»WILLKOMMEN IN DER WELT DER ECHTEN VAMPIRE«

~ 09. Februar 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,

aus mir, dem größten Faschingsmuffel der Stadt, ist ein Dauergast beim Kostümverleih geworden. Als ich in der Mittagspause erneut dort einbog, um mein Fledermauskostüm von der gestrigen Weiberfastnacht zurückzugeben, war ich gezwungen, mir gleich das nächste Kostüm auszusuchen. Für die heutige Faschingsparty, die von niemand Geringeres als Klaus Mikaelson organisiert wurde. Mir blieb auch nichts erspart! Ich hätte ja einfach ein zweites Mal als Fledermäuschen gehen können, aber dieses billige Kostüm schien mir nicht angemessen, für Klaus' edle Hallen. Zumal ich es nicht noch mehr ruinieren wollte.

Wie befürchtet, hatte die Verkäuferin die kleine Beschädigung am Ärmel sofort entdeckt und meinen kläglichen Versuch, diesen auszubessern nicht akzeptiert. Ich sollte 30 Euro für die Reparatur bezahlen. 30 Euro - DREISSIG! Ich bin ja ein ehrlicher Vampir, aber das war mir dann doch zu viel. Eine kleine Manipulation und schon glaubte die gute Frau, dass dieser Schaden bereits länger bestand, und entschuldigte sich sogar bei mir, dass sie mich nicht darauf hingewiesen hatte, als ich mir das Kostüm ausgeborgt hatte. Problemlösung auf übernatürliche Art.

Als ich anschließend herumstöberte, was ich dieses Mal für eine Verkleidung nehmen könnte, fiel mein Blick auf ein Rotkäppchenkostüm. Ja, das war es! Rotkäppchen und der große, böse (Wer-)Wolf. Etwas Passenderes würde ich ganz bestimmt nicht mehr finden, war ich mir sicher.

Kurz vor Feierabend bekam ich einen Anruf von Damon. Er wollte sich noch einmal vergewissern, ob ich auch wirklich Lust auf diese Faschingsfeier hatte.

»Ich muss doch schließlich beobachten, was Meister Isegrim so alles mit den ahnungslosen Bürgern treibt. Ich bin immerhin die städtische Superheldin, nicht wahr, Damon?«, entgegnete ich ihm frech, in Anlehnung an den gestrigen Abend.

Nach ein paar grummeligen Kommentaren versprachen Damon und Stefan, mich gleich abzuholen, und legten auf. Ich verkrümelte mich wenig später in den Schnittplatz, schloss die Tür ab und zog mein Rotkäppchenkostüm an.

Als ich wieder herauskam und meinen Kollegen stolz meine Verkleidung präsentierte, bekam ich unerwartet Kommentare wie heiß oder sexy zu hören. Eigentlich war es meine Absicht gewesen, niedlich auszusehen! Aber das Röckchen von dem Kleid war tatsächlich wesentlich kürzer, als ich es vermutet hatte. Ich hätte es lieber im Geschäft anprobieren sollen. Aber es war bereits zu spät, sich eine neue Verkleidung zu besorgen. Da musste ich durch.

Kurz darauf bekam ich eine SMS, dass Damon und Stefan auf mich warteten. Ich verabschiedete mich von meinen Kollegen der Spätschicht und flitzte die Treppe hinunter auf den Parkplatz. Da stand er wieder, der gute alte hellblaue Camaro. Daneben begrüßte mich Stefan und hielt mir die Tür auf.

»Hey, du Spaßbremse! Warum hast du kein Kostüm an?«,grummelte ich ihn an, denn ich fand, dass er aussah wie immer.

»Ich hab doch ein Kostüm an?«, protestierte Stefan und Damon rief mir aus dem Auto heraus zu, dass sein kleiner Bruder immer als James Dean geht, weil er sich dafür nicht groß verkleiden müsse.

Na ja, mit etwas Fantasie konnte man tatsächlich eine Ähnlichkeit zu dem leider viel zu früh verstorbenen Filmschauspieler feststellen. Ich hatte dennoch etwas Kreativeres erwartet und fühlte mich ein wenig unpassend in meinem knappen Rotkäppchenkostüm.

Als ich mich ins Auto zwängte, bemerkte ich zu meiner großen Enttäuschung, dass auch Damon aussah wie immer. »Was ist nur los mit euch beiden? Seid ihr wirklich seit 170 Jahren so drauf?«

»Was denn? Das ist ein Kostüm, wirklich! Ich bin dieser Typ aus Jurassic Park. Der mit der Chaostherorie. Sieht man das nicht? Ich fand das sehr passend für diesen Abend«, erklärte Damon voller Überzeugung.

Auch in diesem Fall war eine gewisse Similarität nicht von der Hand zu weisen.

»Wenn das so ist, hätte ich mich auch als Karla Kolumna verkleiden und einfach Reporterin bleiben können«, merkte ich leicht beleidigt an.

Dann kam mir der gruselige Gedanke, dass zu Klaus' nobler Feierlichkeit möglicherweise alle Gäste eher schlicht verkleidet waren. Ich werde mich blamieren!

»Ach, hottes Rotkäppchen ist doch auch nett«, versuchte Damon mich mit einem Augenzwinkern, welches ich im Rückspiegel sah, aufzumuntern.

Ich hatte mir definitiv das falsche Kostüm ausgesucht. Wie konnte ich so blöd sein und mich von Grimms Märchen inspirieren lassen? Als ob mein Leben irgendwie märchenhaft wäre!

Als wir wenig später an der Villa Mikaelson eintrafen, kamen sofort zwei Butler angeflitzt, um uns beim Aussteigen zu helfen. Also vor allem mir natürlich und ich hatte meine Mühe damit, den viel zu kurzen Rock festzuhalten. Zwar trug ich noch eine Strumpfhose drunter, es war ja immerhin Februar, aber dennoch lässt sich eine anständige Dame nicht unter den Rock blicken. Die Butler, die aussahen wie dem 19. Jahrhundert entsprungen, geleiteten uns schließlich bis zur Treppe. Dort nahmen wir drei Hilfssuperhelden, völlig unbeabsichtigt wieder unsere Kampfformation annahmen.

»Wollen wir das wirklich schon wieder machen?«, fragte Stefan schmunzelnd.
»Aber natürlich«, antwortete ich voller Überzeugung. »Links und rechts ein Salvatore. Das kann nur ein guter Abend werden.«

Nach Betreten der opulenten Eingangshalle kamen uns weitere von Klausis manipulierten Servicekräfte entgegen. Sie nahmen uns die Jacken und Taschen ab und reichten uns Sektgläser.

Da waren wir nun. Mal wieder. Es waren bereits zahlreiche Gäste anwesend. Nicht alle hatten Kostüme an. Es sei denn, diese ganzen schnöseligen Anzugträger hatten sich auch einfach nur als James Bond verkleidet. Zum Glück konnte ich auch einige normale Menschen entdecken, die sehr wohl lustig herausgeputzt herumgeisterten. Mir fiel ein Stein vom Herzen, dass ich nicht aus der Reihe fallen würde.

So richtig Stimmung kam bei den Anwesenden allerdings nicht auf. Es wirkte eher wie ein Staatsbankett für King Klaus I. Na ja, die Musik lud auch nicht gerade zum Tanzen ein. Die war tatsächlich eher was für sektschlürfende Pinguine. Ich meine, Klassik ist ja nichts Schlechtes, aber zu einer Faschingsparty? Da braucht Klaus wohl noch etwas Nachhilfe.

Apropos Klaus - wo war der eigentlich?

Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, da tauchte er auf einmal hinter uns auf und brachte mal wieder seine Freude über unser Erscheinen zum Ausdruck. Und man glaube es oder nicht, aber er war sogar richtig verkleidet. Als Sherlock Holmes!

»Seht ihr«, sagte ich zu Damon und Stefan, als der Urvampir wieder gegangen war. »Sogar Klaus hat sich die Mühe gemacht und sich anständig verkleidet.«

Die beiden Blutsauger zuckten nur unbehelligt mit den Schultern und dann gingen wir ein wenig in der Villa spazieren. So richtig wussten wir mit dem Abend nichts anzufangen. Es passierte nichts Aufregendes. Das war eigentlich gut, aber dennoch langweilten wir uns schnell zu Tode. Damon fand rasch Gefallen daran, mit einigen leicht bekleideten jungen Frauen zu flirten, während Stefan das tat, was er immer tat. Ernst gucken.

Und ich? Ich war ein junger Vampir, der auf einmal wieder an nichts anderes als an frisches Blut denken konnte. Ich hatte wirklich gehofft, dass sich dieses Verlangen nach dem gestrigen Abend legen würde. Aber dem war nicht so. Stattdessen wurde in mir die Idee lauter, meine neu erworbenen Fähigkeiten heute Abend ein weiteres Mal unter Beweis zu stellen. Gegen einen kleinen Abendsnack war doch nichts einzuwenden.

Nein, ich wollte das nicht! Ich hatte es gestern noch einmal mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Für mich gibt es nur Blutbeutel. Aber eigentlich, hm. Damon hatte ja gesagt, dass der heutige Abend auch noch eine Art Schulstunde für mich wäre. Also sprach nichts dagegen, mir ein paar Milliliter Frischblut einzuverleiben. Nur noch heute. Als Abschlussprüfung. Versprochen.

Ich drängte also jegliches schlechte Gewissen beiseite und schaute mich in der Menge um. Irgendwann blieb mein Blick bei einem jungen Burschen im Wolfskostüm hängen. Das passte doch. Er schien außerdem allein auf der Party zu sein. Er hielt in einer Hand ein halb volles Sektglas und schaute sich hilflos im Raum um. Optimale Voraussetzungen. Den würde erst mal keiner so schnell vermissen.

Ich wandte einen kleinen miesen Faschingstrick an, um mit dem Typen im Wolfskostüm ins Gespräch zu kommen. Mit meinem Handy kam ich schnurstracks auf ihn zu und bat ihn um ein Rotkäppchen-und-der-Wolf-Selfie. Ein Hoch auf das 21. Jahrhundert! Wie haben das nur die Vampire früher gemacht? Der Knabe schien sich über die plötzliche weibliche Aufmerksamkeit sehr zu freuen. Nachdem das Foto im Kasten gewesen ist, wechselte endlich auch die Musik von gediegenem Klassik zu aktuellem Pop. Vielleicht gab es Beschwerden oder Klaus hatte gehört, dass ich mich über die Musik beklagt habe. Er darf es sich schließlich nicht mit mir verscherzen.

Dennoch half auch die beste Tanzmusik nicht, etwas Leben in diesen verklemmten Möchtegern-Wolf neben mir zu wecken. Er stellte sich mir als Mark Wolf vor (ich hätte fast laut aufgeschrien vor Lachen) und war vermutlich das erste Mal bei einer Feier mit so vielen fremden Leuten. Zum Glück halfen meine Manipulationskünste, dennoch etwas aus ihm herauszubekommen.

Mark erzählte mir, dass er mit seinem Kumpel hier sei. Dieser verschwand dann irgendwann mit ein paar Mädels. Seitdem stehe er allein herum und traut sich nicht, jemanden anzusprechen. Na, da hat er ja Glück gehabt, dass ich das für ihn übernommen habe. Während er weitere Dinge aus seinem langweiligen Leben erzählte und scheinbar dachte, ich würde mich ernsthaft dafür interessieren, schaute ich, was meine beiden vampirischen Wachhunde gerade trieben.

Sie hatten mich anfangs nicht aus den Augen gelassen. Doch im Moment schienen sie in irgendwelchen Gesprächen vertieft zu sein. Das war meine Chance! Ich nahm also blitzschnell die Hand des unnützen Typs und zerrte ihn in einen leeren Raum.

»Hey, was soll denn das auf einmal?«, fing Mark an zu protestieren. »Nur weil ich hier allein herumstehe, heißt das noch lange nicht, dass wir beide jetzt ...«

Ich unterbrach sein nerviges Geschwafel mit einem forschen »scht!« Als er dann auch noch etwas von wegen #metoo gilt auch für Männer labern wollte, manipulierte ich ihn, endlich still zu sein und sich nicht mehr zu bewegen. Ehe die Salvatores bemerkten, dass ich weg war, wollte ich alle Hinweise auf meinen kleinen Snack beseitigt haben.

Doch gerade, als ich meine Hauer in seine Halsschlagader schlagen wollte, ertönte hinter mir eine wohlbekannte Stimme.

»Wie ich erschrocken feststellen muss, hast du all deine guten Vorsätze recht schnell über Bord geworfen, Liebes.« Der Gastgeber höchstpersönlich gab sich die Ehre, mich bei meiner Untat zu stören.

»Ich habe gelernt, es zu kontrollieren. Wenn ich fertig bin, heile ich ihn mit meinem Blut, sodass er keine Verletzungen davontragen wird«, sagte ich, ohne Klaus dabei anzusehen. Sein triumphierendes Lächeln wollte ich mir ersparen.

Stattdessen hing mein Blick wie erstarrt an der pulsierenden Ader meines Opfers. Ich hörte sein Blut zirkulieren und wollte nur noch eins - es kosten. Also biss ich schließlich, ohne weiter auf Klaus zu achten, zu und nahm einen Schluck. Es war wieder einmal herrlich. Das kann man nicht beschreiben.

»Frisch aus der Ader schmeckt es einfach tausendmal besser, als die aufgearbeiteten Blutkonserven«, sagte ich und war selbst überrascht, es tatsächlich laut ausgesprochen zu haben.

»Das musst du mir nicht erzählen«, sagte Klaus. »Willkommen in der Welt der echten Vampire.«

In diesem Augenblick betrat eine der Servicekräfte den Raum. Ich erschrak fürchterlich und schubste Mark unsanft gegen die Wand.

»Keine Angst, sie ist bereits manipuliert. Sie kennt Szenen wie diese«, beruhigte mich Klaus und zog die rothaarige Frau näher zu sich heran.

Da waren wir nun. Mein Erschaffer und ich.

Das war eine der wahnwitzigsten Momente in meinem Leben. Vor uns standen unsere regungslosen Opfer. Klaus' Angestellte streckte ihm bereits ohne Aufforderung ihren Arm entgegen, woraufhin sich sein Gesicht in eine Vampirfratze verwandelte. Genau wie meine. Es war wirklich strange, aber ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, hatte Klaus seine Reißzähne in den Unterarm seiner Servicekraft und ich die meinen in den Hals des als Wolf verkleideten Jungen versenkt. Und ich hatte nicht für einen Moment ein schlechtes Gewissen.

Nach einem kurzen Augenblick hörte ich auf zu trinken. Nicht weil mir der Typ plötzlich leidtat, sondern weil ich etwas loswerden wollte.

»Warum hast du mich eigentlich nicht persönlich gefragt, ob ich zu deiner Faschingsfeier kommen möchte?«, fragte ich Klaus, der nun ebenfalls aufhörte, seine Angestellte auszusaugen, und mich fragend ansah. »Hattest du Angst, dass die Salvatores etwas von unserem kleinen Werwolf-Hexen-Geheimnis mitbekommen könnten?«

»Nein, ich wusste, dass du dir es nicht entgehen lassen würdest, mich unter Beobachtung zu haben. Ich könnte ja einen der Gäste aussaugen. Welch Ironie also, dass ich stattdessen dich hier vorfinde, wie du einen meiner Gäste zu deiner Zwischenmahlzeit machst.« Klaus schmunzelte, wie ein kleines Kind, dass sein Geschwisterchen bei einer Untat erwischt hat, die man ihm selbst angehängt hatte. »Du siehst also, dass sich unser beider Faschingsbräuche gar nicht so sehr voneinander unterscheiden.«

Klaus wollte mir mit diesem Kommentar vermutlich weismachen, dass selbst wir beide gar nicht so verschieden waren. Dabei zupfte er rechthaberisch an seinem Sherlock Holmes-Kostüm herum.

Doch hatte er recht?

In diesem Moment wurde ich mir endlich meiner Untaten bewusst. Was zur Hölle machte ich hier bloß? Ich muss doch ein Rad ab haben! Erst gestern Abend hatte ich lauthals verkündet, nie wieder einen Menschen verletzen zu wollen, und nun stand ich da, blutverschmiert und vor mir ein wehrloser Jugendlicher mit blutender Wunde am Hals.

Während Klaus sich noch ein Schluck seiner Servicekraft genehmigte, fing ich an, Mark mit meinem Blut zu heilen und ihn zu manipulieren.

»Was machst du denn da?«, fragte mich Klaus, als er mein Vorgehen beobachtete. »Verschwende doch nicht dein wertvolles Blut an diesen Narren. Stell dir vor, ihm fällt morgen früh ein Baum auf den Kopf.«

»Könnt ihr mal alle damit aufhören, ständig diese Baumgeschichte ins Spiel zu bringen?!«, erwiderte ich zornig.

So langsam ging es mir wirklich auf die Nerven, permanent dafür kritisiert zu werden, meine Opfer nicht nur als Blutbeutel zu betrachten. Aber vermutlich ging es andersrum ihnen genauso mit mir, wenn ich sie ständig dafür kritisiere, kein so vorbildlicher Vampir zu sein.

Als ich Klaus so anbrabbelte und er das anscheinend auch noch witzig fand, tauchte in der Tür auf einmal ein fremder Mann auf.

Ich erschrak erneut fürchterlich, schließlich standen sowohl Klaus als auch ich selbst noch immer mit blutverschmierten Gesichtern vor unseren armen Opfern. Wie grausam musste dieser Anblick für einen Außenstehenden sein? Ich stellte mich auf das Schlimmste ein und befahl meinem manipulierten Opfer schnell in eine Toilette zu gehen, sich sauber zu machen, zur Tanzfläche zurückzukehren und alles zu vergessen, was zwischen uns passiert war.

Der Fremde schien meine Nervosität zu bemerken und versuchte, mich zu beruhigen, was mich allerdings nur noch mehr beängstigte. »Keine Sorge. Anblicke wie diesen hier bin ich von meinem kleinen Bruder seit zehn Jahrhunderten gewöhnt.«

Bruder?

»Hallo, Elijah! Nimm dir auch einen Schluck, Bruder.« Klaus war sehr erfreut über den dunkelhaarigen Kerl mit der noblen Aussprache und dem - keine Ahnung - Mycroft-Holmes-Kostüm, schätze ich. Bruder nannten sie sich beide.

Ich hatte bereits von diesem Elijah Mikaelson gehört. Ein Edelmann soll er sein und stets zu seinem Wort stehen. Dennoch war er nun bereits der zweite Urvampir, der in dieser Stadt weilte. Das konnte ja heiter werden.

»Niklaus, wer ist diese kleine Vampirin? Hattest du nicht versichert, in Eichenstedt gäbe es neben dir und den Salvatore-Brüdern keine weiteren Vampire?« Elijah schien von meiner Anwesenheit genauso wenig begeistert zu sein, wie ich es von seiner war.

»Nun, Elijah. Wie immer im Leben passieren unvorhergesehene Dinge«, begann Klaus mit seiner Erklärung, welche ich ungefragt fortsetzte.

»Er hat mich erschaffen. Nicht absichtlich und er bereut es ganz bestimmt auf Tiefste, aber da war dieser fremde Vampir und dann ist mir ein Baum auf den Kopf gefallen und -«

Jetzt unterbrach Klaus wiederum mich. »Das war die Kurzzusammenfassung.«

Klaus und ich grinsten nun beide den leicht säuerlich dreinblickenden Elijah an, als wären wir zwei Schulkinder, die sich vor ihrem Lehrer wegen einer Dummheit rechtfertigen mussten.

»Fremder Vampir? Es gibt also noch weitere Blutsauger in dieser Stadt?«, fragte Elijah besorgt.

»Mindestens noch einen, aber es ist nicht bewiesen, dass er oder sie noch hier ist«, antwortete Klaus.

»Du hattest versprochen, dass wir hier ungehindert deinen Nachforschungen nachgehen können, Niklaus. Ich bin nicht erfreut über diese Entwicklung.« Dieser Kerl ließ sich seinen Ärger wirklich erstaunlich wenig anmerken. Er behielt seine Kontenance, strich aber auffällig abwertend über seinen edlen Anzug.

»Ich auch nicht. Das können Sie mir glauben«, sagte ich etwas schnippisch zu Elijah. Der hat noch nie was von mir gehört und behandelt mich bereits wie einen Parasiten. »Warum hast du deinem Bruder noch nichts von mir und den ganzen Vorfällen erzählt?«, fragte ich dann Klaus, um es im gleichen Moment schon wieder zu bereuen, überhaupt gefragt zu haben.

Ich konnte eigentlich froh sein, dass Klaus tatsächlich in der Lage war, über etwas zu schweigen. Wiederum könnte das auch bedeuten, dass er mir etwas verschwieg. Aber irgendwie war ich auch beleidigt, dass ich anscheinend so unwichtig ... ach, lassen wir das.

Klaus stand unschuldig grinsend da und ich entschloss, die beiden fossilen Brüder lieber allein zu lassen, um weiteren vollhorstigen Fragen meinerseits vorzubeugen und mich nicht in Urvampirkram einzumischen. Beides könnte eventuell negative Folgen für mich und meine Mission haben.

Ich schlich mich an den Augen der Salvatores vorbei und ging ein wenig vor die Tür, um frische Luft zu schnappen. Stefan bemerkte es dennoch und folgte mir.

»Was ist los, Maria? Wo bist du auf einmal abgeblieben?«, fragte Stefan besorgt und lehnte sich an das verzierte Terrassengeländer. »Ist irgendetwas passiert? Du schaust, als hättest du einen Geist gesehen.«

»So kann man das auch nennen«, kicherte ich, obwohl mir nicht nach Heiterkeit zumute war. »Ich bin gerade dem Bruder von Klaus begegnet. So ein großer, nobler Typ. Dunkle Haare. Erlesene Artikulation. Teurer Anzug mit ...«

»Mit Einstecktuch und auch in schwierigen Situationen ausgewählt höflich?«, ergänzte Stefan schmunzelnd und treffend meine Beschreibung des legendären Elijah Mikaelson. Ich nickte stumm. »Der zweite Urvampir in Eichenstedt. Wenn wir nur einen winzigen Hinweis darauf hätten, was die Mikaelsons hier überhaupt wollen«, fragte Stef sich und ballte die rechte Hand zur Faust. »Es kann doch nicht nur ein nett anzusehendes Nobel-Hotel sein, was sie in diese entlegene Gegend geführt hat.«

Er zerbrach sich sichtlich den Kopf über die geheimen Pläne der Urvampire und schaute nachdenklich in die stille und klare Nacht.

Ich bekam aufs Neue ein schlechtes Gewissen. Denn ich wollte und konnte ihm nichts von der angeblichen Suche nach den Werwölfen sagen. Er würde mir auf der Stelle verbieten, mich da weiter einzumischen, und dann hätte Klaus freie Bahn. Ich hätte nicht mehr unter Beobachtung, was seine nächsten Schritte wären und zu allem Überfluss würden sich Damon und Stefan in die Sache einmischen und einen vampirischen Kleinkrieg vom Zaun brechen. Nein! Auch wenn es mir schwerfiel, ich musste die Sache vor ihnen geheim halten.

Meine Bedenken besänftigte ich damit, dass ich Stefan abermals meine Dankbarkeit für die Hilfe und Unterstützung zum Ausdruck brachte, die er und Damon mir in den vergangenen drei Wochen entgegengebracht hatten. Dann gingen wir wieder rein ins Warme.

Dort wartete unverhofft dieser Mark in seinem Wolfskostüm auf mich und wollte weiter mit mir reden oder so. Darauf hatte ich überhaupt keine Lust und bereute es, ihn nicht auch manipuliert zu haben, mich einfach komplett zu vergessen. Ich bin doch kein Babysitter für einsame Wölfe! Es reichte schon, dass ich es mir selbst zur Aufgabe gemacht hatte, den Oberwolf unter Beobachtung zu halten.

Als Damon bemerkte, dass mich der Typ nervte, hatte er zum Glück einen gescheiten Geistesblitz. Er manipulierte eine seiner leicht bekleideten Flirtpartnerinnen des heutigen Abends, unbedingt mit diesem Loser Mark Wolf tanzen zu wollen.

Den war ich erst mal los.

»Danke, Damon. Ich könnte dich knutschen«, sagte ich, als ich mich zu den Salvatore-Brüdern auf das mit rotem Samt bezogene Sofa fallen lies.

»Tu dir nur keinen Zwang an, Maria, Schätzchen«, antwortete Damon und spitzte erwartungsvoll die Lippen.

»Das war symbolisch gemeint. Bilde dir ja nichts ein«, erwiderte ich, während ich an einem Glas Sekt nippte.

Gerade, als der Abend anfing, doch etwas Spaß zu machen, und ich Damon erst einmal erklärt hatte, dass der Typ aus Jurassic Park, den er heute angeblich darstellte, Dr. Ian Malcom heißt, kam eine von Klaus' manipulierte Servicekraft auf mich zu und steckte mir heimlich einen Zettel zu.

Die Urvampire wollen mich sprechen. Verflixt.

»Ich glaube, ich habe dort drüben jemanden gesehen, den ich kenne. Bin gleich wieder da«, erfand ich schnell eine Notlüge und schlich mich heimlich von dannen.

Ich folgte der Bediensteten in einen Raum im ersten Obergeschoss. Es war ein großes und herrschaftliches Zimmer. Die Wände waren holzvertäfelt und goldene Applikationen schmückten Stuck und Bordüren. Die Gebrüder Mikaelson saßen an einem langen massivhölzernen Tisch und baten darum, dass ich mich dazusetzte. Klaus stelle mich höchstpersönlich seinem Bruder Elijah vor. Dennoch konnte ich mir ein paar grummelige Kommentare nicht verkneifen und zog damit vermutlich noch mehr Unmut auf mich.

Vollhorst at her's best war wohl mein heutiges Motto.

»Beruhige dich, Liebes. Wie schon einmal erwähnt, haben weder ich noch irgendjemand in meiner Familie vor, diese Stadt zu terrorisieren, alle Bürger restlos auszusaugen oder was auch immer du dir sonst über uns vorstellen magst. Um ehrlich zu sein, interessiert uns deine Stadt überhaupt nicht.«

Die Art, wie Klaus deine Stadt betonte und dabei die Augen etwas verdrehte, gefiel mir überhaupt nicht. Es war nicht zu überhören, dass er sich über mich lustig machte. Na ja, das würde ich an seiner statt vermutlich auch.

Als Nächstes behaupteten die beiden Urbrüder, den tatsächlichen Grund ihres Aufenthaltes in Eichenstedt offenbaren zu wollen.

Dann lasst mal hören.

»Es geht hierbei nicht um deine, sondern vielmehr um meine Stadt«, fing Klaus an zu erklären.

»Deine Stadt? Du meinst New Orleans?«, fragte ich skeptisch nach.

»Wie ich sehe, hast du gut aufgepasst.« Klaus grinste erhaben wie ein König, der über sein glorreiches Königreich berichtete. »Durch eine Vielzahl an Unannehmlichkeiten und uns nicht besonders wohlgesinnten Personen mussten wir Louisiana verlassen. Doch wie du dir sicher vorstellen kannst, geben wir Mikaelsons uns nicht so einfach geschlagen. Vielmehr planen wir, New Orleans zurückzuerobern. Mit einer Armee Ur-Werwölfe.«

Ich war kurz sprachlos.

Er will was?

»Du willst diese Werwölfe nur finden, um sie als deine Privatarmee zu versklaven? Du willst diese Leute aus ihrem normalen Leben reißen, um sie für deine imperatösen Machenschaften zu missbrauchen? Und mich - mich nutzt du schamlos aus, um dir bei diesem Wahnsinn auch noch zu helfen?!« Ich konnte meine Empörung nicht für mich behalten.

Klaus und Elijah konnten ihrerseits ihre Enttäuschung nicht verbergen.

»Hast du wirklich geglaubt, sie würde deine Pläne gutheißen, Niklaus?« Elijah schien von Anfang an geahnt zu haben, dass ich mit diesem Unterfangen nicht zufrieden sein würde.

»Sie wird es gutheißen müssen, wenn sie wiederum genau diesen Plan ausnutzt, um mich schnell wieder aus Eichenstedt zu vertreiben. Denn das ist es doch, was dich eigentlich antreibt, mir bei der Suche nach den Wölfen zu helfen. Nicht wahr, Liebes?« Klaus hatte es also erkannt. Das war mir nun auch mehr als egal.

Natürlich will ich ihn loswerden.

»Aber nicht zu diesem Preis! Warum sollte ich dir dabei helfen, dass unschuldige Leute ihr Leben für dich und deine blöde Stadt geben? Das ist Wahnsinn!«, keifte ich ihn an.

Klaus blieb unerwartet gelassen und hörte sich mein Gezeter an.

»Du kannst hier und jetzt sagen, dass du deine Unterstützung beendest, Maria.« Klaus Tonlage veränderte sich hörbar. »Du kannst sofort zu deinen Salvatores rennen und ihnen alles erzählen. Aber du weißt genau, dass mich das nicht von meinem Vorhaben abbringen wird. Dank dir habe ich bereits wichtige Informationen und Namen erhalten und diese Hexenbücher kann ich mir mit Leichtigkeit auch ohne dein Zutun besorgen«, unterbreitete er mir seine Überlegenheit, während er sich genüsslich einen Schluck Bourbon einverleibte.

»Das werde ich zu verhindern wissen! Du rührst niemanden an, keine Hexen und auch keine Werwölfe! Es wird keine unschuldigen Opfer zu deinen Gunsten geben!« So langsam wurde der Ton rauer und die Argumente lauter vorgetragen, bis Elijah uns schließlich unterbrach.

»Ich störe euren temperamentvollen Flirt ja nur ungern, aber können wir zum Wesentlichen dieses Treffens zurückkehren?« Der sonderbare Kauz im edlen Zwirn wischte sich die Hände mit seinem Einstecktuch sauber, nachdem er ein Stück Gebäck geknabbert hatte, während er Klaus und mir beim Streiten zusah.

Offenbar hat ihn das auch noch amüsiert.

Klaus beteuerte daraufhin zwar, niemanden der Wölfe zu etwas zwingen zu wollen, um mich wieder etwas zu besänftigen. Unsere besinnliche Vampirrunde konnte dennoch zu keiner Einigung kommen. Mein Vertrauen war erst einmal dahin.

»Ich verstehe dich, Maria«, behauptete Elijah, der bislang kaum an dem Gespräch beteiligt gewesen war. »Wer, wenn nicht wir Mikaelsons könnten besser verstehen, dass man sich für seine Stadt und seine Familie einsetzt? Deswegen schlage ich dir ein Geschäft vor.«

Das meint er doch nicht ernst?

»Wir könnten im Gegenzug für deine Unterstützung dabei behilflich sein, diese unbekannten Vampire aufzuspüren, die in Eichenstedt bereits für Chaos gesorgt haben und sie unschädlich machen.«,

Ich muss gestehen, dass ich diesem Vorschlag durchaus etwas abgewinnen konnte. Doch fühlte es sich dennoch an, wie ein Pakt mit Teufeln. Es würde nichts an ihrem Plan ändern, die hiesigen Werwölfe für sich auszunutzen.

Fürs Erste hatte ich genug Urvampir-Versprechen gehört, für einen Abend. Meine Gedanken und Gefühle fuhren Achterbahn und ich wollte und konnte nichts mehr sagen. Wortlos verließ ich den Raum und ging zurück zu Damon und Stefan. Die Ur-Brüder hielten mich nicht auf.

Anders, als sie es vermutlich dachten, erzählte ich den Salvatores weiterhin nichts von Klaus' Plänen und meinem Wissen darüber. Ich musste das alles zunächst für mich selbst verarbeiten. Wenig später verließen wir die Faschingsparty und hier sitze ich nun. Allein mit meinem Tagebuch und noch mehr Schwierigkeiten.

Was soll ich nur tun?

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