704 Wörter
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Hallo meine Lieben,
ich wünsche euch einen wunderschönen Sonntag und hoffe ihr konntet das Kapitel genießen.
Da hat Louis doch eine gute Idee gehabt, oder? Ob Harry sich lange zusammenreißen kann?
Wie würdet ihr mit der gesamten Situation umgehen?
Freue mich auf eure Gedanken.
Love SunflowerThistle ♡
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