»WIR MÜSSEN ZUSAMMENHALTEN UND GNADENLOS VORGEHEN!«

~ 20. Februar 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,

Dienstage scheinen neuerdings mit geheimen Aktivitäten in Zusammenhang zu stehen. Letzte Woche der Besuch bei Lindas Oma und den alten Hexenbüchern, heute nun mein zufälliger Besuch in der Kaufmannstraße. Warum auch immer ich dort hingehe. Elijah hätte wenigstens ein klitzekleines Bisschen darüber verraten können.

Wie sooft dieser Tage, hatte selbst diese Mission etwas Gutes. Zum ersten Mal in meinem Leben ging ich ohne ein seltsames Gefühl durch die gruselige Unterführung am Bahnhof, die zur Kaufmannstraße führte. Das war ebenfalls einer der Vorteile des Vampirseins. Ehe ich Angst vor wem auch immer haben musste, mussten alle anderen erst mal Angst vor mir haben.

Doch dann bekam ich dennoch einen Schreck, als plötzlich eine dunkle Gestalt im Tunnel auftauchte.

»Elijah! Du schon wieder. Hör auf, dich an mich heranzuschleichen wie ein Drogendealer.«

So langsam wird es lästig.

Aber der anzugtragende Urvampir blieb wie immer gelassen und erklärte mir, in welches Gebäude ich gehen sollte. Ich fühlte mich, wie in irgendeiner TV-Show. Finde ich darin einen goldenen Schlüssel für den Tresor zum Hauptgewinn?

»Diese verfallene Ruine?«, fragte ich ihn ungläubig und verzog angewidert das Gesicht.

Elijah zeigte auf die alten Gebäude gegenüber vom Bahnhof, hinter den Gleisen. Diese standen seit Jahren leer und begannen bereits sich selbst abzureißen.

»Da gehe ich bestimmt nicht rein. Niemand setzt da freiwillig einen Fuß hinein. Vergiss es«, protestierte ich und schüttelte demonstrativ mit dem Kopf.

»Ich rate dir dennoch, es zu tun. Sei versichert, das Gebäude wird bestimmt nicht genau in jenem Moment einstürzen, in dem du es betrittst.« Elijah schmunzelte leicht, als er meine Angst vor diesen Trümmern sah. »Als unsere Schwester Freya sich ganz in ihre Hexenküche verschanzt hatte, um Blut und irgendwelche Hexenflüche zu studieren, begann Klaus die Vampirleiche im Keller in Stücke zu reißen, um Hinweise auf die fremden Vampire in der Stadt zu finden, wie du weißt. Was er fand, führte ihn hierher«, erklärte Elijah und deutete erneut auf das zerbröselnde Haus hinter uns.

Ich nickte zögerlich und ging vorsichtig dorthin. Das klang durchaus vielversprechend. Elijah blieb im Tunnel zurück. Als ich mich noch einmal umdrehte, um noch etwas zu fragen, war er jedoch genau so schnell wieder verschwunden, wie er aufgetaucht war. Irgendwie hatte das etwas sehr Vampiriges, fand ich. Fehlt nur noch der fledermausartige Umhang, der dramatisch hinter ihm her weht.

Vorsichtig ging ich in das vermeintlich leer stehende Gebäude. Schon von draußen stieg mir ein unangenehmer Geruch in die Nase. Es roch moderig und nach Verwesung. Außerdem war es so dunkel, dass ich kaum die Hand vor der Nase erkennen konnte. Als ich die Taschenlampe am Handy anmachte, erblickte ich die grausame Wahrheit über diesen beißenden Geruch.

Dort lagen viele Katzen und anderes blutleeres Getier herum. Die sinkenden Kadaver stapelten sich an einer Wand des Gebäudes. Als ich gerade daran dachte, diesen fürchterlichen Ort möglichst schnell wieder zu verlassen, ertönte eine wohlbekannte Stimme aus der Dunkelheit.

»Du kannst froh sein, dass du hier nicht deine geliebten eichenstedter Bürger herumliegen siehst, Liebes.« Klaus tauchte neben mir auf und sah nicht sonderlich erfreut über meine Anwesenheit aus.

»Hallo, Klaus.« Meine Standardbegrüßung. »Das alles ist schon schlimm genug. Was ist das hier überhaupt?«, fragte ich meinen grummeligen Erschaffer.

»Wieso bist du hier?«, fragte dieser wiederum mürrisch zurück.

»Ach, weißt du. Ich habe gerade einen Abendspaziergang unternommen und dann war da plötzlich dieser furchtbare Geruch. Daraufhin bin ich einfach mal hereingegangen und fand all diese toten Tiere und einen Urhybriden.« Ich grinste gekünstelt verlegen.

Klaus schaute so, als ob er genau wissen würde, dass mein Auftauchen in dieser widerlichen Gegend nicht ganz so aus Versehen geschehen war, wie ich es behauptete.

»Und du so? Welche Klausen-Flausen treiben dich in diese Kloake?«, fragte ich eher beiläufig.

»Eigentlich solltest du gar nicht hier sein«, sagte Klaus zunächst, dann erzählte er allerdings doch, was er in der Ruine verloren hatte.

»Glaub es oder nicht, aber ich habe eine Spur zu den Vampiren gefunden, die seit einiger Zeit Eichenstedt in Aufregung versetzen. Eher zufällig habe ich einen Kassenzettel bei dem Kerl gefunden, der dich damals angegriffen und anschließend Selbstmord verübt hat.« Er holte ein zerknülltes Stück Papier hervor.

»Ein Kassenzettel?«

»Ich weiß, es war nur eine vage Vermutung. Aber dieser bin ich nachgegangen und habe dann gefunden, was wir gesucht haben.« Klaus erzählte, dass der tote Vampir einen Bon vom Bahnhofskiosk bei sich trug. In dessen Umgebung hat er sich anschließend umgeschaut.

»Und diese unbekannten Vampire sind hier in der Gegend?«, fragte ich, um endlich auf den Punkt zu kommen.

»Nicht nur in der Nähe. Sie sind genau hier«, antwortete Klaus. »Sie treffen sich in diesem alten Gebäude.« Endlich wich Klaus' grimmiger Gesichtsausdruck wieder dem bekannten, schiefen Grinsen.

»Und du hast vor, sie alle zu töten? Jetzt und hier? Ganz allein?«, fragte ich misstrauisch.

»Ich bin doch nicht allein oder, Liebes?«, antwortete Klaus schmunzelnd.

Offenbar rechnete er mit meiner Hilfe bei dieser Aktion, jetzt, wo ich schon einmal da war. Mir war nicht wohl bei der Sache. Aber wenn ich die Stadt auf diese Weise retten konnte, blieb mir wohl nichts anderes übrig.

»Okay. Und wo genau sind dieses ungehobelte Volk?«

Klaus erwartete vermutlich eine ganz andere Reaktion und war sichtlich überrascht von meiner Frage.

»Komm mit«, sagte er und ich folgte ihm durch das muffig stinkende Gebäude.

Wir durchquerten den Raum, indem wir über die toten Tiere kletterten, und ich musste einige Male würgen. Dann fanden wir uns in einem engen Korridor wieder. Eine recht zerbrechliche rostige Eisentreppe führte uns schließlich ein Stockwerk tiefer und wir hörten nach einer Weile erste Stimmen. Wir schlichen uns vorsichtig heran. Von der Treppe aus sahen wir mehrere Dutzend Vampire. Ich war erschrocken darüber, wie viele es tatsächlich waren.

In der Halle stand ein großer Tisch, an dem vermutlich die höchsten Tiere dieser zwielichtigen Gemeinschaft Platz nahmen. Auf dem Tisch wiederum stand ein Vampir, der selbstbewusst zu den anderen Blutsaugern herabschaute, welche langsam zur Ruhe kamen, um seinen Worten lauschen zu können. Er hatte kurz geschorenes Haar, unter dem ein verblichenes Tattoo zu sehen war. Ich konnte das Motiv aber nicht richtig erkennen. Vom Alter her schien er nur wenig älter als ich zu sein. Wie viele Jahre er tatsächlich auf dem Buckel hatte, war natürlich nicht auszumachen.

Allesamt waren diese Vampire sehr düster oder sogar in Tarnfarben gekleidet. Nur an jenen, die an dem großen Tisch saßen, konnten wir Tageslichtringe sehen. Natürlich trug auch der wild gestikulierende Oberproll auf dem Tisch einen großen, blauen Ring am Finger.

Wer auch immer derjenige war, der mich damals angegriffen hat, war anscheinend kein ranghohes Mitglied. Jedoch schien es so, als ob es gerade die Leute aus den hinteren Rängen wären, die den Reden des Anführers am enthusiastischsten folgen würden. Dieser beantwortete in seiner dramatischen Ansprache auch gleich einige unserer dringendsten Fragen.

»Ihr wisst alle, was unser Ziel ist. Wir müssen um jeden Preis verhindern, dass dieser Klaus Mikaelson die Werwölfe zurück in diese Lande bringt. Denn ihr wisst alle, dass dies für uns den Untergang bedeuten würde. Aber wir dürfen diesen Hybriden und seine verkorkste Urvampirfamilie nicht unterschätzen. Also müssen wir schlau vorgehen und vorausschauend handeln. Wir müssen zusammenhalten und gnadenlos sein, um den Mikaelsons die Stirn bieten zu können.«

Die anderen Vampire jubelten dem Großmaul zu. Dieser holte noch etwas weiter aus.

»Da unsere kleinen Warnungen keine Wirkung gezeigt haben, wird es Zeit, etwas deutlicher zu formulieren, dass wir hier weder diesen unnatürlichen Hybriden-Abschaum noch irgendwelche anderen Werwölfe haben wollen. Als Nächstes werden wir dafür sorgen, dass der Ruf der Mikaelsons in dieser Stadt ruiniert wird. Sie sollen Eichenstedt so schnell wie möglich verlassen. Koste es, was es wolle!«

Wieder ertönte lauter Jubel und Beifall. Der Anführer ließ sich feiern, während Klaus nur müde lächeln konnte, über dessen überambitionierte Worte.

»Hast du gehört, Maria? Diese Truppe ist ganz auf deiner Seite. Willst du dich ihnen nicht anschließen, um mich und meine bitterböse Familie aus der Stadt zu vertreiben?«, grinste Klaus mich an.

»Ach, weißt du ...«, begann ich zu antworten. »Im Moment gefallen mir diese Vampir-Hooligans und ihre Pläne deutlich weniger, als die Mikaelsons. Also vertreibe ich zunächst einmal die und kümmere mich dann um dich und deinen Anhang.«

Das gemeinsame Schmunzeln sollte uns leider recht schnell wieder vergehen, denn was wir als Nächstes von dem Ober-Vampir-Fiesling erfuhren, gefiel weder mir noch Klaus.

Laut diesem Typen hatten die Untergrundvampire offenbar einige der Werwölfe bereits ausfindig gemacht und in ihre Fänge genommen.

»Wenn die Mikaelsons erst einmal wissen, dass wir ihre Werwölfe vor ihnen gefunden haben, dann werden sie rasch ihr wahres Gesicht zeigen und dann wird Eichenstedt schnell begreifen, mit welchen Edelleuten sich die Stadt derzeit schmückt«, tönte der Ober-Guru auf seinem Tisch.

Ich ergriff schnell die Gelegenheit, um Schaden vorzubeugen. »Schön. Nun, da die Mikaelson es ja bereits wissen, können sie klug und umsichtig handeln und dabei ganz bestimmt keine schlechten Manieren an den Tag legen. Hab ich recht, Klaus?«, fragte ich meinen Erschaffer.

Dieser lauschte jedoch weiterhin mit ernster Miene den kühnen Worten dieses Deppen, der nach wie vor auf dem großen Tisch auf und ab wandelte.

»Hexen waren seit jeher unsere Partner im Kampf gegen die Wölfe. Wir können dankbar sein, dass dieses Bündnis nach wie vor besteht und wir dadurch mit zahlreichen Informationen versorgt werden. Denn was könnte effektiver sein, als die Schwachpunkte der eigenen Feinde zu kennen?«

»Hexen?«, fragte ich erschrocken. »Denkst du, dass er damit Linda und ihre Familie meint?«

Klaus nickte stumm, während sein Blick weiterhin auf die Vampire gerichtet blieb.

Nach weiteren tollkühnen Worten und donnerndem Applaus fing die Truppe an, sich nach und nach aufzulösen. Ich konnte Klaus gerade noch davon abhalten, sich sofort kampfwütig in die Menge zu stürzen.

»Halt, halt, halt! Nicht zu voreilig. Ich sprach von klug und umsichtig handeln, nicht von hirnlosen Gewaltexzessen«, stoppte ich ihn in letzter Sekunde.

Klaus schaute mich grimmig und leicht genervt an. »Hast du nicht gehört, was sie vorhaben? Und was sie eventuell wissen? Das können wir nicht so geschehen lassen.«

»Aber wir wissen doch gar nicht, was genau sie wissen. Vielleicht blufft dieser Typ nur, um diesen Haufen Speichellecker anzustacheln. Aber wir wissen unsererseits Dinge, von denen sie nicht wissen, dass wir sie wissen«, lenkte ich erneut ein. »Und Wissen ist Macht. Nicht drauflos prügeln. Vielleicht können wir durch einen von diesen Idioten an weitere Informationen kommen. Nutzen wir unseren Vorteil, anstatt unsere Tarnung frühzeitig auffliegen zu lassen. Wir müssen ihnen jetzt immer einen Schritt voraus sein, um Schlimmeres zu verhindern, Klaus.«

Klaus tat so, als würde er mir gar nicht zuhören und wollte sich gerade umdrehen, um seinen wahnwitzigen Angriff zu starten. Doch dann sah er, dass die meisten Vampire bereits auf dem Weg nach draußen waren.

»Los, raus hier«, sagte er dann mürrisch und zog mich forsch hinter sich her.

Wir schafften es gerade noch so, uns zusammen in eine dunkle Nische zu quetschen, um nicht von den tobenden Massen gesehen zu werden. Ich konnte Klaus' Herz schlagen hören, während ich so dicht neben ihm kauerte. Er hat also tatsächlich eins und es schlug sehr schnell vor Anspannung. Ist aber auch alles aufregend hier! Als alle Vampire das Gebäude verlassen zu haben schienen, wagten wir uns aus unserem Verschlag heraus und gingen vorsichtig nach draußen.

Dort sahen wir einen etwas dümmlich aussehenden Vampir mit einer großen krummen Nase herumirren. Er schien irgendwie den Anschluss verloren zu haben.

»Den schnappen wir uns«, sagte ich und machte mich möglichst schnell und lautlos hinter den Kerl her, bevor Klaus auch nur irgendeinen Einwand äußern konnte.

»Hallo, du! So spät noch ganz allein draußen unterwegs?«, sprach ich den Vampir an, während ich ihm den Weg versperrte.

Er schaute kurz dumm aus der Wäsche und noch ehe er irgendwas tun konnte, tauchte Klaus hinter ihm auf und brach ihm das Genick. Zusammen hievten wir den besinnungslosen Vampir in Klaus' Auto.

Auf der Fahrt zur Villa Mikaelson redeten Klaus und ich kein Wort miteinander. Was mir ganz recht war. Immerhin habe ich ihm ja gesagt, was er zu tun und zu lassen hat. Das ist dem feinen Herrn mit Sicherheit sauer aufgestoßen. Ich selbst war mehr als stolz auf mich und sehr dankbar über Elijahs Hinweis. Wer weiß, ob Klaus nicht alles versaubeutelt hätte, wenn er allein dort gewesen wäre.

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