»KÖNNTE ES VIELLEICHT MÖGLICH SEIN MIT WALTHER ZU SPRECHEN?«

~ 26. März 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,

heute ist Montag der 26. März und damit ist die Woche der Entscheidungen angebrochen. Das Wetter jedenfalls scheint optimistisch zu sein und zeigt sich in der Osterwoche von seiner freundlicheren Seite. Seit Samstag war ich auch wieder brav auf Arbeit. Ab Freitag habe ich dann ganz hochoffiziell und ohne Manipulation Urlaub. Ob ich aus diesem jemals zurückkehren werde, steht nach wie vor in den Sternen. Oder im Mond. Ich habe Freya jedenfalls noch nicht wieder auf dieses Problem angesprochen.

Auf jeden Fall müssen Luisa und ich uns für den Worst Case auch eine glaubhafte Geschichte einfallen lassen. Das wird hart. Aber ich schob all diese Gedanken mal wieder so weit wie möglich von mir weg. Ich wollte meine vielleicht letzten Tage bei meiner Familie genießen. Kurz vor Ostern fahren unsere Eltern zu Verwandten. So müssen wir am Tag der Tage nicht auch noch auf die beiden Rücksicht nehmen.

Am Nachmittag klingelte plötzlich mein Handy. Freya war dran. Sie fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, in der Villa vorbei zu kommen.

»Linda und ich sind gerade dabei ein paar Zaubertricks zu lernen«, erzählte sie.

Das klang interessant. Offenbar hatte sich Linda dazu entschlossen, auch Magie zu praktizieren. Freya, mit all ihrer Erfahrung, ist sicher eine gute Lehrerin.

»Ich würde ja gerne sofort nach Feierabend vorbeikommen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich bei allen in deiner Familie willkommen bin«, antwortete ich.

Ich hatte nach wie vor nicht mit Klaus gesprochen und wusste nicht, wie er in der Zwischenzeit auf mich zu sprechen war.

»Mach dir keine Sorgen wegen Klaus oder Hayley. Ich lade dich ein, weil du meine Freundin und meine Retterin bist. Außerdem verbarrikadiert sich mein Bruder seit Tagen in seinem Atelier«, sagte Freya und ich konnte ihren Wunsch wohl kaum abschlagen.

Allerdings ging ich nach Feierabend zunächst noch kurz nach Hause, um meine Sachen abzuladen und meiner Schwester persönlich zu sagen, dass ich mich mit Freya treffe. Doch Luisa stand auf einmal grinsend vor mir und hatte etwas in der Hand.

»Bist das du? Wer hat das denn gezeichnet?«, fragte sie mich und hielt die Zeichnung hoch, die Klaus von mir gemacht hatte. »Die hab ich auf deinem Schreibtisch gefunden, als ich ein Handyladekabel gesucht habe«, erzählte Luisa.

»Klaus. Klaus hat das gezeichnet«, antwortete ich knapp.

»Wow, er hat dich richtig gut getroffen. Du hast gar nicht erzählt, dass er zeichnen kann, dieser uralte Hybridenfreak.«

Ich musste kurz schmunzeln. »Doch. Seine Tochter hat das Talent anscheinend geerbt. Ich muss immer mit ihr zusammen zeichnen, wenn wir uns sehen«, erzählte ich.

»Und wann hast du Klaus Modell gestanden?«, fragte wiederum meine Schwester.

»Ähm, gar nicht. Das hat er so gezeichnet. Vielleicht als Übung oder so. Keine Ahnung. Ich muss jetzt los. Ich will noch mit Freya und Linda sprechen. Bin bald wieder da!«, sagte ich und flitzte aus der Tür, während Luisa noch immer über die Zeichnung staunte.

Auf dem Weg zur Villa musste ich plötzlich an das denken, was Damon mir über Klaus und Caroline erzählt hatte. Irgendwie schien Klaus mich anscheinend wirklich zu mögen. Dennoch war ich mir manchmal immer noch nicht sicher, was wir waren. Freunde, Feinde? Freinde vielleicht. Gegner, Geschäftspartner? Oder einfach alles auf einmal. Es war für ihn nach tausend Jahren Hass und Zwietracht vermutlich nicht so einfach, jemandes Freund zu sein. Vielleicht musste er das einfach noch lernen. Grummeln und Ignorieren gehören meiner Meinung nach jedenfalls nicht zu einer Freundschaft.

Als hätte ich es geahnt, wurde ich auch aus diesen Gedanken jäh herausgerissen, als ich plötzlich Schritte hörte. Hinter mir tauchten etwa ein halbes Dutzend Vampire auf.

»Was kann ich für euch tun, Gentlemen?«, fragte ich ein wenig genervt, da ich mir denken konnte, dass es Anhänger von Walther waren.

Ein rothaariger Typ kam aus der Mitte hervorgetreten und stellte sich ernst dreinschauend und mit verschränkten Armen vor mich hin.

»Indem Walther frei kommt«, brummte er mich an.

»Ach, ihr seid Walthers kleinen Spielgefährten. Tut mir leid. Aber Walther kann zurzeit nicht zum Spielen rauskommen. Er war nur einer von Ediths Handlangern und somit gibt es für euch auch nichts mehr zu tun, schätze ich. Also, dann. Macht euch vom Acker und fangt ein neues Leben an. Tüdelü!«, antwortete ich frech.

Der übellaunige Knabe vor mir schien von meiner überspitzt-freundlichen Abfuhr weniger begeistert zu sein.

»Halt einfach die Fresse und lass Walther frei«, fauchte er mich an.

»Du meine Güte. Wenn es mit der Intelligenz hapert, dann wirft man bei euch wohl mit Kraftausdrücken um sich, hm? Wie primitiv«, entgegnete ich und wollte gerade die Flucht antreten.

»Spiel dich nicht so auf, als hättest du hier was zu melden! Auf diesem Gebiet herrscht Walther, und das schon seit Jahrhunderten. Also hör auf mit deinem arrog...«

Seinen letzten Satz konnte er bedauerlicherweise nicht mehr beenden. Denn als er gerade auf mich losspringen wollte, grub sich meine Hand tief in seine Brust und erleichtere seinen nutzlosen Körper um ein wichtiges Organ. Sein wortwörtlich herzloser Körper fiel rumpelnd zu Boden. Mit seinem Herz in der Hand ging ich nun auf den Rest der Bande zu, der mich blöd angaffte.

»Hat noch jemand Organe anzubieten, die er nicht mehr braucht?«, fragte ich diese Deppen, welche daraufhin die Flucht ergriffen und mir lediglich von Weitem noch ein paar drohende Gesten und Stinkefinger zukommen ließen.

Ich blieb stolz zurück. Ganz allein hatte ich kleines Vampirmädchen diese Angreifer in die Flucht geschlagen. Nun gut, vielleicht waren es nicht die besten und stärksten aus seiner Truppe. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich mich nach jedem getöteten Vampir ein wenig stärker fühlte. Dennoch plagten mich nach wie vor gesundheitliche Probleme. Entweder würden die mich irgendwann killen oder der Fluch, den wir am Samstag brechen.

Da ich den toten Vampir nicht einfach so im Weg liegen lassen konnte, rief ich Rebekah an, ob sie mir bei dessen Beseitigung behilflich sein kann. Nach kurzer Zeit tauchte sie mit zwei Schaufeln auf und wir verscharrten den Störenfried am Rand eines Feldes. Rebekah sagte, dass in den letzten Tagen immer mal wieder ein paar von Walthers Lakaien in der Gegend herumgeschlichen sind.

Wenig später trafen wir in der Villa Mikaelson ein. Dort erfuhr ich, dass die kleine Hope nicht mehr dort war.

»Hayley und Elijah haben mit ihr zusammen die Stadt verlassen. Es war hier einfach zu gefährlich für sie«, erklärte Rebekah. »Sie kommen erst zurück, wenn wir den Fluch gebrochen und die Werwölfe auf unsere Seite gebracht haben.«

Das klang schon wieder etwas merkwürdig. Wen genau meinte sie mit uns? Immerhin war es mein Rudel und ich hatte einen Deal mit Klaus.

»Sie sind in der Nähe von Berlin und genießen eine tolle Zeit in einem Tropen-Spaßbad«, ergänzte Rebekah.

»Schade, die Kleine hat so viel Fröhlichkeit in dieser Villa verbreitet«, sagte ich und dachte daran, dass man sie vielleicht auch wegen meiner Aktion aus der Stadt gebracht hatte.

In Freyas Hexenküche fand ich schließlich Linda ganz konzentriert über ein paar Büchern sitzen.

»Linda! Schön dich wieder zusehen. Wie ich hörte, willst du jetzt die Hexerei erlernen«, begrüßte ich sie und zu meiner Freude schien sie nach wie vor nicht sauer auf mich zu sein wegen des Kidnappings.

»Ich habe das alles mein Leben lang als Humbug abgetan. Aber jetzt weiß ich, dass all die Legenden unserer Familie wahr sind, und es ist mir eine Ehre, Teil dieser Welt zu werden. Ich will mit meinen Kräften etwas Gutes bewirken und nicht so eine verbitterte alte Hexe wie meine Großtante Edith werden«, erzählte sie mir stolz.

»Dann sind wir ja schon zwei übernatürliche Wesen mit guten Absichten«, sagte ich, bevor wir zusammen in den Raum gingen, indem ich damals mit Damon, Stefan und Klaus saß, um zu reden.

An dem Tag, an dem ich dieses komische rote Kleid anziehen sollte. Ich musste immer noch über diese skurrile Situation lachen.

Gelacht wurde anschließend tatsächlich viel, als wir zusammen mit Kol, Rebekah und Freya an diesem Tisch Platz nahmen und über allen möglichen Kram quatschten. Wir waren in diesem Augenblick vermutlich nicht von anderen jungen Leuten zu unterscheiden. Einfachen Menschen, die sich nicht mit all diesem Hokuspokus herumschlagen mussten. Tatsächlich bemühten wir uns sogar, alle Themen die mit Vampiren, Hexen, Werwölfen oder Flüchen zu tun hatten, zu umgehen, und hatten zusammen wirklich einen schönen Abend. Erst als wir gerade dabei waren diese heitere Runde aufzulösen, kam ich mit einer gewagten Frage um die Ecke.

»Könnte es vielleicht möglich sein mit Walther zu sprechen?« Alle schauten mich entsetzt an. »Ich würde gerne ein paar Dinge aus ihm herausquetschen. Über den Fluch und über seine Leute. Vielleicht hat er noch ein paar sehr wichtige Informationen für uns.«

Die Mikaelsons überlegten kurz und schauten sich fragend an.

»Ich denke nicht, dass Walther dir freiwillig etwas erzählt. Wenn es nach mir ginge, hätte ich ihn schon längst von seiner hässlichen Fratze erlöst«, sagte Kol schließlich.

»Walther muss doch nach all der Zeit mächtig durstig sein«, sagte ich und hielt ein Glas gefüllt mit frischem Blut hoch. »Vielleicht kann ich ihn ja doch überzeugen.«

Rebekah schaute mich skeptisch an. »Nik wird nicht erfreut darüber sein, wenn du wieder einen Alleingang unternimmst«, sagte sie. »Außerdem hat er selbst schon versucht, etwas aus Walther heraus zu bekommen. Erfolglos.«

»Das ist mir egal. Noch mehr als jetzt kann Klaus mich nicht ignorieren und am Samstag ist er mich eh ein für alle Mal los. Was hab ich zu verlieren?« Erstaunte und mitleidige Blicke trafen mich und Freya schaute verlegen zu Boden.

Das war wohl der Beweis, dass sie noch keinen Rettungsplan für mich hatte.

»Das darfst du gar nicht erst denken«, sagte Rebekah und führte mich anschließend in den Keller, zu der Tür, hinter der sich Walther befand.

Dann ließ sie mich mit unserem Feind allein.

Ich schob den Sichtschutz der Keller-, ähm Kerkertür beiseite und konnte Walther in einer Ecke gekauert sitzen sehen. Er sah nicht gut aus, aber er lebte immerhin noch. Sein Haar und auch sein Bart waren in den letzten Tagen etwas nachgewachsen. Auf verrückte Art und Weise machte ihn das aber etwas sympathischer, als sein üblicher Igelschnitt.

»Wenigstens ein paar Möbel hätte man dir gönnen können, was?«, fing ich das Gespräch an.

Doch Walther bewegte sich kein Stück. Durch das wenige Licht, das in den Kellerraum einfiel, konnte ich erkennen, dass seine Augen sehr wohl in meine Richtung blickten.

»Ich kann mir gut vorstellen, dass du hungrig bist, hm. Das war ich auch in eurem kleinen Gefängnis«, sagte ich und hielt das Glas mit Blut durch die Sichtluke.

»Was willst du damit bezwecken?«, fragte Walther schließlich heiser krächzend.

»Keine Sorge. Ein Freundschaftsangebot wird das ganz sicher nicht«, antworte ich.

»Verzieh dich«, sagte Walther daraufhin und wendete seinen Blick wieder von mir ab.

»Willst du aber ein Geschäft mit mir machen, dann könnte ich dir ein paar Milliliter feinsten Blutes zugutekommen lassen. AB positiv. Yummie.« Ich ließ einen Tropfen auf den Zellenboden fallen.

»Mit Hybriden mache ich keine Geschäfte. Du verschwendest die wenige Zeit, die du noch hast. Ich wünschte, wir hätten diese verdammte Werwolfsbrut damals einfach ausgelöscht, anstatt nur diesen dummen Fluch auf eure Existenz zu legen«, er fing überraschenderweise an gesprächiger zu werden.

»Erzähl ruhig weiter. Und wenn dir die Kehle trocken wird – hier ist was Feines, guck« Ich ließ erneut etwas Blut auch den Boden tropfen.

Ich konnte sehen, wie Walther gegen das Verlangen ankämpfte. Aber er hatte wirklich einen starken Willen.

»Na gut. Dann trinke eben ich. Ist übrigens frisch abgezapft, von einer von Klaus' Bediensteten. Noch körperwarm. Köstlich«, sagte ich und trank genüsslich einen Schluck von dem Blut.

Das konnte selbst Walther nicht ertragen und er schleppte sich in Zeitlupengeschwindigkeit zu mir an die Tür. Dann streckte er seine bleiche schwache Hand durch die Luke.

»Es gab Zeiten, da hätte ich drüber gestanden«, versuchte er zu lachen. »Los, gib mir einen Schluck«, keuchte er dann.

»Na, na, na. Für umsonst gibt es hier nichts. Erst wenn du versprichst, mir noch ein paar Details über diesen Anti-Werwolf-Fluch zu erzählen. Und vielleicht noch ein bisschen was von deinen dümmlich wirkenden Gefolgsleuten, die seit Tagen da draußen herumlungern. Wo die ganzen Werwölfe sind, wäre vielleicht auch mal interessant zu erfahren«, schlug ich ihm vor, doch Walther drehte sich wieder um.

»Vergiss es!«, versuchte er zu brüllen, brachte allerdings nur ein heiseres Kreischen hervor.

Fast schon putzig.

»Gut, dann ist auch der Rest für mich«, gab ich zur Antwort und trank das ganze Glas leer. »Ich habe noch mehr frisches Blut. Also wenn du deine Meinung noch ändern möchtest, nur zu.«

Walther schaute mich grimmig durch die Luke an, sagte aber zunächst nichts.

»Denke nicht, dass ich mich vor deinem grimmigen Blick fürchte. Das kann Klaus viel besser als du und vor ihm hatte ich noch nie Angst.« Walther grummelte etwas in sich hinein und wollte sich wieder in seine Ecke verkriechen. »Grummeln kann Klaus übrigens auch besser. Aber vielleicht hilft dir ja etwas Blut. Hier hab ich noch was. A negativ. Lookie, lookie! Nein? Na, dann. Noch einen angenehmen Aufenthalt und frohes Vertrocknen, der Herr.«

Ich wollte gerade wieder gehen, da regte sich letztlich doch etwas in der kleinen Zelle. Walthers schwache Hand streckte sich mir erneut entgegen.

»Ich sage dir alles, was ich weiß. Aber bitte, nur ein bisschen Blut«, krächzte er.

»Na also! Er wird vernünftig«, sagte ich und gab ihm einen Schluck Blut. »Den Rest gibt es erst, wenn du alles erzählt hast«, stellte ich klar und er nickte schwach.

Als er ausgetrunken hatte, setzte Walther sich an die Tür gelehnt auf den Boden seiner Zelle und begann zu reden.

»Mein Name war nicht immer Walther. Ich hieß früher Knut. Ich weiß, es klingt wie eine Witzfigur und genau das war ich damals auch. Ich war ein einfacher Knecht in einem Wirtshaus bei Hamburg. Dort kamen oft reiche Leute vorbei. Ich selbst stammte aus einer armen Familie und habe meine Eltern bereits mit 13 Jahren verlassen, um Geld zu verdienen. Aber ich konnte dennoch nicht klagen. Mein Herr behandelte mich stets gut. Ich selbst war ein notorischer Ja-Sager, was mir meistens die unbeliebtesten Aufgaben einbrachte. Außerdem wurde ich aus diesem Grund auch oft von unseren Gästen über den Tisch gezogen«, begann Walther seine Lebensgeschichte zu erzählen.

»Du warst also früher ein Rodríguez? Gut zu wissen. Und wann kommt der interessante Teil der Geschichte?« Ich wurde ungeduldig.

»Genau jetzt«, lautete Walthers verbitterte Antwort. »Jetzt kommen deine sogenannten Freunde ins Spiel.«

»Die Mikaelsons?«, fragte ich nach.

»Sie gaben sich als Fürstenfamilie aus und machten auf ihrer Durchreise in unserem Wirtshaus Halt. Reiche Leute versprachen hohe Einnahmen. Wir alle waren ganz aus dem Häuschen und bewirteten die Edelleute, so gut es ging. Ich wollte die Herrschaften auf keinen Fall verärgern, was mir letztlich zum Verhängnis wurde.

Irgendwann zu später Stunde zeigten die Mikaelson ihr wahres Gesicht. Aus den Edelleuten wurden Bestien. Sie spielten makabere Trinkspiele. Die Verlierer verloren entweder einen Großteil ihres Blutes oder sogar ganze Körperteile oder Organe. Selbst die liebreizende Rebekah war an diesem Abend nicht wiederzuerkennen. Lediglich Elijah ermahnte seinen Bruder hin und wieder, es nicht zu übertreiben. Aber Klaus Mikaelson ließ sich seinen Spaß an den unschuldigen Menschen nicht verderben. Er hatte Vergnügen daran, zu quälen und zu töten. Zu manipulieren und zu foltern.

Dann kam ich ins Spiel. Der Depp, mit dem man es ja machen konnte. So geschah es, dass ich gezwungen wurde Klaus' Blut zu trinken. Anschließend schnitt er mir die Kehle durch. Ich starb unter dem lauten Gelächter der durch Manipulation gefügig gemachten Menschen und wachte unter ihrem donnernden Applaus wieder auf.

Als Vampir.

Es war der reinste Horror. Ich hatte keine Ahnung, was mit mir geschehen war. Dann führte mir Rebekah eine der Mägde zu. Unsere alte Lise. Diese hatte eine stark blutende Wunde am Hals und ich fühlte mich davon wie magisch angezogen. Also trank ich und wurde von den Mikaelsons lautstark angefeuert, nicht aufzuhören. Schließlich sank die arme Frau leblos zu Boden. Ich hatte alles Blut aus ihr herausgesaugt. Ich war wie benebelt und tötete an diesem Abend noch zahlreiche weitere Menschen. Von einem auf den anderen Moment war ich zu einem Monster geworden.« Walther machte kurz Pause.

Diese Erinnerungen scheinen ihn bis heute zu belasten. Dann erzählte er weiter.

»Es war Elijah, der meine Untaten stoppte, indem er mir das Genick brach. Als ich aufwachte, lag ich allein zwischen Leichen, Körperteilen, Urin, Kotze und vor allem Blut. Ich sah zu, wie mein Herr qualvoll starb, als er all diese Perversionen vorfand. Von diesem Tag an schwor ich ewige Rache an den Mikaelsons. Ich zog fortan durch das Land und schwor dem Menschenblut ab. Ich traf einen Menschen, der mir sehr viel bedeutet hat. Walther. Doch auch ihn verlor ich.«

So ganz nebenbei erfuhr ich also auch, dass unser Knut sich nicht ohne Grund einen neuen Namen gab. Allerdings war zu bezweifeln, ob er dem echten Walther gerecht wurde.

»Ansonsten war ich lange allein und an die Nacht gebunden. Später schloss ich mich einem Vampir-Orden in Baden-Württemberg an und entwickelte mich weiter. Ich wurde allmählich zu der Person, die heute vor dir sitzt.«

Alles nicht das, was ich eigentlich wissen wollte, aber ich hörte ihm weiterhin zu, um ihn nicht zu verärgern und am Ende gar nichts mehr zu erfahren.

»Ich sammelte später andere plan- und hoffnungslose Vampire ein, um meine Rachepläne an den Mikaelsons zu verwirklichen. Einige verwandelte ich selbst, um möglichst viele Gefolgsleute um mich zu scharen. Ich schenkte damit vielen verlorenen Seelen eine neue Identität und ganz neue Macht. Sie waren mir sehr dankbar dafür, auch wenn es bedeutete, nur noch nachts draußen sein zu können.

Einige Jahrzehnte später verschlug es mich in diese Region. Und hier sah ich sie dann zum ersten Mal. Antonia. Sie war das Schönste, was ich je gekannt hatte. Sie hatte haselnussbraunes Haar und saphirblaue Augen. Toni gehörte einer angesehenen Familie an. Doch was viele nicht wussten – sie war auch eine Hexe.«

Ich erinnerte mich an das, was Rod erzählt hatte. »Sie war Ediths Vorfahrin. Hab ich recht?«, fragte ich.

»Das ist richtig«, antwortete Walther und klang fast schon verträumt. »Wir trafen uns das erste Mal an einem dunklen Winterabend. Aus einem zufälligen Treffen wurden zwei, drei. Irgendwann verabredeten wir uns jeden Abend zur gleichen Zeit an derselben Stelle. Irgendwann gelang es Antonia, einen Zauber zu finden, mit dem sie mir einen Tageslichtring machen konnte. Ab diesem Zeitpunkt begann mein Leben wieder etwas an Normalität und Stabilität zu gewinnen. Ich fühlte mich fast wieder menschlich.

Ich manipulierte mir eine Arbeitsstelle bei dem örtlichen Jäger. So kam ich immer an frisches Blut. Ich hörte wieder auf, mich von Menschen zu ernähren, seit ich Antonia kannte. Ich hätte ihr sonst nicht in die Augen schauen können. Ich hätte alles für sie getan. Ich habe alles für sie getan. Doch dann kam Friedrich.« Wieder machte Walther eine kurze Atempause, bevor er mich darüber aufklärte, was es mit diesem Friedrich auf sich hatte.

»Friedrich entstammte der reichsten Familie in der Umgebung. Er war ein Frauenheld. Jede wollte ihn, jede kriegte ihn. Doch als sein rechtmäßiges Weib wollte er natürlich kein billiges Flittchen haben, sondern die schönste und anständigste Frau weit und breit.

Antonia.

Er tat das, was ich schon längst hätte tun sollen. Er hielt offiziell um Tonis Hand an. Wie damals üblich, wurde die Frau natürlich vorher nicht um Erlaubnis gefragt und Antonias Eltern waren Feuer und Flamme von der vermeintlich guten Partie. Doch ich kam schon bald hinter das Geheimnis, dass Friedrich und seine Familie streng hüteten.

Einmal im Monat, wenn der Vollmond seinen höchsten Stand erreicht hatte, verwandelten sie sich in Wölfe. Das war der Anfang der Geschichte, die du kennst. Ich wollte Antonia nicht an eine solche Bestie verlieren und forderte Friedrich zum Kampf auf. Doch wir wussten nicht, was so ein Werwolfbiss bei uns Vampiren bewirkte. Er tötete mehr als ein Dutzend meiner Männer. Viele Weitere fielen seinen Kumpanen zum Opfer. Ich entkam ihm nur knapp. Antonia war entsetzt, als sie erfuhr, mit wem sie Hochzeit halten sollte. Sie versprach mir, dass sie diesen Monstern eine Lektion erteilen wollte und, dass wir Vampire sicher vor ihnen sein würden.

Doch ihre Seele war zu rein, um dieses Pack einfach zu vernichten. Stattdessen setzte sich Antonia mit fünf weiteren Hexen zusammen, die jede einen der mächtigsten Hexenzirkel der Region repräsentierten. Gemeinsam entwickelten sie einen Zauber, der die Wolfsseite dieser Leute für immer blockieren sollte. Doch dafür war viel schwarze Magie nötig und ein uraltes Relikt aus der Bronzezeit.«

»Unser allseits beliebter Werwolfsgürtel«, unterbrach ich Walther kurz, um zu zeigen, dass ich noch zuhörte.

»Und nun wollt ihr diesen Fluch rückgängig machen und die Bestien erneut loslassen!«, sagte Walther zu mir und wurde wieder grimmig im Ton.

»Das ist eine Jahrhunderte alte Liebesgeschichte, Walther. Niemand sagt, dass diese Menschen immer noch so sind, wie dieser Lackaffe Friedrich. Sie haben keinen Grund, wie die Irren durch die Gegend zu rennen und Vampire abzuschlachten. Deine Leute haben genau das jedoch getan. Mit unschuldigen Menschen! Nutze deine weitere Gefangenschaft, um darüber mal gründlich nachzudenken.«

Walther schaute mich nun erneut durch die Luke an seiner Tür an.

»In den 1930er-Jahren war es genau anders herum«, fuhr Walther fort und bekam ein finsteres Funkeln in den Augen. »Hat dir dein Klaus nie von August Müller erzählt, der zu dieser Zeit die Vampire zur überlegenen Rasse erklärt und haufenweise Werwölfe in Deutschland abgeschlachtet hat? So wie du guckst, wohl eher nicht. Dachte ich mir.«

Ich war tatsächlich überrascht, davon zu hören. »Klaus, sagte, dass es hierzulande keine Überlieferungen über die harzer Werwölfe von damals gibt«, murmelte ich.

»Es waren auch keine hiesigen Wölfe. Sie entstammten den Linien aus Nordamerika und anderen Teilen der Welt. Aber was macht das für einen Unterschied? Sie werden nicht erfreut darüber sein, was die Vampire ihren Artgenossen angetan haben und Rache verüben wollen. Ihr wisst nicht, auf was ihr euch da einlasst. Diese Leute sind Monster.«

»Nur weil du so rachsüchtig bist, muss das nicht für jeden auf der Welt gelten.«

Walther lachte zur Antwort ein tiefes Reibeisenlachen. »Kurz nachdem der Fluch gesprochen wurde, hat Friedrich Antonia getötet. Feige von hinten erstochen hat er sie, genau in ihr reines Herz! Es gibt nichts Gutes in diesen Tieren«, erzählte er den traurigen Rest der Geschichte.

»Ich bin eine von diesen Tieren und ich bin keine Bestie«, versuchte ich ihm zu erklären.

Aber Walther lachte nur erneut.

»Hast du den Anfang meiner Geschichte schon wieder vergessen? Du bist mit den Mikaelsons befreundet. Wer diese Familie seine Freunde nennt, ist kein geringeres Monster als sie selbst. Und du bist ein Hybrid. Ich denke nicht, dass diese Werwölfe dich noch als eine von ihnen akzeptieren werden. Du bist zur Hälfte das, was sie mehr als alles andere verabscheuen. Vorausgesetzt, du überlebst das Brechen des Fluches überhaupt.«

Walther lachte erneut gehässig, eher er mich durch die Luke angriente.

»Ob ich etwas darüber sagen kann? Deswegen bist du doch eigentlich hier, nicht wahr? Ob deine Werwolflinie genauso in Hybriden verwandelt werden können, wie die Werwölfe aus Nordamerika oder ob du vom Tage deiner Verwandlung des Todes geweiht sein wirst?«, versuchte Walther, mich zu provozieren.

Der gerade erst entfachte Funke an Sympathie für ihn war somit ruckzuck wieder verflogen.

»Und, weißt du etwas darüber?«, fragte ich und versuchte, so zu klingen, als ob ich selbst schon längst alles darüber wüsste.

»Für einen weiteren Schluck Blut würde ich es dir verraten.«

Ich goss Walther noch etwas Blut nach und reichte es ihm.

»Eigentlich wollte ich noch mehr von Edith hören. Aber gut, rede weiter«, sagte ich und lauschte seinen Worten.

Leider redete er tatsächlich über Edith, anstatt mir etwas über meine Hybridenverwandlung zu erzählen. Dieser Schachzug ist nach hinten losgegangen. Oder er weiß doch nicht so viel, wie er vorgibt.

»Antonias Familie hat es streng geheim gehalten, dass ihr kleiner Bruder in Wahrheit Antonias unehelicher Sohn war. Sie hatte mit 14 Jahren eine kurze Liaison mit einem der Burschen aus dem Nachbarort. Als ich davon erfuhr, beschloss ich, ein Auge auf den Jungen und seine Nachkommen zu haben. So fühlte ich mich Antonia über mehrere Generationen hinweg noch immer verbunden. Außerdem schloss ich ein Bündnis mit den fünf Hexenzirkeln, die schworen, den Fluch aufrecht zu erhalten, der die Werwölfe in Schach hielt. Ein Zirkel entsagte der Hexerei und ich verlor irgendwann die Spur seiner Nachkommen. Den Werwolfsgürtel teilten sich die übrigen Zirkel unter sich auf, um ihn für alle Zeit sicher zu verwahren.

Die Wirren der Neuzeit führten dazu, dass ich die Spur zu Antonias Nachkommen irgendwann verlor. Erst in den 1960er-Jahren traf ich auf Edith. Sie glich meiner Antonia damals auf verblüffende Weise. Ich fühlte mich wie in einen lang vergangenen Traum versetzt.«

»Erspar mir die Details, bitte«, unterbrach ich Walthers amourösen Erinnerungen.

»Keine Sorge. Sie war zu dem Zeitpunkt bereits mit Reinhard, diesem nutzlosen Taubenzüchter verlobt. Außerdem hatte ich mir nach Tonis Tod geschworen, nie wieder eine Frau zu lieben. Nach dem Vorfall mit den Mikaelsons wollte ich niemals wieder eine Schwäche haben. Die Liebe ist eine Schwäche, nicht wahr, Maria? Diesen Fehler wollte ich kein zweites Mal begehen. Dennoch war ich froh, die alten Bande erneut zu knüpfen. Ich erzählte Edith alles und sie versprach, dafür zu sorgen, dass der Fluch ungebrochen bleibt.

Die Urvampire beobachtete ich nach wie vor aus sicherer Entfernung. Ich wollte nichts überstürzen und wartete geduldig auf den richtigen Moment. K.P. half mir dabei, mich mit den nötigen Informationen zu versorgen, was dieser Abschaum so alles in Mystic Falls trieb. Dann zogen sie nach New Orleans und beinahe hätte ich meine Chance nutzen können, bis mir dieser Wurm Marcel mit seiner Über-Vampir-Tinktur einen Strich durch die Rechnung machte. Verdammt sei er.«

Mein Kopf begann zu dröhnen, bei all den Informationen. Die Frage danach, wer K.P. ist, verkniff ich mir.

»Als Edith schließlich davon erfuhr, dass die Mikaelsons nach Eichenstedt kamen, läuteten bei uns sofort alle Alarmglocken. Nachdem diese Bestie Niklaus ein Hybrid war, lag es auf der Hand, was er hier wollte. Ich trommelte meine besten Leute zusammen, um Pläne gegen ihn und seine beschissene Familie zu schmieden. Den Rest kennst du ja«, beendete Walther seine Erzählungen.

Das tat ich, mehr als mir lieb war.

»Denkst du aber, dass ihr das Recht hattet, unschuldige Menschen zu verletzten oder zu töten? Ihr seid es, die in dieser Geschichte die Bösen sind und dafür müsst ihr euch verantworten. Das macht dir Angst, nicht wahr? Deshalb willst du verhindern, dass wir den Fluch brechen. Dir könnte es dann gewaltig ans Leder gehen«, provozierte ich ihn.

»Maria, Schätzchen. Tu nicht so scheinheilig«, griente er mir aus dem Zwielicht seiner Zelle zu. »Du hast auch bereits getötet. Jessica. Die erste Vampirin, der du feige von hinten das Herz aus der Brust gerissen hast. Du erinnerst dich an sie und dass du sie anschließend wie Müll in einer Tonne entsorgt hast. Sie war ein guter Mensch. Konnte fantastisch Klavier spielen.«

»Sie wollte einen hilflosen älteren Mann auf offener Straße töten. Und sie war ein Vampir, kein Mensch. Ich würde niemals -«

»Niemals einen Menschen töten, wolltest du sagen?« Walther lachte auf. »Wie kannst du dir so sicher sein, dass du das nicht bereits hast?«

»Wie meinst du das?« Mein Herz begann allein bei der Vorstellung zu rasen.

»Der Kampf im Eichenstedter Forst. Es waren nicht nur Vampire, gegen die ihr da gekämpft habt. Es waren manipulierte Menschen darunter. Ich fand die Vorstellung einfach zu komisch, dass das selbst ernannte Engelchen Maria auf diese Weise zu dem wird, was sie am meisten hasst, einfach zu witzig. Ist doch witzig, oder? Allein dein Gesichtsausdruck war die Sache wert.«

Ich konnte nicht glauben, was Walther mir da unterbreitete, und mir wurde schlecht – speiübel. Sollte es wirklich stimmen, dass ich einen Menschen getötet hatte? Ich konnte gerade noch verhindern, mich zu übergeben, als Walther einfach weitersprach, als ob nichts gewesen wäre.

Er setzte sich stumm auf den kalten Boden seiner Zelle. »Falls du den kommenden Samstag überlebst, wirst du eines Besseren belehrt werden, Maria«, kam er auf das Thema Fluch zurück. »Vielleicht kann dir Ediths Buch dabei helfen. Auf einer Seite, nach dem Kapitel über Vampire. Mehr weiß ich wirklich nicht. Danke für das Blut.«

Walther kroch zurück in seine stille Ecke und ich warf ihm noch einen Blutbeutel in sein Verlies. Als letzten Akt der Dankbarkeit.

Dann ging ich, den Kopf dröhnend voll mit all den Geschichten, die er mir erzählt hatte.

Auf der Treppe stand im Halbdunkel plötzlich eine Gestalt vor mir. Klaus. Er musste mitbekommen haben, dass ich in den Keller zu Walther gegangen bin. Er sagte nichts. Er stand nur da und schaute mich nichtssagend an. Ich schaute eine Weile zurück und überlegte, was ich sagen könnte. Doch ich nickte nur flüchtig zum Gruße und dann ging ich.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top