»WIR SIND IHM ZU TREUE UND GEHORSAM VERPFLICHTET«

ALS WIR ENDLICH in der Villa ankamen und unsere Geisel im Schlepptau hatten, war es Elijah, der uns als Erster entgegenkam.

»Ich wusste nicht, dass du Gäste mitbringst, Niklaus. Dann hätte ich etwas vom Abendessen aufgehoben«, scherzte dieser.

»Das war ihre Idee«, grummelte Klaus zur Antwort, während er den temporär-toten Vampir unsanft auf den noblen Boden der Villa fallen ließ. »Wenn es nach mir gegangen wäre, dann wären alle Vampire in dem Gebäude, einschließlich diesem hier, tot.«

»Daran habe ich keinerlei Zweifel, mein Bruder.« Elijah zwinkerte mir heimlich zu.

»So ist das also! Aus diesem Grund hast du Maria verraten, wo ich bin. Damit sie mich in Schach halten kann«, wetterte Klaus, während er gegen unsere Geisel trat.

»Weißt du, Niklaus. Wenn es darum geht, dich vor deinen eigenen Fehlern zu bewahren, war ich doch schon immer der beste Ansprechpartner. Wie ich sehe, tat ich ganz recht daran, dir Maria an die Seite zu stellen«, antwortete Elijah schmunzelnd.

Ich frage mich nur, wie sich Elijah so sicher sein konnte, dass ich in der Lage war, die drohende Klausokalypse verhindern konnte.

»Ist doch jetzt egal, wer wem, was verraten hat. Wichtig ist, dass wir unbemerkt einen Gefangenen nehmen konnten. Und dieser wird gerade wach. Also können wir bald mit der Befragung beginnen«, unterbrach ich schnell diese nervige Diskussion.

Denn ich wollte so schnell wie möglich erfahren, mit wem wir es hier zu tun hatten und wer die Hexen sind, von denen der Anführer sprach. Möglicherweise waren diese unsere Endgegner und die sollten wir so lange wie möglich von hier fernhalten.

»Soll ich so nett sein und ihn in dieselbe Zelle sperren, wie seinen ausgetrockneten Freund?«, fragte Klaus und grinste sein fiesestes Grinsen.

Anscheinend genügte mein Not-Amused-Gesicht, um ihn davon zu überzeugen, den noch lebenden Vampir eine Zelle weiter zu sperren. Alles andere wäre wirklich sehr grausam.

»Wenn wir auch in Zukunft zusammenarbeiten wollen, musst du lernen, auch mal gemein zu sein, Liebes«, sagte Klaus auf dem Weg in den Keller. »Nur so bekommen deine Feinde genug Respekt vor dir. Mit deinem Kuschelkurs wirst du nicht immer Erfolg haben.«

Kuschelkurs? Was denkt der sich eigentlich? »Also war ich heute nicht gemein genug zu dir, Klaus?«, antwortete ich frech.

Klaus grinste nur in sich hinein und schleppte unsere Geisel in eine Zelle. Dann wurde der Vampir mit der Kartoffelnase endlich wach.

»Hallo, mein Freund«, begrüßte ihn Klaus aufgesetzt freundlich. »Mit wem haben wir denn das Vergnügen?«

Der Vampir schaute sich ängstlich um. »Was? Wo, wo bin ich? Wer seid ihr?«

»Oh, das ist äußerst beleidigend für mich, dass du mich nicht kennst. Ist es doch euer erklärtes Ziel, mir und meiner Familie das Leben schwer zu machen«, antwortete Klaus und hob mit dem Zeigefinger das Gesicht des Vampirs an, um ihm grimmig in die Augen zu schauen.

Nun zog blankes Entsetzen in das Gesicht des Fremden.

»Verdammt! Klaus Mikaelson. Der Hybrid. Wieso bin ich hier?«

»Du stellst zu viele Fragen. Wir haben dich hergebracht, damit du Antworten gibst. Also, halt die Klappe und lass uns die Fragen stellen. Wer bist du?«, fragte Klaus und stieß den Kerl unsanft gegen die Wand.

»Flo- Florian. Ich heiße Florian.« Unsere Geisel stotterte nun seine halbe Lebensgeschichte vor sich hin.

Er erzählte uns zum Beispiel, dass er um 1700 hier in der Gegend geboren wurde.

»Als ich etwa achtzehn Jahre alt war, wurde ich des Diebstahls bezichtigt und musste mein Zuhause verlassen. Walther war es, der mich nach ein paar Monaten aufgabelte und mich in einen Vampir verwandelte. Seitdem gehöre ich zu seiner Bruderschaft.«

»Walther?«, fragte ich noch einmal nach. »Wer ist Walther?«

Florian schaute ganz schuldbewusst. Vermutlich hatte er bereits zu viel gesagt. Aber ihm blieb nichts anderes übrig, als weiter zu reden. Die Angst vor Klaus' bösem Blick war anscheinend zu groß.

»Walther ist unser verehrter Anführer. Er ist der Älteste von uns. Er hat uns alle verwandelt und aus unserem verlorenen Dasein befreit. Durch ihn haben wir einen Sinn im Leben zurückgewonnen. Wir sind ihm zu Treue und Gehorsam verpflichtet.«

»Jetzt nicht mehr«, sagte Klaus. »Erzähl uns alles über diesen Walther.«

»Er wird mich dafür bestrafen!« Florian wurde panisch.

»Nun, dann kannst du dir aussuchen, von wem du lieber bestraft werden möchtest. Von Walther oder von mir.« Klaus ließ seine goldgelben Werwolfsaugen aufblitzen. Das schien Eindruck bei Florian zu schinden. Er fing an, alles zu erzählen, was er wusste. Oder vorgab zu wissen.

Wir erfuhren, dass Walther Anfang des 16. Jahrhunderts in Norddeutschland geboren wurde. In den 1650er-Jahren – lange, nachdem er ein Vampir geworden war – war er mitverantwortlich für den Anti-Werwolfsfluch, den die Mikaelsons jetzt brechen wollen. Walther soll seitdem gute Kontakte zu einigen Harzer Hexen haben.

»Er traf Edith vor etwa fünfzig Jahren. Sie ist eine direkte Nachfahrin der Hexe, die den Fluch, der die Wölfe an ihrer Verwandlung hindert, gesprochen hat. Edith und er wollen verhindern, dass dieser Fluch gebrochen wird. Mit allen Mitteln.«

Den letzten Satz sagte Florian mit heftigem Kopfnicken, so als wolle er die Entschlossenheit Walthers noch zusätzlich unterstreichen.

»Edith hat die Träger des Werwolfgens ausfindig gemacht, manipuliert und mithilfe eines Tarnzaubers weggesperrt«, ergänzte er.

»Und woher wusstet ihr so zeitig über unsere Pläne Bescheid, Florian?«, fragte nun auch Elijah nach, der außerhalb der Zelle stand.

»Ich habe euch gesagt, Walther tut seit Jahrhunderten alles dafür, diesen Fluch aufrechtzuerhalten. Sobald er von dieser Hybridenkreatur erfahren hatte, hat er Spione nach Amerika entsandt. Er hat euch seit Langem unter Beobachtung und wusste, dass ihr hierher kommen würdet, um euch eine eigene Werwolfarmee aufzubauen.« Florian schien langsam selbstbewusster zu werden, je öfter er über Walthers vermeintliche Überlegenheit sprach.

Klaus stieß ihn jedoch unsanft in eine Ecke der Kellerzelle und ging schweren Schrittes heraus. Elijah und ich folgten ihm.

»Na, guck mal einer an, was wir jetzt alles wissen«, sagte ich triumphierend zu Klaus.

Dieser schloss stumm den Gefangenen ein.

»Und ich habe noch eine wichtige Information zur Ergänzung«, setzte ich meinen Triumph fort. »Ich weiß, wer Edith ist und wo sie wohnt.« Ich nickte fast so energisch wie Florian.

Elijah und Klaus schauten mich mit großen, erwartungsvollen Augen an.

»Edith ist die Großtante von Linda«, fuhr ich stolz fort.

»Der Hexenbuch-Linda?«, fragte Klaus.

»Genau die!«

»Also haben wir jetzt eine heiße Spur zu unseren Widersachern und auch zu unseren Werwölfen«, fasste Elijah zusammen.

»Ich habe aber auch noch eine beunruhigende Nachricht.« Leider musste ich die Stimmung sofort wieder trüben. »Ist euch irgendwas darüber bekannt, dass Hexen ihre Opfer durch die Augen von Tieren beobachten können?«

»Durchaus«, antwortete Elijah zu meiner Enttäuschung.

Bis zu diesem Augenblick hatte ich gehofft, mir die Sache mit den Tauben doch nur einzubilden.

»Unsere selige Mutter pflegte es einst, uns durch die Augen zahlloser Stare auszuspionieren. Auf diese Weise hat sie vor ein paar Jahren unsere Schwester Rebekah und Klaus' Tochter Hope ausfindig machen können.«

»Dann sollten wir ab sofort wirklich jeden Schritt dreifach überdenken, den wir tun. Ediths Ehemann züchtet Brieftauben und es mag paranoid klingen, aber seit einiger Zeit habe ich das dämliche Gefühl, von Tauben beobachtet und verfolgt zu werden. Seit dem Tag, an dem wir bei Lindas Großmutter und den Hexenbüchern waren«, erzählte ich.

»Das ist denkbar.« Elijah kam ins Grübeln. »Dann ist es möglich, dass dieser Walther sogar noch mehr weiß, als er seinen Schergen sagt. Du hast recht, Maria. Wir sollten äußerst vorsichtig sein. Ich werde Freya über deinen Verdacht informieren.« Elijah düste aus dem Keller nach oben.

Klaus und ich blieben zurück und füllten die Luft mit peinlichem Schweigen.

Plötzlich und unerwartet geschahen Zeichen und Wunder, als mein werter Herr Erschaffer dann tatsächlich so etwas wie ein Dankeschön herausbrachte.

»Vielleicht ist es doch keine so schlechte Idee, dich bei meinen Missionen dabei zu haben«, sagte er fast schon schüchtern grinsend.

»Tja, hätte ich dich nicht von deiner Mordmission abgehalten, dann wären wir jetzt so dumm, wie vorher und deine meisterhafte Detektivarbeit wäre umsonst gewesen«, sagte ich mit einem Augenzwinkern.

»Das ist vermutlich richtig. Wenn ich sie alle getötet hätte, hätten wir immer noch diese Edith am Hals, ohne etwas davon zu ahnen«, gab Klaus zu.

»Also hat mein Generve doch etwas Gutes gehabt. Besser du gewöhnst dich also an meinen Dickkopf. Das wird sich nie ändern. Ich bin Sternzeichen Stier.«

Dann gingen wir langsam aus dem Keller nach oben.

»Es ist dennoch nicht selbstverständlich, was du tust«, sagte Klaus plötzlich.

»Du meinst, dass ich euch nach wie vor helfe? Das ist vermutlich das Dümmste, was ich jemals getan habe, ja. Aber es geht dabei nicht nur um mich, sondern um meine Heimat. Eichenstedt und die Menschen hier sind durch Walther und seine Bande in Gefahr ...«

»Meinetwegen und wegen meiner Familie«, unterbrach mich Klaus.

»Aber es sind Walther und Edith, die euch den Krieg erklärt haben und dabei auch nicht davor zurückschrecken, unschuldige Menschen zu verletzen. Meiner Meinung nach sind diese Vampire die Feinde«, stellte ich klar. »Sie sind es, gegen die ich kämpfen muss, um das zu beschützen, was mir lieb und teuer ist. Und wenn Edith mich wirklich seit einiger Zeit beobachtet, dann weiß sie, dass ich mit den Mikaelsons befreundet bin. Was mich vermutlich ganz oben auf ihrer Abschussliste auftauchen lässt. Von wegen Schwachpunkte und so, nicht wahr? Die Feinde meiner Freunde sind auch meine Feinde.«

Nach einem anfänglichen Schmunzeln verfinsterte sich Klaus' Miene allerdings schnell wieder. »Ich fürchte, du bist nicht die Einzige, die unter Beobachtung steht. Am Freitag kommen meine Schwester Rebekah, Hayley und meine Tochter Hope in die Stadt. Was auch passiert, wir müssen sie beschützen«, erzählte Klaus und er sah wirklich besorgt aus.

Ich nickte. »Selbstverständlich. Aber wäre es nicht besser, sie nicht hierher zu holen? Hope ist noch ein kleines Kind, denke ich.«

Doch Klaus schmunzelte nun wieder ein wenig. »Unterschätze meine kleinste Wölfin nicht. Sie geht ganz nach ihren Eltern und Hayley kämpft wie ein ganzes Wolfsrudel. Und was Rebekah angeht, sie ist eine Mikaelson. Hope ist hier am sichersten. Hier bei ihrer Familie. Außerdem brauchen wir ihr Blut vielleicht noch, wenn es uns gelungen ist, den Fluch zu brechen«, sagte Klaus mit einem frechen Grienen.

»Ach ja? Wofür denn?«, fragte ich verdutzt. »Sag bitte nicht, dass du die ganzen Wölfe in Hybriden verwandeln willst!«

»Warum zur Hölle werfen mir das immer alle vor?«, lachte Klaus und schaute unschuldig aus der Wäsche. »Aber wer weiß? Vielleicht will ich ja tatsächlich eine Hybridin erschaffen. Für heute wünsche ich aber erst mal eine vampir-, hexen- und taubenfreie restliche Nacht, Liebes«, sagte er und verschwand die Treppe herauf.

Ich stand noch eine Weile da und überlegte, was er da gerade gemeint hatte. Dann machte es jedoch auf einmal Klick.

Hatte Klaus mit Hybridin etwa mich gemeint? Kann meine Verwandlung mithilfe von Hopes Blut abgeschlossen werden? Hoffentlich war dem so.

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