»MEIN NAME IST NICHT SKYWALKER«

~ 02. Februar 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,

es ist jetzt kurz nach Mitternacht. Meine Familie schläft bereits und ich nutze meine erneute Schlaflosigkeit, um dir von dem Presseevent rund um Klaus Mikaelson zu berichten.

Am gestrigen Abend war es tatsächlich soweit. Alle möglichen regionalen und überregionalen Medienvertreter fanden sich bei der ehemaligen Villa am Osthang ein. Denn an diesem Abend sollte das eichenstedter Traditionsunternehmen feierlich umbenannt werden. Das am Vormittag präsentierte hochglanzpolierte Schild mit der Aufschrift Villa Mikaelson prangte von diesem Tag an stolz an seinen Mauern. Es verwies auf eine noble und weit gereiste Familie, die gegenwärtig hier in Eichenstedt angekommen war, um eben diese Villa, ein Hotel, ihr Eigen zu nennen. Niemand der Anwesenden konnte auch nur ahnen, um wen es sich bei diesen wohlhabenden Leuten tatsächlich handelte.

Entgegen jeder Vernunft war ich der Einladung vom neuen Besitzer der edlen Herberge höchstpersönlich gefolgt. Zur Sicherheit hatte ich meine zwei zuverlässigen Begleiter, Stefan und Damon Salvatore im Schlepptau. Sie waren genauso wenig begeistert über die Pläne der Urvampire und wollten die Gelegenheit nutzen, sich selbst ein Bild davon zu machen. Vielleicht konnten wir dabei mehr über ihre wahren Absichten herausfinden. Jedenfalls hatten wir uns das vorgenommen.

Vor dem großen Eingangstor wartete ich auf die beiden und betrachtete währenddessen die prächtigen Lichter und das rege Treiben an, um und in der Villa. Die Urvampire hatten sich ohne Zweifel einen der schönsten Orte in ganz Eichenstedt ausgesucht. Vor der Villa lag eine große parkähnliche Anlage mit einem Teich, auf dem Wassergeflügel schwamm. Zur opulenten Eingangstür führte eine lange steinerne Treppe. Das Gebäude selbst sah aus wie ein kleines Märchenschloss. Sogar mit einem schicken Turm konnte es aufwarten. Man könnte es beinahe als kleine Schwester von Schloss Schwanstein bezeichnen. Mit weniger gaben sich die Mikaelsons vermutlich auch gar nicht zufrieden. Mehrere Hundert Menschen schienen sich an diesem Abend dort eingefunden zu haben. Reporter und deren Familienangehörige, der allgegenwärtige Stadtadel, Vertreter der Kaufmannsgilde und verschiedener Vereine der Umgebung, Stadträte, eben alles, was Rang und Namen hatte.

Und mittendrin ich.

Zum Glück ließen die Salvatores nicht lange auf sich warten und fuhren endlich vor. Der alte blaue Camaro war ein richtiger Blickfang zwischen den zumeist schwarzlackierten Nobelkarossen. Als die Brüder Klaus' opulentes neues Domizil erblickten, staunten sie nicht schlecht.

»Da hat er sich nicht lumpen lassen. Alle Achtung«, kommentierte Damon erstaunt den Anblick, der sich uns bot.

»Auf jeden Fall wissen wir schon mal, dass er nicht nur auf der Durchreise ist«, merkte Stefan nachdenklich an. »So eine Investition ist selbst für die Mikaelsons ungewöhnlich.«

»Mehr Sorgen macht mit, dass er sich auf diese Weise bei den ganzen Wichtigtuern einschleimt. Irgendwas hat der doch vor«, ergänzte Damon und rümpfte abfällig die Nase.

In der Tat wussten wir nach wie vor nicht, warum Klaus eigentlich ausgerechnet hier in Eichenstedt war. Na ja, ich wusste zumindest die Sache mit den Harzer Werwölfen. Aber wenn es nur eine Legende ist, war es dann wirklich nötig, deswegen ein Hotel zu eröffnen?

Ein reich aussehendes Pärchen ging mit abfälligen Blicken an uns vorbei und stolzierte mit erhobenen Nasen durch das gusseiserne Eingangstor. Denen waren wir wohl nicht chic genug oder was?

Nichtsdestotrotz marschierten auch wir den protzigen Vorgarten entlang. Wir konnten uns einige staunende Blicke ob des fürstlichen Vorgartens nicht verkneifen. Als wir zur großen Eingangstreppe kamen, zeigten sich Stefan und Damon von ihrer vornehmsten Seite und henkelten mich beim Treppensteigen ein. Einer zu meiner Linken, der andere zu meiner Rechten. Hätte ich davon ein Foto gemacht und bei Instagram eingestellt, hätte ich #salvatoresandwich darunter geschrieben. Aber wer weiß, welch Ärger mich dann wieder erwartet hätte?

Dann endlich standen wir in der großen Eingangshalle des Hotels. Da es ein öffentliches Gebäude und der Besitzer ein Vampir ist, mussten wir nicht hereingebeten werden. In Privathaushalten dürfen Vampire nur dann eintreten, wenn der Besitzer oder andere rechtskräftige Bewohner der Wohnung diese ausdrücklich dazu auffordern. Einer der überhöflichen Butler nahm uns alsbald die dicken Winterjacken ab, eine weitere Bedienstete hielt uns sofort ein Tablett mit Champagnergläsern entgegen. Wir nahmen uns jeder ein Gläschen und die Brüder begannen augenblicklich Ausschau nach dem Herrn und Meister des Anwesens zu halten.

Ich suchte nicht und fand ihn dennoch prompt. Klaus stand auf der großen, mit einem roten Teppich ausgeschmückten Treppe und beobachtete stolz wie ein eitler Graf seine kleine schmalzige Einweihungsfeier. Nebenbei war er in Gesprächen mit einigen mehr oder weniger wichtigen Leuten verwickelt.

Vielleicht war diese angebliche Werwolf-Legende nur eine Lüge, die er mir aufgetischt hatte, um von seinen wahren Absichten abzulenken? Vielleicht hatte er ganz andere Dinge hier in Eichenstedt geplant. Was auch immer es war, ich musste es herausfinden und wollte es auf jeden Fall verhindern. Damon war es, der mich aus meinen Geheimagenten-Gedanken riss.

»Schau dir die Kellnerinnen und Angestellten mal genauer an, Maria«, flüsterte er mir zu. »Siehst du die Verbände an ihren Handgelenken?«

Tatsächlich hatte jeder der hier beschäftigten Menschen offenbar eine Verletzung am Unterarm. Unter den langen Ärmeln blitzten weiße Bandagen hervor.

»Denkst du, er benutzt sie als Zwischenmahlzeit? Dieser Unhold!«, antwortete ich entsetzt.

»Er wäre blöd, wenn er es nicht täte. Das ist eine der saubersten Methoden, um an frisches Blut zu kommen«, sagte Damon mit einem gemeinen Unterton.

Er wusste genau, dass dieser Kommentar gegen meine Gutvampir-Prinzipien verstieß. Aber ich konnte nicht von jedem Vampir verlangen, dass er gegen seine Natur handelte, nur weil ich ein Problem damit hatte. Solange keine Bürger dieser bisher friedlichen Stadt schwer verletzt oder sogar getötet würden, versteht sich. Denn das wollte ich auf jeden Fall verhindern. Ich wollte nicht tatenlos zusehen, wie Eichenstedt in Gefahr geriet. Wie ich das verhindern wollte, das wusste ich leider selbst noch nicht.

Ich Amateur.

»Übrigens war es mein eichhörnchentrinkendes Brüderchen, der Klaus diesen Trick einst in Chicago lehrte. Nicht wahr, Stefan?«, ergänzte Damon und lächelte fies zu seinem Bruder, der nur die Augen verdrehte. »Klaus und Stefan waren damals Best Buddys.«

Davon hatte ich bereits gehört.

»Das ist heute nicht unser Problem, Damon. Konzentrieren wir uns auf das Wesentliche«, versuchte ich Damon von dem Thema abzulenken.

»Wir sollten mal zusammen auf eine Wie-komme-ich-unauffällig-an-Blut-Tour gehen. Nur, falls du es dir doch noch einmal anders überlegen solltest mit deiner Konserven-Diät«, versuchte Damon nun mich aus der Reserve zu locken.

»Nein, Danke« Ich machte ihm deutlich, dass ich für derlei Scherze nicht zu haben war.

Damon konnte manchmal echt anstrengend sein. Im Gegensatz zu Stefan wollte er einfach nicht verstehen, dass man als Vampir nur von Blutbeuteln leben kann und will. Aber dennoch unterstützte er mich weiterhin bei meinem Versuch, genau das zu schaffen, und klopfte mir leicht auf die Schulter, um mir klar zu machen, dass er nur ulkte.

Stefan schaute jedoch ernster als sonst aus der Wäsche. Die Bemerkungen über ihn und Klaus müssen alte Wunden bei ihm aufgerissen haben.

Wieder einmal begriff ich, dass, hinter welcher Fassade sie sich auch verstecken mochten, jeder meiner neuen Freunde eine blutgierige Bestie war. Und ich war es auch. Denn obwohl ich mit aller Kraft dagegen ankämpfte, roch ich das Blut der vielen Menschen in der Villa und sah ihre Halsschlagadern pulsieren. Tief in mir spürte ich das Verlangen, aber ich schaffte es, das zu kontrollieren.

Aber dann hieß es für mich erst einmal, Vampire Vampire sein lassen. Denn die Pflicht rief. Ich war schließlich als Reporterin hier und nicht als Undercoveragentin.

»Du willst ernsthaft mit dem Mikrofon zu Klaus gehen und ihn interviewen?«, fragte mich Damon völlig entrüstet über mein Vorhaben.

»Deshalb bin ich hier. Meine Kollegen erwarten morgen O-Töne. Also entschuldigt mich einen Augenblick«, antwortete ich schulterzuckend und zog los.

Die Blicke der beiden waren unbezahlbar, als ich bewaffnet mit dem Aufnahmegerät in Klaus' Richtung marschierte. Auf dem Weg dorthin benutzte ich mein superscharfes Vampirgehör, um zu lauschen, was die Brüder über mich erzählten. Allerdings war es nicht unbedingt erbaulich, was ich da über mich zu hören bekam.

Sie meinten, ich sei geradezu besessen davon, ein guter Vampir zu sein. Laut Damons Analyse hätte ich angeblich nur deshalb einen weißen Blazer angezogen, um meine stets guten Gedanken und Absichten nach Außen zu tragen. Auch, dass ich meine Heimatstadt und ihre Bürger so massiv vor seinem Blutdurst schützen wollte, stieß Damon anscheinend bitter auf.

»Sie ist paranoid. Sie ist genauso besessen Gutes zu tun, wie Klaus besessen ist Böses zu tun. Sie ist auf der hellen Seite der Macht und er auf der dunklen Seite. Maria ist der Anti-Klaus«, sagte er zu Stefan.

Ich glaube, Damon hat zu viel Star Wars geguckt! Sollte ich über seine Pseudo-Psychoanalyse lachen oder weinen? Wohlwissend, dass sie auch hören können, was ich sagte, drehte ich mich zu ihnen um, und gab ihnen zu verstehen, dass ich jedes Wort verstand, das sie über mich raushauten. Daraufhin grinsten sie verlegen-dämlich und winkten mir übertrieben freundlich zu.

Was für Chaoten ...

Kurz darauf stand der dunkle Lord Mikaelson bereits neben mir und grinste mich ebenso übertrieben freundlich an. Ich war von Idioten umgeben!

»Es freut mich, dass du meiner Einladung gefolgt bis, Liebes«, sagte er und verneigte sich kurz. Schwülstiger ging es wohl nicht?

»Ich bin nicht privat hier. Also unterlassen Sie dieses Getue. Bringen wir's hinter uns«, erwiderte ich pampig.

Ich knipste mein Aufnahmegerät an und plapperte, ohne weiter auf ihn zu achten, meine erste Frage ins Mikrofon. Glücklicherweise riss er sich für das Interview zusammen und ging höchst professionell auf meine journalistisch anspruchsvoll ausgewählten Sachverhalte ein.

Er erzählte, dass er angeblich durch Zufall über das Internet auf dieses Hotel aufmerksam geworden ist und er von der Herrlichkeit des Gebäudes begeistert war und nicht anders konnte, als der neue Eigentümer zu werden. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit den Bürgern Eichenstedts, und darauf, den zukünftigen Gästen ein Hotel auf höchstem Niveau bieten zu können – bla, bla, blupp.

Im Prinzip nichts anderes als das, was er es bereits am Morgen beim Pressegespräch erzählt hatte. Ergänzt wurde das Interview nur noch durch Informationen zu der gerade laufenden Feier. Welche Gäste er begrüßen durfte, wie die ersten Reaktionen zu seinen Plänen waren, welch interessanten Gespräche er bereits geführt hatte und welche möglichen Partnerschaften sich daraus ergaben.

»Dankeschön. Das reicht fürs Erste«, beendete ich das Interview schließlich.

»Sehr schade. Ich hoffe, du bleibst trotzdem noch eine Weile hier«, erwiderte Klaus enttäuscht.

»An einem Ort, an dem unschuldige Menschen zu wandelnden Blutbeuteln gemacht werden? Denken Sie nur nicht, ich hätte die Verbände an den Unterarmen Ihrer Angestellten nicht gesehen«, antwortete ich verärgert über seine Art mit dem Personal des Hotels umzugehen.

Klaus schaute aufgesetzt schuldbewusst. »Habe ich etwa gegen eine deiner Regeln verstoßen, an die sich Vampire in dieser Stadt halten müssen? Das tut mir sehr leid. Aber bist du dir wirklich sicher, dass dies unschuldige Menschen sind, Liebes? Man kann den Leuten immer nur vor den Kopf gucken. Nicht wahr?«

Verdammt! Jetzt versuchte Klaus mich mit meinen eigenen Worten zu schlagen.

»Was willst du nun tun? Mich verraten? Nur zu. Aber bedenke, dass das auch äußerst ungemütliche Konsequenzen für dich und deine heiligen Salvatore-Brüder haben könnte.« Klaus nickte kurz zum Abschied und ging.

Ich verstand seine Aussage als Drohung. Leider hatte er damit gar nicht mal unrecht. Aber dem würde ich sein siegesgewisses Lächeln schon noch austreiben! Angst hatte ich jedenfalls nicht vor ihm. Ganz egal, wer er war und was Stefan und Damon alles über ihn erzählten. Ich empfand jedes Zusammentreffen mit Klaus eher als persönliche Herausforderung und eine Möglichkeit, mehr über seine Absichten zu erfahren.

Argwöhnisch beobachtete ich Klaus weiter, als dieser in Gesprächen mit dem Bürgermeister und dessen Stadtsprecher vertieft war, als mich auf einmal jemand von der Seite ansprach. Joachim Weingard, vom Eichenstedter Wochenblatt hatte mich und den gepriesenen Neuankömmling der Stadt offenbar eine Weile beobachtet.

»Woher kennt ihr beiden euch?«, wollte er wissen.

»Was? Wen kenne ich?« Ich wusste natürlich genau, wen er meinte, aber ich wusste vor Schreck nicht, was ich antworten sollte.

»Du und dieser Mikaelson. Ihr wirkt sehr vertraut miteinander. Habt auch heute Morgen so miteinander gesprochen, als würdet ihr euch länger kennen.«

Autsch. So was wollte ich nun ganz und gar nicht zu hören bekommen. Aber leider hatte er irgendwie recht. Schließlich kannte ich Klaus bereits seit einigen Tagen – mehr oder weniger.

»Nur flüchtig«, war schließlich meine knappe Antwort auf Joachims' Frage.

Ich schwor mir in diesem Moment, nie wieder auf einer öffentlichen Veranstaltung aufzutauchen, wenn Klaus in der Nähe war. Nachher kommen noch Gerüchte auf, ich sei mit diesem Schwerverbrecher befreundet.

Um Himmelswillen!

Gleichzeitig begann ich zu überlegen, wie wir es schaffen könnten, den ganzen Leuten Eisenkraut unterzujubeln. Immerhin waren die Salvatore-Brüder und ich derzeit die einzigen Personen, die Klaus nicht manipulieren konnte. Also blieb mir wohl vorerst nichts anderes übrig, als ihm bei seinen finsteren Plänen, welcher Art auch immer, zuvorzukommen.

Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, da platzierte sich der Urhybrid auch schon auf der Treppe und schlug mit einer Gabel gegen sein Champagnerglas. Alle Anwesenden richteten sofort ihre Blicke auf ihn und lauschten den nun folgenden Worten. Diese ließen nichts Gutes erahnen. Offenbar hatte es Klaus Mikaelson tatsächlich geschafft, den Bürgermeister derart zu beeindrucken (oder zu manipulieren), dass dieser ihn als neues Mitglied im Stadtrat vorschlug.

Na, Hilfe! Ich schätze, ein manipulierter Stadtrat wird nicht sonderlich positiv für Eichenstedt sein. Freiblut für alle! lautete dann wohl das Motto dieser Stadt.

Voller Empörung kam ich zurück zu den Salvatore-Brüdern. Diese sahen nicht minder schockiert aus.

»Ich schätze mal, dann musst du die Macht wieder ins Gleichgewicht bringen, Marialein«, scherzte Damon und zog erneut Vergleiche aus dem Star Wars-Universum heran.

»Mein Name ist nicht Skywalker«, schnaubte ich zurück und boxte den Vampir mit den Eisaugen in die Seite.

Aber irgendetwas musste mir wirklich einfallen, um diesen Mikaelson-Parasiten aus der Stadt zu jagen. Wo sollte das denn hinführen mit ihm?

Unerwartet winkten Damon jemandem in der Menge zu und ich musste meine Gedanken erneut unterbrechen. Er schien auf einmal ganz aus dem Häuschen zu sein und freute sich wie Bolle. Klaus war vergessen und ich verstand mal wieder nur Bahnhof mit Bratkartoffeln. Dann erkannte ich, dass ein weiterer Gast auf dieser Gruselparty ankam und genau auf uns zu steuerte. Ein Mann mittleren Alters, der ebenso strahlte vor Freude, wie Damon. Dieser Jemand wurde mir als Alaric Saltzman vorgestellt, ein alter Freund der Salvatores aus Mystic Falls. Stefan blieb zwar etwas verhalten ihm gegenüber, aber dennoch schienen alle drei gute Freunde zu sein. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde begriff ich dann auch, warum Stefans Wiedersehensfreude sich etwas in Grenzen hielt und warum ich meinte, diesen Namen schon mal irgendwo gehört zu haben.

Alaric war der Vater der Hexenzwillinge, die Stefans Es-ist-kompliziert-Freundin Caroline zur Welt gebracht hatte. Seit der Geburt der Mädchen lebte sie auch teilweise mit Alaric zusammen. Ich wollte jedoch nicht weiter nachhaken in diesem sonderbaren, übernatürlichen Familiendrama.

Alaric erzählte, dass es ihm gelungen sei, einen Kurs an der Kreis-Volks-Hochschule in Eichenstedt geben zu können. Diese befand sich in den oberen Stockwerken der Bibliothek, die wiederum in direkter Nachbarschaft zu meinem Radiosender lag und außerdem in dem Gebäude untergebracht war, das bis vor ein paar Monaten meine Schule gewesen ist. Alaric war seines Zeichens Geschichtsprofessor mit einem Hang zum Okkultismus. In dem Kurs soll es genau darum gehen: Mythen und Sagen im Harz und der Region.

Für den folgenden Tag hatte sich Ric sogar bei Franz Meißner, meinem Radiokollegen angemeldet, um über diesen Kurs zu sprechen und zu werben, erfuhr ich weiter. Franz war schließlich unser Fachmann für solche Berichte und die beiden werden bestimmt angeregte Gespräche über Hexen, Teufel und, hm, vielleicht sogar über Werwölfe führen. Eventuell hatte dieser Ric ja etwas von den Harzer Werwölfen gehört, von denen Klaus sprach.

Unser Gespräch wurde von einer der manipulierten Kellnerinnen gestört, die Klaus zu uns geschickt hatte. Auf ihrem Tablett standen drei Gläser gefüllt mit Menschenblut. Vermutlich hatte die Kellnerin zuvor selbst als Zapfhahn fungiert. Offenbar war es ein erneuter Versuch von Klaus, mich von meinem Vorhaben, kein frisches Blut trinken zu wollen abzubringen. Und ich gebe zu, nur zu gerne hätte ich alle drei Gläser auf Ex getrunken. Aber ich blieb standhaft und schaute ihn triumphierend an, als er sich schließlich persönlich mit eben einem solchen Glas in der Hand zu uns gesellte.

»Eure heiligen Blutkonserven werden auch nur mithilfe menschlicher Blutspender gefüllt. Also was ist schon dabei?«, sagte er, toastete uns mit dem roten Getränk zu und grinste dabei fies-finster.

»Nur, dass die Leute, die zum Blutspenden gehen, dies freiwillig tun und nicht unter der Manipulation eines Wahnsinnigen stehen«, keifte ich Klaus an und wies die Kellnerin von mir, die mir erneut das Tablett unter die Nase hielt.

Dann drehte ich mich um und wollte die Szenerie so schnell wie möglich verlassen. Denn, auch wenn mein Geist dem Blut widerstand, so konnte es mein Vampirkörper nur sehr schwer und ich spürte die Venen unter meinen Augen hervortreten und die Reißzähne wachsen.

Unglücklicherweise verstand Klaus das vermutlich als Aufforderung, mir zu folgen. Jedenfalls stand er auf einmal wieder neben mir.

»Kann ich davon ausgehen, dass du lang genug hinter meinen Kopf schauen konntest und dir nun ein reales Bild von mir gemacht hast?«, fragte er mich und spielte damit erneut auf meine törichten Worte von vergangener Nacht an.

»Das möchte ich meinen«, antwortete ich und versuchte dabei, seine überhebliche Art zu imitieren. »Sie manipulieren ihre Angestellten, Ihnen als wandelnde Blutbeutel zu dienen. Sie schleimen sich beim Bürgermeister und den anderen hohen Tieren der Stadt ein, um in deren Gunst zu steigen. Ihnen wird ein Platz im Stadtrat angeboten und Sie eröffnen dieses Hotel, um noch mehr Blutspender in Ihre Nähe zu locken. Zu guter Letzt versuchen Sie sich auch noch, bei mir gut zu stellen, indem Sie mir irgendwelche Geschichten über Werwölfe erzählen und mir Ihre rührselige Lebensgeschichte vorbeten. Vielleicht habe ich heute Nacht für einen winzigen Augenblick wirklich gedacht, dass Damon und Stefan unrecht haben und Sie gar nicht so schlimm sind, wie sie mir weismachen wollen. Aber auf Ihre Tricks falle ich nicht herein. Ich weiß, dass Sie und Ihre antike Familie hier irgendetwas Mieses planen und ich werde herausfinden, was des ist und es zu verhindern wissen. Darauf können Sie sich verlassen. Ich werde nicht zusehen, wie Sie meine Heimatstadt unterwandern und für Ihre Zwecke ausnutzen.«

Eigentlich wusste ich, dass ich einen über tausend Jahre alten Vampir damit nicht einschüchtern konnte, aber mit dieser Reaktion hatte ich dennoch nicht gerechnet. Anstatt irgendwie wenigstens ansatzweise genervt oder erbost zu gucken, fing Klaus an, zu lächeln.

»Paranoid, in allem Übermaß selbstbewusst, sich dem Gegner überlegen fühlend und zu guter Letzt der immense Einsatz für die Heimatstadt. Wenn du mich nur ein wenig mehr kennen würdest, als du es zu glauben denkst, Maria, würdest du merken, dass wir uns gar nicht so unähnlich sind.« Dann drehte Klaus sich um, ging erneut zu den Presseleuten und dem Bürgermeister und ließ mich sprachlos zurück.

Wie hat er das denn gerade gemeint?

Leider kam ich auch dieses Mal nicht dazu, weiter in Gedanken und Grübeleien zu versinken. Denn Joachim Weingard winkte mich heran. Es sollten für die Medien weitere Fotos gemacht werden, damit auch wirklich jeder am nächsten Morgen sehen konnte, welche Harmonie auf dieser Einweihungsfeier zwischen Herrn Mikaelson, der Presse und den Vertretern der Region herrschte. Ehe ich wusste, wie mir geschah, stand ich auch schon mit auf der Treppe, genau neben Klaus und tat so, als ob ich weitere O-Töne von ihm aufnahm.

In Wahrheit war ich immer noch viel zu baff, um daran zu denken, den Aufnahmeknopf zu drücken. Stattdessen schaute ich mit einem aufgesetzt freundlichen Lächeln in die nun massenweise aufblitzenden Kameras. Nie zuvor habe ich meinen Job so sehr gehasst wie in diesem Augenblick.

Ich war in der Hölle gelandet.

Klaus erzählte den Anwesenden in der Zwischenzeit noch weitere honigsüße Dinge, dass er und seine Familie künftig dabei mithelfen wollen, die Stadt noch schöner und lebenswerter zu machen. Dieses Hotel sei nur der Anfang – bla, bla, bluppeldiblubb.

Was folgte, war der donnernde Applaus der Unwissenden. In diesem Moment hatte ich ein ganz mieses Gefühl und sah den Untergang Eichenstedts näher rücken. Doch blieb mir nichts anderes übrig, als zu lächeln.

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