1. Kapitel: Tag 1
Pov Harry
Ich kneife meine Augen zusammen und hetze regelrecht durch die dunklen Straßen. Es schneit jetzt schon den ganzen Tag und wenn ich so in den Himmel sehe, macht es nicht den Anschein, als würde es demnächst aufhören. Eher im Gegenteil, es scheint immer mehr zu werden.
Die feinen Flocken verfangen sich in meinen Wimpern und ich muss ein paar mal blinzeln, um sie loszuwerden. Das Wetter hat in den letzten Tagen ganz schön angezogen und die Temperaturen sind rapide gesunken, also schließe ich meine Jacke ein Stück mehr, ziehe meine Schultern hoch und gehe einen Schritt schneller. Ich will so schnell wie möglich ins Warme.
Ich bin kein allzu großer Fan von Kälte und dem Winter. Es ist die Zeit, in der alle sich lieb haben, näher zusammenrücken und auf Kuschelkurs gehen. Nur ist das irgendwie deprimierend, wenn man alleine ist...so wie ich. Also habe ich mich dazu entschlossen, diese Zeit nicht zu mögen und überhaupt...wer verbringt denn lieber seine Zeit in der Kälte, als irgendwo im Warmen? Am Strand, mit schönem weichem Sand unter den Füßen und dem Wellenrauschen neben sich.
Ach, wie gerne ich jetzt irgendwo in der Sonne liegen würde. Aber nein...stattdessen bin hier und meine Hände sind mittlerweile zu Eisklötzen geworden, weshalb ich sie nur noch tiefer in den Taschen meines Mantels vergrabe. Niall hat mich und Liam mal mit in den Skiurlaub seiner Familie genommen. Gut, zugegeben, es hat tatsächlich Spaß gemacht, aber damals waren wir auch noch jünger und wer hat denn bitte keinen Freude an einer Schneeballschlacht?
Niall hatte vielleicht nicht zu einhundert Prozent Spaß, da Liam und ich uns irgendwann gegen ihn verbündet haben. Ich muss etwas lachen bei dem Gedanken an Nialls' Gesicht, als er bemerkt hatte, dass es aussichtslos für ihn war. Er hatte wie ein kleines Kind geschrien, als Liam ihn festhielt und ich eine fette Portion Schnee in sein Gesicht klatschte. Tja, ich schätze damals mochte ich den Winter noch. Damals war auch noch alles anders, das Leben war teils sorgloser. Wobei es das für mich nie so richtig war.
Ich schüttle den Kopf, um bestimmte Gedanken, die in mir aufkommen, aus meinem Kopf zu streichen und lege lieber noch einen Zahn zu, um nicht noch später zu meiner Verabredung zu kommen. Bevor ich in den kleinen Pub eintrete, stampfe ich ein paar Mal auf den Boden, um den Schnee von meinen Stiefeln zu bekommen. Als ich die Tür mit dem grünen Holzrahmen und den Glasfenstern öffne, klingelt das kleine Glöckchen darüber, um anzukündigen, dass jemand hereinkommt.
Sofort durchflutet mich die Wärme im Inneren und beschert mir eine Gänsehaut. Im Pub riecht es nach Alkohol und Chips. Die Luft ist ein wenig stickig und doch fühlt man sich hier wohl. Mit einer Hand fahre ich mir durch die kurzen Locken und sehe mich ein wenig um. Es ist nicht allzu voll, was bei dem Wetter wirklich nicht verwunderlich ist.
Auf meinem Weg zur Theke zieht ein Mann im Vorbeigehen seine Aufmerksamkeit auf mich...oder vielmehr ein bestimmter Teil seines Körpers. Er steht mit dem Rücken zu mir gewandt, lehnt sich leicht gegen den Tisch nach vorne und ist gerade dabei, sich mit dem anderen Mann an seinem Tisch zu unterhalten. Ich lasse meinen Blick unauffällig an ihm heruntergleiten und oh man...sein Arsch sieht fantastisch aus!
Ich sehe eventuell einen Augenblick zu lange dort hin, bevor ich mich dazu zwinge, wieder nach oben zu schauen. Tja...old habits die hard.
Mit einem Lächeln auf den Lippen erkenne ich bereits den Hinterkopf meines Freundes. Am Tresen angekommen klopfe ich zweimal auf das Holz, um mich anzukündigen. "Hey." Sofort dreht sich der Ire um, und grinst mich freudestrahlend an. "Harry, hey. Na endlich! Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr." Niall legt das Wischtuch aus der Hand und stellt das Glas, welches er eben noch abgetrocknet hat, ab. Lachend schlägt er mir zur Begrüßung, über die Theke hinweg, an die Schulter.
"Natürlich bin ich hier, was dachtest du denn? Ich lasse mir den heutigen Abend doch nicht entgehen", meine ich und nehme mir den Schal und den Mantel ab, welche ich über einen Stuhl hänge, auf dem ich mich kurzerhand niederlasse. "Und schon aufgeregt? Soll ich schon mal die Tür aufhalten", frage ich spaßeshalber und grinse frech dabei. Niall verdreht leicht die Augen, obwohl er schon mit dieser Frage gerechnet hat. "Nein Harry, ich bin nicht aufgeregt, da kannst du mich noch so oft fragen, wie du willst. Ich bin keine 15 Jahre mehr!" Ich hebe die Hände und gucke ihn nur unschuldig an, "Schon gut, ich werde dich nie wieder fragen." Dabei lächle ich nur scheinheilig, während Niall bloß lachend den Kopf schüttelt.
"Wir wissen beide, dass du es niemals lassen wirst." - "Wahrscheinlich eher nicht", entgegne ich bloß schmunzelnd. Niall seufzt daraufhin einmal tief. "Dieser Auftritt wird mir wohl immer nachhängen, oder?" Mit einem Nicken bestätige ich seine Frage. "Aber Harry, ich war 15", beschwert er sich und macht dabei einen zerknautschten Gesichtsausdruck. Wie ein süßes, sehr ungefährliches Hundebaby!
"Ja und du bist wie ein sechsjähriges Kind schreiend von der Bühne gerannt", lache ich. "Mein schwaches Gemüt hat die Aufmerksamkeit meiner ganzen Fans damals noch nicht so gut verkraftet", verteidigt er sich gestenreich und schlägt sich dramatisch mit der Hand auf die Brust.
Sein Gesichtsausdruck ist einfach zu köstlich, woraufhin ich nicht mehr an mich halten kann und drauflos pruste. Niall steigt sofort mit ein und wir brauchen tatsächlich einen Augenblick, um uns wieder zu beruhigen. "Okay...okay, aber jetzt mal ehrlich. Ich freue mich wirklich auf nachher." Ein dankbares, ehrliches Lächeln tritt meinem besten Freund auf sein Gesicht. Kurzerhand bestelle ich mir etwas zu trinken, während Niall mir erzählt, dass der Pub in der letzten Zeit besser läuft, als jemals zuvor. Es freut mich wirklich unglaublich das zu hören. Natürlich ist mir aufgefallen, dass er in letzter Zeit weniger zu Hause war und viel gearbeitet hat...aber es scheint sich ja alles auszuwählen. Auch wenn er jetzt gerade nicht voll ist, was wie bereits gesagt eher an dem tollen Wetter liegt.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie niedergeschlagen er am Anfang war, als alles noch nicht so blendend lief. Niall wollte damals schon aufgeben, aber Li und ich haben ihn glücklicherweise davon abbringen können. Wir wussten genau, dass das hier schon immer sein Traum war. Mit diesem Pub hat er sich sogar gleich zwei Träume auf einmal erfüllen könne. Erstens, einen eigenen und erfolgreichen Pub eröffnen und zweitens das Singen. Eine kleine Bühne bietet verschiedenen Leuten die Möglichkeit aufzutreten und die Gäste mit live Musik zu unterhalten. Auch er selbst singt des Öfteren hier. Heute will er sogar seinen ersten eigenen Song präsentieren.
Ich bin so stolz auf ihn! Seine Stimme ist wirklich der Wahnsinn und ich weiß, wie viel Arbeit er in seine Lieder steckt. Ich habe es seitdem wir klein sind regelmäßig mitbekommen, wie er an Songtexten oder Melodien verzweifelt ist. Es wirklich jedes Mal aufs Neue beeindruckend, was er aus diesem alten Gemäuer gemacht hat. Wenn ich mich daran zurückerinnere, wie es hier ganz am Anfang aussah...oh Gott. Das war schon wirklich grausig! Es musste so einiges neu gemacht werden, weshalb es auch vergleichsweise günstig war.
Diesen Pub zu renovieren, hat wirklich viel Mühe gekostet, aber Niall war nicht alleine. Seine Eltern, sein Bruder und natürlich Li und ich haben ihm dabei geholfen. Zusammen haben wir viele Wochen geschuftet.
So richtig produktiv waren wir leider wirklich nur an den Wochenenden, da wir alle während der Woche Uni hatten oder arbeiten mussten. Aber sobald wir frei hatten, haben wir uns Nialls Traum gewidmet.
Es war wirklich wahnsinnig anstrengend und hatte uns das ein oder andere Mal den letzten Nerv geraubt, aber seine strahlenden Augen bei der Eröffnung haben uns all das vergessen lassen.
Als ich gerade meinen ersten Schluck nehme, sieht mich Niall an und lehnt sich dann über den Tresen. "Psst, Harry...", beginnt er zu flüstern. Ich runzle die Stirn und beuge mich ihm entgegen. "Ja", flüstere ich ebenso leise, dennoch mit leicht amüsierten Unterton. "Was hältst du von dem Typen da hinten?" Er nickt mit dem Kopf in eine Richtung hinter mir. Etwas verwirrt über diese plötzliche Frage drehe ich mich um. Ich muss leicht schmunzeln, als mein Blick auf den Mann fällt, welchen ich beim Hereinkommen schon bemerkt habe. Mit einem Grinsen auf den Lippen drehe ich mich zurück zu Niall.
"Er ist mir, um ehrlich zu sein, beim Reinkommen aufgefallen", entgegne ich. Daraufhin sieht mein Gegenüber mich nur erstaunt an. "Was", frage ich verwirrt. "Naja...ich hätte nicht gedacht, das er dir auffällt." - "Was wieso das denn?" Niall räuspert sich leicht. "Ähm, nun ja weil...also-." Er muss gar nicht weitersprechen. Ich verdrehe bloß die Augen und unterbreche ihn direkt. "Oh Gott, Niall. Bloß weil ich jetzt seit einer Weile Singel bin, heißt das doch nicht, das ich komplett blind bin." Verteidigend hebt er seine Hände in die Luft und lacht.
"Okay, okay, schon gut." Es entsteht eine kleine Pause, bevor er weiter redet. "Aber Harry, 'eine Weile' würde ich das jetzt nicht nennen. Und du weißt auch, dass das nicht alles ist." Ich stöhne genervt und verdrehe erneut die Augen. "Urgh, Niall lass gut sein!" - "Nein, ich meine es ernst-" - "Ja, ich auch", unterbreche ich ihn. "Harry",tadelt er mich mit einem durchdringend Blick. "Was?!" Niall sieht mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir und legt seinen Kopf schief.
Oh, ich weiß ganz genau, was er meint! Ich kenne diesen Blick, aber ich will nicht darüber sprechen.
Als er die Stille Bitte in meinen Augen sieht, wird sein Gesicht weicher. Niall seufzt einmal, bevor er weiter redet. "Harry....ich weiß, du willst nicht darüber reden und das verstehe ich...wirklich! Aber wie lange ist das jetzt her? Drei, nein eher vier Jahre? Und seitdem hattest du keine Beziehung mehr. Du bist jetzt 27! Hast du überhaupt mal wieder irgendwas mit jemandem gehabt?" Solche direkten Fragen sind mir mittlerweile nicht mehr unangenehm...ich bin es gewohnt. Allerdings ist ihm das Schweigen meinerseits genug.
"Ich mache mir doch nur Sorgen um dich. Ich will, dass du glücklich bist", sagt er sanft. Erneut sehe ihm in die Augen. "Ich weiß, aber mir geht es gut. Ich komme schon klar und nur, weil ich seit ih- seit dem keine Beziehung mehr hatte, heißt das nicht, dass ich unglücklich bin." In Niall's Blick kann ich sehen, dass er davon nicht ganz überzeugt ist. Also zwinge ich mich zu einem echt wirkenden Lächeln, welches ich über die letzten Jahre beinahe perfektioniert habe. Ich beherrsche es mittlerweile teils so gut, dass ich es selbst meinem Spiegelbild abkaufe. "Wirklich! Außerdem hat die Tatsache, dass ich Singel bin, überhaupt nichts mit ihm zu tun", versuche ich dem Iren zu überzeugen. "Ist klar", entgegnet dieser daraufhin nur.
Ich atme einmal laut aus. Natürlich ist es eine Lüge und dazu noch eine schlechte. Das kann ich besser! "Glaub mir. Es ist alles gut! Mir geht es gut", wie oft ich diese Lüge jetzt schon erzählt habe... "Ich hatte in den letzten Jahren nur keine Beziehung, weil ich nie jemanden gefunden habe, an dem ich langfristig Interesse hatte. Ich fand einfach niemanden besonders attraktiv", antworte ich mit fester Stimme, sodass an dieser Aussage keine Zweifel entstehen könnten. "Okay", gibt sich Niall letztendlich geschlagen und lächelt leicht. Ob er es mir nun wirklich glaubt oder nicht, er lässt es zu meinem Glück gut sein.
"Aber du hast eben gesagt, dass der Kerl mit dem geilen Arsch attraktiv ist, also..." Das o zieht er dabei besonders in die Länge. Ich beginne leicht zu lachen und schüttle bloß den Kopf. Er denkt ein Schlupfloch gefunden zu haben und wird vermutlich nicht aufgeben, bis ich hier heute Abend mit diesem Mann den Pub verlasse. Außerdem weiß ich, dass er es nur gut meint. Zudem steigt jedes Mal das Gefühl der Schuld in mir auf, wenn ich daran denke, durch was die Beiden wegen mir durch mussten.
Innerlich seufze ich. Eigentlich wollte ich nur einen entspannten Abend haben und mich dann auf das bevorstehende Wochenende freuen. Es war nie auch nur ansatzweise der Plan, hier heute nicht alleine nach Hause zu gehen. Aber auf der anderen Seite hat Niall recht. Der Typ ist wirklich attraktiv, also zumindest das, was ich bis jetzt von ihm gesehen habe. Und sein Hintern ist wirklich zu beneiden. Kurz denke ich darüber nach, wie lange es her ist, dass ich mit jemandem im Bett gelandet bin. Ich muss ernsthaft überlegen...okay, es ist sehr lange her! Allgemein ist es in den letzten vier Jahren nicht sehr oft passiert und über den Grund dafür möchte ich eigentlich so wenig wie möglich nachdenken.
Tja, da das aber an diesem Abend leider schon viel zu oft passiert ist, kann ich bei dem anderen Thema doch auch eine Ausnahme machen, oder nicht?
Ich drehe mich noch einmal um und betrachte den Mann. Scheiße, sein Hintern sieht wirklich gut aus und seine durchtrainierten Beine sind auch nicht schlecht. Also wenn seine Vorderseite jetzt auch noch so gut aussieht, dann wäre es möglich, mich mit dem Gedanken anzufreunden, meine lange Durststrecke wirklich zu beenden.
Ich drehe mich wieder zu Niall um, welcher schon zu Beginn des Gesprächs hinter dem Tresen hervorgekommen ist und nun neben mir sitzt. Er sieht mich wissend und mit einem leichten Grinsen auf den Lippen an. Sein Blick sagt mehr, als tausend Worte es könnten und trotzdem fängt er an zu reden. "Du denkst darüber nach, nicht wahr?" Seine Augenbrauen wackeln bei diesen Worten anzüglich. Lachend schüttle ich den Kopf. "Ja, Niall, ich denke darüber nach." Meinem Gegenüber entfährt ein leises Quieken, woraufhin ich mir nur die Hand an die Stirn schlage. "Ach komm schon, das ist ein großes Ereignis", meint er und lächelt breit. "Mein Baby hat heute Abend Sex", ruft er freudig aus.
Irgendwie ist es ja schon süß, wie viele Gedanken er sich macht...auch, wenn es manchmal etwas gruselig ist, wie sehr er sich in manche Themen eingeht.
"Naja, vielleicht. Es kommt darauf an, ob er überhaupt auf Männer steht und ob er mich attraktiv findet. Sonst läuft da heute Abend gar nichts", entgegne ich ihm im Flüsterton. "Ach Harry, natürlich wird er dich attraktiv finden. Du bist heiß und wenn er nicht schwul, bi oder pan ist, dann wird er es sein, wenn er dich sieht", sagt Niall überzeugt. "Du weißt schon, dass mich diese Aussage ziemlich sexualisiert?" Er verdreht nur die Augen und stöhnt genervt. "Mein Gott Harold, zieh mal den Stock aus deinem Arsch und steh dazu, dass du heiß bist! Außerdem darf ich das, als dein bester Freund sagen." Ich seufze nur und muss grinsen. "Ja, das darfst du....apropos bester Freund, wo ist eigentlich Liam?"
Niall sieht sich um und blickt dann auf die Uhr. "Hmmm, das ist eine gute Frage. Keine Ahnung." Ich runzle ungläubig die Stirn. "Ach ich bekomme Ärger, wenn ich zehn Minuten zu spät bin, aber er bekommt nur ein 'Hmmm' und ein Schulterzucken, bei einer halben Stunde", frage ich gespielt eingeschnappt. "Keine Sorge, der bekommt schon noch was von mir zu hören, darauf kannst du dich verlassen", ein freches Grinsen zeichnet sich auf seinem Gesicht ab und ich kann nicht anders, als mich anstecken zu lassen.
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Das wäre dann auch schon das erste Kapitel. Hoffe es hat euch gefallen :)
Ps.:Das Titelbild ist nur so eine Idee (ein Platzhalter), wenn jemand eine bessere Idee hat, kann er sie mir gerne mitteilen haha
Love SunflowerThistle ♡
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