»TU DAS, WAS DEIN FEIND AM WENIGSTEN VON DIR ERWARTET«

~ 12. Februar 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,

das Wochenende verbrachte ich zum Großteil in meinem Zimmer. Ich dachte über den vergangenen Freitag und die Pläne der Urvampire nach. Wie ich es auch drehte und wendete, ich wurde das Gefühl nicht los, im Glauben das Richtige zu tun, genau das Gegenteil bewirkt zu haben.

Nun hatte Klaus bereits wichtige Informationen erhalten und konnte jeder Zeit zur Gefahr für Linda und ihre Großmutter werden und vielleicht auch für alle anderen. Zumindest dann, wenn ich nicht, wie verabredet, morgen einen Blick in diese ominösen Hexenbücher werfe. Ich stecke in der Zwickmühle, liebes Tagebuch. Ich hätte nie erwartet, dass ich einmal solche Dinge in dir schreiben müsste und ich hätte sehr gern darauf verzichtet.

Was konnte ich schon gegen diesen Klaus und seine verbrecherische Familie ausrichten? Im Zweifel beseitigt er mich einfach, wenn ich zu viel herumnerve und zieht sein Ding soundso durch. Wie konnte ich nur denken, dass ich das verhindern kann?

Doch Stefan und Damon um Hilfe zu bitten, erachtete ich weiterhin als strategisch falsch. Das wäre genau das, von dem die Mikaelsons ausgehen. Tu das, was dein Feind am wenigsten von dir erwartet. Ich habe keine Ahnung, ob ich mit diesem Motto künftig besser als Retterin der Stadt Eichenstedt abschneiden werde, aber einen Versuch ist es Wert.

Am heutigen Montag konnte ich mich zum Glück auf Arbeit etwas von dem ganzen Vampirtheater ablenken und war heilfroh, keine Meldungen über gefundene Leichen mit ungeklärter Todesursache erhalten zu haben. Alles war wie immer. Gesprengte Geldautomaten, Jugendliche mit Drogen im Zug erwischt – der übliche provinzielle Kram eben. Alles andere hätte die Lage mitunter noch weiter verkompliziert. Denn neben den nun stetig mehr werdenden Urvampiren, steht nach wie vor die Frage im Raum, was es mit den unbekannten Vampiren auf sich hat, die mich angegriffen und einen Mann getötet haben. Sind sie noch in Eichenstedt? Waren es Einzeltäter, gehören sie einer ganzen Gruppe Unruhestifter an oder haben am Ende doch die Mikaelsons selbst ihre uralten Finger im Spiel?

Eigentlich wollte ich nicht länger über all das nachdenken, aber da hatte ich die Rechnung ohne meine Kollegen gemacht. Die wollten unbedingt wissen, wie denn diese Faschingsparty in der Villa Mikaelson war.

»Ging so«, lautete meine knappe Antwort.

Und das war nicht mal gelogen. Es ging schließlich so einiges an jenem Abend. Leute aussaugen, Streitgespräche mit den Uris und der ganze übliche Kram. Ich hatte beabsichtigt, mit meiner unfreundlichen Antwort deutlich zu machen, dass ich keine Lust hatte, über diesen Abend zu sprechen. Prompt folgte allerdings eine Frage, die mir abermals verdeutlichte, dass ich definitiv das falsche Kostüm getragen hatte.

»Na, Rotkäppchen, hast du wenigstens den großen bösen Wolf getroffen?« Mein Kollege Franz grinste mich hämisch an und wackelte dabei mit den Augenbrauen.

Und ob ich das habe.

»Den ein oder anderen. Aber keiner von ihnen konnte mich vom rechten Weg abbringen«, antwortete ich stolz.

Ob das auch wirklich stimmte, sollte die nahe Zukunft zeigen. Schließlich lag es nun an mir, zu verhindern, dass der böse Wolf, der eigentlich ein tausend Jahre alter Hybridenarsch ist, irgendwelche ahnungslosen Werwölfe für seine Zwecke versklavt. Aber von alledem wusste in diesem Radio niemand etwas. Ein Hoch auf die Unwissenden. Mögen die Bäume dieser Welt ihnen stets gewogen sein.

Glücklicherweise ließ kurze Zeit später die Fragerei über den Faschingsabend des Grauens nach und ich konnte in Ruhe weiterarbeiten. Als es Zeit für den Feierabend wurde, freute ich mich, meine beiden netten Vampirfreunde Damon und Stefan bei Alarics zweitem Okkultismuskurs wiederzusehen, der an diesem Abend auf dem Plan stand. Außerdem freute ich mich auf Linda, unsere unwissende Schlüsselfigur in diesem Spiel. Nur gut, dass auch sie keine Ahnung hatte, dass sie durch meine Vollhorstigkeit ganz oben auf Klaus' Liste interessanter Leute stand. Eigentlich wollte ich ja die Bürger dieser Stadt schützen. Zumindest bei ihr und ihrer Großmutter ist mir das nicht geglückt.

Nach acht mehr oder weniger vampirfreien Arbeitsstunden war ich wieder mittendrin im Drama. Und eben dieses erwartete mich gleich am Ausgang des Funkhauses, mit teurem Anzug und Einstecktuch – Elijah Mikaelson.

»Ich bin gekommen, um dich zu warnen, Maria.« Er kam gleich zur Sache, wenn auch, wie gewohnt, mit ausgewählter Höflichkeit. »Ich kenne meinen Bruder und seine Marotten bereits seit über eintausend Jahre. Ich rate dir, dich besser nicht mit ihm anzulegen. Mehr noch als ihm, liegt es mir fern, dieser Stadt irgendeinen Schaden zuzufügen. Doch sei dir einer Sache gewiss – Niklaus hat bislang noch niemanden mit Samthandschuhen angefasst, der sich ihm in den Weg gestellt hat. Es wundert mich ohnehin, dass du noch hier bist, nachdem du ihn letzte Woche bedroht hast«, sagte Elijah und schaute mich dabei eindringlich an. »Du bist ganz schön kühn, Maria.«

Ach, das mit der Drohung auf dem Parkplatz hat Klaus dann also doch noch erzählt. Da werden sich die beiden schön über mich amüsiert haben.

»Ich bin mir durchaus darüber bewusst, wer Klaus ist und zu was er fähig ist. Ich weiß auch, dass es für mich ein Kampf David gegen Goliath ist und ich in diesem Fall den Kürzeren ziehen würde. Aber ich könnte es einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, tatenlos mit anzusehen, wie er unschuldige Menschen verletzt oder Leute für seine Zwecke ausnutzt«, konterte ich bestimmt.

»Deine Fürsorge und dein Einsatz für diese Stadt ehren dich, Maria. Ihr beide seid euch ähnlicher, als ich dachte. Sieh das als etwas Gutes an. Andernfalls hätte mein Bruder längst härtere Schritte gegen dich eingeleitet. Ihm scheint etwas an dir zu liegen«, antwortete Elijah mit einem vornehmen Lächeln.

Sollte mich das etwa besänftigen?

»Für Klaus bin ich doch nur ein lästiger Unfall, den er jetzt für seine Zwecke ausnutzen will. Ihm liegt nichts an niemanden«, erwiderte ich gleichgültig.

Plötzlich hörte ich hinter mir Linda nach mir rufen.

»Ist das die kleine Hexe, die du aufgespürt hast?« Elijah prägte sich Linda sorgfältig ein. »Wenn wir erst einmal Genaueres über sie und ihre Großmutter wissen, brauchen wir deine Hilfe vielleicht nicht mehr«, sagte er mit tiefernstem Unterton. »Aber bedenke – Niklaus hat nicht mit jedem so viel Geduld, wie mit dir.« Elijah hatte es wirklich drauf, so formvollendet wie nur möglich, Drohungen auszusprechen.

»Lassen Sie Linda und ihre Großmutter in Ruhe«, fauchte ich ihn an. »Ihr habt eure eigene Hexe. Die beiden haben euch nichts getan.«

»Dann überlege dir gut, was du als Nächstes tust, Maria.«

»Schickt Klaus eigentlich immer seinen älteren Bruder vor, wenn es um Drohungen geht? Warum schreibt er mir nicht einfach wieder eine SMS?« Ich versuchte, so zu klingen, als ob Elijahs Drohungen keinen Eindruck bei mir schinden würden.

Dieser lachte auf eine ebenfalls recht noble Weise und rückte dabei die Ärmel seines edlen Anzugs zurecht. »Es war nicht Niklaus, der mich geschickt hat, falls du das denkst. Ich habe mich selbst dazu entschlossen, um dich davon abzuhalten, ihn auf irgendwelche wahnsinnigen Ideen zu bringen, mit deinem Dickkopf. Tatsächlich habe ich meinen Bruder die letzten Tage kaum gesprochen. Er pflegt es, derzeit zu schweigen, über alte Mythen und Legenden des Harzes zu brüten und zwischendurch Bilder zu malen«, erzählte Elijah.

Letzteres brachte mich zum Schmunzeln. »Klaus malt? Was es nicht alles gibt«, dachte ich laut.

»Malen ist für ihn eine Metapher für Kontrolle. Tu dir selbst den Gefallen und gib Niklaus nicht das Gefühl, ihm diese Kontrolle streitig machen zu wollen«, ergänzte Elijah in einem gebieterischen Ton, ging einen Schritt auf mich zu und schaute mir tief in die Augen.

»Es geht hier um unschuldige Menschen, Elijah. Ich kann mich da nicht raushalten«, protestierte ich abermals und ging einen Schritt zurück.

Seit dem Tag meiner Verwandlung trank ich jeden Morgen einen Schluck Eisenkraut. Kein Urvampir konnte mich dadurch manipulieren. Dennoch war es mir unangenehm, derart herausfordernd angeguckt zu werden.

»Glaube mir, dass Niklaus nichts vorhaben wird, was diesen Wölfen schaden könnte. Er ist selbst zur Hälfte Werwolf, wie du sicher weist, und hat zeitlebens darunter gelitten, nicht unter seinesgleichen aufgewachsen zu sein. Er denkt, dass er den Wölfen einen Gefallen tut, indem er ihnen ihre wahre Identität zurückgibt.«

»Ich denke, er will nur seine Vergangenheit kompensieren, indem er sich als großer Alphawolf aufführt«, widersprach ich dem Urvampir erneut.

Nun packte mich Elijah an den Schultern und begann schon fast flehend zu klingen. »Behalte deine ehrenwerten Ziele, der Stadt und diesen Wölfen zu helfen vor Augen, Maria. Tu, was du für richtig hältst, wenn du der Meinung sein solltest, dass Niklaus sich nicht an seine Versprechen hält. Aber bitte, suche noch einmal das Gespräch mit ihm, um einen Kompromiss zu finden. Nur so bist du in der Lage selbst die Kontrolle zu haben, ohne ihm das Gefühl zu geben, ihn aufhalten zu wollen.«

»Gut.« Mehr konnte ich zunächst nicht sagen, weil in meinem Kopf die Gedanken Karussell fuhren. »Ich rede noch einmal mit Klaus. Nach dem Kurs komme ich zur Villa und wir setzten uns an den Verhandlungstisch«, stimmte ich schließlich zu.

Elijah schaute erleichtert. »Vielen Dank für deine Einsicht. Wie ich sehe, bist du die Vernünftigere von euch beiden. Es ist der beste Weg für dich, die zu beschützen, die dir wichtig sind.«

Elijah verschwand in Vampirgeschwindigkeit und ich stand da und dachte darüber nach, dass ich aus dieser Nummer wohl nicht mehr rauskommen würde. Ich Vollhorst. Hoffentlich hatte Elijah recht und ich konnte mit einem Kompromiss zwischen Klaus und mir das Schlimmste verhindern.

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