»KLAR, DASS DU MICH EHER ALS LORD VOLDEMORT BETRACHTEST«
AUF DEM PARKPLATZ wartete Klaus bereits auf mich. Ich machte die Beifahrertür seines schwarzen Ford Expedition auf und setzte mich wortlos rein. Plötzlich fühlte ich mich wie ein kleines Kind und erinnerte mich an die Worte meiner Eltern, nie zu Fremden ins Auto zu steigen. Für einen Moment kam mir tatsächlich der Gedanke, dass ich dieses törichte Handeln mit meinem Leben bezahlen könnte.
»Hallo, Klaus«, war zunächst das Einzige, was ich herausbrachte.
Klaus selbst freute sich anscheinend über diese unerwartete Wendung der Geschichte.
»Hallo, Liebes. Was gibt es Spannendes zu berichten?«, fragte er grinsend. »Warum denn so nervös? Ich beiße doch nicht«, fügte er höhnisch lachend hinzu.
Dann fiel mir ein, dass Vampire und besonders Urvampire dazu fähig waren, die Herzschläge ihres Gegenübers zu hören.
Verdammt!
Klaus amüsierte sich köstlich über meine Unsicherheit. Ich indes fühlte mich wie in einem Ganovenfilm oder einem illegalen Waffenhandel verwickelt. Aber es war zu spät, sich aus der Affäre zu ziehen. Nun musste ich meinen Plan durchziehen. Ob es ein Fehler war oder nicht, würde ich schon früh genug herausfinden.
Ich hörte auf, mir zu viele Gedanken zu machen, welche die Situation nur noch verkomplizieren würden und begann, Klaus von Alarics Kurs zu erzählen.
»Und dann kam er auf die Himmelsscheibe von Nebra zu sprechen und meinte, dass sie für einen Zauber verwendet worden sein könnte, der Menschen in Tiergestalten bannt«, schilderte ich. »Laut Rics Recherchen soll es hier früher wirklich einmal Werwölfe gegeben haben.«
Klaus hörte aufmerksam zu und der Klugscheißer in mir fand Gefallen daran, einem über tausend Jahre alten Vampir etwas offensichtlich Neues erzählen zu können. Meine Nervosität ließ nach.
»Und es wird noch besser!«, fuhr ich voller Begeisterung fort, drehte ich mich zu Klaus hin und erzählte ihm von Linda und ihrer Hexen-Uroma.
Auch erwähnte ich ihr eisenkrautverseuchtes Amulett, den Kräutertee gegen böse Dämonen und natürlich die vermeintlichen Hexenbücher. Als ich Klaus schließlich die Arbeitsblätter, die uns Alaric zum Schluss gab, in die Hände drückte, stellte sich wieder ein leichtes Gefühl des Unrechts bei mir ein. War es wirklich der richtige Weg, den ich eingeschlagen hatte oder hieß es für mich nun Good Vampire Gone Bad? Hatte ich Linda und ihre Familie jetzt da mitreingerissen und in Gefahr gebracht? Mir wurde ein wenig übel.
Klaus jedenfalls schien lebhaftes Interesse an meinen Informationen zu haben und grinste bis über beide Ohren, als er die Arbeitsblätter durchsah.
»Wir müssen es irgendwie schaffen, einen Blick in diese Bücher zu erhaschen. Meine Schwester Freya kann die Schriften darin mit Sicherheit entziffern«, sagte Klaus nach einer Weile und ich war mir nicht sicher, ob er mit wir nur seine Familie oder seine Familie und mich meinte.
In was bin ich hier nur reingeraten?
Dann tat ich mal wieder etwas Dummes und völlig Unüberlegtes und stellte eine Frage, die ich noch im selben Moment bereute, überhaupt gefragt zu haben.
»Aber Klaus, sag mal«, fing ich an. »Wenn deine Mutter eine Hexe war, dann müsstest du doch eigentlich auch ein Hexer oder Zauberer oder so was sein? Also wenn du kein Vampir wärst?«
Klaus grinste amüsierter als eh schon. »Das ist richtig«, antwortete er.
Da musste ich auf einmal unwillkürlich schmunzeln und haute noch mehr verrückte Dinge raus, die ich vielleicht lieber hätte ungesagt lassen sollen.
»Irgendwie kann ich mir dich gar nicht als Hexer vorstellen. So mit Mantel, spitzem Hut und Zauberstab.«
Ich dachte für einen Augenblick, dass nun endgültig mein letztes Stündlein geschlagen hätte, als mich Klaus finster anfunkelte. Aber bei so viel Unsinn, den ich von mir gab, musste sogar der gefürchtete Urvampir lachen.
»Schon klar, dass du mich eher als Lord Voldemort oder Gargamel betrachtest, denn als Gandalf den Grauen oder Merlin«, antwortete er und schüttelte amüsiert den Kopf.
»Nun, ja.« Mehr konnte ich nicht sagen, denn mir wurde bewusst, dass wenn ich ihn damit beleidigt hätte, es jetzt vielleicht Aus mit mir wäre.
Aber Klaus schien tatsächlich mehr Sinn für Humor zu haben, als ich dachte. Das Lachen war nicht nur vorgespielt – als Ablenkung vor dem Todesstoß. Oder er riss sich einfach zusammen, um mich als Informantin nicht zu vergraulen. Ich tippte auf Letzteres.
Da die Stimmung gerade einigermaßen locker zu sein schien, versuchte ich den übernatürlichen Small Talk weiter zu führen und ergänzte, dass ich es mir genauso wenig vorstellen könne, dass er sich in einen Wolf verwandeln kann.
Strapazier dein Glück nicht zu sehr, Maria!
»Dann pass mal gut auf«, sagte Klaus mit einem Augenzwinkern und daraufhin fingen eben diese wieder an, goldgelb aufzuleuchten.
Dann ging er kurz in sich und es geschah das mit Abstand Gruseligste, was ich je gesehen hatte.
Sein Gesicht begann monströse Züge zu entwickeln. Nicht so wie blutgierige Vampire. Viel animalischer. Ihm wuchs ein Fell und seine Fangzähne waren um ein Vielfaches größer als bei uns Vampiren. Selbst Klaus Hände veränderten sich und nahmen die Gestalt von Pfoten an. So was hatte ich wirklich noch nie gesehen. Jedenfalls nicht in echt. Und selbst in Filmen sah es nicht annähernd so beeindruckend aus. Klaus brach die Verwandlung jedoch ab und nahm wieder sein normales Äußeres an.
»Weiter führen wir den Spaß lieber nicht aus. Ich habe keine Klamotten zum Wechseln dabei«, sagte er und grinste noch hämischer.
»Äh, ja, natürlich. Ich, ich schätze, das reicht mir als Beweis«, stammelte ich immer noch völlig perplex von dem eben Gesehenen.
So endete dann auch unser geheimes Treffen auf dem Parkplatz. Ich nahm die Arbeitsblätter wieder an mich und stieg etwas benommen aus dem Auto.
»Wie es aussieht, könnten wir doch noch Freunde werden, Maria«, meinte Klaus zum Abschied.
»Vielleicht«, antwortete ich und bereute auch dies, noch bevor ich es komplett ausgesprochen hatte.
So weit wollte ich es eigentlich nicht kommen lassen.
»Aber wenn ich mitbekomme, dass du hinter meinem Rücken irgendetwas Übles planst, was meiner Heimatstadt schaden könnte, dann sei dir gewiss, Klaus Mikaelson, dass ich deine erbittertste Feindin sein werde.«
Ein plötzlicher Anfall von Übermut überkam mich.
»Und es ist nicht nötig, mich daran zu erinnern, dass ich keine Chance gegen dich und deine Urvampir-Familie habe. Mach's gut, Klaus.« Ich schlug die Autotür hinter mir zu und ging.
Ich konnte es nicht sehen, aber ich stellte mir dennoch vor, dass Klaus sich weiterhin köstlich über meine Torheit amüsierte. Doch als er gerade losfahren wollte, hebelte er noch einmal die Scheibe des Autos herunter und fragte nach meinem Gesundheitszustand. Ich dachte, mich trat ein Pferd!
»Wie geht es dir eigentlich, Maria? Hast du immer noch irgendwelche Symptome?«
»Mir gehts gut, Klaus. Danke der Nachfrage.«
Natürlich stimmte das nicht. Aber was ging es ihn an? Als kränkelnder Vampir hatte ich schließlich noch weniger Chancen, ihn zu vertreiben. Klaus nickte stumm und fuhr endlich los.
Ich fühlte mich nun nicht mehr wie ein Geheimagent, sondern vielmehr wie eine ganz eigene Task Force. Auch wenn es vermutlich ein Himmelfahrtskommando war, so hatte ich dennoch meinen Standpunkt noch einmal deutlich gemacht. Ich handelte selbstständig und traf meine eigenen Entscheidungen in dieser Vampirwelt. Ich wollte mich von niemanden mehr beeinflussen lassen und stattdessen selbst herausfinden, wem ich trauen konnte und wem nicht. Und vor allem wollte ich es selbst sein, die meine Heimatstadt beschützte.
Eine neue Ära in meinem Vampirleben hatte begonnen und ich hatte das Gefühl, dass ich nicht umsonst zu einem Vampir wurde. Das alles musste mir passieren, damit ich auf Eichenstedt und die Bürger der Stadt aufpassen konnte. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob ich in Bezug auf Linda und ihrer Oma das Richtige getan hatte, ging ich an diesem Abend dennoch mit einem gestärkten Selbstbewusstsein und der Hoffnung, dass ich letzten Endes vielleicht doch noch meinen Frieden mit meiner neuen Existenz finden kann, nach Hause.
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