»WÄRE ICH KEIN URVAMPIR, DANN WÄRE ICH JETZT TOT«

~ 12. März 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,


in der heutigen Nacht schlief ich erneut eher schlecht als recht. Luisa hatte gestern den ganzen Tag kaum ein Wort mit mir gewechselt. Ihr geht das alles vermutlich sehr nahe und sie muss selbst erst mal eine Lösung für sich finden, damit umzugehen.

Und auch ich hatte vieles, über das ich nachdenken musste. Zum Beispiel ging mir mein unfreiwilliges Zusammentreffen mit Walther nicht aus dem Sinn und ich ahnte, dass genau das seine Absicht dabei war. Er will mich verwirren und dafür sorgen, alles und jeden noch einmal zu hinterfragen. Doch an diesem Punkt war ich bereits vor Wochen und ich habe meine Entscheidung getroffen. Da kann er noch so viele Anekdoten zum Besten geben.

Außerdem wollte ich einfach nicht akzeptieren, dass Alaric uns seine Hilfe verweigerte. Es musste doch eine Möglichkeit geben, ihn davon zu überzeugen, uns weitere Informationen über den Werwolfsgürtel zu liefern. Natürlich nicht auf die kläusische Art. Ich hoffte sehr, dass er seine Meinung von allein ändern würde.

Heute Morgen überlegte ich, ob es vielleicht noch etwas Greifbareres gab, was wir eventuell übersehen hatten. Wo könnte es noch ein Schlupfloch geben?

Die Bücher!

Plötzlich kam mir der Gedanke, dass in den Hexenbüchern von Martha noch weitere Hinweise versteckt sein könnten. Nicht umsonst wollte Edith diese so dringend haben. Ich konnte nur hoffen, dass Edith sich diese Bücher nicht bereits selbst angeeignet hatte. Ansonsten sollten wir vielleicht in Marthas nun leer stehendes Haus nachsehen, ob wir dort etwas Brauchbares finden können.

Ich rief sofort Freya an, um ihr von meiner Idee zu berichten. Sie war sofort einverstanden, dass wir uns in dem Haus mal umsehen. Martha selbst würde keine Informationen rausrücken, sie hatte ihren Standpunkt deutlich gemacht. Also vereinbarten wir ein Treffen am Hexenhäuschen unseres Ehrengastes.

Als Luisa merkte, dass ich schon wieder auf den Strümpfen war, sah sie sehr besorgt aus.

»Na, wieder in geheimer Mission unterwegs?«, fragte sie mit einem Augenzwinkern.

»Pass auf dich auf, Schwesterherz«, sagte ich lediglich.

Ich dachte, es würde einfacher werden, in diese Abenteuer zu ziehen, wenn Luisa erst einmal über alles Bescheid wusste. Aber nun wusste meine Schwester, in welche Gefahren ich mich begab und ich konnte sehen, wie sehr sie das belastete.

»Ich bin bald wieder da. Mach niemandem die Tür auf«, sagte ich zu ihr, als ich aus der Wohnungstür hetzte.

Nur allzu gerne hätte ich meine Zwillingsschwester in den Arm genommen und ihr gesagt, dass das alles nicht wahr ist und ich mir die ganzen Geschichten nur ausgedacht habe. Aber leider war dem nicht so. Wir beide mussten nun mit dieser Wahrheit leben.

Als ich an Marthas Haus ankam, hörte ich von weitem bereits Kols Mustang anrollen.

»Kol wartet vor dem Eingang und hält das Fluchtfahrzeug bereit, während wir uns da drinnen mal umschauen«, sagte Freya, als sie ausstieg und auf mich zukam. Anschließend betraten wir Marthas Vorgarten.

»Und was ist, wenn das Haus durch einen Schutzzauber gesichert ist?«, fragte ich.

»Dann schaffe ich es, diesen Zauber zu brechen«, antwortete Freya selbstbewusst.

Als ich mich umsah, konnte ich zumindest keine Tauben entdecken, was mir allerdings irgendwie seltsam vorkam. Edith ist uns doch sonst immer einen Schritt voraus. Wieso sollte sie das Haus ihrer Schwester unbewacht lassen? Es sei denn, die Bücher und alles, was wichtig sein könnte, war wirklich nicht mehr dort drin.

»Die Tür ist nicht abgeschlossen« Freya öffnete vorsichtig die Tür, was meine Befürchtungen nur noch bekräftigte und auch Kol warnte uns, dass wir möglicherweise in eine Falle liefen.

»Oder wir sollen nur denken, dass es eine Falle ist«, antwortete ich ihm, in Anlehnung an seine Vermutung über die Hexenwarte, die uns als Versteck zu offensichtlich vorkam.

»Oder, sie weiß, dass wir denken, dass sie denkt, dass wir wissen, dass das es eine Falle ist.«

Freya und ich ignorierten Kols linguistische Künste und gingen vorsichtig ins Haus. Wir hatten zu viele Fragen, die nach einer Antwort verlangten. Wir mussten es riskieren.

Das Haus schien leer zu sein. Auch wenn seine Bewohnerin noch nicht lange fort war, hatte es dennoch etwas von einem Spukhaus. Ganz vorsichtig schlichen wir in den Räumlichkeiten herum, die wir noch hell, warm und freundlich in Erinnerung hatten. Nun war alles kühl und dunkel und Marthas Teeservice stand da, als wäre sie nicht mehr dazu gekommen, sich einen Tee zu brühen.

Freya ging in den Raum, aus dem Martha damals die Bücher geholt hatte. Der Raum schien eine Art Hobby-Zimmer zu sein. Es befanden sich viele massivhölzerne Schränke darin, schwere Regale und eine alte Nähmaschine. Es herrschte eine sympathische Unordnung. Wie auch der Rest der Wohnung, schien die Einrichtung zum größten Teil aus den 80er und 90er-Jahren zu stammen. Jedes Teil neueren Datums stach einem sofort ins Auge. Freya und ich schauten in allen Schränken nach, öffneten jede Schublade. Doch außer Nähgarn, Wolle und allerhand anderem Krimskrams, den nur Großmütter aufzuheben in der Lage sind, fanden wir nichts.

Dann entdeckte Freya jedoch eine Schranktür, die sich nicht öffnen ließ.

»Da ist es«, sagte sie in der Erwartung, darin die Hexenbücher zu finden.

Dann machte sie mir Platz, damit ich versuchen konnte, den Schrank mit einem gezielten Vampirkick aufzutreten. Als ich noch darüber nachdachte, dass wir darin vermutlich nur Einmachgläser oder Süßigkeiten für die Enkelkinder finden würden, kam uns in Wahrheit etwas ganz anderes entgegen.

Zwei Tauben.

Plötzlich ging alles furchtbar schnell.

Als Freya und ich realisierten, dass wir in eine Falle gerannt sind und das Haus so schnell wie möglich verlassen wollten, stellten sich uns drei Untergrund-Vampire in den Weg. Einer davon schleuderte mich quer durch den Raum, sodass ich mit dem Kopf an der Kante eines Schrankes aufschlug und ohnmächtig liegen blieb.

Als ich wieder aufwachte, war Freya nirgends zu sehen. Ich taumelte nach draußen und fand dort Kol auf dem Boden hockend vor. Er versuchte, sich einen Holzpfahl aus dem Rücken zu ziehen.

»Verdammt, Kol! Was ist passiert?«, rief ich und eilte ihm zu Hilfe.

»Das wüsste ich auch zu gerne«, keuchte er. »Hilf mir mal, dieses Ding aus mir rauszuziehen. Am besten so, dass keine Splitter drin bleiben.«

Ich versuchte mein Bestes und fing an, den Holzpfahl aus Kols Rücken zu entfernen.

»Danke dir. Wäre ich kein Urvampir, dann wäre ich jetzt tot. Die müssen eine Armbrust oder etwas in der Art gehabt haben.«

Während Kol noch vor sich hin fluchte, suchte ich weiter nach Freya.

»Wo ist meine Schwester?«, nun realisierte auch Kol Freyas Fehlen.

Ich war den Tränen nahe. »Es tut mir so leid. Ich hätte das nicht vorschlagen sollen. Wir sind genau in Ediths Falle getappt. Das ist alles meine Schuld.«

Freya, meine gute Freundin und mächtige Hexe war nun eine Gefangene unserer Feindin. Ich fühlte mich schuldig daran. Leider entsprach ich mit diesem mitleiderregenden Verhalten genau der Person, die Walther in mir sah, was mit gleichzeitig ungeheuer wütend machte.

»Hör auf zu flennen, Maria. Das hilft uns jetzt auch nicht weiter«, sagte Kol, nachdem ich ihm mit meinen ständigen Entschuldigungen wohl auf die Nerven ging.

Ich hasste mich in diesem Moment selbst am meisten. Nicht nur, wegen dieser Falle, sondern auch dafür, dass Walther mich so gut kannte. Oder redete ich mir das nur ein, weil er mir all diese Dinge an den Kopf geworfen hatte? Da war er wieder, der Knoten in meinem Kopf. Das durfte ich nicht zulassen. Ich wünschte, ich hätte die Abgebrühtheit eines Mikaelsons.

Kol hatte diese, und während ich noch mit meinen inneren Dämonen kämpfte, nahm er sein Handy und rief ausgerechnet Klaus an. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, wie er reagieren wird, wenn er von meiner Pleite erfuhr.

»Böse sein ist dir nicht in die Wiege gelegt worden, ebenso wenig gewinnen«, hörte ich erneut Walthers Worte nachklingen.

»Nik, hör zu. Unser Plan ist nach hinten losgegangen. Sie haben Freya entführt«, versuchte Kol seinem impulsiven Bruder vorsichtig zu erklären, was geschehen ist.

Klaus tobte am anderen Ende der Leitung erwartungsgemäß. »Wie zur Hölle ist das passiert? Was für ein Plan?«

Kol erzählte Klaus, was wir in Marthas Haus wollten. Allerdings erwähnte er nicht, dass es eigentlich meine Idee war und, dass ich neben ihm stand.

»Du kannst am Ende dann wieder sagen, ich war es nicht, ich hatte nur gute Absichten. Tut der lieben kleinen Maria nichts!« Der Walther in meinem Kopf lief auf Hochtouren.

»Wer ist noch bei dir?«, wollte Klaus dann schließlich wissen.

»Maria ist auch hier. Ihr geht es gut. Wir sind schon auf dem Weg zurück.« Kol legte auf und raste zurück zu seinem Auto, wo uns bereits die nächste Überraschung erwartete.

»Diese Drecksäcke haben alle Reifen zerstochen! Wenn ich die in die Finger kriege, können sie sich warm anziehen!« Kols Laune rutschte sekündlich weiter in den Keller und ich befürchtete, dass er gleich einen der Begrenzungszäune an seiner Wut teilhaben ließ. »Dann müssen wir eben laufen. Los, komm.«

Er rannte los, allerdings zunächst in die falsche Richtung.

»Wir müssen da lang«, rief ich ihm schniefend hinterher.

»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«

»Weil du nicht gefragt hast.«

Kol wurde griesgrämiger als Klaus, wenn er schlechte Laune hatte. Kein Wunder, dass er in den letzten Jahrhunderten des Öfteren mal durch seine Geschwister erdolcht und somit ruhig gestellt wurde.

»Wusste Klaus nichts davon, dass ich die Idee mit den Hexenbüchern hatte?«, fragte ich ihn auf halber Strecke.

»Nein, Nik war unterwegs, um die Gegend nach Walther abzusuchen. Die Tatsache, dass dieser Freak uns anscheinend persönlich kennt, macht ihn ganz fuchsig«, erklärte Kol, der sich wieder etwas beruhigt hatte – für seine Verhältnisse. »Aber wir haben die Idee für gut befunden, also kein Grund für Selbstmitleid. Uns Mikaelsons bringt niemand in Gefahr, das schaffen wir von ganz alleine.«

»Deshalb suchst du dir böse Freunde aus, die für dich die Drecksarbeit machen.« Kann mal jemand meinen Kopf-Walther erdolchen? Der ist ja nerviger als das Original.

Es fühlte sich noch nie so schlecht an, bei der Villa Mikaelson anzukommen. Rebekah war die Erste, die auf uns zu gerannt kam, als wir eintrafen. Elijah und Hayley kamen gerade die Treppe herunter.

»Was ist mit unserer Schwester passiert?«, fragte Elijah. Die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben.

»Es ging alles ganz schnell«, begann Kol die eben erlebte Situation zu erklären. »Sie haben mich zuerst gepfählt und dann das Genick gebrochen. Sie wussten, dass wir kommen würden. Edith war uns einen Schritt voraus.«

»Und hat Freya gefangen genommen. Jetzt steht es Geiselnahme gegen Geiselnahme«, ergänzte ich noch völlig neben der Spur stehend.

Auf einmal geschah etwas mit mir, was ich selbst nicht erklären konnte. Ich spürte eine Wut in mir, einen Zorn wie er stärker nicht hätte sein können. Es war, als hätte jemand einen Schalter bei mir umgelegt.

»Lass es raus, Maria. Hör auf, diese mitleiderregende Person zu sein, die zwanghaft versucht, die Gute in der Geschichte zu sein.« Walther will meine Wut – er soll sie haben!

Ich ging schnellen und entschlossenen Schrittes nach oben, zu dem Zimmer, indem Martha und Linda eingesperrt waren. Ich riss die Tür so kräftig auf, dass sie fast aus den Angeln fiel. Martha und Linda erschraken fast zu Tode, aber das war mir egal.

»Bist du von allen guten Geistern verlassen? Was soll denn das?«, schrie mich Linda an.

»Ihr sagt mir jetzt sofort, wo sich Edith derzeit aufhält und wo überall sie ihre Verstecke hat! Sonst hat eure bevorzugte Behandlung hier bald ein Ende«, brüllte ich zurück.

Um meine Wut zu unterstreichen, legte ich mein gruseligstes Vampirgesicht auf. Inklusive Reißzähnen, versteht sich.

»Was ist denn plötzlich in dich gefahren, Maria?« Linda schien wirklich Angst vor mir zu haben und stellte sich schützend vor ihre Oma.

»Deine nette Großtante hat Freya entführt. Und ihr sagt mir jetzt, wo sie ist. Sofort!«

Nun meldete sich Martha zu Wort, die erneut erstaunlich sachlich blieb. Dennoch schaute sie mich mit einem solch finsteren Gesichtsausdruck an, den ich der netten älteren Dame niemals zugetraut hätte.

»Ich hatte dich gewarnt, Maria. Du hast uns als Geiseln, Edith hat deine Freundin Freya. Wie fühlt sich das an? An deiner Stelle wäre ich sehr vorsichtig mit dem, was du als Nächstes tust. Meine Schwester ist auf alles vorbereitet und auf jeden.«

Sie sprach von Luisa und meiner Familie. Edith wusste ebenso wie Walther alles über mich. Das war eine offene Kriegserklärung und diese brachte das Fass bei mir zum Überlaufen.

Gerade als ich zu ihnen in das Zimmer stürzen wollte, um ihnen meine Fangzähne von Nahem zu zeigen, hielt mich Hayley im letzten Moment davon ab.

»Beruhige dich erst mal, Maria. Die beiden wissen nichts über Ediths Pläne. Es hilft uns nicht weiter, wenn du ihnen etwas antust. Ich weiß, wie schwer es ist, in so einer Situation deine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Aber ich weiß auch, dass du das, was du da gerade tun wolltest, für immer bereuen würdest. Es würde dich zerstören. So bist du nicht.«

»Woher wills du das wissen?«, schrie ich sie an. »Vielleicht bin ich nicht das liebe kleine Mädchen – nicht das Opfer in dieser Geschichte? Möglicherweise wird es Zeit, dass ich endlich tätig werde und meinen Feinden zeige, dass mit mir zu rechnen ist, wenn sie es wagen, mich zu bedrohen!«

»Maria, was ist denn los mit dir?« Rebekah schaute mich mit ungläubigen Augen an. »Du bist ja völlig von Sinnen.«

Hayley und ich setzten uns auf die Treppe.

»Atme erst mal tief durch«, sagte sie zu mir und legte ihre Hand auf meine Schulter. Ich konnte allerdings auch ihre Angespanntheit spüren. Dieser Vorfall ging an uns allen nicht spurlos vorbei.

Unten in der Empfangshalle war gerade Klaus dabei, seiner Wut lautstark Ausdruck zu verleihen. Er diskutiere und gestikulierte wild umher und drohte Edith die fieseste Rache überhaupt an.

Warum durfte er das und ich nicht? Warum wollen mich alle immer genau so haben, wie ich ihnen am genehmsten war? Walther will mich wütend, die Salvatores brav und die Mikaelsons wollen das liebe Mädchen – den Lichtblick in ihrem dunklen Dasein.

»Wir werden sie finden und dann wird sie am eigenen Leib spüren, was es bedeutet, sich mit unserer Familie anzulegen!«, brüllte Klaus.

»Niklaus, wir dürfen jetzt nichts überstürzen« Elijah versuchte, seinen Bruder zu beruhigen, aber an seinem finsteren Ausdruck erkannte ich, dass auch in ihm alles nach Rache schrie. »Edith hat unsere Schwester und wir wissen nicht, wo sie sie versteckt hält. Aber sie scheint auf jeden unserer Schachzüge vorbereitet zu sein. Ihre Tauben und die Untergrund-Vampire und sogar die Werwölfe überwachen alles.«

Ich konnte gar nicht beschreiben, wie ich diese Viecher mittlerweile hasste. »Eigentlich sind Vögel meine Lieblingstiere. Aber im Moment könnte ich jeder verdammten Taube die Flügel ausreißen«, sagte ich zu Hayley, die immer noch tröstend ihren Arm auf meiner Schulter legte.

Plötzlich wendete sich Rebekah an mich. »Maria, du kennst dich in dieser Region besser aus als wir. Hast du irgendeine Idee, wo sich Edith versteckt haben könnte? Ein leeres Gebäude oder so was.«

»Entlang der Bahnschienen gibt es viele leere Gebäude und Ruinen«, antwortete ich und überlegte weiter, was mir half, mich zu beruhigen. »In der Weiherstraße ist ein riesiger leer stehender Gebäudekomplex.«

»Das ist nicht weit weg von hier«, sagte Elijah und entschied, sich mit Rebekah dort sofort einmal umzusehen.

Beim Gehen drehte er sich noch einmal zu seinem tobenden Bruder um. »Mach nichts Dummes, Niklaus.« Dann warf er mir einen ebenso mahnenden Blick zu und verschwand.

Klaus grummelte weiter vor sich hin und ging schließlich die Treppe hinauf, wo Hayley und ich saßen. Hayley stand daraufhin auf und ließ mich mit dem alten Grummelkopf alleine.

»Kümmere dich ein bisschen um sie. Sie steht noch etwas neben sich«, sagte Hayley und ging in Hopes Zimmer.

Ich war mir nicht sicher, ob es eine gute Idee war, dass ausgerechnet Klaus sich um mich kümmern sollte. Immerhin war es meine Schuld, dass Freya entführt wurde. Das zumindest redete ich mir ein, während Walthers Stimme in meinem Kopf mir noch ganz andere Dinge vorwarf.

Tatsächlich hatte Klaus' Nähe seltsamerweise einen beruhigenden Einfluss auf mich. Ausgerechnet er. Gerade erst wurde ich Zeuge, wie er reagiert, wenn er wütend ist. Ich fragte mich unweigerlich, ob Klaus auch mir gegenüber solche Aggressionen gezeigt hätte, wenn ich damals nicht kooperiert, sondern ihm den Kampf erklärt hätte.

Waren wir wirklich nur deshalb Freunde, weil ich ihm nicht im Weg stand?

»Es war meine Idee, in Marthas Haus nach den Büchern zu suchen«, gestand ich ihm. Ich wollte nicht fein raus sein, aus dieser Situation. »Und ich muss dir noch etwas gestehen«, sprach ich weiter und hielt es an der Zeit, auch ihm von meiner Schwester Luisa zu erzählen.

»Nicht heute, Liebes«, sagte er, reichte mir die Hand und half mir auf die Beine.

Ich war etwas wackelig und seinem besorgten Gesichtsausdruck entnahm ich, dass ich mal wieder aussehen musste, als würde mich jeden Augenblick das Zeitliche segnen.

Klaus ging mit mir in den Saal, in dem wir damals mit Damon und Stefan saßen, um über unser geheimes Abkommen zu sprechen. Dann rief er eine seiner manipulierten Bediensteten zu uns.

»Simone, sei so gut und lass die junge Dame einen Schluck trinken«, befahl er.

In der Tat war ein wenig aderfrisches Blut genau das, was ich in diesem Moment gebrauchen konnte. Allerdings hatte ich in meinem desolaten Zustand große Mühe, den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören zu finden. Simone lächelte die ganze Zeit stumm vor sich hin. Schon etwas gruselig, diese manipulierten Blutspender.

»Wissen deine heiligen Salvatores davon, dass du hin und wieder auf der Jagd bist, um frisches Blut zu trinken?« Halt endlich deine Klappe, Walther!

Klaus stand während der gesamten Zeit wortlos am Fenster und schaute nach draußen und ahnte nicht, gegen welche innere Stimme ich die ganze Zeit ankämpfte. Aber als ich ihn so ansah und spürte, wie ruhig Klaus bereits wieder war, konnte auch ich wieder zu mir selbst finden. Ich musste lernen, besser abzuschalten, sonst würden meine eigenen Emotionen eines Tages mein größter Feind werden.

Als ich fertig war mit Trinken, konnte sich die arme Simone kaum noch auf den Beinen halten.

»Das war wohl ein wenig zu viel, schätze ich«, sagte ich zu der armen Person, aber sie lächelte immer noch. »Es tut mir leid, Klaus«, wollte ich mich für mein Desaster mit Freya bei Klaus persönlich entschuldigen.

»Im Krieg muss es einem erst dann leidtun, wenn man ihn verloren hat.« Klaus' Art und Weise mich zu trösten, war naturgemäß sehr eigenwillig. »Man muss nur wissen, wie selbst eine Niederlage zum eigenen Vorteil genutzt werden kann. Freya ist eine Mikaelson. Sie wird sich schon nichts gefallen lassen.« Dann schickte er Simone wieder aus dem Raum.

»Ich hoffe, dass ich eines Tages genauso gut mit solchen Situationen umgehen kann, wie ihr. Bisher macht mich das alles einfach nur fertig.«

»Ich finde, du machst das sehr gut«, sagte Klaus, bevor er sich stumm umdrehte und den Saal zusammen mit Simone wieder verließ.

Ich entschied daraufhin, erst mal nach Hause zu gehen und diesen Schock zu verarbeiten. Auf dem Weg nach unten kam ich an einem Spiegel vorbei. Darin blickte mich meine eigene blutverschmierte Fratze an. Meine Augen waren rot unterlaufen, die Venen im Gesicht standen hervor und meine Reißzähne blitzten auf. In diesem Moment realisierte ich, dass ich ein Monster war. Egal welche guten Absichten ich verfolgte. Vielleicht war es das, was Walther mir sagen wollte.

Ich bin und bleibe eine Bestie.

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