»WIR SCHLAFEN JA AUCH NICHT IN SÄRGEN«
LIEBES TAGEBUCH,
nun weißt du also, was mir Unglaubliches zugestoßen ist. Ich denke nicht, dass ich die vergangenen Monate seit Anfang August nachholen werde. Aber ich werde auf jeden Fall versuchen, künftig all das in dir aufzuschreiben, was mir ab jetzt passieren wird, alles, was ich in meinem neuen, übernatürlichen Leben mitmachen muss. Wir sind uns sicher einig, dass das eine ganze Menge sein wird. Du, liebes Tagebuch, bist nicht länger ein Radio-Tagebuch, sondern ein waschechtes Tagebuch eines Vampirs.
Marias übernatürliches Tagebuch.
Und los gehts ...
~ 21. Januar 2018 ~
Seit drei Tagen sitze ich nun schon im Haus der Salvatore-Brüder fest. Zum einen wegen des Sonnenlichts, welches beharrlich verhindert, dass ich mich am Tag draußen aufhalten darf. Zum anderen wegen des permanenten Hungers nach Blut, den ich nun zu kontrollieren lernen muss. Das zumindest wollen mir Stefan und Damon Salvatore einreden – die beiden amerikanischen Vampirbrüder, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, mich als ihren Schützling bei sich aufzunehmen.
Ich selbst bin ja der Meinung, dass ich mich nicht sofort auf jeden Menschen stürzen werde, der mir über den Weg läuft. Aber als Jungvampir bin ich angeblich eine tickende Zeitbombe, die sich ihrer eigenen Gefühle und Instinkte noch nicht bewusst ist – behaupten sie. Sie müssen es ja wissen, mit ihren fast 200 Jahren Lebenserfahrung. Also nehme ich das mal so hin.
Ich fühle mich bereits als eine Art persönliches Projekt der beiden. Vielleicht wollen sie aus mir das machen, was sie selbst nie geschafft haben zu werden? Ein Vampir ohne jegliche negative Seiten. Einen Vampir, der sich ausschließlich von Blutkonserven ernährt und niemals einen Menschen verletzt. Und eigentlich möchte ich das auch. Es ist für mich nach wie vor unvorstellbar, jemals einem Menschen wehzutun und ihn auszusaugen. Eine schauderhafte Vorstellung.
Heute haben sie mich für ein paar Stunden allein gelassen. Damon und Stefan sind in der Region unterwegs gewesen, um nachzusehen, ob weitere Spuren von Vampiren zu finden sind. Denn eigentlich dachten sie, sie wären die einzigen Blutsauger in Eichenstedt. Seit meinem Unfall wurden sie eines Besseren belehrt. Mindestens zwei weitere Vampire sind oder waren anscheinend in der Stadt. Und zu allem Überfluss gab es jetzt auch noch mich. Klar, dass sie wollen, dass ich ein möglichst unauffälliger Vampir werde. Denn die beiden Brüder haben vor, hier ein ruhiges und den Umständen entsprechend normales Leben zu führen. Jeder Vampir, der sich nicht unter Kontrolle hatte, könnte diese Fassade schneller zum Einsturz bringen, als dieses vergammelte Haus, in dem ich nun einsam vor mich hin vegetierte.
Dreimal musste ich ihnen versprechen, keinen Blödsinn zu machen, bevor sie gingen. Was sollte ich in dieser Hütte schon anstellen? Aber ich wäre nicht ich, wenn ich mich nicht zu beschäftigen wüsste. In den vergangenen Tagen habe ich viele neue Dinge über Vampire gelernt. Einige meiner neuen Fähigkeiten übte ich während der Abwesenheit meiner Lehrer fleißig weiter. Vor allem die Vampir-Geschwindigkeit. Treppe rauf, Treppe runter, einmal den Gang lang und wieder zurück. Das macht wirklich Spaß! Wenn ich je wieder unter normalen Menschen sein sollte, muss ich mich wirklich anstrengen, dass ich diese Fähigkeit geheim halte. Ich denke, ich habe noch eine ganze Menge Arbeit vor mir.
Mittlerweile war es später Nachmittag und die Brüder waren immer noch nicht da. Ich vertrieb mir die Langeweile zum Beispiel damit, meine Hand immer wieder kurz dem Sonnenlicht auszusetzen, um dann fasziniert zuzusehen, wie die Brandwunde innerhalb weniger Sekunden verheilte. Außerdem verbrachte ich eine ganze Weile vor einem Spiegel, um mein Gesicht dabei zu beobachten, wie es sich von normal zu vampir-monster-mäßig verwandelte. Und natürlich sah ich auch meinen Zähnen beim Wachsen zu. Glücklicherweise kommen die Fänge nur dann zum Vorschein, wenn sie auch wirklich gebraucht werden. Stell dir mal vor, ich müsste ständig mit einem Dracula-Gebiss herumlaufen! Es würde deutlich mehr Mühe machen, meine neue, geheime Identität für mich zu behalten und könnte wohl nur noch an Halloween unter Leute gehen, ohne aufzufallen.
Während ich einige der CD's rauf und runter hörte, die die Brüder glücklicherweise herumliegen hatten, dachte ich allerdings genau darüber nach. Über all die Geheimnisse, die ich künftig vor so ziemlich allen wichtigen Leuten in meinem Leben haben würde. Und das für die Ewigkeit. Ein bedrückender Gedanke.
Ich bin 19 Jahre alt und werde das immer bleiben. Ich werde jeden altern und sterben sehen, der mir etwas bedeutet, und ich werde noch da sein, wenn niemand hier sich mehr an mich erinnert. Denn früher oder später wird der Tag kommen, an dem ich alles hinter mir lassen muss, damit niemand merkt, dass die Zeit an mir keine Spuren hinterlässt.
Ich spürte, wie erneut eine schmerzhafte Welle der Traurigkeit und Verzweiflung in mir aufstieg. Aber das wollte ich nicht zulassen. Ich habe so oft geweint in den letzten Tagen, irgendwann muss das aufhören. Wenn ich lernen muss, meine Emotionen und Instinkte zu kontrollieren, dann fange ich damit am besten sofort an. Statt erneut zu flennen, nahm ich ein Glas, gefüllt mit AB+ und hängte mich damit an einen der morschen Deckenbalken. Kopfüber. So richtig vampirmäßig eben.
Irgendwann am frühen Abend kamen dann Stefan und Damon nach Hause zurück. Ich konnte hören, wie sie sich darüber unterhielten, dass sie in der gesamten Region keine Spuren von anderen Vampiren gefunden hatten.
Keine blutleeren Körper, keine mysteriösen Todesfälle. Alles unauffällig.
Allein der Gedanke an solche Dinge bereitete mir ein flaues Gefühl im Magen.
»Und das muss auch so bleiben. Sie darf auf keinen Fall außer Kontrolle geraten«, ergänzte Damon die Unterhaltung, als die Salvatores zur Tür hereinkamen.
Mit sie war wohl ich gemeint.
Nachdem sie sich kurz nervös auf die Suche nach mir begeben hatten, bemerkten sie mich schließlich erleichtert aber irritiert, wie ich kleine Möchtegern-Fledermaus kopfüber an der Decke herumbaumelte.
»Was um Himmelswillen treibst du denn da oben?« Damon schien nicht begeistert von meinem Vampir-Spiel zu sein. Stefan konnte sich jedoch ein Schmunzeln nicht verkneifen.
»Ach, kommt schon. Als ob ihr euch niemals mal so richtig klischeehaft vampirisch fühlen wolltet.«
»Nein, wollten wir nicht. Weil Vampire so etwas nun mal nicht machen. Wir schlafen ja auch nicht in Särgen. Oder siehst du hier einen?« Damon schnaufte in meine Richtung und warf seine Lederjacke aufs Sofa.
»Sei nicht so spießig, Damon. Ist doch nur Spaß gegen die Langeweile. Wenn ihr mich hier nicht einsperren würdet –«
»Würdest du draußen unschuldige Leute aussaugen. Willst du das? Nein? Also sei uns dankbar für unsere Hilfe. Wir kennen die negativen Seiten des Vampirdaseins besser als du.« Holla, die Waldfee! Damon schien echt schlechte Laune zu haben.
»Was ist denn bloß los mit ihm?«, fragte ich Stefan.
»Er ist sauer auf sich selbst, denke ich«, versuchte Stefan schlichtend zu erklären. »Er hat so viel Hoffnung in diese Stadt gesetzt und nun fühlt es sich so an, als ob doch nichts aus seinem geplanten vampirfreien Leben wird. Nimm's nicht persönlich, Maria.«
»Tu ich nicht. Ich bin ganz seiner Meinung. Ich hätte auch lieber ein vampirfreies Leben. Ganz ehrlich.« Als ich bemerkte, dass es komischerweise nicht weniger unangenehm war, wenn einem als Vampir das Blut in den Kopf sackte, löste ich mich aus meiner Dracula-Position und hüpfte herunter auf den Boden der Tatsachen.
Mir folgte eine dicke Staubwolke. Nur gut, dass ich als Vampir keine Allergie mehr habe!
»Okay, Vampire sind also keine Fledermäuse, im Spiegel kann ich mich auch betrachten, wie zuvor und ich muss nicht im Sarg nächtigen. Welche weiteren Mythen sind denn nun wahr und welche sind nichts als Legende?«, wollte ich wissen.
Stefan schmunzelte bei dieser Frage und schaute zu seinem mürrischen Bruder, der sich einen Bourbon eingoss. »So falsch ist das mit den Särgen auch wieder nicht. Damon selbst hat mal für eine Weile in einem gelegen. Das ist gar nicht lange her. Nicht wahr, Bruder?«, sagte Stefan.
»Ausnahmen bestätigen die Regel.« Damons Antwort fiel knapp aus.
Über die Gründe seines Sargaufenthalts erfuhr ich an diesem Tag nichts mehr. Aber ich erfuhr, dass die Sache mit der Unsterblichkeit ganz schnell durch einen einfachen Holzpflock beendet werden konnte.
»Holz ist also unser größter Feind? Zum Glück gibt es davon ja nur so wenig auf der Welt«, sagte ich sarkastisch.
Denn in der Tat erschien es mir relativ einfach, einen Vampir zur Strecke zu bringen, wenn das dafür benötigte Material überall um uns herum fast grenzenlos verfügbar war.
»Ein Holzpflock, genau ins Herz. Dann kannst du sagen, gleich zweimal im Leben gestorben zu sein. Nur, dass es dieses Mal keine Wiedergeburt geben wird«, ergänzte Stefan und deutete eine Attacke auf seinen Bruder an, der theatralisch sein Dahinscheiden vorspielte.
»Na ganz toll. Da geht sie so schnell wieder dahin, wie sie gekommen ist, meine Gewissheit der Unsterblichkeit«, antwortete ich enttäuscht.
»Deshalb haben wir Vampire übernatürliche Sinne und Fähigkeiten. Lerne, sie zu nutzen und zu beherrschen, dann bist du relativ sicher«, riet mir Stefan erneut.
»Du solltest alle Schwächen von Vampiren kennen. Denn du kannst sie auch selbst verwenden, wenn du mal einem weniger freundlichen Mitvampir begegnest«, fügte Damon hinzu, der so langsam wieder aufzutauen schien. »Ein Pfahl ins Herz und jeder Vampir ist sofort tot.«
»Nicht jeder Vampir.«
Hinter uns tauchte eine unbekannte Stimme auf und kam auf uns zu.
Stefan und Damon drehten sich völlig entgeistert in die Richtung, aus der die Stimme kam und riefen fast synchron:
»Klaus, was willst du denn hier?!«
Ich verstand wie immer nur Bahnhof. Wer war das denn jetzt wieder? Und wie kam er so schnell hier her, ohne, dass wir ihn bemerkt hatten? Vor uns stand ein junger Mann mit schiefem Grinsen und grau-schwarzen Klamotten. Die Hände hinter den Rücken verschränkt. Damon und Stefan meinten, dass diese Witzfigur, die auf einmal im Raum stand, Klaus hieß. Daraufhin musste ich kräftig lachen. Mehr als ich eigentlich beabsichtigt hatte. Ich war ja eigentlich ein höflicher Mensch.
Aber Klaus!
Im Ernst?
»'Tschuldigen Sie, dass ich lache. Aber mein Nachbar heißt Klaus. Ein widerlicher alter Sack und überhaupt. Sie sind doch viel zu jung, um Klaus zu heißen.«
Oh, man. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich jetzt, als Vampir, schneller rede, als denke. Wie peinlich. Der Fremde schmunzelte jedoch nur und begann sich vorzustellen. Das tat er mit einem britischen Akzent, wenn ich mich nicht irrte.
»Niklaus. Niklaus Mikaelson ist mein Name und ich glaube kaum, dass dein Nachbar älter ist als ich, Liebes.«
Als er so sprach, wurde ich plötzlich stutzig. Irgendwie kam mir das doch bekannt vor.
»Was haben Sie da gesagt?«, hakte ich nach.
»Das ist Klaus Mikaelson. Der Urvampir und über tausend Jahre alt. Das wollte er damit sagen«, fing Damon an, zu antworten, obwohl ich ihn überhaupt nicht gefragt hatte und das auch gar nicht meinte.
»Verzeihung, kennen wir uns irgendwo her?«, fragte ich diesen ominösen Klaus, der auf einmal auch etwas verwundert zu mir sah.
Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Er war es! Er war der unbekannte Kerl, der mich vergangenen Mittwoch vor dem Vampir gerettet hat. Von ihm habe ich das Blut bekommen, durch welches ich selbst zum Vampir wurde.
»Nicht schreien, Liebes. Hier trink das. Das haben Sie zu mir gesagt, als Sie mich gerettet haben. Dann habe ich Ihr Blut getrunken und Sie haben mein Gedächtnis gelöscht. Sie waren das. Ja?«
Klaus schaute mich entgeistert an, nickte aber kaum sichtbar. »Was ist passiert? Wieso bist du jetzt ein Vampir? Du warst gesund und unverletzt, als du weitergegangen bist«, sagte er verdutzt.
Hat er sich etwa meiner Unversehrtheit vergewissert, bevor er verschwunden ist? Egal. Weitaus mehr irritierte mich, dass Stefan und Damon noch grimmiger zu dem Neuling schauten, als sie realisierten, dass ich durch dessen Blut verwandelt wurde. Anscheinend können sie diesen Klaus nicht leiden. Aber das war mir in diesem Moment egal. Ich habe endlich denjenigen getroffen, dem ich mein Leben – na ja, mein Leben nach dem Tod – zu verdanken hatte.
»Friederike«, antwortete ich auf Klaus' Frage.
Er schaute etwas verwirrt.
»Der Sturm Friederike.«
Nun machte es offenbar Klick bei ihm. »Dir ist doch nicht etwa am Tag darauf ein Dachziegel auf den Kopf gefallen?«, fragte er mit einem zynischen Grinsen.
»Ein Baum«, antwortete ich, ebenfalls mit leicht spöttischem Unterton.
»Was für ein kurioser Zufall«, schmunzelte Klaus.
»Allerdings«, warf nun Damon ein und giftete Klaus an. »Einer der größten, wenn nicht sogar der größte Massenmörder der Menschheitsgeschichte rettet aus Versehen einem kleinen Mädchen gleich zweimal das Leben. Zu freundlich.«
In puncto Zynismus hatte im Moment Damon ganz klar gewonnen. Er schien für diesen Klaus wirklich nicht viel mehr als Verachtung übrig zu haben. Massenmörder hin oder her, ich war noch auf der Erde und nicht darunter. Das war alles, was für mich persönlich zählte.
»Sie haben mir das Leben gerettet. Ihretwegen bin ich noch hier!« Ich war überglücklich, meinem Retter gegenüber zu stehen. »Vielen Dank. Ehrlich. Auch, wenn Sie es nicht wissen konnten. Aber durch Ihr Blut kann ich jetzt noch hier sein«, sagte ich mit ehrlicher Dankbarkeit und fiel meinem unfreiwilligen Lebensretter um den Hals.
Stefan und Damon guckten, als würde ich gerade einen halb verwesten Tierkadaver umarmen. Und auch Klaus selbst hatte vermutlich mit allem gerechnet, nur nicht damit. Ich hätte auch eine Schaufensterpuppe umarmen können, so stocksteif stand er da. Als hätte er so etwas in tausend Jahren noch nicht erlebt. Oder, als ob ich ein in Eisenkraut getränkter Holzpfahl wäre. Ein sonderbarer Typ, dieser Klaus. Mir war es gleich. Ich lebte noch oder so ähnlich jedenfalls, und hatte meine Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht. Punkt.
»Und was hat dich dann ausgerechnet zu den Salvatore-Brüdern verschlagen?«, wollte Klaus nach einer Weile peinlichen Schweigens von mir wissen und grinste Stefan an. »Stefan war einst mein bester Freund, musst du wissen. Ich kenne Seiten von ihm, die er dir bestimmt noch nicht erzählt hat.« Es schien so, als wollte Klaus anfangen zu sticheln.
»Du meinst die Sache mit dem Ripper?«, antwortete ich, woraufhin Klaus erneut überrascht zu mir blickte.
»Sie haben mir davon erzählt, zu welchen Dingen Vampire fähig sind. Deswegen bin ich hier. Sie helfen mir, mich in meinem neuen Dasein zurechtzufinden. Ich mache keinem Vampir Vorwürfe. Diese Natur scheint stark zu sein und beherrscht uns. Aber ich möchte von Anfang an auf alles vorbereitet sein, um es besser machen zu können.«
»So ist das also«, übernahm Klaus wieder das Wort. »Ihr wollt aus ihr einen Mustervampir machen. Wollt ihr somit eure eigenen Untaten reinwaschen? Ihr wisst, dass es keinen Vampir ohne Fehl und Tadel gibt. Ihr macht dem Mädchen etwas vor.«
»Halt die Klappe, Klaus. Nur weil du dein Leben in tausend Jahren nicht auf die Reihe bekommen hast, muss das nicht automatisch für alle anderen Vampire gelten. Maria kann es schaffen, wenn sie es will«, verteidigte Stefan meinen Plan von einem guten Vampir.
»Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis eures Vorhabens. Zum Glück bleibe ich ja noch eine Weile in der Stadt. Ich beobachte euch.« Klaus hörte gar nicht mehr auf, hämisch zu grinsen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass wir dem Kerl noch öfter begegnen würden.
Damon war indes kurz davor, richtig wütend zu werden. »Lass sie in Ruhe, Klaus. Niemand will dich hier haben. Also verpiss dich wieder.«
»Na, na, na. Wer wird denn da gleich unhöflich werden? Bis eben wusste ich nicht einmal, dass ihr auch hier in Eichenstedt seid und da wollt ihr mir schon wieder anhängen, ich wolle euch Ärger bereiten. Immer diese Vorurteile.«
»Du weißt genau, dass wir mehr als einen Grund haben mit deiner Anwesenheit nur Ärger zu erwarten, Klaus«, antwortete Stefan, der unseren ungeladenen Gast grimmig anfunkelte.
»Ihr nehmt mir die kleine Geschichte mit Elena immer noch übel? Sie erfreut sich doch bester Gesundheit. Oder?« Klaus machte eine überraschte Mine und klatschte in die Hände, als ob ihm gerade etwas eingefallen wäre. »Ach, nein! Ich hörte da gewisse Dinge, über einen Dornröschenschlaf. Seid ihr deshalb aus Mystic Falls geflohen? Endlich frei von der Petrova-Doppelgängerin? Endlich ein neues Leben beginnen?«
»Verschwinde einfach aus unserem Haus«, fauchte Damon Klaus an. Dieser hatte jedoch sichtlich Spaß daran, in offenbar alten Wunden herumzustochern.
Stefan versuchte, seinen Bruder zurückzuhalten. »Klaus, es ist wirklich besser, wenn du jetzt gehst.«
Es schien zu stimmen, dass Stefan und Klaus einmal Freunde gewesen sind. Der Groll gegen Klaus schien bei ihm nicht ganz so ausgeprägt zu sein, wie bei Damon. Dennoch war auch Stefan nicht begeistert vom plötzlichen Auftauchen des Urvampirs. Dieser wendete sich nun wieder mir zu.
»Was soll denn unsere kleine Neu-Vampirin über euch denken, wenn ihr so schlechte Gastgeber seid?«
»Sie werden ihre Gründe haben. Gehen Sie jetzt lieber«, antwortete ich. Ich hatte so langsam keine Lust mehr auf diese Ränkespiele.
»Eine Sache noch«, sagte Klaus und zückte sein Handy, um ein Foto von mir zu machen.
Was um alles in der Welt sollte das denn werden? Wollte er seine neuste Schöpfung sogleich auf vampirebook zur Schau stellen?
»Ich werde meine Schwester Freya bitten, einen Tageslichtring für dich zu machen. Du willst doch nicht für immer in dieser Bruchbude festsitzen, oder?« Schließlich nickte er uns noch einmal zu und verschwand genauso schnell, wie er aufgetaucht war.
»Was bitte war das gerade?«, fragte ich nun ebenfalls leicht genervt.
Damon ging in die Küche und goss sich einen weiteren Bourbon ein. Stefan erzählte mir währenddessen ein paar Geschichten über diesen Klaus.
»Klaus Mikaelson und seine Geschwister sind die ältesten Vampire auf diesem Planeten«, fing er an und setzte sich dazu auf das staubige Sofa. Es schien wohl eine längere Geschichte zu werden. »Bis auf seine Schwester Freya, die kein Vampir ist. Sie ist wie ihre Mutter eine Hexe und konnte durch Magie so lange leben. Die Mikaelsons wurden von ihren Eltern mithilfe eines dunklen Zaubers in unsterbliche Wesen verwandelt. Denn ihre Mutter wollte kein Kind mehr durch den Tod verlieren. Doch der Zauber hatte seine Nebenwirkungen. Blutsaugen, Sonnenlicht, Eisenkraut. Die Natur duldet keine wirklich unsterblichen und unbezwingbaren Kreaturen. Diese Schwächen haben auch alle nachfolgenden Vampirgenerationen übernommen.«
Ich war verblüfft. Jetzt wusste ich nicht nur, dass es Vampire wirklich gab, sondern auch, dass sie erschaffen wurden – von ihren eigenen besorgten Eltern.
Dann kam Damon auf uns zu und versuchte, mir noch einmal mit Nachdruck und ernster Miene zu vermitteln, dass dieser Klaus das gefährlichste und rücksichtsloseste Monster sei, was derzeit auf Erden wandelte.
Ich glaubte ihm, dass es Vampire gab, die weniger Rücksicht auf Menschen nahmen, als die Salvatores. Aber hatten sie am Ende nicht alle Blut an den Händen? Damon und Stefan hatten die letzten anderthalb Jahrhunderte kein frommes und gewaltfreies Leben geführt. Was hatte dieser Klaus getan, was ihn zu einem schlimmeren Monster machte, als sie selbst? Schön, er hatte immerhin mehr als tausend Jahre Zeit, allerhand Unruhe zu stiften. Ich konnte nur hoffen, dass ich es schaffen würde, nicht auch ein solcher böser Vampir zu werden. Ich wollte alles dafür tun, dass man sich über mich später keine Gruselgeschichten erzählte.
Mit diesem hehren Ziel im Kopf verzog ich mich wieder auf mein Zimmer. Dort setzte ich mich grübelnd aufs Bett und dachte darüber nach, was dieser penetrante Blutdurst mit einem Vampir nach mehreren Jahrzehnten wohl machen würde. Ob man sich dem überhaupt entziehen konnte?
Stefan schien meine inneren Unruhen zu bemerken und steckte nach einer Weile seine Heldenfrisur durch den Türrahmen.
»Mir ist langweilig«, sagte ich zu ihm und er nickte verständnisvoll. »Habt ihr nicht zufällig irgendwo eine riesige Bibliothek versteckt, wie das Biest? Oder, wenn ich wenigstens mein Tagebuch dabei hätte. Das hätte mir Damon auch von zuhause mitbringen müssen – hab ich vergessen zu sagen. Ich kann es kaum erwarten, all die sonderbaren Erlebnisse der vergangenen Tage aufzuschreiben. Auch wenn ich noch nicht weiß, mit welchen Worten ich beginnen soll.«
Stefan schien auf einmal ganz hellhörig zu werden. »Du schreibst auch Tagebuch?«
»Nein, sag bloß, du machst das auch? Ist nicht wahr!«
»Das scheint wohl bei manchen Vampiren so eine Marotte zu sein. Obwohl ich nicht viele kenne, die dafür Verständnis zeigen.«
»Wie schade«, antwortete ich. »In den vergangenen gut 170 Jahren muss da ja manch historisch wertvolles zusammengekommen sein.«
Stefan schaute schuldbewusst. »Nun, um ehrlich zu sein, sind die Bücher meistens voll von meinen schlimmsten Tagen, den schlimmsten Tagen meines Bruders und, na ja, zum Glück auch wie ich diese schlimmen Tage überwunden habe. Der historische Wert bleibt, befürchte ich, etwas auf der Strecke dabei«, schmunzelte Stefan.
»Das macht nichts«, sagte ich und meinte es wirklich ehrlich.
Irgendetwas schien das Vampirsein bereits in mir zu verändern. All die blutigen, meuchelmörderischen Geschichten schockten mich nicht wirklich, obwohl sie das vermutlich sollten. Ich hatte seit ein paar Tagen Kontakt zu buchstäblichen Massenmördern. Viele zum größten Teil unschuldige und hilflose Menschen hatten durch diese drei Vampire in den letzten Jahrhunderten auf teils brutalste Art und Weise ihr Leben verloren. Ich müsste all das grausam und verwerflich finden. Aber das tat ich nicht, obwohl ich wusste, dass es falsch war. Ich sollte weglaufen vor diesen Monstern. Aber wohin? Wohin sollte ich gehen? Ich war auf die Hilfe und Unterstützung dieser Leute angewiesen, denn ob ich es wollte oder nicht – ich war jetzt eine von ihnen. Vielleicht können Stefan und Damon mich tatsächlich davor bewahren, ein ebensolches Monster zu werden, wie sie es selbst geworden sind.
Nach einer weiteren Weile kam Stefan noch einmal vorbei. Er hatte ein kleines Geschenk für mich. Ein Tagebuch! Nun konnte ich endlich anfangen, meine vampirischen Erlebnisse auf Papier zu bringen und dort anknüpfen, wo ich Anfang August letzten Jahres begonnen hatte. Vielleicht konnte ich dadurch lernen, noch besser mit dieser Situation umzugehen. Vielleicht.
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