»MACH DEINE JACKE ZU!«

~ 14. März 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,


heute musste ich wieder auf Arbeit und allen um mich herum die heile Welt vorspielen. Dass ich darin nicht besonders gut war, hat mir meine Schwester offenbart. Ich hoffte, trotzdem, dass ich Menschen, die nicht zu meiner Familie gehörten, besser täuschen konnte.

Apropos täuschen: Ich habe es noch immer nicht geschafft, den Mikaelsons von Luisa zu erzählen. Irgendwie ergibt sich auch nie die richtige Gelegenheit.

Glücklicherweise trudelten beim Radio heute keine Meldungen über Anschläge oder sonstige mysteriöse Todesfälle ein. Auch mein Handy blieb still. Keine Nachrichten, welcher Art auch immer, von meinen vampirischen Freunden. Ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war, wusste ich nicht – aber ich konnte mich zumindest besser auf meine Arbeit in der Redaktion konzentrieren.

Auf dem Weg nach Hause holte mich die übernatürliche Realität schnell wieder ein, und zwar auf äußerst skurrile Art und Weise. Ich sah Damon an der kleinen Brücke neben seinem Haus stehen. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand er da und beobachtete irgendetwas ganz interessiert. Als ich näher kam, sah ich, dass gerade Abrissarbeiten an dem Haus im Gange waren, in dem Klaus und Elijah hexische Überraschungen vermuteten. Das Haus, in dem ich als Kind noch zum Friseur gegangen bin. Jetzt waren davon nur noch Trümmerteile übrig.

»Damon, was schaust du so angesäuert?«, fragte ich ihn und er schien ernsthaft erbost zu sein, über das, was da hinter seinem Haus vorging.

»Diese verfluchten Abrissarbeiten haben mich heute Morgen äußerst unsanft aus meinem wohlverdienten Schlaf gerissen und anscheinend machen die heute auch noch Überstunden. Aber was mich am meisten wundert – Wieso in aller Welt steht Klaus da rum und kommandiert die Arbeiter?«, fragte Damon und verzog angewidert das Gesicht.

Für wahr, da stand Klaus und wünschte den Arbeitern gerade einen angenehmen Feierabend. Wie höflich er doch sein konnte. Ein bisschen witzig fand ich diese Szene ja schon, fast schon putzig – warum auch immer. Als er uns entdeckte, kam mein werter Herr Erschaffer schnellen Schrittes auf uns zu.

»Schon irgendwas entdeckt?«, fragte ich ihn und erntete verwirrte Blicke von Damon.

»Kol und ich haben jeden Winkel abgesucht und jede Mauer abgeklopft. Die geheimen Tunnel unter den Kellerräumen wurden bereits vor langer Zeit zugemauert. Da blieb mir nichts anderes übrig, als das gute alte Gemäuer abreißen zu lassen. Ein wenig Manipulation sei Dank, ging das alles heute noch vonstatten«, sagte er und grinste sein Klausgrinsen, während Damons Stirn sich immer weiter kräuselte.

»Was auch immer ihr da gesucht habt. Ich hoffe, das war den Lärm wert, den ihr veranstaltet habt«, grummelte er.

»Bislang haben wir nichts entdeckt«, antwortete Klaus leicht enttäuscht.

»Und Alaric? Hat er sich schon bei euch gemeldet?«, wollte ich wissen.

»Das hat er«, schmunzelte Klaus.

»Und da sagt mir keiner Bescheid?«

»Verzeih mir, Liebes. Das muss uns wohl in der Aufregung entfallen sein.«

Damon sah ebenso schockiert aus wie ich. »Moment. Alaric hat euch doch die Informationen gegeben, die ihr haben wolltet?«, fragte er verwirrt.

»Die wundersamen diplomatischen Fähigkeiten meines Bruders Elijah sei Dank.«

Ich stimmte Klaus nickend zu.

»Und, was hat Ric euch gesagt?«, wollte ich anschließend erfahren, während Damon mit der Frage kämpfte, ob er eventuell in einem schlechten Witz feststeckte.

»Er hat all seine Informationen von einem alten Hexer, der hier in der Gegend gelebt hat, bevor er nach Dornum in Ostfriesland gezogen ist. Alaric hat ihn damals in Amsterdam getroffen. Kol und Rebekah sind vor drei Stunden losgefahren, um den gütigen Herrn einen freundlichen Besuch abzustatten«, erzählte Klaus triumphierend.

Ich überlegte, ob Kol die richtige Wahl für so eine Mission war, um einen freundlichen Besuch zu tätigen.

»Dein Bruder wird den armen Mann hoffentlich nicht zu grob anpacken, bei der Befragung«, merkte ich misstrauisch an.

Aber Klaus grinste nur und meinte, dass Rebekah schon auf ihren Bruder aufpassen würde. Dann wendete er sich dem Vorarbeiter des Abrissunternehmens zu und klärte mit diesem die letzten Dinge ab.

»Siehst du den Typen da hinten?«, fragte mich Damon in der Zwischenzeit. »Er beobachtet uns schon die ganze Zeit.«

Ich schaute vorsichtig nach hinten und da stand tatsächlich ein junger, dunkelhaariger Knabe in einer Einfahrt versteckt und schaute zu uns rüber. Kaum hatte ich mit der Wimper gezuckt, da war Damon auch schon zu dem vermeintlichen Spion geflitzt. Ich düste lieber sofort hinterher. Denn auch Damon ist manchmal zu großen Dummheiten fähig. Sagte ich manchmal?

Als ich ankam, hatte er den Fremden bereits an der Kehle gepackt und geiferte ihn finster an.

»Wo ist Walther?«, fragte Damon und ich hätte beinahe laut losgelacht, als ich dabei an die berühmten Wimmelbilder und den Typen mit der Pudelmütze und dem rot-weiß gestreiften Pullover denken musste. Vielleicht sollte ich daran denken, wenn mir Walther mal wieder auf die Nerven ging, dann schaffe ich es leichter, sein Gewäsch zu überhören.

Aber leider war für Späße im Moment keine Zeit und ich musste mich wohl oder über mit der unbekannten Person vor mir befassen.

»Ich, ich weiß nicht, wo Walther ist«, stammelte der Fremdling. Womit er gleichzeitig zugegeben hatte, dass er Walther kennt. Das war doch schon mal ein Teilerfolg.

»Wie heißt du?«, fragte Damon harsch.

»R-Rod«, keuchte der unbekannte Vampir.

»Rod? Wie verrottet? Wie Rhododendron?« Damon wurde mal wieder sarkastisch.

»Rodrigo. Rodrigo Martínez. Aber meine Freunde nennen mich Rodríguez. Mein Vater war Spanier.«

»Und mit Freunden meinst du bestimmt deine Kumpanen aus dem Untergrund. Richtig?«

Rodríguez zuckte nur mit den Schultern. Ich verlor langsam die Geduld, schubste Damon zur Seite, rammte den Kerl meine Faust in den Brustkorb und umklammerte sein vor Angst rasendes Herz. Schluss mit dem unschuldig daneben stehen.

»So, Freundchen. Du hast zwei Möglichkeiten«, fing ich an, ihn zu ihn bedrohen. »Entweder du beantwortest unsere Fragen oder du kannst gleich deinem eigenen Herzen Hallo sagen.«

Als ich das sagte, drehte ich sein Herz ganz langsam um. Er fing an zu röcheln und der Angstschweiß schoss ihm aus den Poren.

»Also was ist? Kooperierst du?«

Damons Augen wurden immer größer und sein Mund bewegte sich, ohne einen Ton herauszubringen. So hatte er mich vermutlich auch noch nicht erlebt. Maria 2.0 hatte die Bühne betreten. Doch wir hatten noch einen weiteren interessierten Zuschauer. Klaus beobachtete diese skurrile Szene aus ein paar Metern Entfernung.

»Wo haben sich Edith, Walther und die anderen deiner Sippe versteckt? Überleg dir gut, was du jetzt sagst.« Ich drückte sein Herz etwas fester.

Rod begann keuchend zu erzählen, dass er nichts wisse. »Ich bin nur einer der Außenposten. Uns wird aus Sicherheitsgründen nichts über den Aufenthaltsort unserer Anführer erzählt. Falls – na ja, falls einer von euch einen von uns erwischt.«

Das war ja nun geschehen.

»Sagst du auch die Wahrheit?«, fragte ich das zitternde Vampirbündel und deutete an, sein Herz herausdrehen zu wollen.

»J-ja! Ja, ich schwöre, ich sage die Wahrheit!« Er schien panisch zu werden. Seine braunen Dackelblick-Augen fielen ihm beinahe aus dem Schädel. »Wir tauschen uns an verschiedenen Sammelpunkten aus. Es finden keine persönlichen Treffen mit Walther und seinen Männern statt. Wir Außenposten schreiben alles, was wir erfahren, auf Zettel und legen diese an die geheimen Plätze. Ein Bote sammelt die Nachrichten dann ein und überbringt sie Walther.«

Rodríguez liefen bereits die Tränen aus den Augen, als ich endlich meine Hand aus seiner Brust zog.

»Perfekt. Dann lass uns das genauso machen«, sagte ich triumphierend und erntete fragende Blicke von allen Anwesenden.

»Du legst eine deiner Nachrichten in dem Sammelpunkt ab und wir legen uns auf die Lauer, um diesem Boten zu folgen. Schon wissen wir, wo sich Walther versteckt hat«, schlug ich vor.

Rod atmete mehrere Male tief ein und schaute uns ängstlich an.

»Mach deine Jacke zu. Sonst sieht noch jemand das ganze Blut«, wies ich ihn beiläufig an, während ich mir ein Tuch aus der Tasche holte, um meine blutverschmierte Hand zu reinigen. Plötzlich wusste ich, warum Elijah immer ein Einstecktuch dabeihatte.

Als ich mich umdrehte, stand Klaus vor mir und schaute, als würde er mir seine Hochachtung darbieten wollen.

»Sie ist nicht schlecht, was?«, merkte Damon an, der ebenfalls noch ganz verblüfft von meinem Handeln war.

»Sie lernt ja auch vom Besten«, antwortete Klaus ganz und gar nicht eitel.

Aber ja. Seine Aktion mit Walther letztens war schon sehr beeindruckend, muss ich zugeben. Ich habe von den Salvatores gelernt, ein guter Vampir zu werden und von den Mikaelson lernte ich, wie ich ein besserer Vampir werde. Einer, der sich von niemanden einschüchtern lässt und seinen Standpunkt nicht mehr nur mit Worten, sondern auch mit Taten klarstellte.

Während Damon unseren unfreiwilligen Gast zu seinem Haus zerrte, dachte ich noch eine Weile über mich selbst nach. Und über Klaus. Ich sollte mich von ihm fernhalten – wollte mich von ihm fernhalten – und plötzlich war ich mit ihm befreundet, stand grinsend neben ihm, nachdem ich mich verhalten hatte, wie er selbst. Klaus Mikaelson der uralte Hybrid, der in seinen tausend Jahren unzählige Menschen getötet, gequält und terrorisiert hatte. Genau das, was ich immer am Vampirsein hasste und ablehnte. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass wir uns irgendwie gerade deshalb ergänzten. Während ich seine dunkle Seite zügelte, brachte er meine eigene dunkle Seite schrittweise hervor. Lustigerweise war es bei den Salvatores genau andersherum. Ich war froh, dass sie jetzt mit im Boot waren und uns bei dem Kampf gegen Walther und Edith helfen wollen, anstatt an ihrer Mär vom friedlichen vampirfreien Kleinstadtleben festzuhalten und mich zum Vampir-Mauerblümchen erziehen zu wollen. Vielleicht habe ich doch noch eine Rolle zu spielen in dieser Geschichte. Oder ich rede mir diesen schwülstigen Quatsch nur ein, um mal wieder mein Gewissen reinzuwaschen.

Als ich Damon ins Haus folgte, kam auch Klaus hinterher.

»Es könnte wieder eine Falle sein«, sagte ich zu ihm. »Wir müssen dieses Mal auf alles vorbereitet sein, um nicht wieder jemanden zu verlieren.«

Klaus schaute schon wieder so stolz zu mir und ich bemühte mich, dies nicht als unangenehm zu empfinden.

»Siehst du, Maria? Du hast aus deiner letzten Niederlage gelernt. Sonst würdest du diesem Tunichtgut blindlings vertrauen«, sagte er.

»Das passiert mir kein zweites Mal. Schon gar nicht, wenn Kol und Rebekah nicht in der Stadt sind und wir somit nicht in voller Stärke bereitstehen«, antwortete ich.

Klaus nickte, während wir beobachteten, wie die Salvatores dem Gast wider Willen ein Glas Blut einschenkten, damit er sich von dem Schrecken erholen konnte, den ich ihm bereitet hatte.

»Du gehst am besten nach Hause, sorgst dafür, dass Hope in Sicherheit ist, und beredest die Situation mit Hayley und Elijah. Wir sollten keine Zeit verlieren«, schlug ich Klaus vor.

»So sei es«, sagte er und deutete grinsend eine Verbeugung an.

Das war hoffentlich nicht schon wieder eine Andeutung in Richtung Harzer Werwolfskönigin. Ich denke nicht, dass ich dem gerecht werde.

Als Klaus gegangen war und ich zu Damon und Stefan ging, hatten die beiden vor, den armen Rodríguez in dicke Ketten zu legen und an einen Balken ihres Hauses festzubinden.

»Ist das wirklich nötig?«, fragte ich, als ich Rod wie einen Sklaven angekettet am Boden sitzen sah.

»Seine Sippe hat es drauf, sich selbst zu eliminieren, wie du weißt. Ich denke, es ist nötig«, antwortete Damon und sprach damit die beiden Leichen in Klaus' Keller an.

»Wir sollten versuchen, noch etwas mehr aus ihm herauszubekommen, bevor er nichts mehr sagen kann«, schlug Stefan vor. »Er muss doch noch irgendetwas über diesen Walther wissen, wenn er seinem Team angehört.«

Rodríguez schüttelte den Kopf. »Ich weiß nichts über ihn!«, rief er und schaute uns ängstlich an.

»Das werden wir ja noch sehen«, sagte ich und holte eine kleine Flasche mit Eisenkraut und eine Pipette aus der Salvator'schen Küche. »Vielleicht hilft das deinem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge.«

Ich träufelte dem zitternden Vampir ein wenig Eisenkrautlösung auf die Schläfe. Rod hatte Mühe, sich einen Schmerzensschrei zu unterdrücken. Der Brandfleck auf seiner Haut verschwand aber recht schnell wieder.

»Der Nächste geht vielleicht ins Auge«, drohte ich und kam ihm erneut mit der Pipette gefährlich nahe.

»Nein, bitte. Ich, ich sag euch alles, alles, was ihr wissen wollt. Aber bitte, tu dieses Teufelszeug weg!« Rodríguez knickte endlich ein.

»Schau an, unser neuer Amigo kommt zur Vernunft«, sagte Damon, der sich ansonsten bei diesem Verhör ungewohnt zurückhaltend zeigte.

»Ich kann diesen Walther sowieso nicht ausstehen«, begann Rod zu reden. »1932 bin ich ihm zum ersten Mal begegnet. Es war kurz nach meiner Verwandlung. Er hatte mir zunächst geholfen, mich in dieser Situation zurechtzufinden. Anfangs war seine Bruderschaft noch auf Werten wie Ehrlichkeit und das Vermeiden unnötiger Opfer aufgebaut. Doch irgendwann, nachdem er Edith kennengelernt hatte, war er wie ausgewechselt und ließ mich fallen. Er hat mich in eine seiner Kategorien eingeteilt. Walther unterscheidet seitdem sehr streng, wer von seinen Leuten in der Hierarchie aufsteigt und wer nur ein Handlanger bleibt. Ich fiel in die letzte Kategorie und wurde zu einem Spion oder Boten, den man beliebig von Ort zu Ort jagen konnte. Er selbst verlor sich immer weiter in seiner selbstverliebten und rachsüchtigen Art und wer sich nicht an seine Regeln hielt – nun ja.«

»Ein richtiges Ekel also. Beinahe so fies wie unser guter alter Klaus. Walther müsste dir doch eigentlich sympathisch sein, Maria.«

»Damon, halt einfach den Mund.« Manchmal war dieser Kerl einfach unerträglich mit seinen Sprüchen. »Rod, kannst du uns trotzdem irgendetwas über Edith verraten? Dein nun toter Kumpel Florian hatte etwas darüber gesagt, dass Walther damals an dem Anti-Werwolfs-Fluch mitbeteiligt war, und dass Edith eine Nachfahrin der Hexen ist, die den Zauber bewirkt haben. Wie passt das alles zusammen?« Ich versuchte nun, da Rodríguez anfing, zu reden, etwas höflicher zu werden.

Er soll ja schließlich nicht denken, dass unsereiner die Bösewichte in der Geschichte sind, nicht wahr?

»Walther und Edith hatten persönlich eigentlich nie viel miteinander zu tun. Aber damals, bevor der Fluch gesprochen wurde, da soll Walther eine Geliebte gehabt haben. Antonia oder so ähnlich. Sie soll eine Hexe und direkte Vorfahrin von Edith gewesen sein. Sie wollte ihrem Liebsten dabei helfen vor den Werwölfen sicher zu sein. Mit den fünf größten Hexenzirkeln der damaligen Zeit hat sie sich daraufhin zusammengetan und diesen Zauber kreiert. Es soll dabei viel schwarze Magie eine Rolle gespielt haben. Einige der Hexen aus den Zirkeln haben daraufhin der Hexerei abgeschworen. Dennoch verloren die Werwolffamilien durch den Fluch nicht nur ihre Fähigkeit sich zu verwandeln, auch ihre Gedächtnisse wurden gelöscht. Das ist der Grund, warum heute kaum noch jemand etwas über die Existenz der Werwölfe im Harz weiß. Bis auf schleierhafte Sagen und Legenden ist nichts mehr von ihnen übrig geblieben und wir Vampire brauchten uns nicht mehr vor ihnen zu fürchten. Das ist alles, was ich gehört habe. Nähere Informationen haben vermutlich nur ranghöhere Vampire oder Walther allein.« Rod schaute uns allen aufrichtig ins Gesicht, während er sprach.

»Ich glaube ihm. Warum sollte er sich so was ausdenken?«, sagte ich schließlich.

Damon sah mal wieder nicht sehr überzeugt aus. »Ernsthaft? Eine Liebesschnulze zwischen Walther und der Urururgroßmutter von Edith ist der Ursprung dieses Dilemmas?«

Stefan musste etwas schmunzeln. »Nun, Damon. Wenn du dich zurückerinnerst, war das bisher fast immer der Grund für irgendein Übel. Sogar die Urvampire sind aufgrund der Liebe ihrer Mutter entstanden und somit letzten Endes auch wir. Und denk an Silas und –«

»Ist ja schon gut. Herrgott noch mal!«, unterbrach Damon genervt seinen kleinen Bruder.

»Glaubt es oder glaubt es nicht. Wenn ihr mich nicht tötet, dann tut es Walther ganz bestimmt. Für mich spielt das keine Rolle mehr«, sagte Rod und blickte uns kleinmütig an.

»Niemand bringt dich um«, beruhigte ich ihn. »Immerhin haben wir endlich einen kleinen Einblick in Walthers Geschichte bekommen. Das ist viel wert. Er hat also über Generationen hinweg einen Pakt mit den Hexen geschlossen, um diesen Fluch aufrecht zu erhalten. Hm. Aber was haben die Hexen von heute noch davon, dass die Vampire sich nicht mehr vor Werwölfen fürchten müssen? Was ist das Schreckliche, vor dem uns alle warnen? Was passiert noch, wenn wir den Fluch gebrochen haben? Und woher kennt Walther die Mikaelsons?«, wollte ich wissen.

Rodríguez zuckte mit den Schultern. »Er hasst die Urvampire aus tiefstem Herzen. Sie sind die größten Bestien der Welt, sagt er, und der Antrieb all seines Handelns. Er hat mir nie erzählt, was geschehen ist. Aber ich werde euch helfen, Walthers Versteck zu finden. Dann verlasse ich für immer diese Gegend und möchte nichts mehr mit alldem zu tun haben.«

Rod sprach nun ausschließlich mit mir. Er schien davon auszugehen, dass ich hier die Anführerin oder so was bin. Harzer Werwolfskönigin zum Zweiten.

»Macht ihn von den Ketten los«, befahl ich und erntete entsetzte Blicke.

»Was? Nein! Bist du wahnsinnig, Maria? Er wird sofort losrennen und seinen Boss warnen.« Damon war ganz und gar nicht mit meiner Vorgehensweise einverstanden.

»Habt ihr ihm nicht zugehört? Er hasst Walther. Er ist ein Deserteur und unsere einzige Informationsquelle. Er hat nichts getan, was diese Ketten rechtfertigt«, stellte ich klar.

Widerwillig machte Damon Rodríguez los. Dieser schaute noch etwas unsicher zu den Salvatores. Tja, der Vertrauenspunkt geht damit klar an mich.

»Also, Rod. Wo genau findet diese Informationsübergabe statt und wann?«, fragte ich ihn anschließend, um ihm das Gefühl zu geben, dass er nun Teil unseres Teams und unserer Mission war.

Dies unterstrich ich, indem ich meine Hand auf seine Schulter legte. Rodríguez wurde langsam etwas entspannter.

Guter Cop, böser Cop – Vampiredition.

»Am Rande der Stadt ist so ein Ausgucksdingsda. In der Nähe von dem Turm, wo Edith ihre Verwandten hat einsperren lassen«, erzählte er.

»Die Magdalenenhöhe. Ok«, sagte ich und nickte.

»Dort klemmen wir die Zettel mit den Infos zwischen zwei lockeren Holzbalken.«

»Also gut. Ich weiß, wo das ist. Faken wir eine Nachricht und dann gehts los. Ähm, wann gehts los, Rod?«

»Wir legen die Nachrichten für gewöhnlich zwischen 3 und 4 Uhr nachts dort ab. Dann sind keine Menschen unterwegs.«

Ich schaute die Salvatore-Brüder auffordernd an, die immer noch skeptischen Blickes das Geschehen verfolgten.

»Heute Nacht machen wir eine kleine Wanderung zur Magdalenenhöhe. Bereitet euch vor, Jungs!«, rief ich.

Stefan und Damon holten Zettel und Stift und Rodríguez schaute mich fasziniert von der Seite an.

»Ich hab schon von dir gehört«, murmelte er mir zu. »Du bist die Freundin von diesem Hybriden, den Walther so sehr hasst. Ich hätte gedacht, dass du genauso grausam bist wie er. Aber du bist eigentlich ganz in Ordnung. Wie erträgst du nur die Gesellschaft, wenn er solch ein Tyrann ist?« Nun wurde Rod langsam unverschämt.

Vielleicht hätte ich ihn doch nicht allzu sehr mit Samthandschuhen anfassen sollen?

»Vertrauen ist das Zauberwort. Vertrauen und gegenseitiger Respekt. Im Moment vertrauen wir dir auch. Aber sollte es sich herausstellen, dass du uns verarscht hast, ist es ganz schnell vorbei mit meiner Höflichkeit.«

»¡Sí!«, antwortete Rodríguez und stand stocksteif da, wie ein folgsamer Soldat.

»Und jetzt setz dich mit an den Tisch und denk dir irgendwas aus, was wir auf unsere Falschmeldung schreiben können.« Rod nickte gehorsam und flitzte zu den Salvatores.

Als ich so vor ihm stand, mit dem Zeigefinger auf ihn gerichtet, kam ich mir für einen Augenblick schon fast wie Klaus vor. Du liebe Zeit, da färbt so langsam ziemlich viel von ihm an mir ab!

Die Salvatores saßen dann mit unserer Geisel an einem Tisch und tüftelten einen Plan aus. Ich ging erst mal in die Küche, schenkte mir ein Glas gekühltes Null negativ ein und dachte über mein gerade gezeigtes Verhalten nach. So kriegerisch veranlagt kannte ich mich selbst noch nicht, aber ich konnte nicht leugnen, dass es mir irgendwie Spaß machte. Nach einer Weile gesellte sich Stefan zu mir.

»Was ist nur aus unserer kleinen und stets freundlichen Vampirin geworden, die wir im Januar bei uns aufgenommen hatten?«, fragte er und lächelte mich verblüfft an.

»Ich tue nur, was getan werden muss. Walther und Edith bedrohen diese Stadt und meine Freunde. Sie haben fast ein ganzes Werwolfsrudel gefangen genommen. Mein Rudel, um genau zu sein. Und sie haben meine Freundin Freya gekidnappt. Sie wissen über Luisa Bescheid. Es wäre doch eine Schande, wenn ich dabei tatenlos zusehen würde«, antwortete ich ihm.

Stefan nickte wortlos. »Du weißt, dass wir dich immer unterstützen. Doch denkst du nicht, dass es vielleicht einen Grund geben könnte, warum Edith und Walther so sehr darum bedacht sind, dass dieser Anti-Werwolf-Fluch ungebrochen bleibt? Ist dir je der Gedanke gekommen, dass wir auf der falschen Seite sein könnten?«

Ja, dieser Gedanke ist mir gekommen – mehrmals – mit immer demselben Ergebnis.

»Was meinst du damit, Stefan? Nur, weil ihr früher Probleme mit Klaus und seiner Familie hattet, sind seine Feinde automatisch die Guten? Das war einmal und hat nichts mit mir und Eichenstedt zu tun. Sie haben sich verändert seitdem, genau wie du und Damon.«

»Ich meine, dass wir damit vielleicht etwas lostreten könnten, was wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen können.« Stefan klang ja schon fast wie Edith. Wollen mir denn plötzlich alle in den Rücken fallen?

»Darauf bin ich vorbereitet. Aber du weißt, warum ich keinen Rückzieher mehr machen kann. Ich denke, wenn man auf der Seite der Mikaelsons kämpft, dann kämpft man am Ende auf der Seite der Sieger. Sie sind schon mit ganz anderen Feinden fertig geworden unter anderem mit euch.«

Stefan schaute mich mitleidig und überrascht zugleich an.

»Und was wird am Ende aus dir? Was, wenn Klaus euren Deal nicht einhält und mit den Wölfen verschwindet, sobald der Fluch gebrochen wurde? Und was ist, wenn du –«

»Stefan«, unterbrach ich ihn, aber er redete weiter.

»Setzte nicht zu viel Vertrauen und Hoffnung in diese Familie. Ich kenne sie schon länger als du, Maria.«

»Richtig. Und warst es nicht du, der einmal Klaus' bester Freund und Rebekahs Geliebter gewesen ist?«, holte ich zum Gegenschlag aus. »Dieses Gespräch hatten wir bereits hundertmal, Stefan. Wir wissen beide, dass die Mikaelsons unterm Strich nicht besser und nicht schlechter sind als alle Vampire. Oder wieso bist du nach wie vor mit deinem Bruder zusammen, nachdem er deine Freundin Lexi ermordet und etwas mit deiner großen Liebe Elena angefangen hat? Mach dir keine Sorgen um mich, Stefan. Ich bin nicht so blauäugig, wie ihr beide mich gern hättet.«

»Woher weißt du das mit Lexi?«, fragte er erschrocken.

»Ich habe meine Quellen und nein, Klaus hat es nicht erzählt. Er hetzt nicht mal ansatzweise so gegen euch beide, wie ihr gegen ihn und seine Familie.«

»Vielleicht sind wir wirklich zu verbittert. Freya hat mir einmal sogar geholfen. Ich helfe jetzt gerne, sie wiederzufinden.« Stefan warf mir noch ein letztes mitleidiges Lächeln zu und ging dann nachdenklichen Blickes wieder zu Rod und Damon.

Ich denke, das hatte ihn sehr getroffen, aber es musste gesagt werden. Ich war es leid, mich überall rechtfertigen zu müssen.

Anschließend rief mich Klaus an, um sich über den aktuellen Stand der Dinge zu erkundigen. Ich erzählte ihm alles, was Rodríguez ausgeplaudert hatte.

»Und wann findet die Übergabe statt?«, fragte Klaus.

»Jungs?! Wann genau machen wir uns heute Nacht auf die Strümpfe?«, fragte ich in Richtung Wohnzimmer.

»Wir gehen um kurz nach 3 Uhr los!«, antwortete Damon.

»Hast du gehört, Klaus?«, fragte ich meinen Erschaffer am anderen Ende der Leitung.

»Warum glauben wir diesem Schmarotzer?«, fragte er mich anschließend.

»Tun wir nicht«, antwortete ich. »Ich denke nicht, dass er absichtlich gelogen hat. Aber nach der Sache mit Freya müssen wir damit rechnen, in eine weitere Falle zu marschieren. Wir müssen auf diesen Fall vorbereitet sein«, beruhigte ich Klaus.

Klaus sagte dann, dass Hayley bei Hope bleiben würde und er und Elijah sich bald auf den Weg zum Salvatore-Haus machen wollen.

Während Damon, Stefan und Rodríguez mit den Vorbereitungen auf unsere Nachtwanderung beschäftigt waren, versuchte ich auf dem Salvator'schen Sofa noch etwas Schlaf zu finden. Das gelang mir sogar, bis ich auf einmal aus einem sehr sonderbaren Traum geweckt wurde.

Ich sah drei Wichtel vor mir tanzen. Sie hatten die Gesichter von Stefan, Damon und Elijah. Es war der skurrilste Anblick, den ich je gesehen hatte. Alle hatten todernste Gesichtsausdrücke und machten dabei Faxen und sprangen lustig umher. Dann verwandelten sich ihre Gesichter auf einmal in Vampirfratzen und hechteten mit einem großen Satz auf mich zu.

Ich schreckte hoch und blickte anschließend genau in Klaus' dämlich grinsendes Gesicht.

»Hast du was Nettes geträumt, Liebes?«, fragte er, als ob er genau wüsste, was da gerade für Hampelmänner vor mir herumgehüpft sind.

»Klaus?! Ich glaube, mich tritt ein Esel! Warst du gerade ernsthaft in meinen Gedanken?«, schimpfte ich ihn aus.

»Nun, ganz so ernsthaft nicht, um ehrlich zu sein«, antwortete er kichernd.

Da mussten wir plötzlich beide anfangen zu lachen. Die monströse Bestie, vor der mich alle Welt warnen will, hatte ihre humorvolle Seite entdeckt.

Damon stand mit angeekeltem Gesichtsausdruck ein paar Meter neben uns und fragte Elijah, ob dieser eventuell den falschen Klaus mitgebracht haben könnte. Dieser schüttelte schmunzelnd den Kopf, woraufhin sich Damon einen Bourbon einverleiben musste. Stefan verzog keine Miene und Rod staunte Bauklötze über den Tyrannen.

Wenig später machten wir uns zusammen auf den Weg in die Dunkelheit der Nacht, wo es vielleicht so schnell nichts mehr zu Lachen geben würde.

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