»SIE WAR ES, DIE UNS DIESE BILLIGEN RINGE ANGEDREHT HAT!«
~ 01. April 2018 ~
LIEBES TAGEBUCH,
die restliche Nacht machten Luisa und ich kein Auge zu. Wir redeten noch sehr lange über all das, was in den letzten Stunden passiert war. Wir hofften, dass das Schlimmste nun vorbei sei, aber ich ahnte, dass das Abenteuer erst jetzt richtig beginnen würde. Bereits am Morgen schienen sich meine Befürchtungen zu bestätigen.
Zunächst bekam ich einen Anruf von Freya.
»Freya, schön dich zu hören! Wie geht es dir? Hast du dich gut erholt von den ganzen Strapazen?«, fragte ich sie.
»Danke, Maria. Mir geht es wieder gut. Aber viel wichtiger ist doch, dass du am Leben bist. Wieso hast du uns niemals gesagt, dass du eine Zwillingsschwester hast? Ich hätte ihr Blut längst untersuchen sollen«, antwortete Freya und klang ein wenig enttäuscht, um nicht zu sagen angepisst, dass ich ihr diese wichtige Information verheimlicht habe.
»Eben genau darum. Damit meine Schwester nicht untersucht oder sonst wie in die Sache hineingezogen wird. Ich wollte Luisa so lange wie möglich aus dem Ganzen heraushalten. Ich hoffe, du verstehst das.«
Freya sagte nichts und ich konnte nur raten, ob sie am anderen Ende der Leitung den Kopf schüttelte oder zustimmend nickte.
»Und was ist bei euch so los?«, fragte ich sie, als ich im Hintergrund rege Diskussionen hörte.
»Nun ja. Hier haben sich gerade gefühlt alle Werwölfe versammelt, die den Fluch noch nicht ausgelöst haben und nicht mit Edith und Walther verschwunden sind. Sie verlangen zu wissen, wo ihre Freunde sind«, berichtete Freya.
»Also sind die Wölfe nach ihrer Verwandlung nicht zurückgekehrt?«, fragte ich und meinte, die Antwort bereits zu kennen.
»Nein. Offenbar sind unsere Befürchtungen, dass sie unter Ediths Bann stehen, wahr. Klaus hat große Not, die wütende Horde in Zaum zu halten. Sie sind uns nicht gerade freundlich gesinnt und werfen uns vor, Schuld am Verschwinden ihrer Freunde zu sein. Sie sprechen von Verrat«, erzählte Freya weiter.
»Ich schätzte, ich sollte mal vorbeikommen, um Klaus ein wenig unter die Arme zu greifen«, schlug ich schließlich vor und legte auf.
Luisa stand hinter mir und sah nicht besonders begeistert aus, als sie meinen Plan für den heutigen Ostersonntag hörte.
»Ruft die Pflicht?«, fragte sie traurig.
»Es tut mir leid. In der Villa sind die Wölfe los. Ich habe ihnen damals versprochen, sie nicht zu enttäuschen. Aber genau das denken sie jetzt von mir. Ich muss sie wieder vom Gegenteil überzeugen und ich habe Angst, dass wenn Klaus dies versucht, es alles nur noch schlimmer wird.« Ich umarmte meine Schwester und versprach ihr, so schnell wie möglich wieder nach Hause zu kommen. »Jetzt kann mir auch nichts mehr passieren. Also keine Sorge, Luisa. Bis bald!«, sagte ich und flitzte los.
Es war das erste Mal, dass ich mich auf meine neue Identität konzentrieren konnte. Alles um mich herum fühlte sich nun noch intensiver an als zuvor. Alles war um ein weiteres Mal verstärkt worden. Ich war noch schneller und ich fühlte eine unendliche Kraft in mir. Es war überwältigend. Dann sah ich den Tageslichtring an meinem Finger und dachte daran, dass ich den als Hybridin eigentlich nicht mehr brauchte. Ich stellte mich also in den Schatten und nahm den Ring vorsichtig ab. Dann streckte ich langsam meine Hand ins Sonnenlicht. Nichts passierte. Als ich mich komplett der Sonne aussetzte und nicht in Flammen aufging, wusste ich, die Verwandlung hat vollständig funktioniert. Gleichzeitig gab es nun eine Sache weniger, die mir das Leben kosten konnte. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich ab sofort nie wieder kränklich fühlen würde. Ich fühlte mich gesund und stark. Nahezu unbesiegbar und wahrhaftig unsterblich.
Als ich die Villa Mikaelson betrat, konnte ich vor lauter Leute die Eingangshalle nicht mehr erkennen. Ich habe niemals zuvor so viele Menschen auf einem Schlag in einem Gebäude gesehen. Es war schlimmer als in den überfüllten Zügen, während der zahlreichen Zugausfälle wegen dem Hochwasser vor ein paar Jahren. Klaus stand auf der Treppe und versuchte, mit strengem Ton zu erklären, was in der vergangenen Nacht geschehen war. Doch die Meute war nicht zu beruhigen.
»Wo sind unsere Freunde? Was habt ihr mit ihnen gemacht? Ihr, mit eurer Herumzauberei?«, schrie einer der Wölfe zu ihm herauf.
»Uns wurde versprochen, dass wir nie wieder zu etwas gezwungen werden und, dass ihr dafür sorgt, dass Edith und Walther uns niemals wieder etwas antun. Ihr habt gelogen!«, rief eine der Wölfinnen und erhob drohend ihre Faust.
»Edith hat uns genauso verarscht wie euch. Sie hat uns in eine Falle gelockt. Es war nicht unsere Schuld!«, schrie Klaus zurück und schien langsam die Geduld zu verlieren.
Wer weiß, wie oft er diesen Satz am heutigen Vormittag schon sagen musste?
Ich versuchte, mich durch die Massen durchzuquetschen, und ging dann zu Klaus auf die Treppe. Begleitet wurde ich von einigen Buhrufen und Schimpfwörtern, auf die ich nicht weiter einging.
»Sie war es, die uns diese billigen Ringe angedreht und uns sonst was versprochen hat! Diese dreckige Vampirin, die behauptet, eine von uns zu sein. Sie ist genauso falsch wie die ganzen anderen Mikaelsons!«, rief nun wieder der erste Wolf und brachte damit die Masse zum Toben.
»Ich bin keine Mikaelson und ich bin auch keine Vampirin«, sagte ich, während ich mich neben Klaus stellte.
Dieser schaute mich kritisch von der Seite an.
»Ich bin eine Hybridin. Ich stamme von derselben Werwolflinie ab, wie ihr alle.« Um meine Aussage zu unterstreichen, ließ ich nun meine goldgelben Wolfsaugen aufblitzen, so wie ich es immer bei Klaus gesehen hatte.
»Ich war gestern dabei, als der Fluch gebrochen wurde, der euch daran hinderte, eure Wolfsform anzunehmen. Ich habe gesehen, wie sich ein paar eurer Freunde zum ersten Mal verwandelt haben. Ich als Hybridin musste mich nicht verwandeln. Ich könnte es aber tun. Jeder Zeit. Nicht nur bei Vollmond, sondern hier und jetzt.«
Ich wusste, dass ich etwas zu viel versprach, denn ich hatte bis jetzt keine Ahnung, wie das mit der Verwandlung funktionieren soll.
Aber bereits meine Fangzähne in Kombination mit den gelben Augen schien bei einem Großteil der Leute Eindruck zu schinden.
»Ehe ihr hier herumpöbelt, erklärt mir bitte, was genau euer Anliegen ist!«, forderte ich und erwartete Antworten.
»Wir wollen unsere Freunde zurück! Sie sind verschwunden. Ihr habt sie in eine Falle gelockt!«, schrie ein rothaariger Typ aus dem Publikum zu mir rauf.
»Ich habe ihnen schon den ganzen Vormittag versucht zu erklären, dass wir alle Teil von Ediths geheimem Plan geworden sind«, flüsterte mir Klaus zu. »Es ist zwecklos. Diese Dumpfbacken sind unbelehrbar.«
In diesem Moment flogen bereits die ersten Einrichtungsgegenstände umher.
»Wir wollen unsere Freunde wieder! Oder diese noble Absteige hier wird einmal grundsaniert!«, drohte ein dicker Mann mit Schirmmütze.
»Nicht in diesem Ton! Wenn hier jemand Opfer von Ediths perversen Machtspielen geworden ist, dann sind wir das«, schrie ich nun zurück und war von mir selbst überrascht.
Aber irgendwie musste ich schließlich Ruhe in das Chaos bringen.
Ich erklärte nun abermals, dass Edith entkommen ist und die Wölfe unter einen Bann gesetzt hat.
»Der Zauber wurde durch ihre Verwandlung aktiviert. Eure Freunde sind im Augenblick willenlos und Edith untergeben. Sie und die anderen Hexen haben uns an der Nase herumgeführt. Sie haben uns zwar geholfen, aber dennoch haben sie ein Hintertürchen bereitgehalten, um uns am Ende doch noch alles kaputtzumachen. Wir sind genauso Opfer dieser Gemeinheit geworden wie ihr. Wir haben euren Freunden nichts angetan und werden alles unternehmen, um sie zu retten«, während ich das versprach, schaute ich fragend zu Kol, der daraufhin unschuldig die Hände hob.
»Wir haben alles abgesucht. Anscheinend hat Kol keinen erwischt. Zumindest nicht tödlich«, flüsterte Klaus mir zu.
Ich nickte und bat einen Teil der Werwölfe, in unser Besprechungszimmer zu gehen, um sich unseren Plan anzuhören.
»Der Rest möge bitte dieses Anwesen verlassen und draußen warten. Friedlich!«, sagte ich und unter den Wölfen brach unruhiges Gemurmel aus. »Sofort!«, legte ich nochmals nach, woraufhin sich die Spreu vom Weizen trennte.
Einige der Rädelsführer blieben in der Eingangshalle, während der Rest die Villa mehr oder weniger freiwillig verließ.
»Und worin bestand nun die Schwierigkeit, Klaus?«, fragte ich meinen Erschaffer, der erstaunt neben mir stand, als sich der Tumult auflöste.
»Den Drang zu unterdrücken, sie einfach alle einen Kopf kürzer zu machen. Die haben keinen Respekt, diese Hunde«, grummelte Klaus.
»Den muss man sich eben verdienen, mein Lieber, und das gelingt ganz sicher nicht mit Enthauptungen«, entgegnete ich ihm.
Dann gingen wir langsam die Treppe herunter, um den Wölfen in das Verhandlungszimmer zu folgen.
»Und wie genau sieht dein Plan aus, Liebes?«, fragte Klaus mich auf dem Weg dorthin und grinste mich hämisch an.
»Du hast doch einen Plan!«, antwortete ich ihm in der festen Überzeugung, dass Klaus wusste, was wir nun tun sollen.
»Ich hatte einen. Aber du hast ja unglücklicherweise etwas gegen Enthauptungen«, antwortete er grummelig.
»Klaus! Du bist doch nur wegen dieser Leute überhaupt hierhergekommen. Du kannst sie doch jetzt nicht im Stich lassen.« Ich war völlig empört und fassungslos über Klaus' Einstellung.
Unten an Treppe tauchte Freya auf, die unseren Streit offenbar mitgehört hatte.
»Eure Streitereien bringen uns nicht weiter. Ich habe einen Plan. Los, kommt mit!«, sagte Freya und stürzte in den Verhandlungsraum.
Hinter ihr tauchte Linda auf und folgte ihr. Klaus und ich schauten uns verdutzt an und eilten neugierig hinterher.
Was folgte, war ein sehr langes Gespräch, indem offenbart wurde, dass es anscheinend sehr viel mehr Wölfe gab, die Edith und Walther die Treue hielten, als wir es jemals gedacht hatten.
»Ich bin mir sicher, dass Edith mich als ihr Schlupfloch missbraucht hat«, versuchte Freya ihren Verdacht zu erklären. »In dem Augenblick, indem ich die größte Macht nutzte, wurde Ediths Zauber aktiviert. Sie muss mich durch irgendetwas kanalisiert haben. Vermutlich durch den Werwolfsgürtel selbst. Die Schockwelle, die uns alle für einen Moment ausgeknockt hat, kam nicht von meinem Zauber. Es war Edith, die dadurch, dass mein Herz für einen Moment angehalten wurde, aus ihrem Gefängnis fliehen konnte. Denn durch meinen Tod wird auch mein Begrenzungszauber deaktiviert. Auch Walther kam aus diesem Grund frei und beide konnten fliehen.«
Freyas Schilderungen ließen uns alle aufhorchen.
Nun kam Linda zu Wort. »Ich habe noch eine schlechte Nachricht für euch. In Ediths Büchern gibt es einen dunklen Zauber, der bewirkt, dass die Werwölfe für immer in ihrer Wolfsform gefangen sind. Es ist möglich, dass eure Freunde sich nicht wieder in Menschen zurückverwandelt haben. Sie sind nun an ihre tierische Gestalt gebunden, was in etwa dem Fluch entspricht, den wir gestern gebrochen haben. Nur eben andersherum.«
Klaus stand erschrocken auf und berichtete davon, dass er einen ähnlichen Zauber bereits in New Orleans erlebt habe.
»Die Werwölfe blieben einen Monat lang in ihrer Wolfsgestalt und konnten sich nur an Vollmond zurückverwandeln. Es war eine Umkehrung des gewöhnlichen Werwolffluchs. Selbst Hayley als Hybridin konnte damit belegt werden«, erzählte er, woraufhin er finstere Blicke von seinen Geschwistern erntete und schuldbewusst grinste.
»Fast«, stimmte Freya ihrem Bruder zu. »Ediths Fluch wurde allerdings mit der Verwandlung aktiviert und muss erst gebrochen werden, damit sich die Wölfe wieder in Menschen verwandeln können. Ich habe selten einen derart gemeinen Zauber erlebt. Maria musste sich als Hybridin nicht verwandeln und ist dadurch von diesem Fluch verschont geblieben. Ihr anderen löst den Fluch aus, indem ihr euren ersten Vampir oder Menschen tötet. Dann verwandelt ihr euch beim nächsten Vollmond, ohne euch anschließend zurückverwandeln zu können. Und ihr werdet euch ebenfalls Edith anschließen«, ergänzte Freya.
»Das wäre dann am 20. April. Es sei denn, ihr tragt bis dahin Mondlichtringe. Diese schützen euch vor der Verwandlung bei Vollmond und vor Ediths Fluch, der damit einhergeht«, fügte Linda hinzu.
»Ich werde Kol bitten neue Cyanid-Steine zu besorgen, damit ich weitere Mondlichtringe anfertigen kann«, sagte Freya und Kol nickte zustimmend.
»Unser Plan sähe dann folgendermaßen aus«, fuhr Freya weiter fort. »Sobald ihr die Ringe habt, werdet ihr euch auf die Suche nach euren Kameraden begeben. Wenn ihr dabei Vampire tötet und euren Werwolfsfluch auslöst, verwandelt euch bitte nicht. Bleibt in eurer Menschengestalt, um Ediths Zauber nicht zu aktivieren.«
»Werden wir dennoch stärker, wenn wir den Werwolffluch auslösen, uns aber nicht verwandeln?«, fragte einer der Wölfe.
»Das werdet ihr. Ihr bekommt alle übernatürlichen Fähigkeiten, die ein Werwolf in seiner Menschengestalt besitzt. Ihr seid dann stark genug, um euren Freunden zu helfen«, antwortete Freya.
»Dann lasst uns doch sofort Vampire töten!«, rief wiederum der Werwolf mit den roten Haaren und erntete tosenden Beifall.
»Ich werde meinen Bruder Elijah bitten, auf dem Weg hierher ein paar Vampire einzusammeln«, schlug Klaus vor. »In der Zwischenzeit werde ich die Gegend nach herumstreunenden Wölfen absuchen. Linda und ihre Großmutter versuchen, die restlichen verräterischen Hexen zu finden.« Klaus' Vorschlag traf auf allgemeine Zustimmung und die Wölfe schienen sich beruhigt zu haben.
»Soweit der Plan. Änderungen vorbehalten. Wir bleiben in Kontakt«, schloss ich die Sitzung ab.
Als die Wölfe den Raum verlassen hatten und auch Linda sich auf den Weg nach Hause machte, blieben Klaus, Freya, Kol und ich noch eine Weile dort.
»Im Ernst? Das ist unser Plan?«, fragte ich skeptisch.
»Sie sind vorläufig zufriedengestellt und gleichzeitig ist es für uns eine Probe, wie sich diese Leute als Armee schlagen«, antwortete Klaus grinsend und klopfte Freya anerkennend auf die Schultern.
»Aber was ist, wenn es uns nicht gelingt, ein weiteres Mal so viele Cyanid-Steine für neue Mondlichtringe aufzutreiben?«, fragte ich erneut nach.
»Da hat Maria recht. Diese Dinger sind nicht leicht aufzutreiben und du brauchst eine Machtquelle, um die Ringe wirken zu lassen. Und das werde ganz bestimmt nicht wieder ich sein«, trug nun auch Klaus seine Zweifel an Freyas Plan vor.
»Ich werde die Kraft aus dem Gürtel ziehen. Mach dir mal keine Sorgen, Bruder. Außerdem ist euch auch nichts Besseres eingefallen. Ohne meinen Plan hätten diese Leute uns die Bude kurz und klein geschlagen«, fauchte Freya zurück. »Jetzt haben wir etwas Zeit, um die Situation besser erfassen zu können und um konkretere Schritte gegen Edith und Walther vorzubereiten. Wir haben nach wie vor die Unterstützung von Linda und Martha. Ich werde alles in Bewegung setzten, um die Sache zu retten«, Freya schien optimistisch zu sein.
Ich war mir da nicht so sicher.
»Ich habe diesen Leuten mein Wort gegeben. Wenn wir sie ein zweites Mal enttäuschen, haben wir die harzer Werwölfe endgültig gegen uns«, brachte ich meine Befürchtungen zum Ausdruck.
»Vertraut mir, Maria. Edith kann sich nicht ewig verstecken und bis dahin habe ich eine Lösung«, versicherte uns Freya abermals.
»So wie du auch eine Lösung für mich hattest?«, fragte ich und spielte dabei auf ihr Versagen bei meiner Hybridenverwandlung an.
Nun wurde Freya wütend.
»Wenn du mir nicht die komplette Wahrheit über dich und deine Schwester sagst, kann ich auch kaum alle Möglichkeiten ausschöpfen!«, schrie sie mich an. »Du hast eine Zwillingsschwester. Eineiige Zwillinge sind magisch miteinander verbunden. Diese Information hättest du nicht vor uns verheimlichen dürfen, wenn du Hilfe von uns verlangst! Du selbst hast deine Rettung torpediert und uns misstraut. Was dachtest du, würden wir deiner Schwester antun, wenn wir von ihr erfahren? Erzähl mir nie wieder etwas von Freundschaft.«
Ich hatte Freya noch nie so erlebt.
»Ansonsten hättest du von Anfang an gesagt, ‚trink das Blut deiner Schwester und alles ist gut', oder was?«, wetterte ich zurück.
»Ich hätte ihr Blut zumindest analysieren können und ...«
Klaus unterbrach seine Schwester. »Meine Damen, bitte! Es ist Ostern. Da wollen wir doch keinen handfesten Streit vom Zaun brechen, oder?«, sagte er schlichtend.
»Ich bin hier fertig für heute«, sagte Freya und verließ daraufhin schnellen Schrittes den Raum.
»Tut mir leid, Klaus. Meine Nerven liegen blank. Ich habe das Gefühl, als Hybrid noch schneller aus der Haut zu fahren«, versuchte ich mich zu entschuldigen.
»Kein Problem. Streitigkeiten haben im Hause Mikaelson eine über tausendjährige Tradition. Und da selbst diese Wölfe denken, du bist eine von uns, kannst du deinem Temperament freien Lauf lassen«, sagte Klaus grinsend.
»Ich bin keine von euch«, antwortete ich verlegen.
»Hope hat dich zu einer Mikaelson ehrenhalber gemacht, denke ich. Für immer und ewig. Weißt du nicht mehr?«
Ich musste lachen. »Und wann bekomme ich eine entsprechende Ehrenurkunde überreicht?«, fragte ich.
»Wie wäre es, wenn wir erst mal darauf anstoßen. Vergiss nicht, du wolltest an Ostern einen Bourbon mit mir trinken. Heute ist Ostern und ich habe bereits einen für uns kaltstellen lassen.« Klaus setzte seinen bettelnden Dackelblick auf.
»Es ist nicht mal Mittag. Ich kann doch jetzt keinen Whisky trinken.«
»Versprochen ist versprochen. Du verlangst von anderen, dass sie ihr Wort halten, und willst dein Eigenes brechen? Ich bin empört!«, Klaus spielte den Entrüsteten und ich knickte schließlich ein.
»Na gut. Nachher kommen meine Eltern wieder nach Hause und dann sehen wir uns sicher über Ostern nicht noch einmal. Aber nur ein Glas! Also los.«
Klaus schritt fröhlich voran und ging in einen kleinen Raum. Dort waren wir auch schon einmal, als ich das erste Mal mit ihm und Elijah verhandelte.
»Alfred, den 1974er, bitte!«, befahl Klaus seinem Butler.
»Sehr wohl, der Herr«, antwortete dieser, als er mir den Stuhl heranschob.
Dann stellte er den eisgekühlten Bourbon auf den Tisch. Was für ein Service.
»Es wird nicht funktionieren«, begann ich unsere lauschige Runde zu eröffnen und sprach dabei erneut unser kleines Werwolfproblem an.
»Vermutlich nicht«, gab mir Klaus überraschenderweise recht.
Dann gab er Alfred zu verstehen, dass dieser den Raum nun verlassen sollte.
»Es wird ganz bestimmt nicht funktionieren, wenn du nicht aufhörst, über diese Werwölfe zu grübeln, anstatt mit mir diesen edlen Tropfen und das Osterfest zu genießen.« Er redete überhaupt nicht von Edith, den Wölfen und Freyas tollkühnen Plan.
»Wie könnte ich das alles einfach zur Seite schieben? Wir wurden von Edith und ihren verräterischen Brockenhexen ganz mies ausgetrickst und nun steht alles auf dem Spiel, auf das wir die letzten Monate hingearbeitet haben. Wenn wir nicht aufpassen, dann wirst du von der Armee angegriffen, die du selbst einst befehligen wolltest, um New Orleans zurückzuerobern. Und diese Armee ist zufällig mein Rudel. Wie könnte ich mich da auf Ostern freuen?«, ich war ein wenig enttäuscht von Klaus.
War ihm das alles wirklich so egal?
»Edith wird zurückschlagen. Und darauf warten wir. Sie wird sich nicht mit den Wölfen auf die Malediven abgesetzt haben«, antwortete Klaus grinsend.
»Wir sollen einfach abwarten bis etwas passiert?«, fragte ich empört.
»In der Zwischenzeit arbeiten wir mit Hochdruck daran, einen Weg zu finden, Edith und Walther zu vernichten. Sie sollen denken, dass wir aufgeben und sich dadurch überlegen fühlen. Dann wird unser Gegenschlag umso heftiger ausfallen«, tönte Klaus selbstbewusst.
»Und was stellst du dir da so vor?«, wollte ich wissen.
Doch Klaus lächelte nur geheimnisvoll und erhob sein Whiskyglas.
»Alles zu seiner Zeit, Liebes. Jetzt stoßen wir erst mal auf unseren Teilsieg an. Oder willst du deine zweite Auferstehung nicht feiern?«, Klaus machte wieder ein Schmollgesicht.
»Du hast ja recht. Lassen wir das Ganze über Ostern etwas zur Ruhe kommen.« Ich nahm nun auch mein Glas in die Hand und wir stießen auf meine erfolgreiche Verwandlung an.
Ich trank anschließend aber nur ein winziges Schlückchen des uralten Gebräus.
»Danke noch mal. Du hättest mich auch einfach meinem Schicksal überlassen können. Ich weiß, dass das eher dem Klaus Mikaelson entsprochen hätte, den alle Welt zu kennen glaubt«, sagte ich und stellte mein Glas wieder ab. »Diese Wölfe waren es, weshalb du und deine Familie in die Stadt kamen. Bekommen hast du ein nerviges kleines Rotkäppchen, das dir ständig dazwischenfunkt.«
»Vor ein paar Jahren wäre sicher einiges anders und auch einfacher verlaufen«, nuschelte Klaus in sich hinein, dann schmunzelte er. »Aber sollte ich mich denn ganz allein mit diesen regionalen Eigenheiten herumschlagen?«, fragte er lachend.
»Ach, so ist das. Solange ich nützlich bin, kann ich auf deine Hilfe bauen. Ansonsten wäre ich dir egal, was?«, fragte ich und nahm nun doch noch einen Schluck Bourbon.
»Ich habe diese Pfeife namens Rodríguez für dich geheilt«, protestierte Klaus.
»Auch dafür möchte ich dir danken. Vielleicht bist du ja doch nicht so ein großes und unausstehliches Monster. Prosit!« Ich nahm einen weiteren großen Schluck Whisky und hatte Mühe, es mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr das Zeug im Schlund brannte. »Jemine! Auch als Hybridin wird aus mir keine Säuferin mehr«, sagte ich mehr zu mir selbst.
Klaus fing nun an ernst auf sein Glas zu starren.
»Hey, ich denke, wir wollten heiter Ostern feiern. Jetzt fängst du ja doch wieder an zu grummeln«, sagte ich und stupste den alten Schmollwolf an. »Du hattest recht, Klaus. Lass uns heute versuchen, ganz normale Menschen zu sein. Keine Hybriden. Lass uns den ganzen übernatürlichen Kram für diesen Tag vergessen«, schlug ich vor.
»Wann hast du dich das letzte Mal wie ein normaler Mensch gefühlt, hm?«, fragte ich Klaus und er schaute mich nachdenklich an. »Viel zu selten könnte ich wetten. Nicht wahr?«, fragte ich ihn erneut und dann begann er zu erzählen.
»Als meine Geschwister und ich für etwa einhundert Jahre unter falscher Identität lebten, da hatten wir vielleicht eine Ahnung davon, wie es sich anfühlt, normale Menschen zu sein. Wir ließen drei andere denken, sie seien wir und vor unserem Vater davonlaufen. Erst 1114 flog alles auf. Rebekah brachte unsere kleine Scheinwelt durch ihre Naivität zu Fall, als sie sich ausgerechnet in einen der fünf Vampirjäger verliebte. Durch unseren kurzzeitigen Tod wurde die Manipulation bei den drei Pseudo-Mikaelsons unwirksam und so flog unser Versteckspiel auf.
Ich nahm Rache an den Jägern und tötete jeden Einzelnen von ihnen.
Anschließend lebte ich 52 Jahre, 4 Monate und 9 Tage in fortwährender Qual, als mich der Jägerfluch heimsuchte. Ich schwor mir damals, nie wieder schwach zu sein. Ich wollte mich niemals wieder hinter einer falschen Identität verstecken. Ich wollte, dass sich die ganze Welt vor dem Namen Klaus Mikaelson fürchtet und nicht umgekehrt. Nur der Gedanke an mich sollte sie alle erschaudern lassen.«
Klaus sah sehr grimmig aus, während er das erzählte. Dennoch erkannte ich auch die Verzweiflung und Angst in ihm, die jene Erinnerungen bei im wach riefen.
»Du bist also böse geworden, damit niemand böse zu dir sein kann?«, fragte ich ihn. »Du bist wie diese Schulkinder, die ihre Ängste und ihren Frust an vermeintlich schwächere Mitschüler auslassen, nur um selbst nicht der Schwächste in der Klasse zu sein.«
Klaus schaute mich fragend an.
»Aber sei mal ganz ehrlich zu dir selbst, Klaus. Hatte dein Verhalten jemals den gewünschten Effekt? Hat dich seitdem wirklich nichts und niemand mehr geängstigt oder verletzt? Warst du nicht vielmehr tausend Jahre lang allein und hast sogar deine eigenen Geschwister erdolcht, nur damit sie dich nicht verlassen konnten?«
Klaus wollte etwas antworten, aber er fand anscheinend in diesem Moment nicht die richtigen Worte.
»Egal ob gut oder böse. Niemand wird von der Übermacht des Lebens verschont. Jedoch haben jene, die gut sind Freunde, die ihnen helfen diese schweren Zeiten zu überstehen. Das müssen nicht viele sein. Hauptsache ist, dass sie es ehrlich meinen. Prost!«
Auf Klaus' traurig-verbittertes Gesicht zeichnete sich wieder so etwas wie ein Lächeln ab.
»Also, wo wir das geklärt hätten, lass uns ein paar Pläne für unsere Edith- und Walther-freie Zeit schmieden. Wir sollten ein paar Sachen unternehmen, die Freunde eben so unternehmen. Ähm, ja.«
Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was das für normalmenschliche Sachen wären, die ich mit einem tausendjährigen Hybriden unternehmen könnte.
»Was machen Freunde denn eigentlich so?«, überlegte ich laut.
»Du sagtest einmal, dass du auch nicht sonderlich viele hattest und hast«, sagte Klaus grinsend und nahm noch einen Schluck Whisky.
»Das ist wahr. Da haben wir wohl was gemeinsam«, antwortete ich.
»Schon wieder«, sagte Klaus und füllte sich noch einen Bourbon nach.
»Schon wieder, ja. Nur, dass ich die wenigen, die es ehrlich mit mir meinen, in Ehren halte und nicht von mir stoße. Aber im Gegensatz zu dir war ich nicht zu böse, sondern wohl eher zu gut für diese Welt. Oder besser gesagt, ich habe nichts falsch gemacht außer, dass ich einfach ich war, und das passte den meisten in meiner Umgebung eben nicht. Diese einfältigen Würmer.« Auch ich trank nun mein Glas Bourbon leer.
Klaus lachte in sich herein.
»Was ist daran lustig, bitteschön?«, fragte ich verwundert.
»Also lass es uns einmal zusammenfassen: Mich mag niemand, weil ich der große böse Wolf bin, und dich mag niemand, weil du das liebe kleine Rotkäppchen bist. Perfekt!«
»Perfekt? Was soll daran perfekt sein? Aber vielleicht hast du recht. Wir sind zwei Seiten einer Münze. Wie Yin und Yang. Oh. Nein, vergiss das. Das klingt kitschig oder so.« Irgendwie war das wieder vollhorstig und peinlich von mir.
Klaus jedenfalls schien sich köstlich zu amüsieren.
»Also, was machen wir zwei Außenseiter nun daraus? Kino? Tiergarten? Nein, warte! Museum. Du wolltest mir was aus der Vergangenheit erzählen. Das hast du versprochen. Also nehme ich dich als Zeitzeugen mit ins Museum. Dann brauche ich die ganzen Infotafeln nicht zu lesen. Das ist es! Ja?«, fragte ich ihn ganz aufgeregt.
Klaus wollte gerade mein leeres Glas nachfüllen.
»Nein, Danke. Ich will nicht betrunken mit meinen Eltern Ostern feiern«, sagte ich und hielt meine Hand über das Glas.
»Glaub mir, als Hybridin verträgst du mehr, als du denkst«, antwortete Klaus, stellte die Flasche aber wieder ab.
»Ich denke, ich muss jetzt auch langsam los. Ich habe Luisa versprochen, dass ich nicht lange fort bin.«
Klaus nickte. »Dann bereite deine Schwester schon mal darauf vor, dass du bald für längere Zeit unterwegs sein wirst«, sagte er dann, als er die Whiskyflasche zuschraubte.
Ich schaute mal wieder blöd aus der Wäsche.
»Du denkst doch nicht, dass sich ein Klaus Mikaelson mit eurem winzigen Eichenstedter Stadt-Museum zufriedengibt, Liebes? Wir machen eine Museumstour. Durch alle wichtigen Museen auf der ganzen Welt«, verkündete Klaus grinsend.
Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
»Ähm, ja. Also, nein. Ich meine, lass uns erst mal mit Eichenstedt anfangen und dann die Reise nach Quedlinburg, Halle oder so fortsetzen. Alles anderen sehen wir dann. Okay? Ähm, ach so, ja. Frohe Ostern!«, sagte ich und drehte mich schnell um.
»Heute keine deiner obligatorischen Umarmungen?«, fragte Klaus dann völlig überraschend.
»Was denn? So ganz freiwillig?«, fragte ich verwundert.
»Wie ganz normale Freunde!«, antwortete mein üblicherweise etwas distanzierter Erschaffer.
»Das muss wohl wahrhaftig ein Osterwunder sein.«
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